eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0034
511
2020
312 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement

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2020
Christoph Schneider
Yvonne Schoper
Christine Treiber
Andreas Wald
An der aktuellen Gehaltsstudie 2019 beteiligten sich 1.650 Personen, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. Auch der Anteil der Frauen erreichte mit 23 % den höchsten Wert seit Beginn der Studienreihe. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt lag 2019 in Deutschland einschließlich aller leistungsorientierter Bezüge bei 87 TEUR, was im Vergleich zu 2017 einer Steigerung von 9 % entspricht. Dabei entfallen 91 % auf das Fixgehalt und 9 % auf flexible Bezüge. Die besten Verdienstmöglichkeiten bestehen in der Automobilindustrie und in Großunternehmen, den stärksten Einfluss auf das Gehalt haben die Hierarchiestufe und die Berufserfahrung. In der aktuellen Studie lässt sich wie zuvor ein deutlicher Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen feststellen, der aktuell bei 11,3 % zum Nachteil der Frauen liegt. Erstmals wurden agile Vorgehensmodelle abgefragt, die inzwischen in vielen Unternehmen Anwendung finden. Dabei können wir nachweisen, dass unter volatilen Projektrahmenbedingungen der Einsatz agiler Ansätze einen positiven Einfluss auf den Erfolg von Projekten hat.
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So viel verdienen Projektmanagerinnen und Projektmanager im Jahr 2019 Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement Christoph Schneider, Yvonne Schoper, Christine Treiber, Andreas Wald Für eilige Leser | An der aktuellen Gehaltsstudie 2019 beteiligten sich 1.650 Personen, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. Auch der Anteil der Frauen erreichte mit 23 % den höchsten Wert seit Beginn der Studienreihe. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt lag 2019 in Deutschland einschließlich aller leistungsorientierter Bezüge bei 87-TEUR, was im Vergleich zu 2017 einer Steigerung von 9-% entspricht. Dabei entfallen 91-% auf das Fixgehalt und 9-% auf flexible Bezüge. Die besten Verdienstmöglichkeiten bestehen in der Automobilindustrie und in Großunternehmen, den stärksten Einfluss auf das Gehalt haben die Hierarchiestufe und die Berufserfahrung. In der aktuellen Studie lässt sich wie zuvor ein deutlicher Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen feststellen, der aktuell bei 11,3-% zum Nachteil der Frauen liegt. Erstmals wurden agile Vorgehensmodelle abgefragt, die inzwischen in vielen Unternehmen Anwendung finden. Dabei können wir nachweisen, dass unter volatilen Projektrahmenbedingungen der Einsatz agiler Ansätze einen positiven Einfluss auf den Erfolg von Projekten hat. Schlagwörter | Gehaltsstudie, Gerechtigkeitsdefizit, Jahresgesamtgehalt, Einkommensunterschied Zielsetzung, Vorgehensweise und Stichprobe Wie viel verdienen Projektmanagerinnen und Projektmanager unter Berücksichtigung ihrer Position, ihrer Qualifikation sowie ihrer Branchen- und Unternehmenszugehörigkeit? Die Beantwortung dieser Fragen ist Kern der seit 2005 im zweijährigen Rhythmus durchgeführten Gehalts- und Karrierestudie. Die Ergebnisse sollen gleichermaßen für im Projektmanagement tätige Personen und Unternehmen zur Orientierung dienen. Die stetig steigende Teilnehmerzahl und das große Interesse an den Ergebnissen belegen die hohe Bedeutung dieser Studienreihe: Bei der ersten Studie 2005 hatten sich 213 Personen an der Online-Befragung beteiligt, in der aktuellen Studie sind es 1.650, davon 1.199 aus Deutschland. Die restlichen Teilnehmer stammten aus Österreich (346), der Schweiz (65) und einigen weiteren Ländern (11). In den folgenden Ausführungen wird der Fokus ausschließlich auf die Antworten aus Deutschland gelegt. An der Studie beteiligten sich in Deutschland 23,5- % Frauen, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. Das durchschnittliche Alter lag bei 41 Jahren, dieser