eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0069
914
2020
314 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten

914
2020
Oliver Haxter
Lorenz Schneider
Der Artikel beschreibt ein mögliches Bindeglied zwischen der technischen und der kaufmännischen Projektabwicklung von Bauprojekten. Hierbei wird im Rahmen einer digitalen Projektplanung die BIM-Methodik genutzt. Für einen fach- und systemübergreifenden Informationsaustausch ist ein OpenBIM-Umfeld sowie die Nutzung eines standardisierten Datenaustauschformats erforderlich. Im Artikel wird beschrieben, wie die Informationen einer digitalen Planung für das CPM genutzt werden können. Ein Ausblick zeigt Risiken und Chancen einer solchen Vorgehensweise auf und gibt Anregungen, wie diesen begegnet werden kann.
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Muss man denn alles manuell bearbeiten? Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten Oliver Haxter, Lorenz Schneider Für eilige Leser | Der Artikel beschreibt ein mögliches Bindeglied zwischen der technischen und der kaufmännischen Projektabwicklung von Bauprojekten. Hierbei wird im Rahmen einer digitalen Projektplanung die BIM-Methodik genutzt. Für einen fach- und systemübergreifenden Informationsaustausch ist ein OpenBIM-Umfeld sowie die Nutzung eines standardisierten Datenaustauschformats erforderlich. Im Artikel wird beschrieben, wie die Informationen einer digitalen Planung für das CPM genutzt werden können. Ein Ausblick zeigt Risiken und Chancen einer solchen Vorgehensweise auf und gibt Anregungen, wie diesen begegnet werden kann. Schlagwörter | Auftragsprojekte, Bauwesen, BIM-Methode, IFC-Standardschnittstelle, Kaufmännische Projektsteuerung, Kostenplanung, OpenBIM Ausgangslage Die Unterstützung durch Softwaretools für den geschäftlichen wie auch für den privaten Bereich hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Waren es in den Anfängen einzelne Arbeitsschritte, die durch „Computerprogramme“ erledigt wurden, so sehen wir heute, dass ganze Systemlandschaften entstanden sind, die Unternehmen bei der Planung und Durchführung ihrer unternehmerischen Tätigkeiten unterstützen. Diese Entwicklung verlief dabei zunächst in Technik und Kaufmannschaft unabhängig voneinander. Für technische Fragestellungen wurden Planungstools wie CAD oder Finite Elemente als Anwendungen entwickelt, für kaufmännische Aspekte wurden Lösungen im Bereich CRM etabliert oder datenbankgestützte Informationsverarbeitung für verschiedene kaufmännische Anwendungen implementiert. Unternehmen, die (Auftrags-)Projekte im Bau- oder Anlagenbau-Bereich durchführen, setzen in jüngerer Zeit für technische Fragestellungen vermehrt Softwarelösungen ein, die unter dem Stichwort „Building Information Modeling“ (BIM) zusammengefasst werden. Diese Software bietet aber auch die Möglichkeit der Unterstützung im Bereich der Erfassung und „Steuerung“ von Kosten. Die Frage ist, inwieweit durch diese eher technisch geprägten Planungstools eine Unterstützung für den kaufmännischen Bearbeitungsprozess bei Auftragsprojekten erfolgen kann. Zweifellos kann durch eine professionelle kaufmännische Betreuung von Projekten ein wesentlicher Beitrag für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens geleistet werden. Die heutige Zeit der digitalen Transformation in nahezu allen Lebensbereichen mit zunehmender Digitalisierung vieler Geschäftsprozesse kann dabei als Chance genutzt werden, um Projekte in der heutigen VUCA-Zeit kaufmännisch zeitnah und flexibel zu führen. Dies gilt insbesondere für Auftragsprojekte im Bau- und Anlagenbaubereich, bei denen es üblich ist, dass verschiedene Unternehmer in der Form einer ARGE oder in einer klassischen Unternehmer- und Subunternehmerstruktur kollaborativ zusammenarbeiten. Im vorliegenden Beitrag werden Auftragsprojekte aus dem Bau- und