PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0109
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Zurück auf Los!
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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Zurück auf Los! Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg betritt das Büro von Ehrlich. Er sieht schlecht aus und hätte er Ehrlich einen Hut hingehalten, dann hätte dieser etwas Geld hineingeworfen. „Jetzt ist es passiert“, legt Priesberg los. „Unser Datenbanksystem wurde vor Inbetriebnahme endgültig stillgelegt. Es hat die Sicherheitsanforderungen nicht bestanden. Viele Jahre Arbeit umsonst! “ Ehrlich schaut ihn etwas mitleidig an: „Ich habe davon gehört. Und es war mir auch seit einiger Zeit klar, dass es so kommen musste.“ Priesberg lässt sich in einen Ledersessel fallen. „Woher kommt das? Große Visionen werden ausgearbeitet, diskutiert, abgestimmt und nochmals diskutiert und dann glaubt man, jetzt hat man alles, um das Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Und jetzt das! “ „Die Digitalisierung erfordert agile Methoden, und Anforderungen an Systeme müssen nach Plan erhoben und implementiert werden“, lenkt Ehrlich ab. Er schaut seinen Kollegen fragend an und hofft auf eine Antwort. Diese kommt dann auch prompt: „Ja genau, das sage ich doch auch immer. Die Digitalisierung bringt uns weiter.“ Ehrlich gähnt demonstrativ. „Du langweilst mich. Alles Bullshit Bingo. Hast du das nicht gemerkt? “ Priesberg stutzt: „Verstehe ich nicht.“ Ehrlich lacht: „Streiche mal aus dem Satz alle Wörter bis auf ‚agile Methoden‘ und ‚nach Plan‘.“ Priesberg überlegt einige Zeit: „Tatsächlich. Wenn man deinen Satz so dramatisch verkürzt, dann will ich agil vorgehen und am Ende doch nach Plan umsetzen-… wir haben also nur Floskeln ausgetauscht.“ „Damit sind wir schon einen Schritt weiter. Wir leben im Zeitalter der Floskeln. Und sie werden nicht mehr hinterfragt. Dinge wie ‚Digitalisierung‘ oder ‚Agilität‘ werden als toll konnotiert. Es sind Wohlfühlwörter geworden. Wann immer man sie ausspricht, dann glänzt man und gehört dazu. Ganz egal, was man damit wirklich meint“, spricht Ehrlich nachdenklich. „Und das ist sehr gefährlich, da man die echten Probleme überhört.“ „Unsere Datenbank wurde nach dem Wunsch betrieben, ganz viele Datenquellen anzubinden. Je mehr, desto besser“, antwortet Priesberg. „Wer war denn bei dieser Entscheidung beteiligt? “, fragt Ehrlich. „Dies waren noch nicht mal die Architekten. Es waren Visionäre, die sehr viel Einfluss haben, vor allem in der Hierarchie“, fasst Priesberg zusammen. „Wie haben denn die technischen Experten reagiert? “, bohrt Ehrlich nach. „Die haben den Kopf geschüttelt. Es war absehbar, dass ein solches System auf unserer Infrastruktur die Sicherheitsanforderungen nie erfüllen wird. Aber sie wurden von den Visionären überhört“, erläutert Priesberg. „Und die Visionäre hatten den besseren Draht zu den Entscheidungsträgern“, fasst Ehrlich zusammen. Priesberg kratzt sich am Kopf. „Wie kann das nur passieren? “ Ehrlich übernimmt: „Indem jeder in seiner Blase lebt. Wie ich vorhin sagte: Die Visionäre treffen sich, sie tauschen Floskeln aus, fühlen sich dabei wohl und träumen dann von dem neuen System. Dieses wiederum bestätigt ihre Visionen, ihre Erhabenheit. Einfach nur ein Kreislauf.“ Priesberg entgegnet ernüchtert: „Dann sind die bösen Techniker die Spielverderber…“ „Und sie sprechen auch eine ganz andere Sprache“, schließt Ehrlich den Satz ab. „Beide Denkebenen, die der Visionäre und die der Techniker, sind nicht miteinander verbunden. Es sind zwei getrennte Universen. Und dann beginnt das böse Erwachen, wenn nämlich die Fakten die schönen Träume jäh beenden.“ „Wie kann man denn für die Zukunft vorbeugen? “, fragt Priesberg ernüchtert. Kolumne Zurück auf Los! DOI 10.2357/ PM-2020-0109 31. Jahrgang · 05/ 2020 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0109 „In der heutigen Zeit ist das nicht einfach. Wir brauchen immer neue Kicks und Leute, die uns permanent bestätigen“, überlegt Ehrlich. Priesberg denkt nach und fährt fort: „So tragisch es klingt: Das Beispiel der Datenbank, die nie in Betrieb geht, muss Schule machen. Es tut allen Beteiligten weh. Und dieser Schmerz muss spürbar sein.“ Ehrlich schließt ab: „Dadurch entsteht Verwirrung. Und das kann man nutzen, um die Ebene der Visionäre und der Techniker zu verbinden.“ „Geht das ein wenig konkreter? “, fragt Priesberg genervt. „Ja, klar. Wir müssen wieder an die Grundlagen unserer Arbeit. Wir haben verlernt, mit den naheliegenden Dingen zu hantieren. Das macht nämlich Mühe. Und wir haben verlernt, dass es lohnend ist, sich anzustrengen. Viel einfacher ist doch das Leben in den Blasen der Floskeln.“ „Es ist also ein grundlegendes ‚Zurück auf Los‘“, hakt Priesberg nach. „Ja, und das Geld, das man dabei nicht einziehen darf, ist unser aller Lehrgeld“, schließt Ehrlich. Eingangsabbildung: © iStock.com / ComebackImages Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com Anzeige Kolumne | Zurück auf Los! ANNIKA FIX | CHRISTOF SEEGER WER PINNT GEWINNT Mehr als DIY und Motivationssprüche: Wie Sie lernen, Pinterest erfolgreich für Online-Marketing- Kampagnen zu nutzen! uvk.de