Altersdurchschnitt ist in allen Studien annähernd konstant geblieben. Der Akademikeranteil in der Stichprobe ist sehr hoch. Der überwiegende Teil der Befragten verfügt über einen Studienabschluss (82- %), der primär im Ingenieurswesen (37-%) und in den Wirtschaftswissenschaften (32-%) absolviert wurde. Weitere 13- % haben Mathematik beziehungsweise Informatik studiert, 9-% stammen aus den Naturwissenschaften und 6- % aus den Sozialwissenschaften. Der Branchenschwerpunkt der Befragten liegt in der Dienstleistungsindustrie (27- %), gefolgt vom IT-/ Telekommunikationssektor (17- %), dem produzierenden Gewerbe (10- %), der Automobilindustrie (9- %) und dem Anlagen-/ Maschinenbau (6-%). Alle anderen Wirtschaftszweige sind mit 6-% oder einem geringeren Anteil vertreten. Über die Hälfte der Studienteilnehmer sind in Großunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern oder einem Umsatz von über 100 Millionen Euro beschäftigt. In Kleinunternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern oder einem Umsatz von höchstens zehn Millionen Euro sind 16-% beschäftigt. GPM-Themen Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0026 31. Jahrgang · 02/ 2020 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 59 28.04.2020 14: 40: 15 Gehaltsstrukturen im Projektmanagement Die Höhe des Gehalts wird von einer Vielzahl verschiedener Faktoren bestimmt. Diese Faktoren sind teilweise individuell beeinflussbar wie zum Beispiel die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, die Übernahme von Verantwortung oder die Entwicklung spezifischer Berufserfahrung. Teilweise handelt es sich um strukturelle Rahmenbedingungen wie die Unternehmensgröße oder die Branche. Schließlich spielen auch nicht beeinflussbare persönliche Merkmale eine Rolle wie Geschlecht, Berufserfahrung oder Alter. In den folgenden Ausführungen wird das Alter aufgrund einer hohen statistischen Übereinstimmung über die Berufserfahrung moderiert. Das Jahresgesamtgehalt wurde aus dem festen monatlichen Grundgehalt (brutto), flexiblen Bezügen wie leistungsbezogenen Gehaltsanteilen, Sonderzahlungen, Prämien, vermögenswirksamen Leistungen sowie sonstigen Leistungen wie Dienstfahrzeug, Diensthandy oder sonstige Sachbezüge berechnet. Die Angaben von Teilzeitbeschäftigten wurden auf Angaben für Vollzeitbeschäftigte hochgerechnet. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt (brutto) inklusive aller flexiblen Bezüge und Sonderzahlungen lag 2019 in Deutschland im Durchschnitt bei 87- TEUR. Davon entfielen 91- % auf das Grundgehalt und 9- % auf die flexiblen Entlohnungsanteile (vgl. Tab. 1). Gegenüber 2017 verdienen Projektmanager in Deutschland etwa 7.000 Euro mehr, was einer Steigerung um ca. 9-% entspricht. Ein Blick auf die Standardabweichung zeigt eine ausgeprägte Spreizung zwischen den unteren und den oberen Einkommen. Welche Faktoren für diese Unterschiede verantwortlich sind, werden wir in den folgenden Analysen aufzeigen. Abbildung 1: Einflussfaktoren auf das Gehalt Abbildung 2: Zusammensetzung des Jahresgesamtgehalts Tabelle 1: Grundgehalt und leistungsbezogene Entlohnungsanteile 2019 GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 60 28.04.2020 14: 40: 16 Strukturelle Einflussfaktoren: Branche und Unternehmensgröße Zu den individuell wenig beeinflussbaren Rahmenbedingungen, die einen Einfluss auf das Gehalt haben können, gehören Branche und Unternehmensgröße. Die Daten zeigen, dass in Deutschland die Branche starke Auswirkungen auf die Höhe des Gehalts hat. Zwischen der Automobilindustrie, in der die höchsten Gehälter erzielt werden können (107- TEUR), und dem IT-/ Telekommunikationssektor (73-TEUR), in der die geringsten Gehälter zu verzeichnen sind, liegen 34- TEUR Differenz. Grundsätzlich scheinen die Verdienstmöglichkeiten in Unternehmen des produzieren- Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Gehalt und Unternehmensgröße Abbildung 3: Gehaltsstruktur nach Branchen den Gewerbes wie Pharma/ Chemie, Elektrotechnik