eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0099
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2020
315 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation im öffentlichen Sektor

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2020
Felix Scholz
Heike Kratt
Um den immer komplexer werdenden Projekten und Umfeldanforderungen gerecht zu werden, hat die Hamburg Port Authority als Anstalt öffentlichen Rechts für die Realisierung öffentlicher Bauprojekte im Hamburger Hafen den Weg von einer klassischen Linienorganisation in eine flexible Projektorganisation eingeschlagen. Wie dies nachhaltig gelungen ist, welche Herausforderungen es gab und ob dieser Weg auf andere Verwaltungseinheiten übertragbar ist, davon berichtet dieser Artikel.
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Das Beispiel Hamburg Port Authority AöR Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation im öffentlichen Sektor Felix Scholz, Heike Kratt Für eilige Leser | Um den immer komplexer werdenden Projekten und Umfeldanforderungen gerecht zu werden, hat die Hamburg Port Authority als Anstalt öffentlichen Rechts für die Realisierung öffentlicher Bauprojekte im Hamburger Hafen den Weg von einer klassischen Linienorganisation in eine flexible Projektorganisation eingeschlagen. Wie dies nachhaltig gelungen ist, welche Herausforderungen es gab und ob dieser Weg auf andere Verwaltungseinheiten übertragbar ist, davon berichtet dieser Artikel. Schlagwörter | Hamburg Port Authority, HPA, Good Practice, PMO, PMH, Digitalisierung, Tools Projekte machen Zukunft: Gestaltungssouveränität der öffentlichen Verwaltung Das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“, das 2017 von der GPM initiiert und an die Bundesregierung übergeben wurde, ist das Ergebnis eines jahrelangen Dialogs zwischen der GPM und der öffentlichen Verwaltung. Es beinhaltet Empfehlungen aus der Verwaltung an die Verwaltung. Diese Empfehlungen ergeben eine Roadmap, wie projektorientiertere Rahmenbedingungen in der öffentlichen Verwaltung geschaffen und verbessert werden können, um die zunehmend komplexer werdenden Anforderungen an Politik und Verwaltung besser bewältigen und Lösungen erfolgreich in Projekten umsetzen zu können. Seit 2018 wird das Programm von einem Beirat begleitet. In diesem Beirat engagieren sich hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Bundesministerien, Bundesbehörden, Ländern und Kommunen. Den Vorsitz hat am 1.7.2020 der Präsident des Bundesverwaltungsamtes, Christoph Verenkotte, übernommen. Dieser Schritt markiert einen wichtigen Meilenstein für das Programm. Er zeigt, dass die öffentliche Verwaltung bereit ist, mehr Verantwortung für das Aktionsprogramm zu übernehmen und es aktiv weiterzuentwickeln. Prof. Helmut Klausing, Präsident der GPM, ist stellvertretender Beiratsvorsitzender. Den Beirat eint das Interesse daran, die Gestaltungskompetenz und damit auch die Gestaltungssouveränität der öffentlichen Verwaltung durch professionelles Projektmanagement zu erhöhen. Deutschland soll zu einem Land der gelingenden öffentlichen Projekte werden. Der Fokus liegt dabei nicht auf einem rein prozessorientierten Ansatz von Projektmanagement. Die Grunderkenntnis der Empfehlungen ist die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Herangehensweise, die die Projektorientierung auf allen Ebenen erhöht. Good Practice Hamburg Port Authority AöR: Eine gelungene, ganzheitliche Einführung einer Projektorganisation Ein wichtiges Anliegen der GPM im Rahmen des Aktionsprogramms ist es, positive Beispiele aus der Verwaltung oder behördenähnlichen Organisationen vorzustellen und bekannt zu machen. Schlagzeilen machen allzu häufig nur die öffentlichen Programme und Projekte, die nicht gelingen. Beispiele, die Mut machen und die Kompetenz der Verwaltung