PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0068
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) schützen
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Andreas Scherdel
(Schieds-)Gerichtsverfahren bringen es ans Licht: Ohne Verschulden des Auftragnehmers sind Projekte in Schieflage geraten, weil Verzögerungen, Behinderungen oder andere leistungserschwerende Ereignisse eingetreten sind. Trotzdem kann der Auftragnehmer im Rahmen eines Verfahrens weder nachweisen, dass und wie die Behinderungen für Mehrkosten verantwortlich waren, noch kann er den Schaden genau beziffern, oder er scheitert mit der Forderung an formalen Hürden, z. B. weil die notwendige Dokumentation fehlt oder der Anspruch während der Abwicklung nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde. Im Folgenden wird auf Basis von anwaltlicher Erfahrung in internationalen Verfahren beschrieben, welche Anforderungen an eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung von den Gerichten gestellt werden und wie diese Anforderungen durch gutes Commercial Project Management erfüllt werden können.
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Unserer gutes Recht Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) stützen Andreas Scherdel Für eilige Leser | (Schieds-)Gerichtsverfahren bringen es ans Licht: Ohne Verschulden des Auftragnehmers sind Projekte in Schieflage geraten, weil Verzögerungen, Behinderungen oder andere leistungserschwerende Ereignisse eingetreten sind. Trotzdem kann der Auftragnehmer im Rahmen eines Verfahrens weder nachweisen, dass und wie die Behinderungen für Mehrkosten verantwortlich waren, noch kann er den Schaden genau beziffern, oder er scheitert mit der Forderung an formalen Hürden, z. B. weil die notwendige Dokumentation fehlt oder der Anspruch während der Abwicklung nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde. Im Folgenden wird auf Basis von anwaltlicher Erfahrung in internationalen Verfahren beschrieben, welche Anforderungen an eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung von den Gerichten gestellt werden und wie diese Anforderungen durch gutes Commercial Project Management erfüllt werden können. Schlagwörter | Commercial Project Management, CPM, Gericht, Schiedsgericht, Projekt, Mehrkosten, Schadensersatz, Verzug, Leistungsänderung, Frist, Rechtswahl, Dokumentation, Finanzierungskosten, Vertrag In Projekten, die pauschal und nicht nach tatsächlichem Aufwand vergütet werden, passiert es immer wieder: Aus Gründen, die nicht beim Auftragnehmer liegen, verzögert sich das Projekt, Umstände auf der Baustelle erschweren und verzögern die Arbeit oder der Auftraggeber verlangt ständig Änderungen. Das anfänglich mit Mühe akquirierte Projekt gerät in der Folge in tiefrote Zahlen. Alle Bemühungen einer gütlichen Einigung scheitern und der Schaden ist zu groß, um ihn einfach hinnehmen zu können. Es bleibt nur der Weg zum (Schieds-)Gericht. Wir Rechtsanwälte, die wir unsere Mandanten hierbei begleiten, mussten dabei lernen, dass berechtigte Ansprüche oft nicht durchgesetzt werden können, obwohl dies bei gutem kaufmännischem Management des Projekts in der Angebots- und erst recht in der Abwicklungsphase möglich gewesen wäre. Ganz überwiegend entstehen für den Auftragnehmer nicht von ihm zu vertretende Schäden im Projekt durch Verzug, Behinderung und einseitige Leistungsänderung. Wir gehen im Folgenden davon aus, dass der Geltendmachung des Anspruchs keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Hierzu kann nur angeraten werden, die Verträge im Verhandlungsstadium auch und besonders daraufhin rechtlich zu prüfen oder prüfen zu lassen, dass insoweit keine Haftungsminderungen oder gar -ausschlüsse zugunsten des Auftraggebers bestehen und eine passende Rechtswahl getroffen wurde. