eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 31/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2020-0111
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2020
315 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Willkommen im neuen Jetzt!“

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2020
Oliver Steeger
Krisen bieten Chancen. Solch eine Chance hat die GPM ergriffen – und mit Bravour in einen Erfolg verwandelt. Wegen der Pandemie fand das 37. PM Forum digital statt. „Willkommen im neuen Jetzt“, so begrüßte die GPM insgesamt rund 1.400 angemeldete Zuschauer an den Kongresstagen des PM Forum und des PMO Tag zwischen dem 19. und 21. Oktober 2020. Doch bei aller Digitalität – der Erfahrungsaustausch rund ums Projektmanagement gelang perfekt. Der erste Tag des PM Forum 2020 drehte sich um das Thema Nachhaltigkeit, der zweite um die Zukunft des Projektmanagements. Fünf parallele Themenstreams mit Fachvorträgen und Workshops standen zur Auswahl. Die Themen reichten von klassischem bis agilem Projektmanagement, von Leadership zu New Work und Generation Y, von Künstlicher Intelligenz bis hin zur Nachhaltigkeit in Projekten. Vier Keynote-Vorträge rundeten das Programm ab, obendrein gab es eine Kocheinlage mit Fernsehköchin Sarah Wiener. Die Teilnehmer verbrachten spannende Tage am Bildschirm – und fühlten sich wohl in der virtuellen PM-Community.
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37. PM Forum: Digital-- und sehr erfolgreich! „Willkommen im neuen Jetzt! “ Oliver Steeger Krisen bieten Chancen. Solch eine Chance hat die GPM ergriffen-- und mit Bravour in einen Erfolg verwandelt. Wegen der Pandemie fand das 37. PM Forum digital statt. „Willkommen im neuen Jetzt“, so begrüßte die GPM insgesamt rund 1.400 angemeldete Zuschauer an den Kongresstagen des PM Forum und des PMO Tag zwischen dem 19. und 21. Oktober 2020. Doch bei aller Digitalität-- der Erfahrungsaustausch rund ums Projektmanagement gelang perfekt. Der erste Tag des PM Forum 2020 drehte sich um das Thema Nachhaltigkeit, der zweite um die Zukunft des Projektmanagements. Fünf parallele Themenstreams mit Fachvorträgen und Workshops standen zur Auswahl. Die Themen reichten von klassischem bis agilem Projektmanagement, von Leadership zu New Work und Generation Y, von Künstlicher Intelligenz bis hin zur Nachhaltigkeit in Projekten. Vier Keynote-Vorträge rundeten das Programm ab, obendrein gab es eine Kocheinlage mit Fernsehköchin Sarah Wiener. Die Teilnehmer verbrachten spannende Tage am Bildschirm- - und fühlten sich wohl in der virtuellen PM-Community. „Sie werden für diese Tage Teil eines großen und starken Netzwerks im Projektmanagement sein“, begrüßte GPM Präsident Professor Helmut Klausing die virtuell zugeschalteten Teilnehmer. Neben Corona präge die digitale Transformation immer mehr Arbeit und Leben. Die Pandemie habe den Digitalisierungsschub in einem Maße verstärkt, mit dem vor einem Jahr niemand gerechnet hätte. „Wir haben nicht nur einen kurzfristigen Effekt“, erklärte Professor Helmut Klausing, „wir setzen heute Standards auch für die Zeit nach Corona. Wir alle sind digitaler, virtueller und flexibler geworden.“ Projektmanagement habe besonders in dieser Zeit viel mit Verantwortung zu tun. Diese Verantwortung heiße auch, den Wandel zu begleiten und Innovationen zu schaffen. Bei alledem haben es Projektmanager nicht nur mit Technologie, Projektmanagement-Tools und Werkzeugen zu tun-- sondern vor allem mit Menschen. „Wir sind gefordert, unsere Werte zu verstehen und zu begreifen, was Erfahrung, Reflexion und Wissen wirklich bedeutet“, sagte Professor Helmut Klausing, „es sind die Menschen, die den Projekterfolg ausmachen.