belegen, Wissen Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation DOI 10.2357/ PM-2020-0099 31. Jahrgang · 05/ 2020 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 erfolgreich Projekte durchführen zu können, sind kaum öffentlich sichtbar. Damit entfalten sie auch oft nicht ihr Potenzial, innerhalb der Verwaltung als Beispiele zu wirken, aus denen man lernen kann. Auch dazu will das Aktionsprogramm einen Beitrag durch aktive Vernetzung leisten. In diesem Artikel wird beispielhaft für eine gelungene, ganzheitliche Einführung einer Projektorientierung in eine behördenähnliche Struktur, das Vorgehen innerhalb der Technical Division Engineering & Construction (TDEC) der Hamburg Port Authority AöR (HPA) vorgestellt. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt der Betrachtung: - Warum setzt die HPA in ihrer technischen Sparte Engineering & Construction nicht auf eine typische Linienorganisation, sondern auf eine projektorientierte Organisation? - Was genau kennzeichnet die projektorientierte Organisation? Ist sie ein ganzheitlicher Ansatz und wenn ja, woran zeigt sich das? Welche Rolle spielt das Kompetenzmodell der IPMA? - Wie ist diese Entwicklung gelungen? Welchen Herausforderungen ist dabei wie begegnet worden? Welche Lessons Learned lassen sich daraus ableiten? - Was ist heute der Stand der Entwicklung und welcher konkrete Nutzen lässt sich daraus für die HPA und insbesondere für die Führungsebene der HPA ableiten? - Sind die Erfahrungen der HPA für andere Verwaltungseinheiten nutzbar und wenn ja, welche und wie? Die HPA stellt sich vor Die HPA betreibt ein zukunftsorientiertes Hafenmanagement aus einer Hand. Mit rund 1.900 Beschäftigten realisiert die HPA Infrastrukturprojekte und ist verantwortlich für die wasser- und landseitige Infrastruktur, die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs, die Hafenbahnanlagen und das Immobilienmanagement des Hamburger Hafens. Innerhalb der HPA ist die technische Sparte „Technical Division Engineering & Construction“ (TDEC) mit über 190 Beschäftigten als interner Ingenieurdienstleister und Realisierungsträger für die Planung und den Bau von komplexen Infrastrukturprojekten des Hamburger Hafens verantwortlich. Das Leistungsportfolio umfasst die Realisierung von Neubauprojekten und großen Grundinstandsetzungen sowie Beratungs- und Prüfdienstleistungen. Zum Projektportfolio gehören Großprojekte wie die Köhlbrandquerung, die Fahrrinnenanpassung der Elbe als auch komplexe bewegliche Brücken, wie die Neue Bahnbrücke Kattwyk. Als Realisierungsträger gehört neben der Baukompetenz in über zehn Ingenieurdisziplinen das professionelle Projektmanagement von Bauinvestitionsprojekten zum Kerngeschäft der technischen Sparte Engineering & Construction. In der Projektorientierung liegt die Effizienz Vor dem Übergang in eine flexible Projektorganisation waren die Ingenieurdienstleistungen in einer klassischen Linienorganisation mit Fachabteilungen organisiert. Diese Organisationsform bedeutete, dass die Ressourcenzuteilung in Projekte von den einzelnen Abteilungsleitungen entschieden wurde, was oftmals mit Ressourcenkonflikten einherging. Vorteile hingegen waren, dass die Projektleiter und -mitarbeiter eine fachliche Heimat hatten und das Wissen aus den jeweiligen Projekten in den Fachabteilungen gebündelt wurde. Dennoch stellten sich diese Struktur und die damit verbundenen Prozesse als zu starr und damit zunehmend als nicht geeignet heraus, um langfristig Bauprojekte in ihrer sich verändernden Realität erfolgreich umsetzen zu können. Zunehmend wirken auf die Bauprojekte ein komplexer werdendes Umfeld, eine sich verändernde öffentliche Wahrnehmung, eine wachsende Bedeutung von Plan- und Prognosegenauigkeit sowie von Termin- und Kostentreue als auch eine steigende Veränderungsdynamik ein. Vor diesem Erfahrungshintergrund hat sich für die Abwicklung