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs gegeben sind, kann dieser aber nur dann durchgesetzt werden, wenn • die Ansprüche vertragsgemäß geltend gemacht wurden UND • die schadensbegründenden Ereignisse nachgewiesen werden können UND • die Schadenshöhe nachgewiesen werden kann. Während in den angelsächsischen Ländern hohe Fertigkeit darin besteht, diese Ansprüche zu sichern und durchzusetzen, sich hieraus sogar Berufsbilder entwickelt haben (z. B. der Quantity Surveyor), arbeiten deutsche Unternehmen sehr Wissen Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) stützen DOI 10.2357/ PM-2020-0068 31. Jahrgang · 04/ 2020 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0068 10_scherdel.indd 38 10_scherdel.indd 38 14.08.2020 16: 19: 50 14.08.2020 16: 19: 50 häufig noch nach dem „deutschen Ingenieursethos“: Zuallererst gilt es das Projekt in der bestmöglichen Qualität fertigzustellen und den Kunden nicht durch die Geltendmachung von zusätzlichen Ansprüchen zu verärgern. Insbesondere im internationalen Projektgeschäft kommt es dann aber zu teils erheblichen Nachteilen für den Auftragnehmer, wenn nur der Auftraggeber die Möglichkeiten des modernen Vertrags- und Claim-Managements nutzt, die eigenen Ansprüche dadurch sichert und Gegenansprüche erfolgreich abwehrt. Falsche Scheu, eigene Ansprüche anzumelden und durchzusetzen, erzeugt überwiegend keine Anerkennung mehr, sondern wirtschaftlichen Schaden. EXKURS: Die Plus-/ Minus-Liste Gerade im nationalen Projektgeschäft beobachten wir immer wieder, dass die Parteien ihre gegenseitigen mutmaßlichen zusätzlichen Ansprüche nicht sauber vertraglich geltend machen, sondern sich darauf einigen, eine im Vertrag nicht geregelte Plus-/ Minus-Liste zu führen, in die die gegenseitigen Forderungen eingetragen werden, um diese dann am Projektende, im Wesentlichen über einen Verrechnungsmodus (Package Deal), zu klären. Wir raten von dem Führen einer solchen Liste aus folgenden Gründen ab: • Die Liste ist im Vertrag nicht geregelt. Die Handhabung ist deshalb nicht in die Vertragsmechanismen einbezogen und damit unklar. • Ansprüche nicht sofort geltend zu machen bedeutet oft, die Ansprüche nicht sauber zu dokumentieren, da es ja erst am Projektende zur Klärung kommt. Hierdurch entstehen Nachweisschwierigkeiten. • Letztlich gerät durch das Liegenlassen der Ansprüche, insbesondere bei längeren Projekten, der Hintergrund des Anspruchs in Vergessenheit, auch gerade dann, wenn das Projektpersonal wechselt. Einen Anspruch, den man aber nicht mehr genau kennt, kann man auch schwerlich durchsetzen. Der aus dem angelsächsischen Raum kommende hohe Standard bei der Geltendmachung von zusätzlichen Projektforderungen lässt auch die Ansprüche der Gerichte und insbesondere der internationalen Schiedsgerichte an den Nachweis des Grunds und der Höhe des Anspruchs steigen. Welche Anforderungen stellt diese Entwicklung an den Auftragnehmer? 1. Prüfung der einschlägigen Regelungen schon im Angebotsstadium Wir sehen in Vertragsentwürfen immer wieder Regelungen, die verlangen, dass der Auftragnehmer zusätzliche Ansprüche für Mehraufwand innerhalb einer bestimmten kurzen Frist geltend machen muss. Erfolgt die Geltendmachung nicht innerhalb dieser Frist, sind die Ansprüche verwirkt. Hier gilt es, im Angebotsstadium zu versuchen, derlei Ausschlussfristen nicht zu akzeptieren. Gelingt dies nicht, so muss bereits an dieser Stelle für die Projektabwicklung intern ein geeigneter Ablauf geplant werden, der sicherstellt, dass etwaige Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies ist wichtige Aufgabe des kommerziellen Projektmanagements (CPM). Zusätzlich versuchen Auftraggeber die Geltendmachung von Ansprüchen dadurch zu erschweren, dass für die Anmeldung von Ansprüchen Formvorschriften gelten. Nichteinhaltung der Formvorschriften führt zu Anspruchsverlust. Solche Vorschriften können z. B. darin bestehen, dass die Anmeldung schriftlich in einem bestimmten Format (Muster) zu erfolgen hat, in bestimmter Weise autorisiert sein und / oder bestimmten Empfängern zugeleitet werden muss. Auch diese formalen Anforderungen sollten entweder vermieden oder deren Einhaltung durch geeignete Prozesse sichergestellt werden. Auch dies ist eine wichtige Aufgabe des CPM. Letztlich werden immer wieder hohe Anforderungen an die Begründung des Anspruchs dem Grunde und der Höhe nach gestellt, eine Aufgabe, die durch das CPM koordiniert werden muss. Solche Anforderungen an die Anspruchsbegründung führen in Verbindung mit kurzen Ausschlussfristen durchaus dazu, dass eine form- und fristgerechte Anspruchsgeltendmachung faktisch nahezu unmöglich wird. Dies ist auf jeden Fall im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu vermeiden. EXKURS: Rechtswahl Die Wichtigkeit der Wahl des Rechts, unter der der jeweilige internationale Vertrag stehen soll, wird häufig unterschätzt und oft nur dadurch beeinflusst, welches Recht im Unternehmen geläufig ist. Dies führt dazu, dass es als Verhandlungserfolg gewertet wird, wenn man zwar nicht das „eigene“ Recht durchsetzen, aber die Anwendung des Ortsrechts des Auftraggebers vermeiden konnte und sich auf ein drittes, beispielsweise das englische Recht, das man eben besser als das Ortsrecht kennt, geeinigt hat. Kommt es dann zum Streit über die Gültigkeit von z. B. eben beschriebenen Ausschlussfristen und Formerfordernissen, dann stellt man-- zu spät-- fest, dass eine Unwirksamkeit solcher Fristen und Erfordernisse nach Ortsrecht eher zu erwirken gewesen wäre als nach englischem Recht. Wir empfehlen umfassendes Augenmerk auf die Rechtswahl zu legen und rechtzeitig fachlichen Rat von Kennern der in Betracht kommenden Rechte einzuholen. 2. Vertragsgemäße Geltendmachung der Ansprüche Wie oben schon angesprochen, gilt es, zur korrekten Geltendmachung der Ansprüche den Vertrag genau zu kennen und entsprechende Abläufe im Projektteam zu installieren, die die zeitige und formrichtige Geltendmachung der jeweiligen Ansprüche sicherstellen. Ebenso selbstverständlich, wie alle- - teilweise komplexen-- Details der korrekten Abrechnung des Projektfortschritts bekannt sind und eingehalten werden, genauso selbstverständlich sollten die betroffenen Projektmitarbeiter mit der korrekten Geltendmachung von Ansprüchen vertraut sein. Nur wenn die Details bekannt sind und eingehalten werden, kann ein Anspruch erfolgreich durchgesetzt werden. Wissen | Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) stützen 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0068 10_scherdel.indd 39 10_scherdel.indd 39 14.08.2020 16: 19: 50 14.08.2020 16: 19: 50 3. Dokumentation der schadensbegründenden Ereignisse Wenn Verzögerungen dadurch entstehen, dass nicht rechtzeitig Zugang zur Baustelle geschaffen wurde, wenn andere Gewerke Schäden an eigenen Installationen erzeugen, wenn der Auftraggeber oder Dritte die zügige Installation behindern oder wenn Anordnungen oder Handlungen des Auftraggebers zu Änderungen und Mehraufwand führen, dann müssen diese Ereignisse lückenlos dokumentiert werden. Nur so gelingt die Substantiierung der schadensauslösenden Ereignisse, und die Geltendmachung daraus resultierender zusätzlicher Zeit und Kosten im Rahmen der Anmeldung des Aufwands beim