Anlagenbaubereich betrachtet. Dabei wird die Sichtweise des ausführenden Unternehmens als Auftragnehmer eingenommen. Es soll ein Lösungsansatz skizziert werden, der die heute mögliche Vorgehensweise bei der kaufmännischen Softwareunterstützung für die kaufmännische Planung, Steuerung und Abwicklung von Auftragsprojekten aufzeigt. Weiterhin soll ein Ausblick auf die Art und Weise Wissen Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten DOI 10.2357/ PM-2020-0069 31. Jahrgang · 04/ 2020 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0069 11_haxter.indd 42 11_haxter.indd 42 14.08.2020 16: 21: 51 14.08.2020 16: 21: 51 erfolgen, wie BIM-Software die kaufmännischen Arbeiten bei dieser Art von Projekten unterstützen kann. Dabei wird der Ablauf generisch erklärt und es werden mögliche Chancen und Risiken aufgezeigt. Der Beitrag versteht sich als ein Erfahrungsbericht aus der Praxis von Auftragsprojekten, wobei die Beschreibung eher aus dem Blickwinkel der Investition erfolgt. Einige Finanzierungsaspekte werden jedoch auch beleuchtet. Begriffe und Definitionen Auftragsprojekte aus dem Bau- und Anlagenbaubereich werden im Regelfall in sieben aufeinanderfolgenden Projektphasen realisiert: Planung, Genehmigung, Einkauf / Beschaffung, Ausführung, Inbetriebnahme, Abnahme und Überleitung in den Regelbetrieb. Insbesondere bei den Projektphasen Planung, Einkauf / Beschaffung, Ausführung, Abnahme und Regelbetrieb ist eine umfangreiche und fundierte kaufmännische Unterstützung notwendig. Hier geht es um Kostenplanung, Kostenverfolgung, Kostenabrechnung und die kostenmäßige Leistungsmessung (Soll / Ist-Vergleich) eines Investitionsvorhabens. Daneben sind auch Finanzierungsfragen zu lösen, um das notwendige Projektbudget rechtzeitig bereitzustellen. Weiterhin sind Mittelabflusspläne zu erstellen, um darauf aufbauend die notwendigen finanziellen Mittel sukzessive und rechtzeitig zur Verfügung zu haben. Natürlich ist in diesen fünf Phasen auch eine projektbegleitende vertragsrechtliche Unterstützung notwendig. Bei Auftragsprojekten findet man auf der Auftragnehmerseite häufig eine Konstellation der Vertragsabwicklung, bei der mehrere ausführende Gesellschaften in einer projektbezogenen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) fusionieren oder ein Hauptauftragnehmer (Generalunternehmer) mit Subunternehmern zusammenarbeitet. Die beteiligten ausführenden Firmen arbeiten dabei kollaborativ am Projekt. Diese Abwicklungssituationen stellen hohe Anforderungen an den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Firmen, idealerweise nahezu in „Echtzeit“. In diesem Kontext seien die Rollen der kaufmännischen sowie der technischen Projektleitung erwähnt, welche im Verlauf des Projekts für den Projekterfolg von wesentlicher Bedeutung sind und zudem ein erhebliches Konfliktpotential beinhalten, wenn sie nicht in enger Abstimmung zusammenarbeiten. Zur ersten Orientierung hinsichtlich der Softwareunterstützung bei der kaufmännischen Projektabwicklung soll zunächst ein Blick in die beiden großen Standardwerke für die Aus- und Fortbildung des Projektpersonals im Fachgebiet Projektmanagement geworfen werden. Dies ist zum einen die ICB 4 der IPMA und der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement GPM e. V. (PM 4), zum anderen ist dies der PMBOK Guide des Project Management Institute PMI. Im PM 4 finden sich einige Hinweise auf Softwareunterstützung für die kaufmännischen Projekt-Arbeiten im Kapitel 2.7 „Digitalisierung im Projektmanagement“. Im dortigen Unterkapitel 3 „Software für das Projektmanagement“ werden Hinweise gegeben auf spezialisierte Werkzeuge für die Kostenkalkulation sowie Software zur Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Leistungen [1, S. 278]. In diesem Kapitel wird auch auf Kollaborations- und Informationsplattformen eingegangen. Das