“ Virtueller Dialog fordert nicht nur technisch heraus, sondern auch rhetorisch. Bei Onlinemeetings und anderen virtuellen Begegnungen müssen Manager mehr denn je mit Sprache überzeugen. Dr. Stefan Wachtel nutzte die Gelegenheit, das Thema Rhetorik ins Bewusstsein der Teilnehmer zurückzubringen-- und dabei durchaus die Finger in Wunden zu legen. So räumte er mit aus seiner Sicht falsch verstandenen Authentizität auf. Viele reden offenbar, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Selbst dann, wenn sie rhetorisch scheitern, halten sie sich zugute: Sie waren wenigsten authentisch. Ausschließlich authentisch sein zu wollen- - das ist vielfach eine Weigerung, an sich selbst zu arbeiten. Führungskräfte müssen auch ihrer Rolle gerecht werden, wie der Aus den DACH-Verbänden „Willkommen im neuen Jetzt! “ DOI 10.2357/ PM-2020-0111 31. Jahrgang · 05/ 2020 Erstmals ein digitales PM Forum: Mit aufwändiger Technik sorgte die GPM dafür, dass sich die Teilnehmer „live dabei“ fühlten und interaktiv an den Vorträgen teilhaben konnten. Foto: GPM 77 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0111 Autor und Executive Coach sagte. Dazu gehören das geschliffene Wort und gute Rhetorik. Sie sind Voraussetzung für Führungswirkung. So warnte Dr. Stefan Wachtel vor Fehlern, die viele Führungskräfte machen. Die Mängelliste ist aus seiner Sicht lang. So reden Führungskräfte „zu viel schriftdeutsch“. Sie verheddern sich in Faktendetails, statt Botschaften zu senden. Sie schaffen keine Nähe zu Menschen, und sie fokussieren sich auf Irrelevantes statt auf bedeutsame Inhalte. Wir leben, sagte er, in einer Zeit der neuen Mündlichkeit; es wird mehr gehört als gelesen. Deshalb verlangt die mündliche Kommunikation Regeln, was durch die virtuelle Kommunikation noch verschärft wird. Beispielsweise Relevanz und Pointierung: Gute Redner reden über Prinzipien und schaffen einen Rahmen, in dem sie ihre Botschaften platzieren. Sie befassen sich nicht mit Details, sondern haben das Ganze im Blick und argumentieren „auf großer Flughöhe“. Sie schalten von „sachlich“ auf „persönlich“ um und beziehen Menschen mit ein. Sie versuchen ihr Thema inhaltlich nicht zu erschöpfen, sondern wählen wenige, aber bedeutsame Punkte aus. Ähnlich die Pointierung: Führungskräfte bringen ihre Botschaft auf den Punkt und verbinden sie mit Zuspitzungen. In ihre Organisation hinein betonen sie die Zusammenarbeit, nach außen hin bauen sie Vertrauen und Reputation auf. Auf Basis jahrhundertealter Rhetorikregeln entwickeln rhetorisch geschickte Führungskräfte Leuchtkraft und bessere Wirkung-- was aber voraussetzt, dass sie sich der Mühe von Training und Proben unterziehen. „Kocht Ihr selbst mit frischen Zutaten? “, mit dieser Frage startete Fernsehköchin und Nachhaltigkeitsikone Sarah Wiener ihre Keynote. „Jüngere Menschen entdecken gerade immer mehr das Kochen und lieben es“, sagte sie, „doch in Familien wird immer weniger gekocht.“ Die Teilnehmer stimmten online ab. 93 Prozent sagten, sie kochen selbst. Wow! Dies beeindruckte Sarah Wiener! „Wer selbst kocht, hat Souveränität über seinen Körper“, lobte sie, „er entscheidet, was er zu sich nimmt.“ Abgesehen davon, dass Kochen wunderbar entschleunigt, erdet und für einen nachhaltigen Lebensstil unverzichtbar ist. So erteilte sie den in Büros fast überall anzutreffenden Industriekeksen eine Absage. „Nehmt lieber aufgeschnittenes Obst“, erklärte sie. Mit sympathischer Direktheit machte Sarah Wiener auf die täglichen Sünden in puncto Ernährung und Nachhaltigkeit aufmerksam. Ihre nächste Frage ans Publikum: Wer liest regelmäßig das Etikett auf Lebensmittelpackungen? Immerhin, rund die Hälfte der Teilnehmer inspiziert das Kleingedruckte. „Esst nichts, was Ihr nicht versteht“, sagte sie knapp. Dies gilt vor allem für die Zusatzstoffe, die häufig mit E-Nummern versehen sind. Beispielsweise E 330. Zitronensäure. Sie hilft, dass Süßes fruchtig schmeckt; in Kombination mit Zucker greift Zitronensäure aber den Zahnschmelz an. Und: Heute wird Zitronensäure vielfach künstlich hergestellt. Mit leuchtendgelben, sonnenreifen Zitronen hat E 330 selten etwas zu tun. Eine weitere Frage: Wie viele Namen