komplexer Bauprojekte in der technischen Sparte TDEC eine flexible Projektorganisation als ideale Organisationsform durchgesetzt. Kern der flexiblen Projektorganisation ist ein Ingenieurspool aus ca. 190 Beschäftigten unterschiedlicher Fachdisziplinen und Rollen, die zentral über ein Ressourcenmanagement entsprechend ihrer Fähigkeit in Projekte eingesetzt werden. Die disziplinarische Anbindung unterliegt hierbei stets der Projektleitung. Den organisationalen Rahmen für diesen Pool bietet eine eigene Organisationseinheit, das Projektbüro. Vorteile der flexiblen Projektorganisation Da das Projektbüro eine eigene Einheit bildet, ist der flexible Personaleinsatz aus diesem Ingenieurspool ohne aufwendige Personalverfahren möglich. Die Reaktionszeit auf Ressourcenbedarfe verbessert sich merklich. Zudem werden im Projektbüro einzelne Bauvorhaben, die in einem Umfeld liegen und hohe Wechselwirkungen untereinander haben, fachdisziplinär übergreifend zu Projekten bzw. Großprojekten zusammengefasst. Die Projektleitung hat durch die fachliche und disziplinarische Verantwortung ihrer Mitarbeiter einen maximalen Handlungsspielraum zur Erreichung der Projektziele. Zudem sind die Projekte weitestgehend unabhängig von der Stammorganisation und haben dadurch eine hohe Ressourcenautonomie. Es treten keine aufzehrenden Ressourcenkonflikte mit der Linie auf, was typisch für Matrixorganisationen ist. Insgesamt vereinfachen sich Aufgabenzuteilung und die Kommunikationswege, was wiederum die Flexibilität erhöht und Reibungsverluste vermindert. Nachteile der flexiblen Projektorganisation Der Wandel hin zu einer flexiblen Projektorganisation war nicht leicht. Neben den vielen positiven Effekten entstanden auch erhebliche Nachteile, die in der Sparte TDEC sukzessive zum Tragen kamen: - Know-how-Verlust nach Projektauflösung durch fehlende bzw. zu schwach ausgebildete Wissensbündelungsfunktion. - Entwicklung eines „Eigenlebens“ der Projekte bzgl. der Methodenstandards und damit einhergehende schwere Vergleichbarkeit und Portfoliosteuerung. - Der zentrale Personalressourceneinsatz und dessen Steuerung ist hoch komplex und mit herkömmlichen Steuerungstools nicht effizient zu bewältigen. Wissen | Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 - Teilweise Unterschätzung des Kulturwandels von Linienstrukturen in eine flexible Projektorganisation. Nachhaltige und ganzheitlich Projektorganisation: Einführung und Rolle des PMO Die Einführung eines Projektmanagement Office (PMO) in der Sparte TDEC ist als eine organisationale Reaktion auf das Erkennen der oben benannten Nachteile der flexiblen Projektorganisation zu sehen. Auf die Nachteile wurde nicht mit einer Umkehr in die Linienorganisation reagiert, sondern mit einem weiteren Schritt in Richtung einer nachhaltigen und ganzheitlichen Projektorganisation mit der Einrichtung eines strukturierenden, beratenden und steuernden PMO. Aufsatzpunkt für das PMO war das Handlungsfeld Organisation und Zusammenarbeit (siehe Abb. 1). Bevor das PMO eingerichtet wurde, waren in diesem Handlungsfeld bereits zwei Maßnahmen erfolgreich umgesetzt worden: Etablierung einer flexiblen Projektorganisation (der oben beschriebene Ingenieurspool gebündelt in der Einheit Projektbüro) sowie die Einrichtung und Besetzung von Lenkungskreisen. Ziel des PMO war und ist es bis heute, die Projektorganisation durch die Professionalisierung des Projektmanagements nachhaltig zu etablieren und damit den oben beschriebenen Nachteilen zu begegnen. In der Verantwortung des PMO wurden zu diesem Zweck eine Reihe von Organisationsprojekten aufgesetzt und durchgeführt. Diese Organisationsprojekte wurden systematisch bestimmten Handlungsfeldern zugeordnet-- abgeleitet aus den Schlüsselfaktoren für ein erfolgreiches PM (Studie der GPM). Auf dieser Grundlage entstanden vier strategische