eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0064
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2020
314 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen

914
2020
Christian Pfromm
Felix Scholz
Die Auswirkungen des digitalen Wandels beeinflussen den gesamten Wirtschafts- und Sozialraum und stellen Staat und Verwaltung vor neue Herausforderungen. Künftig wird es immer mehr darauf ankommen, wie gut es gelingt, die Transformationspotenziale der Digitalisierung im Sinne bestmöglicher Lebensqualität und umfassender Teilhabe auszuschöpfen. Deshalb nimmt die Digitalstrategie für Hamburg alle Lebensbereiche in den Blick. Am Beispiel der Digitalisierung des Planens und Bauens mit Building Information Modeling (BIM) wird die Umsetzung eines komplexen Transformationsvorhabens gezeigt. Hierfür legitimierte Hamburg die virtuelle Organisation „BIM.Hamburg“ aus einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen und etabliert ein Programm- und Projektmanagement mit cross-funktionalen Teams zur Steuerung und Harmonisierung der Hamburger BIM-Aktivitäten.
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Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen Christian Pfromm, Felix Scholz Für eilige Leser | Die Auswirkungen des digitalen Wandels beeinflussen den gesamten Wirtschafts- und Sozialraum und stellen Staat und Verwaltung vor neue Herausforderungen. Künftig wird es immer mehr darauf ankommen, wie gut es gelingt, die Transformationspotenziale der Digitalisierung im Sinne bestmöglicher Lebensqualität und umfassender Teilhabe auszuschöpfen. Deshalb nimmt die Digitalstrategie für Hamburg alle Lebensbereiche in den Blick. Am Beispiel der Digitalisierung des Planens und Bauens mit Building Information Modeling (BIM) wird die Umsetzung eines komplexen Transformationsvorhabens gezeigt. Hierfür legitimierte Hamburg die virtuelle Organisation „BIM.Hamburg“ aus einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen und etabliert ein Programm- und Projektmanagement mit cross-funktionalen Teams zur Steuerung und Harmonisierung der Hamburger BIM-Aktivitäten. Schlagwörter | BIM, Hamburg, Digitalstrategie, BIM.Hamburg, Digitale Räume, Programmmanagement Eine Digitalstrategie für Hamburg Die zu Beginn dieses Jahres durch den Hamburger Senat verabschiedete „Digitalstrategie für Hamburg“ nimmt mit ihrem umfassenden Ansatz sämtliche für die Digitalisierung relevanten Bereiche und Themen eines Gemeinwesens in den Blick. Sie definiert Handlungsfelder der Digitalisierung und benennt konkrete Vorhaben. Die Strategie zeigt zum Beispiel auf, wie digitale Infrastrukturen und Plattformen weiterentwickelt werden oder wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten aussehen muss. Außerdem wird eine ganze Reihe von Projekten dargestellt, die von Behörden und städtischen Unternehmen verantwortet werden. Hamburg eröffnet mit der Digitalstrategie eine Perspektive für die gesamte Stadtgesellschaft. Um dem fach- und ressortübergreifenden Charakter von Digitalisierungsprojekten gerecht zu werden, wurde das Konzept der „Digitalen Räume“ entwickelt. Sie greifen den Umstand auf, dass Zusammenarbeit im Zeitalter der Digitalisierung nur teilweise mit behördlichen Zuständigkeiten korrespondiert und stattdessen vielfältige Akteure miteinander kooperieren (z. B. Behörden, städtische Einrichtungen, Unternehmen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft), um zeitgemäße, nutzerorientierte Lösungen zu schaffen oder wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die in diesem Artikel noch zu beschreibende Programm- und Projektstruktur von BIM.Hamburg setzt diesen Ansatz in idealtypischer Weise um. Als zentrale Einheit der Hamburger Verwaltung, bei der alle Digitalisierungsprozesse zusammenlaufen, hat das Anfang 2018 gegründete Amt für IT und Digitalisierung (ITD) einen konsistenten, übergreifenden