Kapitel gibt einen Überblick, geht aber nicht auf Einzelheiten wie zum Beispiel Funktionalitäten oder Ablaufprozesse ein. Im PMBOK Guide gibt es einige wenige Bezüge zur Softwareunterstützung im Projektmanagement. Im Kapitel 10 „Kommunikationsmanagement in Projekten“ wird auf das Projektmanagement-Informationssystem hingewiesen. Im Kapitel 11 „Risikomanagement in Projekten“ wird auf die Anwendung der Monte-Carlo-Simulation im Rahmen der Risikoanalyse von Kostenrisiken eingegangen [2, S. 433]. Und im einleitenden Text zu Kapitel 12 „Beschaffungsmanagement in Projekten“ erfolgt der Hinweis, dass bei großen Unternehmen und staatlichen Stellen in aller Welt die Gebäudemodellierung bei Großprojekten (BIM) zunehmend zur Pflicht wird [3, S. 463]. In Deutschland gibt es einen großen Softwarehersteller aus dem kaufmännischen Bereich, der nach eigenen Aussagen mit seinem Softwaretool die Verknüpfung von Projekt- und Investitionscontrolling ermöglicht. Hierdurch soll die Integration des Projektsystems in das interne Rechnungswesen gelingen. Einen anderen Denkansatz verfolgt das BIM. Unter BIM verstehen Wissenschaftler eine Arbeitsweise, bei der die ganzheitliche Betrachtung des Planens, Bauens und Bewirtschaftens im Fokus steht. „Viele Beteiligte und Verantwortliche sind überzeugt, dass BIM eine gute Möglichkeit darstellt, langfristig höhere Qualitäten in der Planung, Ausführung und Nutzung von Bauwerken zu ermöglichen. BIM wird daher noch großes Potenzial zugebilligt. Der Aufwand und die Auswirkungen dafür sind aber schwer abschätzbar, da dazu Informationen und Erfahrungswerte fehlen“ [4, S. 12]. Die Methodenunterstützung BIM für Bau-Projekte ist im Ausland weit fortgeschritten. In Deutschland versucht man, nicht hinter den internationalen Entwicklungen zurückzubleiben. Es gibt mittlerweile einige Leitfäden und Richtlinien, die jedoch eher technisch orientierte Aussagen machen (beispielhaft: BIM-Leitfaden für Deutschland, erstellt im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2019 oder die VDI-Richtlinie 2552 Building Information Modeling, teilweise aus dem Jahr 2018, teilweise aus 2019). Die VDI-Richtlinie 2552, Blatt 3 beschäftigt sich mit der modellbasierten Mengenermittlung zur Kostenplanung, Terminplanung, Vergabe und Abrechnung. Diese neue Art der Softwareunterstützung bei Auftragsprojekten wird von einigen Softwareherstellern genutzt, die aus dem technischen Bereich, hier dem Baubereich, kommen. Diese versprechen Bausoftware für alle bautechnischen und baukaufmännischen Bedürfnisse. Die Module bilden nach Herstellerangaben den kompletten Prozess von der 3D-Modellierung über Kalkulation und Ausschreibung bis zur Abrechnung ab. Angeboten werden auch die Finanz- und Personalbuchhaltung sowie die komplette Bauabrechnung. Im Februar 2020 fand in Köln erstmalig die Messe „digital- Bau“ statt, zu der über 10.000 Besucher kamen und bei der 270 Unternehmen ausstellten. Die Messe will eine Plattform für den Austausch der Branche zu den digitalen Entwicklungen bieten. Besucher und Aussteller tauschten sich zu den Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bauwesen aus. Die Messe soll zweijährig stattfinden und wird daher im Februar 2022 erneut durchgeführt. Ganz offensichtlich Wissen | Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0069 11_haxter.indd 43 11_haxter.indd 43 14.08.2020 16: 21: 51 14.08.2020 16: 21: 51 kommen mit der Digitalisierung neue Herausforderungen, aber auch Chancen auf die Baubranche zu. „Building Information Modeling bezeichnet eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden“ [5, S. 4]. Ziel bei BIM ist die Erstellung eines „digitalen Zwillings“ des zu errichtenden Gebäudes, um in der Bauausführung planungsbedingte Störungen erheblich zu reduzieren bzw. auszuschließen. Das digitale Modell dient dabei dem Austausch von Planungsinhalten