oder Maschinen- und Anlagenbau sowie im Finanzdienstleistungssektor besser zu sein als im Transportwesen, der Logistik, im Baugewerbe oder dem Dienstleistungssektor außerhalb der Finanzindustrie. Ein weiterer Einflussfaktor für die Höhe des Gehalts ist die Unternehmensgröße. Im Durchschnitt verdienen Projektmitarbeiter mit zunehmender Unternehmensgröße mehr: Während Projektmanagerinnen und Projektmanager in Unternehmen mit maximal 100 Mitarbeitern oder einem Umsatz von bis zu 50 Mio. Euro durchschnittlich etwa 77 TEUR verdienen, beläuft sich dieser Betrag in Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern oder mehr als einer Milliarde Umsatz auf etwa 100-TEUR. Zusammenhang von Geschlecht und Gehalt In den vorangegangenen Gehaltsstudien hatten wir im Berufsfeld Projektmanagement einen eklatanten Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen festgestellt, der in der Spitze im Jahr 2015 fast 24- % in Deutschland [GPM 2015] und 2017 14- % betrug [GPM 2017]. Auch in der aktuellen Befragung lässt sich diese geschlechtsspezifische Gehaltslücke nachweisen: Im Durchschnitt verdienen Frauen in Deutschland (um Teilzeitanteile bereinigt) mehr als 11-% weniger als Männer. Beim Fixgehalt liegt der Unterschied bei 9-%, bei den variablen Gehaltsbestandteilen beträgt er sogar 37-% (vgl. Tab. 3). Um auszuschließen, dass dieser Gender Pay Gap auf eine zufällige Ungleichverteilung verschiedener Einflussfaktoren zurückzuführen ist, wurde der geschlechtsspezifische Gehaltsunterschied nach verschiedenen Kriterien wie beispielsweise Projektmanagement-Hierarchiestufe, Verantwortungsbereich und Berufserfahrung analysiert. GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 61 28.04.2020 14: 40: 17 Tabelle 2: Gehaltsstruktur nach Geschlecht Tabelle 3: Gehaltsstruktur nach Geschlecht und PM-Stufe Abbildung 5: Berufserfahrung, Geschlecht und Einkommen Auch diese differenzierten Analysen bestätigen die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. Eine nach Projektmanagementstufe (PM-Stufe) differenzierte Analyse zeigt, dass Männer in fast jeder PM-Stufe mehr verdienen als Frauen. Am stärksten ist der Unterschied auf der höchsten Stufe, der der Partner, Projekt-Direktoren oder Leiter eines PMO: Hier beträgt der Unterschied 26,3- % (vgl. Tab. 3). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Analyse nach Berufserfahrung im Projektmanagement. Grundsätzlich wirkt sich der Aufbau spezifischer Berufserfahrung im Projektmanagement stark positiv auf die Höhe des Gehalts aus. Ein differenzierter Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede zeigt aber, dass Frauen in Deutschland in nahezu allen Jahreskohorten weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen-- bis auf zwei Ausnahmen: In der Einstiegskohorte bis zwei Jahre Berufserfahrung liegen beide Geschlechter in Deutschland nahezu gleichauf. Die zweite Ausnahme ist die Kohorte mit 16 bis 20 Jahren Berufserfahrung, hier verdienen die Studienteilnehmerinnen sogar signifikant mehr als die Studienteilnehmer. Am stärksten geht die Gehaltsschere in der Kohorte zwischen 11 und 15 Jahren Berufserfahrung auseinander, hier beträgt der Gehaltsunterschied 16,7- % (vgl. Abb. 5). GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 62 28.04.2020 14: 40: 19 Beeinflussbare Einflussfaktoren: PM-Stufe, Verantwortung, PM-Ebene, Berufserfahrung, Zertifizierung Neben den strukturellen Rahmenbedingungen wie Branche oder Unternehmensgröße und den persönlichen Merkmalen wie Berufserfahrung und Geschlecht ist das Gehalt in nicht unerheblichem Maße durch eigene Maßnahmen bestimmt, wie den Weiterbildungsaktivitäten, der Übernahme von Verantwortung, der Wahl der Projektebene (Einzelprojekte, Multiprojektmanagement, Programmmanagement, Projektportfolioebene), der Weiterentwicklung von Methodenkompetenzen oder dem Aufstieg auf eine höhere Projektmanagementstufe. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt ist- - wie auch später noch zu sehen sein wird-- in maßgeblicher Weise von der Projektmanagementstufe abhängig. Nach GPM/ IPMA gibt es fünf Projektmanagementstufen. Während das Jahresgehalt in der Einstiegsstufe (5. Stufe, Projektassistenz) inklusive aller Zusatzleistungen 61- TEUR beträgt, verfügen Projektdirektoren (1. Stufe) über ein jährliches Einkommen von 124- TEUR (vgl. Tab. 4). Der größte Sprung von ca. 28- TEUR ist zwischen Stufe 3 (Projektleiter) Tabelle 4: Gehaltsstruktur nach Projektmanagementstufe Abbildung 6: Jahresgesamtgehalt nach Verantwortung GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 63 28.04.2020 14: 40: 20 Abbildung 7: Jahresgesamtgehalt nach Projektebene und Stufe- 2 (Senior-Projektleiter) zu verzeichnen. Der variable Anteil („sonstige Leistungen“) steigt mit zunehmender PM-Stufe kontinuierlich an. Während dieser Anteil auf der 5. Stufe 5 % beträgt, liegt er bei PM-Direktoren bei 13-%. Auch hier ist der Sprung von der 3. Stufe auf die 2. Stufe am stärksten ausgeprägt. Mit zunehmender Übernahme von Verantwortung steigt das durchschnittliche Jahresgehalt der Mitarbeiter im Projektmanagement kontinuierlich an (vgl. Abb. 6). Während Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung durchschnittlich 60- TEUR im Jahr verdienen, liegt das Durchschnittsgehalt bei Mitarbeitern mit vollumfänglicher Verantwortung bei 121-TEUR pro Jahr. Insbesondere der Sprung von keiner Führungsverantwortung in die Verantwortlichkeit und hier vor allem in die disziplinarische Führungsverantwortung führt zu deutlich höheren Gehältern. Auch die Projektebene, das heißt ob Projektmanagerinnen und Projektmanager auf der Ebene von Einzelprojekten, im Multiprojektmanagement, im Programmmanagement oder auf Projektportfolioebene aktiv sind, hat einen deutlichen Einfluss auf die Höhe des Gehalts. Die höchsten Gehälter können im Programmmanagement erzielt werden, dort liegen Abbildung 8: Zusammenhang zwischen Gehalt und Zertifizierungsstand GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 64 28.04.2020 14: 40: 21 Abbildung 10: Regressionsanalyse: Stärke verschiedener Einflussfaktoren auf das Gehalt Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Gehalt und Kompetenzen in agilen Methoden die durchschnittlichen Jahresgesamtgehälter bei 108- TEUR, auf Projektportfolioebene bei 105-TEUR und im Multiprojektmanagement bei 85- TEUR, während die durchschnittlichen Gehälter auf Einzelprojektebene bei 80-TEUR liegen. Ein nicht eindeutiges Bild ergibt eine Analyse des Gehalts nach dem persönlichen Zertifizierungsstand (vgl. Abb. 8). Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Zertifizierung und der Höhe des Gehalts gibt es bei den beiden höchsten IPMA-Zertifizierungen (Level A und B), dem Zertifikat Project Management Professional (PMP) und den Scrum-Zertifikaten. Ohne Zertifikat liegt das durchschnittliche Gehalt bei über 88- TEUR, was darauf hindeutet, dass die Höhe des Gehalts im Wesentlichen durch andere Faktoren bedingt ist. Zwei Zertifikate deuten darauf hin, dass es lohnenswert ist, sich mit agilen Methoden auseinanderzusetzen: Certified ScrumMaster und Certified Scrum Product Owner. Die Inhaber dieser Zertifikate und insbesondere des Certified Scrum- Masters können überdurchschnittliche Gehälter vorweisen. Dass dieser Zusammenhang nicht durch andere Faktoren überlagert ist, zeigt eine andere Berechnung: In der Onlinebefragung zur aktuellen Studie fragten wir konkret danach, ob agile Methoden (Kanban, Design Thinking, Lean Startup) angewendet werden können. Aus der subjektiven Selbstzuschreibung wurden drei Gruppen gebildet, wobei eine Gruppe geringe bis keine Kompetenzen aufweist, eine Gruppe zumindest über Basiskenntnisse verfügt und eine Gruppe über hohe GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 65 28.04.2020 14: 40: 21 bis sehr hohe Fähigkeiten verfügt, diese agilen Methoden fundiert anzuwenden. Berechnet man für diese drei Gruppen das durchschnittliche Jahresgehalt, erhält man folgendes Ergebnis: Insbesondere