Strategieprozess angestoßen und im Laufe des Jahres 2019 umgesetzt. Auf der administrativen Ebene wurden hierbei zunächst alle Behörden (Hamburger „Landesministerien“) und Ämter einbezogen, die ihre eigenen Digitalstrategien entwickelten. Daran anknüpfend und diese ergänzend entstand schließlich bei ITD die gesamtstädtische „Digitalstrategie für Hamburg“. Die Kooperationen, die sich aufgrund des Strategieerstellungsprozesses und darüber hinaus ergeben, erstrecken sich über alle Bereiche der Verwaltung und somit auch über nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Prozesse der Aufgabenerfüllung in der Fachlichkeit werden in den Digitalisierungsprozess einbezogen. Neue Formen der Zusammenarbeit haben einen großen Einfluss auf die bisherigen Arbeitsweisen innerhalb der Verwaltung. Es ist nicht geübte Praxis, dass in hohem Maße vertikale und horizontale Organisationsebenen aufgeweicht bzw. aufgelöst werden, um die möglichst beste Lösung zu finden. Folglich ging es in dem Prozess nicht nur um die Inhalte der Strategie und die damit verbundenen Maßnahmen. Der Politik und Gesellschaft Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen DOI 10.2357/ PM-2020-0064 31. Jahrgang · 04/ 2020 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 18 06_Scholz.indd 18 14.08.2020 15: 58: 06 14.08.2020 15: 58: 06 Strategieprozess selbst hat durch seine verschiedenen Komponenten (Konzept der Digitalen Räume, Methodenvielfalt, hierarchieübergreifendes Arbeiten, iterativer Ansatz) und ihr Zusammenspiel auch den für die Digitalisierung notwendigen Kulturwandel angestoßen. Die gemeinsame Verständigung auf eine „Transformationsagenda“ für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung ist Bestandteil der Digitalstrategie für Hamburg. Alle Bereiche und Ebenen sind betroffen und es bedarf einer abgestimmten und einheitlichen Herangehensweise, um den mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen für die Beschäftigten gerecht zu werden. Prozessorganisation und Governance-Strukturen Der Prozess erfuhr von Anfang an eine aktive politische Unterstützung auf der ministeriellen Leitungsebene- - durch alle Staatsrätinnen und Staatsräte. Es wurden außerdem Digitalisierungsverantwortliche in allen Behörden benannt, die als Brückenkopf in diese hineinwirken, die dortigen Strategieprozesse koordinieren und als Kontaktpersonen für das Amt ITD agieren. ITD hat in diesem Zusammenhang umfangreiche methodische und personelle Hilfestellung bereitgestellt. Im Zuge der Strategieerstellung wurden außerdem zahlreiche zentral koordinierte Workshops durchgeführt, um so die Behörden und die Fachlichkeit aktiv einzubinden. Zielgruppe waren beispielsweise die fachlichen Vertreterinnen und Vertreter der „Digitalen Räume“, so dass sichergestellt war, dass der strategische Ansatz des übergreifenden Arbeitens Berücksichtigung findet und es jeweils einen verantwortlichen Ansprechpartner gibt. Die Entwicklung und Umsetzung einer Digitalstrategie kann nur gelingen, wenn beides in den jeweiligen Behörden getragen wird- - von der Behördenleitung und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gleichzeitig ist auf der zentralen Ebene eine Perspektive erforderlich, die das gesamte Gemeinwesen in den Blick nimmt und zu mehr Verbindlichkeit und Transparenz hinsichtlich der Verantwortlichkeiten, strategischen Priorisierung und des Monitorings der Digitalstrategie und ihrer Vorhaben führt. Die Entwicklung geeigneter Rollen und Strukturen ist in diesem Zusammenhang ein entscheidender Erfolgsfaktor. Sie müssen folgenden Anforderungen und Aufgaben gerecht werden: • klare Zuständigkeiten schaffen, • dezentrales Portfolio- und Realisierungsmanagement ermöglichen, • Innovationsorientierung und fachübergreifende Koordinierung gewährleisten. Die Digitalstrategie für Hamburg setzt hierbei auf einen behördenübergreifenden Prozess, der ein neues