und als planerische „Kommunikationsplattform“ für alle Beteiligten (gemeinsames, strukturiertes Verständnis, einheitliche, maschinenlesbare Sprache, die über Standardschnittstellen (z. B. IFC (Industry Foundation Classes) = Standard für den OpenBIM Datenaustausch) vorhandene Informationen beliebig austauschen kann, die anschließend in den genutzten Systemen weiterverwendet, bearbeitet, im Planungsverlauf zunehmend detailliert (siehe Abb.1) und zur allgemeinen Nutzung auch aktualisiert wieder bereitgestellt werden können). Der Austausch von Planungsinhalten erfolgt über standardisierte Formate (z. B. IFC-Standard) und erlaubt so allen Beteiligten die Nutzung ihrer eigenen Expertensysteme und die Verwendung der gleichen Prüf- und Betrachtungswerkzeuge (OpenBIM). Mit dem in Abb. 2 dargestellten Datenaustausch über eine IFC-Standardschnittstelle werden Daten aus unterschiedlichen Softwaresystemen gemeinsam verwertbar und spezielle zusätzliche Programme können dann bei der Suche nach Abbildung 1: Beispielhafte Fragen, die an jedes Objekt eines Bauwerks während der Planung, Erstellung und im Betrieb gestellt werden können Abb. 2: Beispielhafte Darstellung für den OpenBIM Datenaustausch der einzelnen Planungstools über das IFC-Austauschformat Kollisionen von Bauteilen und auch vergessenen Planungsdetails wie z. B. fehlenden Einbauteilen helfen. Dabei bestimmt das Level of Detail (LoD) der erbrachten Planung den späteren Nutzen des BIM-Modells. Möglichkeiten der kaufmännischen Softwareunterstützung bei Auftragsprojekten Bei der aktuellen Softwareunterstützung von Auftragsprojekten gibt es keine allgemeingültigen, branchenübergreifenden Standardlösungen, sondern lediglich Lösungsansätze, denen man folgen könnte. In der Praxis findet man die kaufmännische Softwareunterstützung durch einfache Excel-Lösungen, den Einsatz von aufwendigen kaufmännischen Standardprogrammen wie z. B. SAP oder auf die Bedürfnisse der Unternehmen angepasste (Customized) Programme bis hin zu aufwendigen Eigenprogrammierungen, bei denen fehlende Standardschnittstellen zu erschwertem Informationsaustausch führen und damit dem angestrebten Kollaborationsansatz widersprechen. Das klassische Vorgehen bei Auftragsprojekten ist oft stark phasenorientiert geprägt und selten durchgängig und homogen gestaltet (viele Schnittstellen, wechselnde Zuständigkeiten, differierende Aufgabenstellungen und Ergebniserwartungen). So kann z. B. die Planung, Ermittlung und Verfolgung von Kosten über Excel-Tabellen erfolgen, die dann fortlaufend über den Kostenverlauf / die Kostensummenlinie einer Investitionsmaßnahme erfasst und verfolgt werden. Die Aktivierung der Kosten (Überführung der Kosten in die Bilanz) durch das Rechnungswesen, die dann über die Finanzbuchhaltung eingebucht und später nach der Schlussabnahme in der Bilanz aktiviert werden, erfolgt hierbei nach Abschlussart autark in einem separaten, entkoppelten Schritt. Hinweis: Diese Vorgehensweise entspricht der Bilanzierung von Fertigungsaufträgen nach dem deutschen HGB. Bilanziert das ausführende Unternehmen nach den Richtlinien des IFRS, so ist gegebenenfalls eine Teilgewinnrealisierung nach Leistungsfortschritt (Percentage of Completion Method) möglich. Unterschiedliche Softwaretools/ -systeme für unterschiedliche Funktionen und Betrachtungsweisen, wie z. B. Kalkulation , Einkauf , Projektabwicklung / Controlling technisch / vertraglich, Finanzbuchhaltung, Projektcontrolling kaufmännisch mit nur zum Teil synchronisierten Schnittstellen, sind gängige Praxis. Durch den verstärkten Einsatz von BIM-Planungen entwickeln sich aktuell neue Möglichkeiten, die Integration von „technischen“ Systemen (Planungs- und Kalkulationstools) mit Wissen | Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0069 11_haxter.indd 44 11_haxter.indd 44 14.08.2020 16: 21: 51 14.08.2020 16: 