die Gruppe mit fundierten Kenntnissen in agilen Methoden kann signifikant höhere Gehälter vorweisen als die Gruppe ohne agile Fähigkeiten (vgl. Abb. 9). Kausalanalyse der Einflussfaktoren auf das Gehalt Wie in den vorangegangenen Ausführungen beschrieben, sind verschiedene Faktoren für die Höhe des Gehaltes verantwortlich, die struktureller, persönlicher oder individueller Art sein können. Um zu überprüfen, welcher dieser Faktoren den stärksten Einfluss auf das Jahresgesamtgehalt hat, wurde eine lineare Regression durchgeführt. Folgende Variablen wurden dabei in der Analyse berücksichtigt: PM-Hierarchiestufe, PM-Bereich, Verantwortungsbereich, Projektgröße, Zertifizierung, Weiterbildung, PM-Berufserfahrung, Unternehmensgröße (nach Umsatzvolumen und Mitarbeiterzahl) und Geschlecht. Aufgrund einer hohen Autokorrelation der Variablen Unternehmensgröße nach Umsatzvolumen und Anzahl der Mitarbeiter wurde letztere Variable aus dem Modell entfernt, diese hatte in den Berechnungen zudem geringere Werte (Beta-Werte). Die Variablen Weiterbildung, PM-Stufe, Projektumfang und Zertifizierung wiesen geringe Werte (Beta-Werte) auf und waren nicht signifikant, sodass auch diese ausgeschlossen wurden. Aus den verbliebenen Variablen wurde schließlich das in Abb. 10 dargestellte Modell berechnet, an dem sich erkennen lässt, wie stark die einzelnen Faktoren die Höhe des Gehalts im Projektmanagement beeinflussen. Insgesamt erklären die in dem Modell berücksichtigten Variablen bei einem hohen Signifikanzniveau (p-≤-0,01) 23-% der Varianz. Das größte Gewicht hat die Projektmanagement-Hierarchiestufe, die unter den Variablen einen Einfluss von 32- % aufweist. Auch die PM-Berufserfahrung mit 28- % und die Unternehmensgröße (21- %) haben einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Gehalts. Agilität in Unternehmen und Projekten Vor dem Hintergrund einer zunehmend volatilen, unsicheren und komplexen Arbeitswelt gewinnt das agile Management zunehmend an Bedeutung. Ursprünglich wurden agile Vorgehensweisen bei der Entwicklung von Softwareentwicklungsprojekten eingesetzt [Sheffield 2012]; sie gewinnen inzwischen auch in anderen Bereichen, insbesondere in Innovationsprojekten an Bedeutung [Lill 2019]. Agile Methoden und Prinzipien beschränken sich nicht auf den Einsatz in Projekten, sondern können auch auf Ebene des gesamten Unternehmens Verwendung finden [Moreira 2017]. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung wurde Agilität in dieser Gehaltsstudie als Schwerpunktthema aufgegriffen. Im Erkenntnisinteresse stand, inwieweit agile Prinzipien mit welchem Ergebnis in den Organisationen zum Einsatz kommen. Dabei wurde darauf geachtet, die Einflussfaktoren- - agiles Mindset und agile Methoden-- vom Ergebnis, der Agilität auf Projektebene, zu trennen. Ebenso separat betrachtet wurden die Volatilität des Projektumfeldes sowie die agilen Kompetenzen der Mitarbeiter (vgl. Abb. 11). Ob und wie sich die einzelnen Faktoren gegenseitig beeinflussen, untersuchten wir als empirische Frage. Dem Model liegt die Annahme zugrunde, dass das agile Mindset und der Einsatz agiler Methoden die Agilität auf Projektebene beeinflussen [Cannon 2017]. Die Agilität auf Projektebene hat insbesondere bei einem volatilen Projektumfeld einen positiven Einfluss auf den Projekterfolg. Zudem wird vermutet, dass die Agilität auf Projektebene auch Auswirkungen auf die Entwicklung agiler Kompetenzen der Mitarbeiter hat. Abbildung 11: Modell von Agilität GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 66 28.04.2020 14: 40: 22 Die Konstrukte wurden-- wie in Abb. 12 dargestellt-- operationalisiert und faktoranalytisch überprüft. Um der Frage nachgehen zu können, in welchem Umfang agile Ansätze bereits eingesetzt werden, wurde aus den drei Konstrukten „Agiles Mindset“, „Agile Methoden“ und „Agilität auf Projektebene“ ein Index Agilität erzeugt und von 0 (keine agilen Ansätze vorhanden) bis 100 (umfassende agile Ausrichtung) standardisiert. Wie