Gremiengefüge schaffen soll, das diese Aspekte berücksichtigt: Das „Steuerungsgremium Digitalisierung“-- im Wesentlichen die Behördenleitungen, Staatsrätinnen und Staatsräte-- übernimmt die Aufgabe der Steuerungs- und Lenkungsgruppe für die Digitalisierungsstrategie des Senats. Das „Städtische CDO-Kollegium“ bereitet die Entscheidungen des Steuerungsgremiums vor und verantwortet die fachliche Ausgestaltung sowie Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategie inklusive der damit verbundenen Investitionsentscheidungen. Das „Städtische Change-Board“ verantwortet vor allem die strategische Weiterentwicklung von personal- und organisationsbezogenen Themen der digitalen Transformation der Verwaltung. Die Digitalstrategie benennt nicht nur Handlungsfelder der Digitalisierung und definiert Arbeitsstrukturen. Zu den konkreten Vorhaben der Strategie zählt etwa, dass Hamburg plant, schrittweise ein digitales Abbild der gesamten Stadt aufzubauen- - einen digitalen Zwilling oder „Digital Urban Twin“. Als dynamisches, virtuelles, interaktives 3D-Stadtmodell wird dieser von Experten ebenso wie von Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen genutzt werden können. Durch Simulation und Modellierung kann das digitale Abbild helfen, Entscheidungen vorzubereiten, besser fundiert zu treffen und perspektivisch Kosten einzusparen. Eine wichtige Komponente des Digital Urban Twin ist die digitale Arbeitsmethodik Building Information Modeling BIM, die in ihrer Struktur die Anforderungen an ein modernes Projektmanagement erfüllt und dadurch Vorbild für eine entsprechende Professionalisierung im Verwaltungskontext sein kann, zu der beispielsweise auch die Einführung von Audits und die Etablierung Abbildung 1: Digitale Räume und strategische Entwicklungsbereiche (Grafik: Senatskanzlei Hamburg) Politik und Gesellschaft | Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 19 06_Scholz.indd 19 14.08.2020 15: 58: 06 14.08.2020 15: 58: 06 verbindlicher Standards gehören. BIM ist unter strategischen Gesichtspunkten vor allem bedeutsam, weil die beteiligten Organisationen unterschiedlicher Disziplinen gleich in mehrere Digitale Räume hineinwirken. Strategisches Kernvorhaben BIM Die Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mit der Methode Building Information Modeling- - kurz BIM- - ist ein komplexes strategisches Kernvorhaben der Digitalstrategie Hamburgs. Hierzu heißt es in der Strategie: „Der Senat wird in allen am Bau beteiligten öffentlichen Organisationen Hamburgs die digitale Arbeitsmethodik Building Information Modeling (BIM) einführen, um über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks (Planen, Bauen und Betreiben) alle relevanten Bauwerksdaten in einem intelligenten Bauwerksinformationsmodell („Digitaler Zwilling“) zu vereinen. Digitale Zwillinge sind digitale Repliken materieller Objekte (wie Gebäude, Straßen, Gewässer) oder immaterieller Prozessketten (wie Verwaltungsabläufe, Bürgerbeteiligungen, Verkehrssteuerung). Sie sind aus Daten und Algorithmen aufgebaut und können über Sensoren mit der realen Welt verbunden sein.“ [1]. Durch die Etablierung einer kollaborativen digitalen Arbeitskultur und einem verbesserten Informationsmanagement trägt die Einführung von BIM ein hohes Potenzial zur Kostenersparnis und Terminsicherheit in der Projektrealisierung. Darüber hinaus hat BIM das Potenzial neue Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung zu entwickeln, wie die virtuelle Begehung von Bauwerken und Infrastrukturvorhaben, z. B. mittels Virtual Reality (Abbildung 2). BIM digitalisiert und transformiert die gesamte Baubranche. Die erfolgreiche Implementierung von BIM erfordert daher das Agieren auf vier strategischen Handlungsebenen-- der Prozesse, der Richtlinien, der Menschen und der Technologien [2]: • Prozesse: Konventionelle Planungs- und Bauprozesse müssen sukzessive ohne