Auftraggeber oder im Rahmen eines streitigen Verfahrens wird ermöglicht. Gutes CPM ist die Voraussetzung dafür, dass bekannt ist, welche Dokumentation erforderlich ist und wie diese zeitnah erstellt werden kann. Fehlendes CPM führt immer wieder dazu, dass das Projektteam am Ende zwar die Gründe für den Mehraufwand kennt und den Sachverhalt darstellen kann, der erforderliche anspruchsbegründende Nachweis aber nie erzeugt wurde. Nachträgliche Aktivitäten sind unserer Erfahrung nach im Streitfall relativ wertlos, da es auf zeitnahe Nachweise (‚contemporaneous records‘) ankommt. Zusätzlich zum Nachweis der schadensauslösenden Ereignisse führt gutes CPM auch dazu, dass die erforderlichen schadensmindernden Aktivitäten des Auftragnehmers durchgeführt und dokumentiert werden, da, wenn auch nicht immer vertraglich verlangt, beinahe jedes Rechtssystem eine Schadensminderungspflicht manifestiert. Wird diese nicht erfüllt, so führt das regelmäßig zu einer Anspruchsminderung. 4. Dokumentation der angefallenen Mehrkosten Mehrkosten in einem Projekt können im Unternehmen des Auftragnehmers und vor Ort auf der Baustelle entstehen. Dies betrifft einerseits Kosten des Auftragnehmers selbst (Material, Personal, Finanzaufwand), andererseits Kosten durch den Einsatz von Unterlieferanten. Die Zuordnung der Mehrkosten von Unterlieferanten gestaltet sich im Allgemeinen einfacher, insbesondere wenn von den Lieferanten in der Rechnung eine ausreichende Dokumentation des Auftragsumfangs verlangt und geliefert wird. Hinsichtlich der Kosten des Auftragnehmers ist der Nachweis deswegen schwieriger, weil im Allgemeinen zwar eine projektbezogene Stunden- und Materialerfassung erfolgt, innerhalb dieser Erfassung aber nicht zwischen erforderlichem Projektaufwand und Zusatzaufwand unterschieden wird. Diese Unterscheidung ist auch nicht allen projektbeteiligten Mitarbeitern möglich, da hierzu eine genaue Kenntnis des Auftragsumfangs erforderlich wäre. Der Projektplaner führt Planänderungen immer dann durch, wenn dies verlangt wird. Ob dieses Verlangen im Rahmen des Auftragsumfangs erfolgt oder Zusatzaufwand bedeutet, kann der Planer nicht beurteilen. Hier kann CPM wesentlich unterstützen und bereits bei Entstehung der Kosten dafür sorgen, dass diese verursachungsgerecht zugeordnet werden. Neben der korrekten verursachungsgerechten Zuordnung im Hause des Auftragnehmers spielt die Qualität der vertraglich vereinbarten Projektdokumentation eine wesentliche Rolle für die Geltendmachung von Ansprüchen. Der Auftraggeber verlangt in beinahe jedem Projekt mehr oder weniger aufwendige Dokumentationen über die Aktivitäten des Auftragnehmers im Projekt. Dies gilt insbesondere für die Phase der Installation vor Ort. Die vereinbarte Berichterstattung (Tages-, Wochen-, Monatsberichte, Besprechungsprotokolle etc.) wird vom Auftragnehmer häufig als lästiges Übel ‚neben‘ der Arbeit verstanden und deshalb vielfach nicht sorgfältig erstellt. Gutes CPM nutzt aber diese Werkzeuge der Berichterstattung, um Zusatzaufwand anzuzeigen und zu protokollieren. Wenn im Rahmen der Tagesberichte nachzuweisen ist, welches Personal wie lange an welchen Arbeitspaketen gearbeitet hat, dann kann dies nachlässig (nicht selten „copy / paste“ vom Vortag) erfolgen oder für die Anspruchsdokumentation genutzt werden, wenn bereits in diesen Berichten eine Zuordnung zu regulärem und Mehraufwand erfolgt. Gutes CPM stellt Letzteres sicher. 