PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0066
914
2020
314
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern?
914
2020
Karl Geusen
Commercial Project Management (CPM) hat in Unternehmen, die Aufträge in Form von Projekten abwickeln, eine besondere Bedeutung, da sich das Unternehmensergebnis aus der Performance der Projekte ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Projekte nicht erst mit der Abwicklung starten, sondern bereits in der Angebotsphase, da z. B. mit Inkrafttreten des Vertrags das Budget feststeht. CPM muss also eine realistische Kalkulation sicherstellen. In der Abwicklung kommt es vor allem darauf an, durch Transparenz in den Daten frühzeitig Abweichungen von der Planung zu erkennen, um durch zeitnahe Maßnahmen im Sinne einer proaktiven Steuerung von Kosten und Cash Flow negative Einflüsse auf das Projektergebnis möglichst zu vermeiden. So trägt professionelles CPM dazu bei, dass das Unternehmen am Ende Geld verdient, denn: ohne Moos nix los!
pm3140028
»Ohne Moos nix los« Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? Karl Geusen Für eilige Leser | Commercial Project Management (CPM) hat in Unternehmen, die Aufträge in Form von Projekten abwickeln, eine besondere Bedeutung, da sich das Unternehmensergebnis aus der Performance der Projekte ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Projekte nicht erst mit der Abwicklung starten, sondern bereits in der Angebotsphase, da z. B. mit Inkrafttreten des Vertrags das Budget feststeht. CPM muss also eine realistische Kalkulation sicherstellen. In der Abwicklung kommt es vor allem darauf an, durch Transparenz in den Daten frühzeitig Abweichungen von der Planung zu erkennen, um durch zeitnahe Maßnahmen im Sinne einer proaktiven Steuerung von Kosten und Cash Flow negative Einflüsse auf das Projektergebnis möglichst zu vermeiden. So trägt professionelles CPM dazu bei, dass das Unternehmen am Ende Geld verdient, denn: ohne Moos nix los! Schlagwörter | Commercial Project Management, Anlagenbau, Kostenkalkulation, realistisches Budget, Vertrag, proaktive Steuerung, Transparenz Einleitung In vielen Unternehmen werden Aufträge in Form von Projekten abgewickelt, d. h., das Unternehmensergebnis basiert auf den Wertbeiträgen, die sich aus der Performance der einzelnen Projekte ergeben. Daher spielt das Commercial Project Management (CPM) eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den wirtschaftlichen Erfolg nicht nur einzelner Aufträge, sondern des ganzen Unternehmens sicherzustellen. Wissen Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? DOI 10.2357/ PM-2020-0066 31. Jahrgang · 04/ 2020 Abbildung 1: Kernprozess Auftragsabwicklung im Anlagenbau 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0066 08_geusen.indd 28 08_geusen.indd 28 14.08.2020 16: 00: 28 14.08.2020 16: 00: 28 Aber worauf kommt es dabei an, was sind die kritischen Erfolgsfaktoren? Dieser Fragestellung geht der Beitrag am Beispiel des (Groß-)Anlagenbaus nach. Dort ist nach wie vor eine klassische Projektabwicklung üblich. Allerdings startet das Projekt eigentlich schon vor dem Auftragsstart mit der Angebotsphase, in der bereits ein nicht unerheblicher Teil der Projektplanung stattfindet. Die Anfrageanalyse fällt im Wesentlichen in den Aufgabenbereich des Vertriebs, weshalb hierauf nicht weiter eingegangen wird, aber bei der Angebotserstellung und der Vertragsverhandlung kommt dem CPM eine besondere Bedeutung zu, da alle hier festgelegten Parameter und Regelungen die Basis für die spätere kaufmännische Auftragsabwicklung bilden. Hier entscheidet sich bereits, inwieweit ein potenzieller Auftrag später auch wirtschaftlich erfolgreich