Handlungsfelder, in denen die Maßnahmen vom PMO umgesetzt wurden (Abbildung 1). Im Folgenden werden diese Handlungsfelder und die damit verknüpften Maßnahmen erläutert. PMO Handlungsfeld: Methodenstandard Als projektorientierte Sparte sind verbindliche und einheitliche PM-Methodenstandards zwingend notwendig. Diese helfen, eine Vergleichbarkeit der Projekte zu schaffen und bilden so die Grundlage für eine übergreifende Portfoliosteuerung. Ziel war eine gemeinsame Projektsprache, die die Verständigung und Zusammenarbeit ermöglicht. Die Entscheidung fiel auf den IPMA-Standard, da dieser flexibel anpassbar und sehr gut auf Bauprojekte anwendbar ist. Neben den PM-technischen Kompetenzen stehen die PM-Verhaltenskompetenzen im Vordergrund der Ausbildung, die zum Handwerkszeug einer jeden Projektleitung gehören. Die Entwicklung und Einführung von PM-Standards ist häufig ein Thema, das zunächst Widerstand auslöst, weil es scheinbar abstrakt, aufwendig und bürokratisierend ist. Erfolgsfaktor für die Einführung des PM-Standards bei der HPA war zum einen die Verzahnung von „abstrakten“ PM-Standards mit den Wertschöpfungs- und PM-Phasen der HPA und zum anderen das Aufbauen der PM-Standards aus bereits bestehenden Best practices der hauseigenen Projekte. Außerdem wurden die erarbeiteten PM-Standards schrittweise mit einem 4-Stufenmodell eingeführt: Dokumentation im Projektmanagementhandbuch (PMH), Rolloutveranstaltungen zu jedem Standard, Begleitung der Einführung in den Projekten durch geschulte PM-Berater im PMO sowie regelmäßige Reviews und Feedbackschleifen zu den PM-Standards. Es gab also einen aufwendigen und kompetenten Kommunikationsprozess, der die Einführung der Standards begleitet und auch dafür gesorgt hat, dass qualifiziertes Feedback aufgenommen wurde. Im Handlungsfeld Methodenstandards wurden folgende Maßnahmen erfolgreich in Projektform vom PMO umgesetzt: Erarbeitung eines intuitiv „begehbaren“ Projektmanagementhandbuchs (PMH) Das digitale „begehbare“ PMH umfasst PM-Standards und PM-Vorlagen. Hier werden Projektmanagement-Standards definiert, um Bauinvestitionsprojekte nachhaltig erfolgreich realisieren zu können. Es steuert die Beschäftigten intuitiv (klickbar) durch die Phasen und Prozesse des Projektmanagements. Es verknüpft das PM-Phasenmodell und die Prozessmodelle mit den PM-Vorlagen, PM-Tools und PM-Wissenstexten, die im Rahmen eines professionellen, standardisierten Projektmanagements erforderlich sind. Die IPMA-Standards werden auf die Anwendung bei der HPA spezifiziert und im PMH dokumentiert. Professionalisierung der Projektstartphase Viele Projekte scheitern daran, dass es zum Projektauftrag kein gemeinsames Verständnis zwischen Auftraggeber und Abbildung 1: Erfolgsfaktoren und Handlungsfelder der PM-Implementierung in der Verwaltung Wissen | Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 Auftragnehmer gibt. Deshalb ist die Professionalisierung des Projektaufsatzes so zentral. Bei der HPA wird dieser, unterstützt durch das PMO, in Workshops gemeinsam erarbeitet und final mit Hilfe eines Projektauftrags geschlossen. So werden zu einem frühen Zeitpunkt im Projekt Projektgegenstand, Ziele, Phasen und Meilensteine, Verantwortlichkeiten etc. beschlossen. Im Erstellungsprozess werden innerhalb dieser Phase wesentliche Projektmanagementprozesse durchlaufen und nach einheitlichen Standards der IPMA in den Bauinvestitionsprojekten der HPA umgesetzt (vgl. Abbildung 3). Einführung eines einheitlichen Projektrisikomanagements Die Weiterentwicklung des Risikomanagements für Bauinvestitionsprojekte umfasst eine Systematik zur Risikoidentifikation und ein Risikotool für die Risikoermittlung und Steuerung. Ein einheitlicher Projektrisikomanagementstandard für die Bauinvestitionsprojekte der HPA ist etabliert. Das Risikomanagement für Bauprojekte ist mit dem