5. Dokumentation der Höhe der Mehrkosten Gelingt nun durch gutes CPM die Zuordnung des Aufwands zu Projekt- und Mehrkosten, dann muss in einem letzten Schritt die Höhe der Zusatzkosten nachgewiesen werden. Im besten Fall wurde im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine Vorgehensweise in den Vertrag aufgenommen, wie diese Kosten zu berechnen sind. Dies kann über vertraglich vereinbarte Stunden- und Materialsätze oder unter Bezugnahme auf die Positionen im Lastenheft erfolgen. Eine solche vertragliche Abdeckung des Themas vermeidet im Schadensfall einen aufwendigeren Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten. Zusätzlich wird auf diese Weise das strittige Thema erledigt, ob der Schadensersatz auch einen Gewinnanteil enthalten darf. Gibt es, wie häufig, keine vertragliche Regelung, dann bleibt nur der Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten, da sich der Schadensersatzanspruch grundsätzlich auf die tatsächlich entstandenen Kosten bezieht. Auch hier stellt sich die Frage nach einem Gewinnanteil, der, im besseren Fall, vertraglich geregelt ist und ansonsten nach dem anwendbaren Recht zu entscheiden ist, was dann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Der Nachweis der tatsächlichen Mehrkosten gestaltet sich einfacher, solange es sich um Material- oder Finanzierungskosten handelt, da hierfür im allgemeinen Rechnungen existieren. EXKURS: Finanzierungskosten Nach unseren Erfahrungen werden Finanzierungskosten grundsätzlich von den Gerichten anerkannt. Hierbei muss nachgewiesen werden, mit welchem Aufwand sich das Unternehmen refinanziert. Die Berechnung des Mehraufwands aufgrund von Verzug ist insoweit komplex, als der geplante Cash Flow mit dem tatsächlichen Cash Flow verglichen werden muss. Weiterhin können Mehrkosten aus Verzug für länger in Anspruch genommene vertraglich vereinbarte Garantien in Ansatz gebracht werden. Wenig Erfolgsaussichten sehen wir bei dem Anspruch auf Erstattung von Währungssicherungs- und Exportkreditsicherungskosten. Dieser Aufwand wird von den Gerichten im Allgemeinen in der Sphäre des Auftragnehmers gesehen, da der Auftragnehmer das Währungs- und Wissen | Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) stützen 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0068 10_scherdel.indd 40 10_scherdel.indd 40 14.08.2020 16: 19: 50 14.08.2020 16: 19: 50 Exportkreditrisiko vertraglich auf sich genommen hat und es deshalb in seiner Verantwortung und Entscheidung liegt, sich dagegen abzusichern. Hinsichtlich des Mehraufwands für eigenes Personal des Auftragnehmers gestaltet sich der Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten als sehr aufwendig. Einerseits müssen beim Nachweis der Gehaltskosten (Arbeitgeber Brutto) vertrauliche Informationen des Mitarbeiters weitergegeben werden, andererseits muss glaubhaft gemacht werden, dass zu den direkten Gehaltskosten in der Regel ca. 100 % indirekte Personalkosten zuzuschlagen sind, da die Betreuung und Verwaltung des Personals erhebliche weitere Kosten erzeugt. Genannt seien hier beispielhaft Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Reisekosten, Zusatzleistungen wie Firmenwagen, Firmenpension, Kantine oder Kinderbetreuung und die Personalverwaltung und -abrechnung („Personalgemeinkosten“). Die Aufgaben des CPM bestehen hier einerseits darin, Regelungen mit den betroffenen Mitarbeitern zu finden, die es ermöglichen, die Gehaltsdaten im erforderlichen Umfang weiterzugeben und gleichzeitig Vertraulichkeit zu etablieren. Andererseits müssen die Personalnebenkosten glaubhaft gemacht werden. Hier sind einige Hürden zu nehmen, da diese Nebenkosten im Allgemeinen nicht projektbezogen, sondern in Kostenstellen kalkuliert und gebucht werden. Neben der Behandlung dieser Zuordnungsproblematik muss die Höhe der Kosten an sich glaubhaft gemacht werden. Dies könnte z. B. durch das Testat des Wirtschaftsprüfers erfolgen. Alles