abgewickelt werden kann. Und nach Unterzeichnung des Vertrags dafür Sorge zu tragen, dass dieser auch in Kraft tritt und somit die Auftragabwicklung beginnen kann, ist eine Domäne der Commercial Project Manager (CPMgr.). Angebotserstellung Die wesentliche kaufmännische Aufgabe bei der Angebotserstellung ist die Schätzung der zu erwartenden Kosten für die Abwicklung des Projektes. Basis hierfür ist der von den technischen Fachabteilungen erarbeitete Liefer- und Leistungsumfang. Je genauer das Mengengerüst definiert ist, desto besser können die zu erwartenden Kosten abgeschätzt werden. Es gilt aber auch, dass der Aufwand für die technische Bearbeitung mit zunehmender Genauigkeit exponentiell steigt, sodass aus Kostengründen während der Angebotsphase eine gewisse Ungenauigkeit akzeptiert werden muss. Hier kommt nun ein weiterer, ganz wesentlicher kaufmännischer Aspekt ins Spiel- - die Bewertung von Ungenauigkeiten und Risiken, und zwar von im Prinzip bekannten Risiken als auch von unvorhersehbaren Ereignissen. Die Ungenauigkeit der Kalkulation gehört in die erste Kategorie, ebenso wie Risiken, die z. B. aus Fehlern im Engineering oder aus Qualitätsmängeln bei Fertigung oder Montage resultieren. Dies können aber auch kaufmännische Risiken sein wie Preissteigerungen durch Inflation, Zahlungsausfälle o. Ä. Neben der Identifikation der Risiken ist eine Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit notwendig, um daraus eine angemessene Risikovorsorge als Bestandteil der Kalkulation abzuleiten. Allerdings kann man so lediglich statistisch die Risiken abdecken, wie das folgende Beispiel verdeutlicht: Für den Bau einer Chemieanlage in Chile war aus Kostengründen die Fertigung eines großen Reaktors aus glasfaserverstärktem Kunststoff nach Indien vergeben worden. Für den Schiffstransport von Mumbai nach Santiago ließ der Kapitän den Reaktor auf dem Oberdeck befestigen, da er befürchtete, dass der Reaktor bei einem Sturm unter Deck durch eventuell verrutschende andere Ladung beschädigt werden könnte. Leider hatten die Hafenarbeiter den Reaktor aber nicht richtig festgezurrt. Als das Schiff dann tatsächlich in einen Sturm geriet, wurde der Reaktor losgerissen und liegt nun irgendwo auf dem Grund des indischen Ozeans. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, ist zwar grundsätzlich gering, aber im konkreten Fall ist dennoch ein erheblicher Schaden entstanden. Die erneute Fertigung des Reaktors hat zwar die Transportversicherung übernommen, doch kam sie nicht für die Folgeschäden durch den entstandenen Terminverzug auf. Darüber hinaus muss auch eine Vorsorge für unvorhersehbare Ereignisse gebildet werden. Hierunter fallen z. B. Naturkatastrophen, Kriege, aber auch Änderungen von (technischen) Vorschriften. Da niemand aufgrund der Unvorhersehbarkeit einen möglichen Aufwand auch nur ansatzweise abschätzen kann, wird üblicherweise ein pauschaler Ansatz gewählt, durch einen prozentualen Aufschlag auf die kalkulierten Kosten. Am Ende der Angebotserstellung steht das kaufmännische Highlight dieser Phase: die Bestimmung des Angebotspreises. Traditionell wird dieser in vielen Anlagenbaufirmen berechnet, indem zu den kalkulierten Kosten ein Aufschlag auf Basis einer vorgegebenen Gewinnmarge addiert wird. Diese Methode hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: In den meisten Fällen weicht der so berechnete Preis vom »Marktpreis« ab, der sich im Wesentlichen aus der Erwartung des Kunden ableitet. Sollte dieser höher liegen, so verschenkt der Anlagenbauer ein gewisses Gewinnpotential. Meistens jedoch liegt er niedriger. Dann verliert man entweder den Auftrag (und der in der Regel beträchtliche Aufwand