eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 13/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
Die Hamburger Projektmanagementexpertin Cornelia Stehr hat das „Diakonische Werk Schleswig-Holstein“ bei der Einführung des Projektmanagements beraten. Sie hat über Jahre im Gesundheitswesen und Sozialbereich gearbeitet - Erfahrungen, die ihr bei Verständnis und Beratung sozialer Organisationen zugute kommen.
2002
133 Gesellschaft für Projektmanagement

„Projektmanagement kann helfen, solche Ziele zu erreichen.“

2002
Oliver Steeger
P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 2 19 Projektmanagement scheint nun auch im Gesundheitswesen und im Sozialbereich Fuß zu fassen. Das verwundert auf den ersten Blick. Cornelia Stehr: Verwundert? Weshalb? Eine projektorientierte Wohlfahrtsinstitution - das mutet sehr wirtschaftsorientiert an. Immerhin geht es um den Dienst am Nächsten. Cornelia Stehr: Ich sehe hier keinen Widerspruch. Sicherlich, die Ziele in diesen Organisationen und Institutionen unterscheiden sich von denen der Wirtschaft. Dennoch unterliegen die Organisationen betriebswirtschaftlichen Zwängen - wie Unternehmen der Wirtschaft auch. Was spricht dafür, den Organisationen Projektmanagement zu empfehlen? Cornelia Stehr: Die Organisationen suchen effektivere Arbeitsweisen. Diese Effektivität soll letztlich den Menschen zugute kommen, die diese Organisationen in Anspruch nehmen. Projektmanagement kann hier helfen, soziale Ziele zu erreichen. Also Projektmanagement als ein Weg, mehr aus den vorhandenen Mitteln zu machen? Cornelia Stehr: Ja! Diese Mittel sind leider nicht mehr so üppig vorhanden wie noch vor Jahren. Ob Krankenkasse oder Wohlfahrtsverband - alle werden zum Sparen gezwungen. Hier kann Projektmanagement in der Tat helfen, vorhandene Ressourcen besser auszuschöpfen. Zugleich steigen die Herausforderungen. Neue Dienstleistungen müssen entworfen werden. Im Bereich Gesundheit denke ich an Vorsorgemaßnahmen. Für Wohlfahrtsverbände gilt Ähnliches. Hier gibt es Konzepte, Menschen auf neuen Wegen zu helfen. Mit einem Wort, der Bereich steht unter Innovationsdruck bei knappen Kassen … Cornelia Stehr: Genau. Die Rahmenbedingungen ändern sich. Hier kann Projektmanagement Effizienz und Innovation herbeiführen. Das haben einige Organisationen erkannt, und es scheinen mehr zu werden, die Interesse am Projektmanagement anmelden. Sie haben von Projektmanagement gehört und überlegen, wie sie es für ihre Ziele verwenden können. Die Bereitschaft, vom Projektmanagement als Führungs- und Organisationskonzept zu lernen, ist groß. Nochmals zurück zur Ausgangsfrage. Diese Organisationen sind keine Wirtschaftsunternehmen im herkömmlichen Sinne. Hier geht es nicht um Produkte und Märkte, sondern um Menschen. Was bedeutet dies, wenn man in diesem Bereich Projektmanagement einführt? Cornelia Stehr: Vorbedingung ist, dass die Organisationen sich über ihre Ziele im Klaren sind und wissen, wo sie hinwollen. Erst dann kann man sehen, welche Dienste Projektmanagement hier leisten kann. Zudem ist wichtig, dass Projektmanagement von Vorständen und Geschäftsführern unterstützt wird. Hier sind ein deutliches Bekenntnis und aktive Unterstützung nötig. „Projektmanagement kann helfen, soziale Ziele zu erreichen.