Datenverluste und Systembrüche digitalisiert werden. • Richtlinien: Um eine „gemeinsame“ digitale Sprache zu sprechen, müssen neue verbindliche Richtlinien für digitale Zwillinge geschaffen und bestehende angepasst werden. • Menschen: Für die Einführung der BIM-Arbeitsweise bedarf es mit dem BIM-Manager neuer Rollen. Dies erfordert Qualifizierungs- und Zertifizierungskonzepte für Beschäftigte sowie die Kooperation mit der Forschung und Lehre. • Technologien: BIM bedarf eines standardisierten Datenmanagements und Softwareeinsatzes für die Vernetzung von Daten aller beteiligten Stakeholder über eine zentrale Plattform. Legitimation einer virtuellen Organisation Die Herausforderungen der Digitalisierung des „Planen, Bauen und Betreibens“ mit BIM erfordert es auch im öffentlichen Sektor neue Wege zu beschreiten. Die disruptiven und volatilen Veränderungsprozesse der Digitalisierung betreffen alle Branchen und erreichen zunehmend den Bausektor mit steigendem politischen Veränderungsdruck. Auf die komplexen Veränderungsprozesse finden starre Linienorganisationen und Verwaltungsstrukturen teilweise keine adäquaten Antworten mehr. So zeigte sich, dass in Hamburg seit 2016 einige Realisierungsträger das Potenzial der digitalen Methode BIM erkannt, eigene Fachexpertise aufgebaut und in zahlreichen Bauprojekten pilotiert haben. Aus den Ergebnissen der BIM-Pilotprojekte erwuchsen folgende Erkenntnisse: • Die Planungs- und Bauprozesse sind so stark miteinander verzahnt, dass nur ein gemeinsamer Rahmen behördenübergreifender BIM-Standards- - von der konventionellen Planung hin zur integrierten Planung am digitalen Zwilling-- in Hamburg zum Ziel führen kann. • Für die erfolgreiche Implementierung von BIM ist ein Agieren auf vier Handlungsebenen erforderlich: Prozesse, Standards, Menschen und Technologien. • Eine Governance- und Projektstruktur muss entwickelt werden, um relevante Erkenntnisse aus den BIM-Projekten der einzelnen Behörden und Realisierungsträger Hamburgs zu koordinieren, mit dem Ziel die BIM-Entwicklungen zu skalieren. Auf Arbeitsebene hatte sich 2018 ein behördenübergreifender Erfahrungsaustausch von BIM-Experten etabliert, aus dem ein Strategiepapier für ein gemeinsames Vorgehen der BIM-Standardisierung in Hamburg resultierte. Dieser Prozess wurde Bottom-up entwickelt und über die Amtsleiter und Geschäftsführer der beteiligten Organisationen bestätigt. Er fand schließlich Eingang in das Staatsrätegremium der Freien und Hansestadt Hamburg, um ein behördenübergreifendes Agieren innerhalb einer virtuellen Organisation „BIM.Hamburg“ zu legitimieren. Von den Staatsräten wurden im März 2019 drei strategische Maßnahmen für die Implementierung von BIM in Hamburg beschlossen: Abbildung 2: Digitaler Zwilling der Freihafen Elbbrücken (Grafik: Hamburg Port Authority AöR) Politik und Gesellschaft | Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 20 06_Scholz.indd 20 14.08.2020 15: 58: 07 14.08.2020 15: 58: 07 • Die Einrichtung von sechs BIM-Leitstellen mit Schwerpunktthemen, um die dynamische BIM-Entwicklung der öffentlichen Organisationen in Hamburg zu professionalisieren und zu institutionalisieren. • Etablierung eines zentralen Programmmanagements zur übergreifenden Koordinierung und Steuerung der BIM-Standardisierungsprojekte in Hamburg. • Einführung einer virtuellen Organisation „BIM.Hamburg“ mit eigener Corporate Identity, unter der alle sechs BIM-Leitstellen die entwickelten Standards und Prozesse zum Einsatz von BIM zentral bündeln. Ziel ist es, eine gemeinsame Plattform für die öffentlichen Auftraggeber Hamburgs zu schaffen, auf der die relevanten Unterlagen und themenspezifischen BIM-Expertisen transparent für alle Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Der Staaträtebeschluss bildete die Basis für das strategische Kernvorhaben BIM, das in die Senatsdrucksache „Digitalstrategie für Hamburg“ eingegangen und mittlerweile im aktuellen Regierungsprogramm politisch verankert ist. Abbildung 4: Koordination der BIM-Projekte & Aktivitäten in einem Programmmanagement (Grafik: Hamburg Port Authority) Abbildung 3: Vorstellung BIM.Hamburg auf der Landespressekonferenz, v.r.n.l. Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, Felix Scholz, Daniel Mondino (Grafik: Senatskanzlei Hamburg) Programmmanagement als Antwort auf komplexe Transformationen Um die BIM-Standardisierung in Hamburg zum Erfolg zu führen, müssen alle relevanten Aufgaben aus den vier strategischen Handlungsfeldern zentral gesteuert, nachgehalten und an strategischen übergeordneten Zielen der Digitalstrategie für Hamburg ausgerichtet werden. Erreicht wird das durch die Strukturierung des BIM-Aufgabenportfolios nach Fachdisziplinen und Übersetzung der BIM-Aufgaben in Projekte, die innerhalb von BIM-Leitstellen mit der jeweils höchsten Fachexpertise verantwortet werden. Die Ergebnisse und Standards fließen sukzessive in die Bauprojekte ein. Das Programmmanagement wird in Hamburg nach den Standards der International Project Management Association (IPMA) als eine Menge zusammenhängender Projekte und Maßnahmen definiert, die auf das Erreichen des strategischen Ziels- - der Einführung von BIM in Hamburg- - ausgerichtet ist. Während der Laufzeit des Programms können Politik und Gesellschaft | Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 21 06_Scholz.indd 21 14.08.2020 15: 58: 07 14.08.2020 15: 58: 07 weitere Projekte und Maßnahmen integriert werden. Es bietet somit die Flexibilität und Agilität, die in einem sich dynamisch wandelnden Digitalisierungsumfeld erforderlich ist. Die übergeordnete Steuerung aller Projekte erfolgt durch das Programmmanagement bei der Hamburg Port Authority. Im Kern bietet ein professionelles Programmmanagement nach internationalen PM-Standards der IPMA folgende Benefits: • BIM-Projekte können in der Organisation mit der höchsten Fachexpertise in Projektform abgewickelt werden. Die Projektumsetzungsverantwortung verbleibt in den jeweiligen BIM-Leitstellen. • Die Bildung der Projektteams erfolgt organisationsübergreifend. • Alle Projekte werden an strategischen Programmzielen ausgerichtet. Somit können Doppelarbeiten, Zielkonflikte und gegenläufige Entwicklungen rechtzeitig identifiziert und aufgefangen werden. • Ein professionelles Programmmanagement gewährleistet die Planung, Steuerung und Überwachung von mehreren laufenden, miteinander verbundenen Projekten. Es ist die ideale Organisationsform für organisationsübergreifende Veränderungsprojekte, wie die BIM-Standardisierung in Hamburg. Das Management der BIM-Standardisierung für die Infrastruktur und den Hochbau wird dabei auf Projektebene in den BIM-Leitstellen sichergestellt (Abbildung 5), zentral über den Programmmanager bei der Hamburg Port Authority gebündelt und koordiniert. Aufgrund der komplexen organisatorischen Aufstellung des Hochbaus werden die operativen Belange der Hochbaurealisierungsträger Hamburgs in einer BIM-Leitstelle Hochbau gebündelt. Übergeordnetes Entscheidungsgremium ist die Steuerungsgruppe, welche sich aus Vertretern der aufgeführten BIM-Leitstellen (Abb. 5) zusammensetzt. Ihre wichtigste Funktion ist die Überwachung übergeordneter Programmziele und die Intervention bei der Abweichung von Projektzu den vereinbarten Programmzielen. Zudem dient die Steuerungsgruppe als klassische Eskalationsebene. Erfolgsfaktoren und Skalierbarkeit Mit BIM.Hamburg ist es gelungen, organisationsübergreifende BIM-Standardisierungsprojekte in cross-funktionalen Teams zu etablieren, Unternehmenssilos zu brechen, die BIM-Expertisen behördenübergreifend auszutauschen sowie erste gemeinsame BIM-Standards im Bereich der Infrastruktur und des Hochbaus für Hamburg zu entwickeln. Das gemeinsame und koordinierte Vorgehen vermeidet Doppelarbeit und spart Kosten für die BIM-Implementierung. Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor ist die Schaffung der virtuellen Organisation „BIM.Hamburg“ mit einer eigenen Corporate Identity. Sie unterstreicht die gemeinsame Identität, das Bekenntnis zur Etablierung von BIM und ist zugleich Ausdruck kooperativer sowie behördenübergreifender Zusammenarbeit in einem der bedeutendsten Themen im Bereich der öffentlichen Bauverwaltung und Realisierungsträger-- der Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mit BIM. Die Hamburger BIM-Aktivitäten werden auch auf Bundesebene wahrgenommen. Dies spiegelt sich sowohl in der Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie mit BIM Deutschland (Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens) wider, die das Modell des Programmmanagements für die BIM-Standardisierung zur Koordination auf Bundesebene adaptiert haben. Darüber hinaus etabliert sich auf internationaler Ebene eine strategische Kooperation mit der Stadt Zürich, die eine Abbildung 5: Programm- und Projektstruktur von BIM.Hamburg (Grafik: Hamburg Port Authority AöR) Politik und Gesellschaft | Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 22 06_Scholz.indd 22 14.08.2020 15: 58: 07 14.08.2020 15: 58: 07 BIM-Standardisierung in Anlehnung an das Programmmanagement BIM.Hamburg ebenfalls forciert. Literaturhinweise [1] Digitalstrategie für Hamburg (www.hamburg.de / senatskanzlei / digitalstrategie-fuer-hamburg/ ), Senatskanzlei Freie und Hansestadt Hamburg Projektgovernance in der öffentlichen Verwaltung: Good-Practice-Beispiel BIM.Hamburg Als Ergebnis des jahrelangen Dialogs mit der öffentlichen Verwaltung hat die GPM 2017 das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ initiiert und an die Bundesregierung übergeben. Dem 2018 gegründeten Beirat des Aktionsprogramms sitzt seit dem 1.7.2020 Christoph Verenkotte, Präsident des Bundesverwaltungsamtes, vor. Ein wichtiges Ziel des Programms ist es, herausragende Good-Practice-Beispiele aus der öffentlichen Verwaltung sichtbar werden zu lassen, die dazu beitragen die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Projektarbeit nachhaltig zu verbessern. BIM.Hamburg im Rahmen der Digitalisierungsstrategie Hamburgs ist ein herausragendes Beispiel für eine strategische Projektgovernance mit klaren Verantwortungsstrukturen, angemessenen Standards und einer förderlichen Projektkultur. Diese Entwicklung und Ausprägung der Projektgovernance ist beispielhaft- - auch über Hamburg und das Thema öffentliche Bauprojekte hinaus. Text: Heike Kratt, Hauptstadtrepräsentantin der GPM Freuen Sie sich schon jetzt auf den Vortrag von Christian Pfromm und Felix Scholz am 14.6.2021 im Rahmen des GPM Projektgovernance-Forums auf dem Zukunftskongress Staat und Verwaltung 2021. https: / / www.zukunftskongress.info / de / node / 5/ program. Christian Pfromm Als Chief Digital Officer der Freien und Hansestadt Hamburg und Leiter des Amtes für IT und Digitalisierung der Senatskanzlei koordiniert Christian Pfromm sämtliche Digitalisierungsmaßnahmen und hat die „Digitalstrategie für Hamburg“ auf den Weg gebracht. eMail: info.itd@sk.hamburg.de Internet: www.hamburg.de/ senatskanzlei/ it-und-digitalisierung/ Felix Scholz Felix Scholz leitet den Bereich PMO-& Digitalisierung in der Technical Division der Hamburg Port Authority. Als Programmmanager der virtuellen Organisation BIM.Hamburg koordiniert er die behördenübergreifende BIM-Standardisierung in der Stadt Hamburg. eMail: felix.scholz@hpa.hamburg.de Internet: www.bim.hamburg.de [2] Baldwin, Mark. Der BIM-Manager. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2018 Eingangsabbildung: © iStock.com / metamorworks Politik und Gesellschaft | Von der Digitalstrategie zum digitalen Planen und Bauen 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0064 06_Scholz.indd 23 06_Scholz.indd 23 14.08.2020 15: 58: 07 14.08.2020 15: 58: 07