für die Angebotserstellung war vergebens), oder aber der Vertrieb senkt den Angebotspreis entsprechend ab. Um die vorgegebene Marge trotzdem einhalten zu können, werden die Kosten- - schlimmstenfalls unrealistisch- - reduziert ( O-Ton eines Vertrieblers: »Wenn ich realistisch kalkulieren würde, könnte ich nichts verkaufen« ). Das führt in der Abwicklung unweigerlich zu nicht geplanten Verlusten. Es ist daher ratsam, die Entscheidung über den Angebotspreis und insbesondere die Verantwortung für die Kalkulation nicht dem Vertrieb allein zu überlassen. Um eine realistische, auf kaufmännisch wie technisch validen Parametern basierende Kalkulation sicherzustellen, hat sich in der Praxis bewährt, diese einem für diesen Zweck etablierten Gremium, dem die Geschäftsleitung sowie Vertreter aller relevanten Fachabteilungen angehören, zur Validierung vorzulegen. In diesem Gremium wird dann transparent das erstellte Angebot bewertet und entschieden, ob beispielsweise aus strategischen Gründen auch einmal eine unter der Zielvorgabe liegende Marge akzeptiert werden Abbildung 2: Kernprozess Angebotsphase im Anlagenbau Wissen | Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0066 08_geusen.indd 29 08_geusen.indd 29 14.08.2020 16: 00: 28 14.08.2020 16: 00: 28 kann, um dadurch die Chancen bei der Auftragsvergabe zu verbessern. Vertragsverhandlung Wenn der Kunde das Angebot attraktiv findet, beginnt die Phase der Vertragsverhandlung. Im Anlagenbau ist es üblich, dass es für jeden Auftrag einen individuellen Vertrag gibt, in dem die Interessen beider Vertragsparteien gegeneinander abgewogen werden. Die Vertragsverhandlung sollte aber nicht allein den Juristen und Technikern überlassen werden, denn auch kaufmännische Expertise ist von entscheidender Bedeutung. Da eine möglichst genaue Beschreibung des Liefer- und Leistungsumfangs im Vertrag unabdingbar ist, sollte zumindest dieser Teil des Angebots als Anlage aufgenommen werden. Allerdings versuchen Kunden immer wieder, speziell bei Verhandlungen mit einem Generalunternehmer (»lump-sum turn-key«-Projekte, also Pauschalpreis, schlüsselfertig), im Vertragstext »Weichmacher« einzubauen, wie z. B. • »Der Auftragnehmer sichert die Funktionsfähigkeit der Anlage zu und liefert dazu alle notwendigen Ausrüstungen.« • »Die Anlage wird gemäß dem letztgültigen Stand der Technik gebaut.« Die Erfahrung lehrt, dass viele Techniker die Sprengkraft solcher, vermeintlich eindeutiger Formulierungen verkennen. Selbstverständlich muss die Anlage die vertraglich geforderte Funktionalität erreichen; und den Anspruch, den Stand der Technik zu berücksichtigen, hat ohnehin jeder Ingenieur. Aber was passiert, wenn der Kunde im Verlauf der Abwicklung Änderungen an der Ausführung fordert (die aus seiner Sicht immer »notwendig« sind) oder ein allgemein anerkannter Branchenverband eine neue Richtlinie herausgibt, die eine andere Auslegung von einzelnen Komponenten vorgibt? Dann haben es die CPMgr. schwer, eine Anspruchsgrundlage für eine Kompensation der Mehrkosten zu generieren, denn der Kunde kann mit Bezug auf die erwähnten Klauseln fordern, dass die notwendigen Änderungen ohne Nachtrag durchgeführt werden, da sie gemäß Vertrag mit dem ursprünglichen Vertragspreis abgegolten seien. Ein weiteres Betätigungsfeld für versierte CPMgr. sind die ständigen Veränderungen am Vertragsgegenstand im Verlauf der Verhandlungen. Im Anlagenbau ist es nicht unüblich, dass der Liefer- und Leistungsumfang mehrfach an die Wünsche des Kunden angepasst werden muss. Auf der einen Seite werden Teile herausgenommen, wenn der Kunde z. B. der Auffassung ist, eine preisgünstigere Alternative zu haben. Auf der anderen Seite kann der