in allem sind hier hohe Anforderungen an das CPM gestellt. Sind diese Anforderungen aber dem CPM bekannt, so kann, wenn auch aufwendig, ein ‚gerichtsfester‘ Nachweis erbracht werden, der zur erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung führt. Die größte Herausforderung besteht im Nachweis der Kosten, die nicht direkt dem Projekt zugeordnet werden, also den sogenannten Gemein- oder allgemeinen Verwaltungskosten (Head Office Overhead Cost: HOOC). Diese HOOC- - abzugrenzen von den Personalgemeinkosten- - berücksichtigen z. B. den Aufwand für Management, Personal, IT oder Buchhaltung und werden in den Unternehmen auf unterschiedlicher Basis (z. B. Kostenstellenkalkulation) ermittelt und fließen unterschiedlich in die Projektkalkulationen ein (Auf- oder Zuschläge oder weitgehende Berücksichtigung in den Stundensätzen). Die Geltendmachung dieser Kosten ist oft nicht projektbezogen möglich und kann nur über eine summarische Herleitung, z. B. über Formeln, erfolgen. Mit viel Erfahrung und genauer Kenntnis der Kalkulation der Unternehmenskosten kann gutes CPM aber auch HOOC erfolgreich geltend machen. Aus unseren vorstehend geschilderten Erfahrungen geht hervor, dass auch und gerade für die Durchsetzung von Ansprüchen aus Mehraufwand und Leistungsänderungen gutes CPM unabdingbar ist. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil an die Substantiierung dieser Ansprüche immer höhere Ansprüche gestellt werden. Andreas Scherdel Andreas Scherdel ist Partner bei Alexander & Partner Rechtsanwälte, eine auf internationales Wirtschaftsrecht, vor allem am arabischen Golf und in Afrika ausgerichtete Kanzlei, die ihre Mandanten insbesondere bei Transaktionen und bei der Gestaltung und Verhandlung von Verträgen unterstützt, rechtliche Unterstützung in der operativen Phase von Projekten und bei der Streitbeilegung gibt und auch im Bereich Projekt-, Vertrags- und Claim Management berät. Herr Scherdel hat viele Jahre praktische Erfahrung im CPM in verschiedenen kaufmännischen Managementpositionen bei einem internationalen Großunternehmen gesammelt. eMail: as@alexander-partner.com Tel: +49 (0)30 88 778 050; Mob.: +49 (0)1 702 418 356 Auch wenn die Installation eines CPM, gerade in mittelständischen Unternehmen, zusätzliche Projektkosten bedeutet, wird dieses CPM durch gutes Vertrags- und Claim-Management sofort zur profitablen Einrichtung. EXKURS: Remote CPM In den Fällen, in denen Unternehmen aufgrund der Auftragsgröße und Unternehmensstruktur nicht sinnvoll ein eigenes CPM einrichten können, ist an sog. Remote CPM zu denken. CPM Spezialisten bieten diese Dienstleistung an und arbeiten auf Projektbasis mit den Auftragnehmern eng zusammen, ohne permanent vor Ort bzw. in das Unternehmen eingebunden zu sein. Wenn diese Leistung im Rahmen einer Pauschale eingekauft werden kann, kann der Aufwand kalkulationssicher in die Projektkosten aufgenommen werden. In internationalen Projekten ist gutes CPM unerlässlich, da der Auftraggeber dies auf seiner Seite regelmäßig installiert hat. Gutes CPM steht heute für hohe Professionalität im Projektgeschäft und sorgt ebenso für Respekt und Anerkennung beim Auftraggeber wie technische Exzellenz. Dies führt auch dazu, dass der Auftraggeber souverän angemeldeten Mehraufwand auch schon während der Projektabwicklung akzeptiert und es nicht auf ein späteres Verfahren ankommen lässt, da er dort einen starken Gegner zu erwarten hat. Eingangsabbildung: © Thomas Röllecke Wissen | Mit Commercial Project Management Ansprüche (Claims) stützen 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0068 10_scherdel.indd 41 10_scherdel.indd 41 14.08.2020 16: 19: 51 14.08.2020 16: 19: 51