HPA-Unternehmensrisikomanagement harmonisiert. Es finden standardisierte Risikoworkshops mit Risikomanagern für deren professionelle Durchführung statt. In diesem Rahmen ist es auch in Pilotvorhaben gelungen, Risikobudgets in öffentlich finanzierten Projekten haushaltskonform zu veranschlagen. Ein Punkt, der für die professionelle Projektdurchführung in der öffentlichen Verwaltung zentral ist. Standardisierung des Projektberichtswesens Bei der Entwicklung des Berichtswesens lag der Fokus darauf, Informationen für die relevanten Stakeholdergruppen über die laufenden Bauprojekte in der technischen Sparte standardisiert und adressatengerecht zur Verfügung zu stellen. Erst auf Basis einheitlicher Berichte kann eine sinnvolle Portfoliosteuerung und Vergleichbarkeit stattfinden. Der entwickelte Projektquartalsbericht fungiert als einheitliches Cockpit für Projektinformationen zum Status von Terminen, Kosten, Leistungen und Qualitäten und ist zentrales Berichtsmedium zwischen Projektleiter, Auftraggeber und Lenkungskreisen. Etablierung von Lessons Learned und Wissensdatenbanken als Teil der lernenden Organisation. Die Lessons Learned dienen sowohl zur Dokumentation als auch zum Wissenserhalt. Die dynamische Projektstruktur des Ingenieurpools erfordert einen strategischen Umgang mit Projektwissen und Fach-Know-how. Deshalb werden Erfahrungen systematisch gesammelt, aufbereitet sowie dokumentiert und für kommende Projekte über eine Wissensdatenbank nutzbar gemacht. So wird sichergestellt, dass nicht immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden und sich das Projektmanagement sowie die Organisation kontinuierlich weiterentwickeln. Zur Durchführung von Lessons-Learned-Workshops wurde ein standardisiertes Vorgehen festgelegt, unter der Begleitung eines professionellen Lessons-Learned-Moderators. Handlungsfeld Mensch und Entwicklung Der Faktor Mensch ist der maßgebliche Erfolgsfaktor für das Etablieren einer Projektmanagementkultur im Unternehmen. Hier sind Akzeptanz, gleiches PM-Verständnis, PM-Qualifizierungskonzepte und die Managementunterstützung vom Top-Management bis ins mittlere Management die entscheidenden Faktoren. Zentral ist dabei der Kompetenzaufbau im Bereich Projektmanagement für alle am Projekt beteiligten Mitarbeiter. Dazu hat das PMO in der HPA eine spartenübergreifende PM-Qualifizierung und -Zertifizierung, unter Einbindung der konkreten HPA-spezifischen Standards, aufgebaut. Der Kompetenzaufbau im Themenfeld Projektmanagement verfolgt dabei folgende Ziele: Abbildung 2: Intuitiv klickbares PMH führt durch die PM-Prozesse der HPA Wissen | Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 - Projektmanagement-Fachwissen spartenübergreifend aufbauen. - Einheitliches PM-Verständnis und Handeln aller Projektbeteiligten der HPA schaffen. - Reputation von PM-Kompetenz durch Zertifizierungen nach IPMA-Standard. Maßgeblicher Erfolgsfaktor hierbei war die Einbindung und das Training der HPA-PM-Standards in die IPMA-Qualifizierung und -Zertifizierung durch eigene Themenexperten aus dem PMO innerhalb der Schulungsformate. Diese Kombination stellt sicher, dass der externe PM-Qualitätsstandard gemeinsam mit den spezifischen Inhalten, die für das Projektumfeld HPA wichtig sind, erlernt wird. Darüber hinaus sind die Schulungen so konzipiert, dass die internen Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam geschult werden, um ein identisches PM-Verständnis zu schaffen. Zudem ist ein PM-Netzwerk geschaffen worden, das dem Austausch und der Sicherung von Best Practices dient. Es dient als fachliche Heimat aller Projektleitungen sowie Projektsteuerer. Das Netzwerk ist auch eine wichtige Reflexions- und Erarbeitungsplattform für PM-Standards. Die Partizipation der Projektmitarbeiter an der Standardentwicklung wurde vom PMO lange unterschätzt, so dass der Fokus mittlerweile