Kunde besondere Wünsche haben, durch die zusätzliche Kosten entstehen können. Das zeigt ein konkreter Fall beim Bau einer Chemieanlage: Der Kunde äußerte während der Verhandlungen den Wunsch, die Rohrleitungen aus Edelstahl statt wie im Angebot aus Gusseisen auszuführen. Dies wurde im Vertrag so vereinbart, ohne dass eine Kostenanalyse durchgeführt wurde. In der Abwicklung ergaben sich dann ungeplante Mehrkosten von über 1 Mio. Euro, was mehr als 20 % des geplanten Gewinns entsprach. Es ist also zwingend geboten, dass alle Veränderungen im Laufe der Vertragsverhandlungen kaufmännisch eng begleitet und in die Kalkulation eingearbeitet werden. Und das kann durchaus sehr komplex werden. Es gibt im Anlagenbau nicht selten Projekte, in denen sich die Verhandlungsphase über mehrere Jahre hinziehen kann. Dabei sind mehr als zwei Dutzend Revisionen des Angebots keine Seltenheit, die zusätzlich mehrere Kalkulationsversionen und Optionspreise enthalten können. Hier den Überblick zu behalten, erfordert einen kühlen Kopf mit kaufmännischem Sachverstand, insbesondere wenn es in der Schlussphase der Verhandlungen hektisch wird. Inkraftsetzung des Vertrags Auch wenn beide Vertragsparteien den Vertrag rechtskräftig unterschrieben haben, bedeutet das noch lange nicht, dass der Vertrag auch rechtswirksam, d. h. in Kraft getreten ist. Vielmehr ist es üblich, dass hierzu bestimmte, im Vertrag festgelegte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Dazu zählt normalerweise, dass der Kunde eine Anzahlung leistet, abgesichert durch eine Bankbürgschaft des Auftragnehmers. Des Weiteren gibt es ggf. Gremienvorbehalte, d. h., dass der Vertrag durch Aufsichtsorgane der Vertragsparteien genehmigt werden muss. Es ist die Aufgabe der CPMgr., dafür Sorge zu tragen, dass alle im Vertrag für das Inkrafttreten geregelten Aufgaben zügig erledigt werden, denn sowohl der Kunde als auch das eigene Projektteam drängen aus Termingründen oft darauf, unverzüglich mit der technischen Projektbearbeitung zu beginnen. Das sollte aber auf keinen Fall vor Inkrafttreten des Vertrags erfolgen, denn damit würde der Anlagenbauer in Vorleistung treten mit dem Risiko, keinen Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen zu haben, falls der Vertrag doch nicht in Kraft tritt-- was durchaus schon vorgekommen ist, wenn z. B. der Kunde die Anzahlung nicht zahlt, da die Finanzierung im letzten Moment scheitert. Auftragsstart-- Planung der Auftragsabwicklung Man könnte meinen, dass der Auftragsstart aus kaufmännischer Sicht einfach ist. Wenn während der Angebotsphase die Kalkulation ordentlich gepflegt wurde und diese den finalen Liefer- und Leistungsumfang realistisch widerspiegelt, steht das Budget für die Abwicklung fest. Dann bleiben noch ein paar administrative Tätigkeiten wie das Anlegen der Kostenstruktur im ERP-System und fertig-- oder? Ganz so einfach ist es in der Praxis dann doch nicht, denn es gibt noch ein paar zusätzliche Planungsaktivitäten. Das fängt bei den Kosten an, denn es ist nicht nur relevant, wie hoch die Gesamtkosten des Projekts sind, sondern auch, wann die Kosten anfallen. Grund hierfür ist die Tatsache, dass viele Unternehmen heute ihre Bilanz nach internationalen Standards wie IFRS erstellen. Anders als nach deutschem Handelsrecht, das eine Umsatzrealisierung erst nach Fertigstellung eines Auftrags zulässt, wird dort eine monatliche Umsatzrealisierung nach Fortschritt gefordert. Der Fortschrittsgrad (Percentage of Completion- - PoC) wird dabei meist berechnet aus dem Verhältnis der tatsächlich angefallenen Kosten zu den erwarteten Gesamtkosten. Auch müssen viele Unternehmen Prognosen für den zukünftigen Geschäftsverlauf