21: 51 der CPM-Welt zu fördern. Wie eine kaufmännische Softwareunterstützung durch BIM bei Investitionsvorhaben erfolgen kann, wird schematisch im folgenden Kapitel beschrieben. Bei Projekten mit vielen unterschiedlichen Projektbeteiligten (fachlich, kulturell und sozial), die standort- und gewerkeübergreifend flexibel zusammenarbeiten sollen, macht eine solche Vorgehensweise Sinn, da man auf derselben Plattform mit einheitlichen Standards und Strukturen und mit immer aktuellen Informationen arbeiten kann. Dieser Vorteil kehrt sich aber auch zum Nachteil, wenn es nicht gelingt, die dazu erforderliche fachspezifische Softwareunterstützung im Projekt so frühzeitig zu harmonisieren, dass die Zusammenarbeit verlustfrei und im Aufwand vertretbar funktioniert. Wenn Investitionskosten und administrativer Aufwand nicht in Relation zum Ergebnis stehen, die Nutzung aufwendig Ressourcen bindet und dabei zu viele, nicht kompatible Software-Subsysteme eingesetzt werden müssen, die dann wiederum Mehrfacharbeit erfordern, ist ein solcher Einsatz kritisch zu hinterfragen. Für jedes Unternehmen ist es daher von großer Relevanz, sich auf eine einheitliche und gemeinsame Arbeitsweise mit den Projektpartnern zu verständigen, entsprechende Standards zu manifestieren und erforderliche Schnittstellen zu möglichen Kollaborationssystemen im Vorfeld schon zu kennen und entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Dies gelingt z. B. mit bereitgestellten Konvertern, die den standardisierten Datenaustausch von Informationen vom einen in das andere System und auch zurück verlustfrei ermöglichen. Wichtig ist es dabei immer wieder, sich an den Standards und der eingesetzten Software zu orientieren, die eine solche Entwicklung ermöglichen. Je individueller die Unternehmenssoftware gestaltet ist, desto aufwendiger kann die Anbindung an die „Außenwelt“ werden oder sie kann diese sogar verhindern. Praktischer Ablauf beim Einsatz der BIM-Methodik für kaufmännische Fragestellungen Die Basis einer jeden, phasen- und gewerkeübergreifenden BIM-Planung ist eine gemeinsame Datenstruktur, in welcher alle benötigten Ressourcen (physikalische Ressourcen) eines Investitionsvorhabens technisch (qualitativ) eindeutig spezifiziert sind. Diesen Ressourcen sind für den kaufmännischen Einsatz einer BIM-Software auch relevante Kostenattribute zuzuordnen, z. B. wie teuer ist ein Stück Rohr der Spezifikation XYZ [€/ Stück] oder der Einsatz von Montagepersonal [€/ h], und mit den entsprechend zu verwendenden Kalkulationsansätzen (Leistung in m / h etc.) zu definieren. Wichtig bei der Definition und Erstellung von Attributen ist es, unbedingt darauf zu achten, dass nur primär relevante Informationen angehängt werden, die zwingend zur Definition eines Objektes erforderlich sind, da ansonsten zu viel nicht relevanter Speicherplatz belegt wird, der damit das BIM-Modell im Datenvolumen aufbläht und entsprechend schwerfällig und langsam macht. Basierend auf dieser Datenquelle mit Produkten und Preisen kann eine Angebotskalkulation auf Basis von Planungsdaten generiert werden (Massengerüst, Menge x Einheitspreis), die natürlich mit weiteren Zuschlägen versehen wird, wie z. B. Allgemeinkosten, Wagnis und Gewinn etc. Mit Auftragseingang (AE) sind auch die vertraglichen Rahmenbedingungen (Leistungssoll) festgelegt. DANACH erfolgt eine detaillierte BIM-Planung auf Grundlage des Datenmodells. Dabei sind zwei kaufmännische Phasen zu unterscheiden: Kostenplanung NACH AE und VOR Errichtung des Investitionsobjektes (geplante Kosten-= Soll): Der Technische Planer entwickelt ein projektbezogenes Datenbankmodell mit Standards und Attributen. Diese sind im Regelfall alle Baukomponenten (Objekte) mit den erforderlichen Einbaumaßen und Schnittstellen inkl. Spezifikation und Produktanforderung. Dieses Modell wird dann mit zunehmendem