von Tomatensorten kennen die Teilnehmer? Fast die Hälfte kannte keinen Namen. Nur rund vier Prozent kannten mehr als vier. Tatsächlich gibt es tausende Tomatensorten rund um die Welt. Ein österreichischer Tomatenexperte hat Saatgut für rund 7.000 Sorten auf Lager: Riesen-Tomaten von zwei bis drei Kilogramm (je Tomate! ), nach Rosen duftende und Pilzen schmeckende Tomaten. Oder die russische Reisetomate, an der man unterwegs Stück für Stück abknabbern kann. Diese Vielfalt an Lebensmitteln droht verloren zu gehen- - und sie fehlt nicht zuletzt denjenigen, die mit Hingabe kochen. Wer kocht, sollte deshalb Vielfalt durch bewussten Einkauf unterstützen. Was Vielfalt in der Küche bedeutet, dass zeigte sie am Abend in ihrer Kocheinlage. Beispielsweise standen Brennnesseln auf der Zutatenliste- - eines der vielleicht am meisten unterschätzten heimischen Gemüse. Viele Teilnehmer hatten sich das Rezept vom Kongressportal heruntergeladen und kochten daheim am Herd das leckere und gesunde Gericht nach. Auch der zweite Tag des PM Forum bot abwechslungsreiche Sessions mit fünf parallelen Themenstreams, Business Games und Co. Den Tag eröffnete das diesjährige dreiköpfige Leitungsteam des Programmkomitees Stefanie Höpfinger, Elke Lengert-Kune und Erwin Weitlaner. Das Führungstrio sprach über die Herausforderungen, die in der Umstellung auf das digitale Format lagen, über die Qual der Wahl bei der Selektion der eingereichten Beiträge und über ihre jeweiligen Lieblingsstreams. Weiter ging es mit einer Keynote des Schweizer Buchautors und Unternehmers Dr. Rolf Dobelli. Mit einer „Kocheinlage“ von Sarah Wiener schloss der erste Kongresstag. Assistiert von Moderator Ralf Schmitt zeigte sie, wie man aus einfachen, regionalen Zutaten ein leckeres und gesundes Gericht zubereitet. Für viele Teilnehmer ein guter Anlass, daheim selbst zum Kochlöffel zu greifen. Foto: GPM Dr. Stefan Wachtel sprach über das Thema Rhetorik. Führungskräfte müssen ihrer Rolle gerecht werden, und dazu gehört auch das geschliffene Wort für gute Führungswirkung. Foto: IT Motion Aus den DACH-Verbänden | „Willkommen im neuen Jetzt! “ 78 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0111 Er empfahl Enthaltsamkeit in puncto News. Dr. Rolf Dobelli, selbst früher bekennender News-Junkie, betitelte seinen Vortrag mit „Die Kunst des digitalen Lebens“; unter dieser Kunst versteht er unter anderem, Abstand von News zu halten, jenen kleinen Info-Bruchstücken und Aufregern, die von Sozialen Medien oder Nachrichtenseiten auf den Bildschirm gebracht werden (und die viele Menschen schon morgens zum Handy greifen lassen). Das ständige Aufflackern von News über Politik und Wirtschaft, über Promis, Katastrophen und Kurioses sorgt nicht dafür, dass wir besser informiert sind. Stattdessen: Je mehr wir eintauchen in den Newsstream, desto nervöser werden wir und desto mehr büßen wir die Fähigkeit ein, uns auf wirklich Wichtiges zu konzentrieren. News sind für den Geist das, was Zucker für den Körper ist: leicht verdaulich, doch langfristig schädlich. Rund 30.000 solcher News konsumiert man jährlich. Durchschnittlich 90 Minuten täglich verwenden Menschen auf den Konsum von News. Wer darauf verzichtet, gewinnt gut und gerne ein Lebensjahr. Doch vor allem fühlt er sich besser. Vor zehn Jahren hat Dr. Rolf Dobelli seine konsequente News-Abstinenz begonnen, zunächst als einmonatiges Experiment, das sich dann verstetigte. Er fragte sich: Trifft er durch die vielen News, die er konsumiert, bessere Entscheidung? Offenbar nicht, wie er feststellte. News sind das Gegenteil von Weltverständnis. Sie haben keine Erklärungskraft und helfen nicht, die Welt besser zu verstehen. Ganz im Gegenteil, sie erzeugen toxische Gefühle wie Neid oder Beunruhigung. Was also tun? Dr. Rolf Dobelli empfahl eine News-Diät auszuprobieren. Dafür spreche übrigens auch die philosophische Tradition: Schon seit der Antike unterscheiden kluge Köpfe zwei