abgeben. Als Basis hierfür benötigt das Finanzwesen die Planung der zeitlichen Verteilung der Kosten in den einzelnen Projekten. Insbesondere bei größeren, komplexen und vor allem langfristigen Projekten ist es ratsam, den Kostenverlauf Wissen | Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0066 08_geusen.indd 30 08_geusen.indd 30 14.08.2020 16: 00: 28 14.08.2020 16: 00: 28 aus dem Terminplan abzuleiten, d. h. den einzelnen Terminplanaktivitäten die entsprechenden Kosten zuzuordnen und so eine Fortschrittskurve zu erstellen. Hierdurch können auch im weiteren Verlauf der Abwicklung auftretende Abweichungen leichter erkannt werden. Anschließend ist auch der zu erwartende Cash Flow zu planen, d. h. die monatlichen Geldabflüsse und -einnahmen gegenüberzustellen. Erstere ergeben sich aus dem Kostenverlauf (s. o.). Die Geldeingänge leiten sich aus dem Vertrag ab. Kein Anlagenbau-Unternehmen ist in der Lage oder willens, einen Auftrag im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich vorzufinanzieren. Deshalb ist es üblich, dass der Kunde neben der Anzahlung zu Beginn des Auftrags weitere Abschlagszahlungen leistet. Höhe und Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen werden als Zahlungsplan im Vertrag vereinbart. Im Idealfall ist dieser so gestaltet, dass über die gesamte Projektlaufzeit ein positiver Cash Flow existiert. Das schont nicht nur die eigenen Kreditlinien, sondern dient auch der Risikominimierung, da selbst bei einem vorzeitigen Projektabbruch-- etwa wenn der Kunde insolvent wird-- die bis dato aufgelaufenen Kosten gedeckt sind. Insgesamt gilt auch für das CPM: Gute Planung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Auftragsabwicklung Sind alle kaufmännischen Planungsaspekte sauber berücksichtigt, gilt es nun, die Projektabwicklung so zu steuern, dass die gesteckten Ziele erreicht werden, frei nach dem Grundsatz »Plan the work-- work the plan« . Wie wichtig es dabei ist, vom ersten Tag an die Entwicklung des Projektes aktiv zu verfolgen und immer wieder zu analysieren, ob man noch »im Plan« ist, zeigt folgendes Praxis-Beispiel: Innerhalb eines Monats war es einem Anlagenbauunternehmen gelungen, zwei Aufträge für den Bau einer Chemieanlage mit gleicher Technologie zu erhalten. Der erste Auftrag beinhaltete den Bau einer Standardanlage in einem Land, in dem das Unternehmen schon erfolgreich viele Anlagen gebaut hatte. Insofern wurde dieses Projekt als risikoarm eingestuft. Der zweite Auftrag über den Bau einer »first-of-its-kind«-Anlage mit neuem verfahrenstechnischen Konzept war gegen harten Wettbewerb gewonnen worden. Da man das Projekt aus strategischen Gründen als Referenz gewinnen wollte, war der Preis soweit gesenkt worden, dass in der Kalkulation nahezu kein Gewinn mehr ausgewiesen wurde. Weitere Risiken ergaben sich aus dem Aufstellungsort mit problematischen Rahmenbedingungen. Alles in allem ein Hochrisikoprojekt. Folglich hatte dieses Projekt die volle Aufmerksamkeit des Managements, während man das erste Projekt »laufen« ließ. Nach einem Jahr stellte sich die Situation wie folgt dar: Das Hochrisikoprojekt hatte sich dank der aktiven Steuerung sehr positiv entwickelt. Wie im Vertrag vereinbart, war das Design der Anlage zusammen mit dem Kunden optimiert worden. Dadurch war der Kunde am Ende des Projekts sehr zufrieden, obwohl sich der Auftragswert deutlich erhöht hatte, wodurch das Anlagenbauunternehmen einen Gewinn verbuchen konnte. Das andere Projekt steckte jedoch in tiefen Schwierigkeiten, vor allem wegen der schlechten Performance lokaler Partner. Als Konsequenz gab es einen erheblichen Terminverzug und Kostenüberschreitungen. Doch trotz erheblicher