auf die Professionalisierung und den Aufbau dieses Netzwerks ausgerichtet ist. Handlungsfeld Digitalisierung und Tools Dieses Handlungsfeld nimmt innerhalb der Projektorganisation eine dienende Funktion wahr. Die digitalen Tools helfen, komplexe Sachverhalte besser zu strukturieren, adressatengerecht darzustellen und PM-Wissen explizit zu filtern und zu suchen. Die Digitalisierung unterstützt dabei, die komplexen Standards adressatengerecht und intuitiv (klickbar) zur Verfügung zu stellen. Folgende Maßnahmen wurden vom PMO in diesem Handlungsfeld in Projektform umgesetzt: Abbildung 3: PM-Methoden innerhalb der PM-Definitionsphase im Zuge der Projektbeauftragung Abbildung 4: Digitale Ressourcenplanung und -steuerung eines projektorientieren Verwaltung Wissen | Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 • Entwicklung einer Kollaborationsplattform „EC-Portal“ für die Kommunikation, die digitale Zusammenarbeit und das Wissensmanagement. Das EC-Portal ist eine Kollaborationsplattform, zugeschnitten auf die Bedarfe der technischen Sparte Engineering & Construction. Die Plattform dient dem PMO als digitale Toolbox, um autark eigene Webanwendungen in Eigenleistung zu erstellen und zu administrieren. Sie stellt internes Fach-Know-how thematisch strukturiert bereit, z. B. Best-Practice-Dokumentationen, Lessons-Learned-Workshops, Beratungsleistungen oder PM-Tools. • Digitalisierung der strategischen Personalplanung zur Ressourcensteuerung innerhalb der Projektorganisation. „HR Management digital“ bildet mit Hilfe einzelner Apps die gesamte Personalressourcenplanung zur Steuerung des Personals in der Projektorganisation ab. Bei Projektanfragen erfolgt eine generische Ressourcenplanung inklusive Skill und Rolle in der APP „Auftragsmanagement“. Über die APP „Personaleinsatzplanung“ können verplante und freie Ressourcen ad-hoc über ein Dashboard ausgewertet werden. Die APP Personalprognose stellt die konsolidierte und generische Personalkapazitätsplanung aller Infrastrukturprojekte mit Laufzeiten von bis zu fünf Jahren zur Verfügung. Die APP Skillmanagement zielt auf die systematische Auswertung der Kompetenzen aller Beschäftigen ab und impliziert eine Skillsuchmaschine und Analysen zur Skillentwicklung in der Sparte. Der Vergleich von Skillbestand und -bedarf zeigt Mangelskills und „Skill-Überhänge“. Hieraus werden strategische Entscheidungen über Qualifizierung und Personalbeschaffung durch valide Prognosen ermöglicht. • Berichtswesendatenbank: Konsolidierung aller wichtigen Projektberichte (Monatsberichte, Quartalsberichte, Senatsmonitoring etc.) Für die Umsetzung dieser Maßnahmen lassen sich unter anderem folgende Erfolgsfaktoren benennen: - Aufbau von IT-Know-how im PMO zur Entwicklung eigener Systeme und Webanwendungen und deren autarke Administration - Abbildung des Wissensmanagements auf der eigenen digitalen Kollaborationsplattform - Das Herunterbrechen komplexer PM-Strukturen in anwenderfreundliche Microsoft SharePoint-Anwendungen mit optisch ansprechendem Design (look & feel) Die Nutzerstatistiken zeigen, dass unsere Plattform eines der meistgenutzten Tools im HPA-Wissensbereich ist. Die Digitalisierung der strategischen Personalplanung wurde mit dem renommierten Human Resources Excellence Award in der Kategorie „Digitalisierung Gesamtorganisation und HR-Division“ ausgezeichnet. Handlungsfeld Organisation und Zusammenarbeit Vor dem Einrichten des PMO sind in diesem Handlungsfeld bereits die flexible Projektorganisation in Form des Ingenieurpools sowie die Entscheidungsstruktur über Lenkungskreise in der Sparte etabliert worden. Die organisatorische Umsetzung der Projektorganisation ist daher als Voraussetzung / Ausgangspunkt zu sehen, auf welcher das PMO die Maßnahmen (Waben in Abbildung 1) in den vier strategischen Handlungsfeldern in Projektform durchgeführt hat. Ist