“ Interview mit der Hamburger Projektmanagementexpertin Cornelia Stehr Oliver Steeger Die Hamburger Projektmanagementexpertin Cornelia Stehr hat das „Diakonische Werk Schleswig-Holstein“ bei der Einführung des Projektmanagements beraten. Sie hat über Jahre im Gesundheitswesen und Sozialbereich gearbeitet - Erfahrungen, die ihr bei Verständnis und Beratung sozialer Organisationen zugute kommen. Cornelia Stehr: „Projektmanagement kann helfen, die Ressourcen sozialer Organisationen besser zu nutzen.“ Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 2 20 REPORT Wie reagieren die Menschen, die im sozialen Bereich tätig sind, auf Projektmanagement? Cornelia Stehr: Es gibt in der Tat einige Unterschiede zur freien Wirtschaft. Wie gesagt, im sozialen Bereich steht der Mensch im Zentrum der Arbeit. Dies färbt auf die Mentalität und auf das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab, die hier tätig sind. Beispielsweise ist Mitarbeiterorientierung stark ausgeprägt. Viele Organisationen werden unter humanistischen Gesichtspunkten geführt. Neben den Aspekten qualitativ hochwertiger Dienstleistungen, niedriger Kosten und Zeitersparnis werden immer die Person des einzelnen Mitarbeiters sowie die Gruppe und die Umwelt im Zentrum des Handelns stehen. Allein mit dem magischen Dreieck des Projektmanagements (Qualität, Zeit und Budget) kommt man also nicht voran? Cornelia Stehr: Das Dreieck ist gut und wichtig. Es muss nur entsprechend ergänzt werden. Im sozialen Bereich geht es ja nicht um Entwicklung neuer Produkte, die sich gewissermaßen vom Menschen lösen lassen. Vielmehr müssen diejenigen, die helfen und denen geholfen wird, ins Projektmanagement integriert werden. Sie müssen partizipieren können. Ein Beispiel? Cornelia Stehr: Im sozialen Bereich hat die Gruppe eine besondere Bedeutung. Projektmanagement, das Teamarbeit fördert und zugleich über die Grenzen von Abteilungen hinweg Menschen zusammenbringt, trifft in sozialen Organisationen auf gutes Feedback. Ein anderes Beispiel: In den Organisationen werden Mitarbeiter mit ihren Stärken und Schwächen ganzheitlich, aus den humanistischen Leitgedanken heraus gewürdigt. Ein wesentliches Ziel ist es, dass sich Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen, sich entfalten können und Feedback auf ihre Arbeit erhalten. Dem müssen PM-Konzepte Rechnung tragen, wenn sie hier wirksam werden wollen. Aus diesem Grunde hat das Diakonische Werk Schleswig-Holstein in seinen Projektmanagement-Leitlinien nicht nur Organisation und Prozesse beschrieben, sondern ein eigenes Kapitel auch der Projektkultur und dem Miteinander gewidmet. Wie kann so etwas in der Praxis aussehen? Cornelia Stehr: Teambildung hat in diesem Bereich einen sehr hohen Stellenwert. Hintergrund ist nicht allein, die Effizienz der Teamarbeit zu verbessern. Es geht auch um Arbeitsbedingungen aus der besagten humanistischen Perspektive. Ähnlicher Wert wird darauf gelegt, dass alle am Projekt Beteiligten und vom Projekt Betroffenen ins Boot geholt werden. Hier kann die Stakeholder-Analyse diesen Prozess unterstützen, methodisieren und standardisieren. Gibt es auch Vorbehalte gegen Projektmanagement? Cornelia Stehr: Ich meine, dass die strenge Ergebnisorientierung und Methodik des Projektmanagements im sozialen Bereich Ressentiments aufbauen kann. Die Menschen fühlen sich kontrollierbarer, sie sind autonomes Arbeiten oder auch Routinen gewöhnt. Bei der Einführung von Projektmanagement ist es deshalb wichtig, über die neuen Methoden und Arbeitsweisen gründlich zu informieren. Und man darf nicht vergessen, die bisherigen Arbeitsweisen wertzuschätzen. ■