Planungsfortschritt ergänzt und spezifisch konkretisiert. Eine objektbezogene Historie macht diesen Zuwachs sichtbar und bewertbar. Für kaufmännische Zwecke sind dann auch Attribute für Kosten und kalkulierte Arbeitszeiten im Datenmodell verfügbar. Parallel zur technischen Planung findet damit automatisch auch eine kaufmännische Bearbeitung statt. Dies hat zwei Aspekte: Zum einen findet eine dynamische, mit dem Planungsfortschritt mitführende Kalkulation des Investitionsobjektes durch den Einsatz des Datenmodells statt und der Auftragnehmer hat quasi in Echtzeit einen Überblick über den kostenmäßigen Wert der aktuell vorliegenden technischen Planung. Dies ermöglicht zum anderen schon während der Planungsphase ein Kostencontrolling (Abgleich der realen Kosten der aktuellen technischen Planung mit dem Zuschlagspreis, dem Vergabepreis). Nach Abschluss der technischen und kaufmännischen Planung sollte / wird das BIM-Modell zum Stichtag genehmigt, freigegeben und mit einem „Planungsstop“ als „offizielles“ Projektbudget eingefroren. Kostenverfolgung WÄHREND der (Bau-)Ausführung (aktuelle Kosten / Ist) Die tatsächlich realisierten Ist-Kosten werden gegen die Soll-Kosten des zu einem vereinbarten Stichtag eingefrorenen BIM-Modells abgeglichen. Hier kann das „Cost loaded“ BIM-Modell das Kostencontrolling in der Kostenrechnung unterstützen und die aktuell erbrachten Ist-Leistungsdaten (leistungsabhängige Gemeinkosten) anhand von aktuellen und im Detail hinreichend prüfbaren Montageleistungen liefern. Je nach vertraglicher Gestaltung mit dem Auftraggeber kann auch die Erstellung von Abschlagsrechnungen und die Erstellung der Schlussrechnung so mittels Fortschrittsgradfeststellung vom BIM-Modell unterstützt und „objektiv“ dargelegt werden. Perspektiven Die Risiken und Chancen bei einer solchen Vorgehensweise liegen zum einen in möglichen Fehlerquellen, die in der Datenbank schon bei der Ursprungskalkulation entstehen können, wie z. B.: • Die Kosten für eine bestimmte Materialart werden falsch eingegeben. • Die für ein spezielles Produkt vorgesehene Spezifikation wird falsch verstanden und damit kostenmäßig falsch bewertet (Beispiel: Es wird eine Komponente der Spezifikation XYZ technisch benötigt, kostenmäßig wird jedoch eine Komponente der Spezifikation ABC angelegt). Wissen | Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0069 11_haxter.indd 45 11_haxter.indd 45 14.08.2020 16: 21: 52 14.08.2020 16: 21: 52 • Es gibt das Problem der schwankenden Marktpreise für Material und Dienstleistungen sowie das Problem der Inflation bei länger laufenden Auftragsprojekten. Da die in der Datenbank angelegten Kosten der benötigten Ressourcen, auf die das BIM-Modell zugreift, in der realen Welt einer Veränderung (Inflation) unterliegen, müssen diese synchronisiert werden. Um die nach Auftragsvergabe tatsächlich bewirkten Kosten „einzubuchen“, sind die tatsächlichen Kosten zu verwenden (oder die Kosten der Datenbank müssen mit einer zeitlichen Preisbindung versehen, regelmäßig aktualisiert und / oder es muss eine Preisgleitklausel vertraglich vereinbart werden). Dies gilt für alle zeitabhängigen Gemeinkosten (Ressourcen), die aktuell über die BIM-Systematik nicht ausreichend Berücksichtigung finden und entsprechend parallel dynamisiert und mitgeführt werden müssen. Zum anderen liegt eine große Chance darin, die technische Planung mittels BIM-Modell für einen projektmanagementmäßigen Ansatz einer „Kollaborativen Planung“ maßgeblich zu nutzen. Die Kollaboration dient hierbei der Schaffung einer gemeinsamen, koordiniert abgestimmten und vereinbarten Planung. So entsteht ein erheblicher Mehrwert für den Nutzer, Betreiber und Investor durch umfassende Bereitstellung der realen Objektdokumentation und damit für die Funktions- und Betriebssicherheit des Objekts. Wenn der kollaborative Planungsansatz