Aufwendungen in der Folge konnte kein Turn-Around mehr erzielt werden. Die Anlage ging zum Leidwesen des Kunden verspätet in Betrieb, und der Auftrag generierte deutliche Verluste. Was lehrt uns das? Je später Probleme in einem Projekt bzw. Abweichungen von der Planung erkannt werden, desto schwieriger wird es, das Projekt zurück in die Spur zu bringen. Und ab einem gewissen Punkt bleibt nur noch Schadensbegrenzung. Es ist also von entscheidender Bedeutung, jedes Projekt zu jeder Zeit auf dem Radarschirm zu haben. Hierzu ist es notwendig, größtmögliche Transparenz zu schaffen. Das bedeutet aus kaufmännischer Sicht vor allem, ständig die Kosten im Blick zu haben und im Rahmen der mitlaufenden Kalkulation die zu erwartenden Gesamtkosten auf der Basis von Ist-Kosten und Bestellwerten aus dem Einkauf permanent zu aktualisieren. Zur Unterstützung kann die Earned-Value-Methode (EVM) genutzt werden, denn die Kennziffern CPI (Cost Performance Index) und SPI (Schedule Performance Index) sind gute Frühindikatoren. Abbildung 3: Mängelbeseitigungskosten steigen exponentiell! Wissen | Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0066 08_geusen.indd 31 08_geusen.indd 31 14.08.2020 16: 00: 28 14.08.2020 16: 00: 28 Neben den Kosten müssen die CPMgr. auch den Cash Flow im Blick behalten und insbesondere für die Einhaltung des vertraglichen Zahlungsplans sorgen. Das bedeutet vor allem, dass Rechnungen an den Kunden zeitnah erstellt werden. Anschließend muss der Zahlungseingang eng verfolgt werden, einschließlich entsprechender Mahnungen bei Verzug. Das ist eigentlich kaufmännisches Handwerk, wird aber allzu oft aus falsch verstandener Kundenorientierung oder Mangel an interner Transparenz vernachlässigt. Neben der reinen Projektperspektive gibt es aus kaufmännischer Sicht aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Um diesen zu verstehen, stellen wir uns folgende Situation vor: In einem Anlagenbauprojekt läuft zunächst alles nach Plan-- Engineering und Materialbeschaffung sind im Zeitplan und auch auf der Kostenseite gibt es keine Budgetüberschreitungen. Als aber der Bauleiter kurz vor Montagebeginn auf die Baustelle kommt, stellt er fest, dass das separat vom Kunden beauftragte Bauunternehmen die Fundamente noch nicht fertiggestellt hat, sodass die Montage erst mit einem Verzug von mehreren Monaten beginnen kann. Aus Projektsicht handelt es sich um eine Vertragsstörung, die im Wege eines Vertragsnachtrags mit Verschiebung der zukünftigen Vertragstermine sowie Erstattung der resultierenden Mehrkosten zu beheben ist.Ist damit alles unter Kontrolle? Wie schon im Kapitel Projektplanung dargelegt, bilanzieren viele Anlagenbauunternehmen nach internationalen Regelwerken mit monatlicher PoC-Umsatzrealisierung. Wenn also die geschilderte Situation ohne Vorwarnung auftritt, fehlen dem Unternehmen kurzfristig wegen fehlendem Fortschritt Umsatz und damit Deckungsbeitrag, d. h., auch wenn sich aus Projektsicht perspektivisch das Ergebnis nicht verschlechtert, hat das Unternehmen ad hoc doch ein Ergebnisproblem. Es ist daher für das Unternehmenscontrolling von entscheidender Bedeutung, möglichst frühzeitig eventuelle Veränderungen der Umsatzentwicklung einzelner Projekte zu erfahren, um gegensteuern zu können. Es kommt also für eine erfolgreiche (kaufmännische) Projektabwicklung vor allem darauf an, durch Transparenz und proaktives Handeln so früh wie möglich Abweichungen von der Projektplanung zu erkennen und geeignete Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Projektabschluss Nachdem die Anlage (technisch) vom Kunden abgenommen wurde, beginnt die Phase des Projektabschlusses. Während die Arbeit für das technische