die Häufigkeitsverteilung in Abb. 12 zeigt, lassen sich in den meisten Unternehmen zumindest rudimentäre agile Ansätze beobachten. Andererseits erreichen nur 6- % der Unternehmen einen Agilitätsindex von mehr als 70 Punkten, was bedeutet, dass eine stark agile Ausrichtung in Unternehmen eher der Einzelals der Regelfall ist. Agile Ansätze sind dabei einerseits in kleineren Unternehmen und andererseits in Großunternehmen zu beobachten Abbildung 12: Operationalisierung der Konstrukte Abbildung 13: Verbreitung agiler Ansätze GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 67 28.04.2020 14: 40: 22 Abbildung 14: Pfadmodell und Projekterfolg und finden sich am häufigsten in der IT-/ Telekommunikations-Branche wieder (ohne Abbildung) [GPM 2019]. Die aufgestellten Annahmen wurden mittels Kausalanalysen geprüft und konnten alle signifikant bestätigt werden: Das agile Mindset des Managements und der Einsatz agiler Methoden beeinflussen signifikant die Agilität auf Projektebene. Diese hat wiederum-- insbesondere bei volatilen Projektbedingungen-- einen positiven, signifikanten Einfluss auf den Projekterfolg. Zudem konnte die Vermutung bestätigt werden, dass die Agilität auf Projektebene Auswirkungen auf die Entwicklung agiler Kompetenzen der Mitarbeiter hat. Den Ergebnissen zufolge scheinen agile Prinzipien und Methoden eine mögliche Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen einer unsicheren, komplexen und volatilen Arbeitswelt zu sein. Was in der Analyse nicht berücksichtigt wurde und in der weiteren Forschung untersucht werden sollte, ist, bei welchen Projektaufgaben und -bedingungen sich agile Methoden besonders eignen. Resümee Noch nie beteiligten sich so viele Projektmanagerinnen und Projektmanager an der Gehaltsstudie, die im zweijährigen Rhythmus durchgeführt wird. Das ist eine Bestätigung unserer Arbeit und zeigt, dass das Thema Projektmanagement zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Studie kann mit guten und weniger guten Nachrichten aufwarten: Einerseits sind die Gehälter im Projektmanagement seit der letzten Messung 2017 deutlich gestiegen. Andererseits ist-- auch wenn die Differenz nicht mehr ganz so ausgeprägt ist-- der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen nach wie vor gravierend. Es sind weitere Anstrengungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nötig, um dieses Gerechtigkeitsdefizit abzubauen. Neben den Einflussfaktoren auf das Gehalt, wie Branche, Unternehmensgröße, eingenommene Hierarchiestufe, Übernahme von Verantwortung und anderen, fragten wir dieses Mal nach den persönlichen Kompetenzen in agilen Methoden und konnten feststellen, dass Projektmanagerinnen und Projektmanager, die diese Methoden fundiert anwenden können, signifikant mehr verdienen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass agile Herangehensweisen immer stärker an Bedeutung gewinnen und ein persönlicher Kompetenzaufbau darin entsprechend honoriert wird. Darüber hinaus konnten wir auf Unternehmensebene nachweisen, dass die Anwendung agiler Vorgehensweisen insbesondere bei volatilen Projektbedingungen zu höheren Projekterfolgen führt. Quellenverzeichnis [Cannon 2017] Cannon, F.; Elford, N. (2017): The Agility Mindset. How reframing flexible working delivers competitive advantage. Basingstoke: Palgrave Macmillan. [GPM 2019] Schneider, C.; Schoper, Y; Treiber, C.; Wald, A. (2020): Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2019. 7. GPM Gehaltsstudie. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [GPM 2017] Gröber, M.; Scheurer, S.; Schneider, C.; Wald, A. (2017): Gehalt und Karriere im Projektmanagement in Deutschland und Österreich. 6. GPM Gehaltsstudie 2017. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [GPM 2015] Futterer, F.; Schneider, C.; Schoper, Y.; Spannuth, T.; Wald, A. (2015): Gehalt und Karriere im Projektma- GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 68 28.04.2020 14: 40: 22 Christoph Schneider Christoph Schneider studierte Soziologie und Politische Wissenschaften an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg. Seit 2007 ist er als Forschungsdirektor am Strascheg Institute for Innovation and Entrepreneurship (SIIE) der EBS Universität für Wirtschaft und Recht tätig. In Kooperation mit der GPM leitete er viele Studien zum Thema Projektmanagement wie z.B. die Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland (2015), die Gehalts- und Karrierestudie im Projektmanagement (2013, 2015, 2017), Mit Projekten Unternehmen erfolgreich führen (2012), Global Project Management Survey (2010), Potentiale und Bedeutung des Projektmanagements aus der Perspektive des Topmanagements (2009). Anschrift EBS Business School, Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich- Winkel Tel.: +49 (0) 611 7102 13 67 E-Mail: ch.schneider@ebs.edu Prof. Dr. Yvonne Schoper Yvonne Schoper ist Professorin für Internationales Management an der HTW Berlin und Gastprofessorin der University of Reykjavik und der Tongji Universität in Shanghai. Sie vertritt seit 2013 die GPM im internationalen Dachverband IPMA, leitet seit 2015 die DACH-Forschungswerkstatt und den Deutschen Studienpreis Projektmanagement und ist seit 2019 Präsidialrätin der GPM. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Projektifizierung, Interkulturelles Projektmanagement und Diversity Management. Sie ist Gastherausgeberin und Autorin von mehreren Aufsätzen im International Journal of Project Management und im International Journal of Managing Projects in Business. HTW Berlin Hochschule für Technik und Wirtschaft Tel.: +49 (0)-30 5019 2646 E-Mail: yvonne.schoper@htw-berlin.de Christine Treiber Christine Treiber studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg. Seit 2019 ist sie als Projektmanagerin im Projekt Management Office der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. tätig. Hier leitet sie Projekte des Portfolios, so auch die Umsetzung der Gehaltsstudie 2019. Darüber hinaus unterstützt Christine Treiber Projektmanagerinnen und Projektmanager in der Linienorganisation der GPM methodisch und das PMO bei der Portfolio-Planung und -Steuerung. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Tel.: +49 (0) 911 4333 69-73 E-Mail: c.treiber@gpm-ipma.de Prof. Dr. Andreas Wald Andreas Wald ist Professor für Strategie an der School of Business and Law der University of Agder (Norwegen) und Adjunct Professor and EBS Business School der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Temporäre Organisationen, Organisatorische Netzwerke und Innovation. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe Advanced Project Management sowie Autor einer Vielzahl von Aufsätzen zum Projektmanagement. Seine Arbeiten erscheinen unter anderem in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal , International Journal of Project Management, International Journal of Project Organisation and Management und International Journal of Managing Projects in Business . School of Business and Law, University of Agder, Universitetsveien 25, 4630 Kristiansand, Norway Tel.: +47-957 32342 E-Mail: andreas.wald@uia.no nagement in Deutschland und Österreich. 5. GPM Gehaltsstudie 2015. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [Lill 2019] Lill, P. A.; Wald, A.; Gleich, R. (2019): Agility and the Role of Project-Internal Control Systems for Innovation Project Performance. International Journal of Innovation Management , https: / / doi.org/ 10.1142/ S1363919620500644. [Moreira 2017] Moreira, M. E. (2017): The Agile Enterprise: Building and Running Agile Organizations (1st ed.). Berkeley, CA, USA: Apress. [Sheffield 2013] Sheffield, J.; Lemétayer, J. (2013): Factors associated with the software development agility of successful projects. International Journal of Project Management , Vol. 31, No. 3, pp. 459-472. Eingangsabbildung: © iStockphoto/ MicroStockHub GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 69 28.04.2020 14: 40: 23