von den Beteiligten auf der Auftragnehmerseite verstanden und „gelebt“ wird, kann hierdurch das typische Problem der „Nachtragsorgien“ erheblich reduziert werden. Um die einheitliche und flächendeckende Nutzung einer solchen Vorgehensweise zu fördern und zu verbessern, sind weitere Schritte zwingend erforderlich: • Die Leistungsabrechnung LoD als Basis für Planungsleistungen muss einheitlich definiert und verbindlich festgelegt werden. • Die Harmonisierung von Attributen und Datenbankmodellen (Inhalten) sollte vorangetrieben werden (Objektmodell und Parametrierung). • Eine Weiterentwicklung von Standardschnittstellen zur vereinfachten Integration von Informationen aus unterschiedlichen Softwaresystemen und Datenquellen muss stattfinden. Die Nutzung von KI (Künstlicher Intelligenz) wird zukünftig auch in diesen Bereich Einzug halten, um Erfahrungen entlang der Wertschöpfungskette zu gewinnen und diese dann für die Zukunft effizient und gewinnbringend nutzen zu können (KVP-Ansatz, Best Practice Lösungen etc.). Literaturhinweise [1]: Meyer, Mey Mark; Ott, Wolfram: Digitalisierung im Projektmanagement. In: GPM (Hrsg.): Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM 4). Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement. 1. Aufl., Buch & Media GmbH, München 2019, S. 265-300 [2]: PMI: Risikomanagement in Projekten. In: Project Management Institut PMI (Hrsg.): A Guide to the Project Management Body of Knowledge. Sechste Ausgabe. Independent Publishers Group, Chicago 2019, S. 395-458 [3]: PMI: Beschaffungsmanagement in Projekten. In: Project Management Institut PMI (Hrsg.): A Guide to the Project Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Oliver Haxter Oliver Haxter ist seit 22 Jahren verantwortlich in den Bereichen Bauleitung, Projektleitung, Projektsteuerung und Projektmanagement bei internationalen Großrojekten in Griechenland und Abu Dhabi sowie in Deutschland. Er steuerte Projekte aus dem Motorsport, Hotelbereich, gewerbliche Immobilien, Krankenhäuser, Offshore-Windfarmen, Reinraum, Sportstätten, Einkaufszentren sowie internationale Flughäfen. Seit 2017 führt er den Bereich Projekt- und Lean Management bei der Firma ROM Technik. Er besitzt das GPM / IPMA Level A sowie das Level B Zertifikat und ist zertifizierter Risikomanager. eMail: ohaxter@rom-technik.de Prof. Dr.-Ing. Lorenz Schneider Prof. Lorenz Schneider war nach 9 Jahren PM-Leitung in Deutschland 19 Jahre verantwortlich für Projekte in Aserbaidschan, Bahrain, China, Abu Dhabi und Kuwait. Er steuerte Projekte aus dem Motorsport, Hotelbereich, gewerbliche Immobilien, Krankenhäuser sowie aus dem Umweltschutzsektor. Seit Anfang 2019 hat er eine Professur für Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Internationales Projektmanagement an der Hochschule FOM inne. Er besitzt das Level A sowie das Level B Zertifikat und ist geprüfter Projektkaufmann. Er leitet die GPM Special Interest Group GO International sowie die GPM Fachgruppe Commercial Project Management. eMail: lorenz.schneider@fom.de Management Body of Knowledge. Sechste Ausgabe. Independent Publishers Group, Chicago 2019, S. 459-501 [4]: Egger, Martin; Hausknecht, Kerstin; Liebich, Thomas; Przybylo, Jakob: BIM-Leitfaden für Deutschland. Informationen und Ratgeber. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bundesamt für Bauwesen und Raumentwicklung, 2013 [5]: BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Stufenplan Digitales Planen und Bauen. Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin 2015 Eingangsabbildung: © joyfotoliakid / stock.adobe.com Wissen | Perspektiven der Softwareunterstützung für CPM bei Bauprojekten 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 04/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0069 11_haxter.indd 46 11_haxter.indd 46 14.08.2020 16: 21: 52 14.08.2020 16: 21: 52