Projektteam nun schnell zu Ende geht, haben die CPMgr. viel zu tun, da es zu diesem Zeitpunkt üblicherweise noch eine ganze Reihe offener kaufmännischer Themen gibt. Nicht selten steht der Betrag für die Schlussrechnung an den Kunden nicht fest, da noch nicht alle Nachträge mit dem Kunden verhandelt und beauftragt sind. Und dann halten viele Kunden gerne einen Teil der Zahlungen unter Hinweis auf noch offene Mängel zurück. Manche Kunden sind hier sehr kreativ. So weigerte sich ein Kunde, die Schlussrate in Höhe von 5 % des Auftragswertes zu bezahlen, da noch Toilettenpapierhalter und ähnliches fehlen würden, obwohl die Anlage voll in Produktion war. Das klingt anekdotisch, aber in manchen Kulturkreisen ist es Methode, die Schlussrate aus fadenscheinigen Gründen nicht zu bezahlen. Deshalb gehört es zur Risikoabwägung in der Angebotsphase, ein solches Szenario mit abzudecken. Schließlich muss dafür Sorge getragen werden, dass die herausgelegten Bankbürgschaften- - ein nicht unerheblicher Kostenfaktor- - wieder zurückgegeben werden. Neben den kundenbezogenen Aktivitäten sind auch alle Transaktionen mit Lieferanten und Sub-Unternehmern ebenso abzuschließen. Zum Schluss müssen zusammen mit dem Finanzwesen im ERP-System alle Salden zwischen Kostenplanung und Ist-Kosten auf »Null« gesetzt werden. Für die Gewährleistungsphase müssen bilanzielle Rückstellungen gebildet werden. Nur wenn alle offenen Themen geklärt sind, kann das Projekt final kaufmännisch abgeschlossen werden. Und erst dann lässt sich abschließend beurteilen, ob das Projekt wirtschaftlich erfolgreich war. Zum einen bemisst sich diese Bewertung natürlich am absoluten Wertbeitrag des Projekts zum Unternehmensergebnis. Ein weiterer Maßstab ist aber auch die Relation zwischen geplantem Ergebnis im Budget und dem tatsächlich erreichten Ergebnis. Wenn also ein Projektleiter einen ursprünglich erwarteten Verlust deutlich reduziert hat, so war er unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus erfolgreich. Zusammenfassung In erster Linie ist selbstverständlich die Kundenzufriedenheit entscheidend dafür, ob ein Auftragsprojekt erfolgreich ist. Für ein Anlagenbauprojekt bedeutet dies, dass zuvorderst die Anlage termingerecht fertiggestellt wird und dass alle vertraglichen Produktparameter hinsichtlich Quantität und Qualität erfüllt werden. Darüber hinaus ist es aber für das Anlagenbau-Unternehmen von entscheidender Bedeutung, dass das Projekt auch wirtschaftlich erfolgreich war. Um dieses Ziel zu erreichen, spielt CPM eine Schlüsselrolle. Zunächst geht es darum, während der Angebotsphase mit einer realistischen Kalkulation nach bestem Wissen und Gewissen sowie einem »sauberen« Vertrag ein solides Fundament für die Auftragsabwicklung zu legen. Eine ordentliche Planung bildet dann die Basis für eine proaktive Steuerung von Kosten und Cash Flow. Ein transparentes Reporting sorgt dafür, dass notwendige Korrekturmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden. So können professionelle CPMgr. sicherstellen, dass das Unternehmen am Ende auch Geld verdient, denn wie der Volksmund sagt: ohne Moos nix los! Eingangsabbildung: © Karl Geusen Karl Geusen Selbständiger Projektmanagement- Berater mit mehr als 30 Jahren Führungserfahrung in technischen und kaufmännischen Managementpositionen bei namhaften, weltweit tätigen (Groß-)Anlagenbauunternehmen, Lehrbeauftragter für Projekt-Controlling eMail: karl.geusen@geusen-consult.com Wissen | Wie lässt sich wirtschaftlicher Erfolg von Auftragsprojekten gestalten und steuern? 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0066 08_geusen.indd 32 08_geusen.indd 32 14.08.2020 16: 00: 29 14.08.2020 16: 00: 29