Sphären: die Sphäre der Dinge, auf die man Einfluss hat und die man verändern kann- - und die Sphäre dessen, was man nicht verändern kann. News, sagte er, betreffen häufig Dinge, auf die man ohnehin keinen Einfluss hat. Was sie zu nutzlosen Informationen macht. Weitere Empfehlung: Jeder hat „Kompetenzkreise“, also Bereiche, in denen er überdurchschnittlich gut ist und bleiben will- - etwa einen beruflichen Kompetenzkreis, einen privaten Kompetenzkreis oder vielleicht auch noch ein Hobby. Diese Kompetenzkreise lohnt es kennenzulernen und durch Informationen weiterzuentwickeln. News außerhalb dieser Kreise seien oftmals irrelevant. Unsere Erinnerungen sind kompliziert. Weshalb? Weil wir sie verfälschen. Oder besser: Weil unser Gehirn sie mit der Zeit verfälscht. Jedes Mal, wenn wir über eine Erinnerung sprechen, bauen wir sie quasi neu zusammen- - und verändern sie, ohne dass wir es merken. Dies macht nicht nur Juristen zu schaffen, etwa bei der Befragung von Zeugen. Auch Managern, die für Entscheidungen auf gute Daten angewiesen sind, kann schlecht Erinnertes in die Quere kommen. Dr.- Julia Shaw, Rechtspsychologin und Bestsellerautorin, nahm sich in ihrer Keynote dieses Problems an. „Wir erinnern uns immer nur an unsere letzte Version der Erinnerung“, sagte sie. Also die letzte Version, die wir jemanden erzählt oder über die wir nachgedacht haben. Wie verändert diese Version bereits ist, ist vielen nicht klar. Wer etwas Wichtiges erlebt, sollte sich besser nicht auf seine Erinnerungsfähigkeit verlassen. Dr. Julia Shaws Tipp: Schreiben oder nehmen Sie die Informationen zügig auf. Wer dann ganz auf „Nummer sicher“ gehen will, sollte sich das Aufgezeichnete per E-Mail zusenden. Dann bekommt die Erinnerung einen Zeitstempel. „Das ist der Goldstandard für Beweise“, sagte Dr. Julia Shaw. Nicht nur für Juristen, sondern für jeden, der sich über eine Sache ein Bild machen will und aus Erinnerungen schöpfen muss. Ebenfalls wichtig: Wer Erinnerungen bei anderen erfragt, sollte neutrale Fragen stellen. Zum Beispiel: Was ist passiert? Was haben Sie wahrgenommen? Entscheidend ist, die Erinnerung nicht ungewollt zu beeinflussen-- indem man im Gespräch durch eigene Worte die Erinnerung färbt („Das muss ja wirklich schlimm für Sie gewesen sein, oder? “). Dr. Julia Shaw empfahl, offen zu fragen. In den weiteren Fragen könne man die Worte verwenden, die der Befragte in seiner Antwort verwendet hat. Besonders kritisch wird die Stichhaltigkeit von Erinnerungen bei Konflikten und Mobbing in Unternehmen. Viele, die Mobbing oder Diskriminierung erleiden, halten still. Häufig kennen sogar Kolleginnen und Kollegen die Vorfälle; nur für Manager sind diese unsichtbar. Einer Studie zufolge, an der Dr. Julia Shaw mitgewirkt hat, haben 34 Prozent der Zeugen Angst vor negativen Konsequenzen. 22 Prozent wissen nicht, dass sie sich melden können. 16 Prozent ist nicht bekannt, wie sie sich melden können. Sie empfahl Managern ein Fünf-Punkte-Programm, um über Mobbing, Belästigung oder Anfeindungen von ihren Mitarbeitern Kenntnis zu erlangen. Manager sollten sich persönlich engagiert zeigen und glaubwürdig versichern, dass sich ihr Unternehmen in dieser Hinsicht verbessern will. „Das ‚wir‘ zu betonen ist wichtig“, erklärte die Fachfrau. Dies schließe auch das Management ein. Unternehmen sollten ihre Manager sensibilisieren und trainieren. Zudem sollten Unternehmen anonyme Berichterstattung ermöglichen, regelmäßig Umfragen machen und eine soziale Identität aufbauen. Eingangsabbildung: © GPM Zugeschaltet aus Bern: Der Schweizer Buchautor und Unternehmer Dr. Rolf Dobelli (auf Bildschirm) empfahl in seiner Keynote Zurückhaltung in puncto News. Moderator Ralf Schmitt diskutierte mit ihm die Fragen der Teilnehmer. Foto: GPM Aus den DACH-Verbänden | „Willkommen im neuen Jetzt! “ 79 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 05/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0111