der Ansatz der HPA auf andere Behördenstrukturen übertragbar? Wir sind der Überzeugung, dass wesentliche Aspekte des Ansatzes, der in der HPA entwickelt wurde, auf andere behördliche Strukturen übertragbar sind. Das gilt insbesondere für folgende Punkte: - Die Einrichtung eines PMO zur systematischen Professionalisierung des Projektmanagements, ausgerichtet an den vier Handlungsfeldern (Abbildung 1). - Die Durchführung der Maßnahmen in Form eigener Change- und Organisationsprojekte. Die wichtigsten Maßnahmen sind in Abbildung 1 in Waben dargestellt und bestimmten Handlungsfeldern zugeordnet. Die Handlungsfelder sind universell und grundlegend für den Erfolg einer Projektorganisation. Die zugeordneten Maßnahmen können und sollten je nach Setting, Größe und Komplexität des vorhandenen Behördenumfelds skaliert und an die jeweiligen Bedürfnisse und auch Möglichkeiten angepasst werden. - In Behörden und Unternehmen, die überwiegend projektbasiert arbeiten, ist eine flexible Poolstruktur sinnvoll und steigert die Effizienz erheblich. Die Linie wird dadurch nicht komplett aufgegeben, sondern die Projektmitarbeiter werden gezielt in einer Organisationseinheit „Projektbüro“ gebündelt. In dieser werden die Beschäftigten flexibel nach Skill und Rolle in Projekten eingesetzt. Fazit Die flexible Projektorganisation ist die wirkungsvollste und nachhaltigste Organisationsform, um den immer komplexer werdenden Projekten und Umfeldanforderungen gerecht zu werden. Behördliche Linienorganisationen werden den heutigen Projektanforderungen nicht mehr allein gerecht. Deshalb ist der Aufbau von funktionierenden Projektorganisationen innerhalb der Verwaltung ein wichtiger Beitrag dazu, die Gestaltungssouveränität der staatlichen Institutionen zu fördern. Es ist wichtig, dass Verwaltungen und öffentliche Auftraggeber Projektmanagement als Kernkompetenz aufbauen. Nur so kann die Kostenstabilität und Termintreue von Projekten gewährleistet werden und ein professionelles Agieren als Auftraggeber gelingen. Dipl.-Pol. Heike Kratt Heike Kratt ist Hauptstadtrepräsentantin der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Sie gestaltet den Dialog mit Staat, Gesellschaft und Wirtschaft des Vereins maßgeblich mit. Als Mitglied im Beirat des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ setzt sie sich für die Stärkung der Kompetenz der öffentlichen Verwaltung ein, komplexe Themen gemeinwohlorientiert in Projekten umzusetzen. Zuvor war sie u. a. Leiterin der deutsch-israelisch-palästinensischen Kommunikations- und Begegnungsstätte Willy Brandt Center in Jerusalem. eMail: h.kratt@gpm-ipma.de Internet: www.gpm-ipma.de Wissen | Ein erfolgreicher Weg von der Linie zur flexiblen Projektorganisation 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0099 Dipl.-Ing. Felix Scholz Felix Scholz leitet den Bereich PMO & Digitalisierung in der Technical Division der Hamburg Port Authority. Dort verantwortet er die Digitalisierung des Bauwesens und die PM-Implementierung in der Technical Division Engineering & Construction. eMail: felix.scholz@hpa.hamburg.de Internet: www.hamburg-port-authority.de Der Weg zur projektorientierten Organisation ist ein ambitionierter und langwieriger Weg und erfordert einen Kulturwandel im Unternehmen, den das PMO mit seinen Organisationsprojekten in den vier strategischen Handlungsfeldern (Methodenstandards, Mensch & Entwicklung, Digitales & Tools, Organisation & Zusammenarbeit) professionell mit ebnen kann, damit die Nachteile einer Projektorganisation aufgefangen werden können und der Change-Prozess mit den Beschäftigten gelingt. Eingangsabbildung: © Andreas Schmidt-Wiethoff www.schmidt-wiethoff.de Anzeige Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard-Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. 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