eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0044
713
2020
313 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Der letzte Nutzer

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2020
Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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Der letzte Nutzer Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg trifft Ehrlich nach einer Besprechung. „Du bist ja ganz in schwarz gekleidet, Hose, Jacke und Krawatte. Kommst du von einer Beerdigung? “, fragt Ehrlich. „Das kann man so sagen“, antwortet Priesberg. „Wir haben heute unser neues Projektreporting-Tool beerdigt. Ein Drama in mehreren Akten mit der Überschrift ‚der letzte Nutzer‘.“ „Der Schlussakt heißt dann sicher: ‚Viel Arbeit für nix‘“, bohrt Ehrlich. „Ganz genau. Wir wollten ein Tool haben, das aus individuellen Teilprojektplänen, die in Excel-Tabellen gepflegt werden, einen Gesamtprojektplan baut“, erläutert Priesberg. „Hmm, das ist doch eigentlich Standard“, wundert sich Ehrlich. Priesberg holt aus: „Ich gebe dir mal ein Beispiel. Es hat sich im Nachhinein gezeigt, dass jede Abteilung eine andere Nomenklatur der Meilensteine in den Teilprojekten haben möchte. Bevor das Tool die Daten zusammenführen kann, müssen jedes Mal die Namen der Meilensteine angepasst werden. Das ist zu aufwändig und hat auch die letzten Nutzer vergrault.“ „Tja“, überlegt Ehrlich. „Das kommt davon, wenn man Erstellung und Betrieb des Tools als Abfolge einzelner Aktivitäten auffasst.“ „Was soll es denn sonst sein? “, ruft Priesberg empört und fährt fort: „Die Aktivitäten sind die technische Spezifikation des Tools, Programmierung, Rollout und Anwendung. Und alle wurden korrekt abgearbeitet.“ Ehrlich bleibt ruhig: „Unser Problem ist, dass wir stets in anschaulichen Dingen denken und handeln wollen und das möglichst portionsweise. Wir können aber einen anderen Blickpunkt einnehmen, und zwar den der Komplexität…“ „Nicht schon wieder“, unterbricht ihn Priesberg. „Kommen wir denn nicht einmal ohne diese ganze Komplexitätsbetrachtung aus? “ „Wenn du weiter im Nebel stochern willst, gerne. Aber ich denke, du hast auch Interesse an der Ursache des Problems“, entgegnet Ehrlich. „Also gut“, spricht Priesberg. „Was hast du denn anstelle deiner portionierten Aktivitäten anzubieten? “ Ehrlich grinst: „Das Ganze - ein System. Deine Aktivitäten ‚technische Spezifikation des Tools, Programmierung, Rollout und Anwendung‘ hängen nämlich wechselseitig voneinander ab. Nehmen wir den Punkt ‚technische Spezifikation‘“, Ehrlich legt eine Kunstpause ein, „sie bestimmt, wie das Tool später verwendet wird.“ „Ach nee, da wäre ich nie draufgekommen“, lästert Priesberg und fragt sich langsam, was das alles soll. Ehrlich ignoriert die Spitze und macht unbeirrt weiter: „Wenn wir das Tool als System auffassen, dann gibt es Größen, welche das gesamte System regulieren. Hier ist es die Art, wie die Meilensteine in das Tool einzugeben sind. Dieser sogenannte Kontrollparameter bestimmt, wie sich unser System prinzipiell mit der Zeit entwickelt.“ Priesberg denkt langsam nach: „Also die Nomenklatur der Meilensteine. Daran sind wir gescheitert. Wir haben nämlich zugelassen, die Meilensteine als Freitext einzugeben und nicht als geregelte Folge aus Namen und Nummern. Wir wollten eine größtmögliche Freiheit an Bezeichnungen anbieten. Hätten wir etwa über Abteilungsgrenzen hinweg vereinheitlichen sollen? “ „Das wäre der Königsweg“, entgegnet Ehrlich erfreut. Priesberg fällt ihm sogleich ins Wort: „Ohne großen Abstimmungsaufwand-- niemals.“ „Du vergisst wieder was“, entgegnet Ehrlich ruhig. „Gut gewählte Kontrollparameter sind dazu da, Ordnung zu schaffen. Aber für die Ordnung braucht es einen Anfang. Wie wäre es, wenn sich zwei Abteilungen auf ein paar gemeinsame Namen festlegen würden, dann könnte man zeigen, wie wirkungsvoll das Tool ist - schwupps: aus Teilprojektplänen wird ein Gesamtplan.“ Kolumne GPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0044 1. Jahrgang · 03/ 2020 60 DOI 10.2357/ PM-2020-0044 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 60 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 60 22.06.2020 09: 42: 23 22.06.2020 09: 42: 23 „Und damit gehen wir zu den übrigen Abteilungen. Ein wenig Zugeständnis bei der Nomenklatur nimmt am Ende viel Arbeit ab, nämlich bei der Erstellung eines Projektplans - das wirkt.“ Priesberg hat es jetzt kapiert. „Ganz genau. Ein Ordnungsparameter ist geschaffen, nämlich eine einheitliche Nomenklatur. Damit kann das Tool endlich das leisten, wozu es da ist“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. Priesberg zieht sein schwarzes Jackett sowie die Krawatte aus und wiederholt sinngemäß: „Es ist noch nichts verloren! Das Tool ist ja schon da. Wir müssen es nur so ausrollen, wie du gerade beschrieben hast. Ich benenne das Drama um in ‚der erste Nutzer‘.“ „Und zu guter Letzt haben wir den Rahmen ebenfalls im Sinne der Lösung eingesetzt. Der anfangs blockierende Rahmenparameter, die Autonomie jeder Abteilung, wird zum Unterstützer: Jede Abteilung wird sich jetzt in der gemeinsa- Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB/ IC, 67056-Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@ basf.com men Nomenklatur wiederfinden. Der andere Blick durch die Komplexität lohnt sich also“, schließt Ehrlich. Eingangsabbildung: © iStock.com/ ComebackImages GPM Fachgruppen Die Fachgruppen der GPM bearbeiten spezifische Aspekte des Projektmanagements. Sie greifen aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement auf, systematisieren diese und entwickeln sie kontinuierlich weiter. Je nach Thema verfolgen die Gruppen einen branchen- oder fachspezifischen Ansatz. Fachleute bringen ihr Know-how und ihre Erfahrungen in die Fachgruppenarbeit ein, tauschen sich bei Veranstaltungen regelmäßig aus und entwickeln so neues Know-how (u.a. Analysen, Konzepte, Standards, Produkte, Fachartikel und -bücher). Weitere Informationen sowie Ansprechpartner der einzelnen Fachgruppen finden Sie unter https: / / www.gpm-ipma.de/ know_how/ fachgruppen.html GPM Regionalgruppen Die derzeit 39 GPM Regionen vertreten den Verband lokal, bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch und ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Die GPM Regionen leisten damit wichtige Projektmanagement-Basisarbeit. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Regionalgruppen finden Sie unter: https: / / www.gpm-ipma.de/ ueber_uns/ regionen.html GPM Mitglieder: 8.000 Davon Firmenmitglieder: 415 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 39.200 Durch PM-ZERT vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 58.534 Stand: 29.05.2020 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Kolumne | GPM intern 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0047 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 61 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 61 22.06.2020 09: 42: 24 22.06.2020 09: 42: 24