PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2021-0007
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren“
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Oliver Steeger
Gemeinsam mit ihrem Team haben Julia Poppe und Nazarena Rübel (Ostbayerischen Technische Hochschule Regensburg) in einem Praxisprojekt ein Konzept für „Employer Branding“ entwickelt – und dabei agiles Projektmanagement gelernt. Für beide Studentinnen war dieses Lehr- und Lernprojekt im Jahr 2019 ein hervorragender Weg, sich die Grundlagen agilen Projektmanagements zu erarbeiten. Im Gespräch erklären sie, wie die Verknüpfung von Theorie und Praxis aus ihrer Sicht gelingt, welchen Nutzen sie daraus ziehen – und weshalb dieses Projekt auch in der Coronazeit gelungen wäre.
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Im Interview mit Julia Poppe und Nazarena Rübel: Studentenprojekt „Employer Branding“ „Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren“ Oliver Steeger Gemeinsam mit ihrem Team haben Julia Poppe und Nazarena Rübel (Ostbayerischen Technische Hochschule Regensburg) in einem Praxisprojekt ein Konzept für „Employer Branding“ entwickelt- - und dabei agiles Projektmanagement gelernt. Für beide Studentinnen war dieses Lehr- und Lernprojekt im Jahr 2019 ein hervorragender Weg, sich die Grundlagen agilen Projektmanagements zu erarbeiten. Im Gespräch erklären sie, wie die Verknüpfung von Theorie und Praxis aus ihrer Sicht gelingt, welchen Nutzen sie daraus ziehen-- und weshalb dieses Projekt auch in der Coronazeit gelungen wäre. Frau Poppe, Frau Rübel, Sie haben in einem Projekt für das kirchliche Wohnungsunternehmen Joseph- Stiftung ein Konzept für Personalmarketing entwickelt. Das Besondere an diesem Projekt: Sie haben als Studentinnen in diesem realen Projekt Projektmanagement gelernt. In Ihrem Team haben Sie moderne, agile Methoden eingesetzt, und Sie haben mit echten Auftraggebern und Stakeholder zu tun gehabt. Ein authentisches Projekt als Lehr- und Lernform- - funktioniert dieses didaktische Konzept aus Ihrer Sicht? Julia Poppe: Diese Lernform ist nach meiner Erfahrung perfekt, um Projektmanagement zu lernen. Ich habe während unseres Projekts die im Seminar gelernten Methoden sofort in die Praxis übertragen und eingesetzt. Es ging in diesem Modul des Studiengangs um weit mehr als nur darum, einer Vorlesung zuzuhören und den Wissensstoff aufzunehmen. Nazarena Rübel: Das Anwenden wird ja später in der Berufspraxis erwartet und gefordert. Vor allem erhöht das praktische Arbeiten die Motivation. Praxis macht Spaß! Man ist wirklich bei der Sache, und auch persönliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikation werden entwickelt. Solche Projekte bringen nach meiner Einschätzung einen guten Lerneffekt. In Ihrem 2019 durchgeführten Projekt zum Personalmarketing hatten Sie mit der Joseph Stiftung eine reale Auftraggeberin. Kunden beurteilen Projekte anders als Professoren, heißt es. Inwiefern verändert ein realer Kunde das Lernprojekt? NR: Wenn wir einem Dozenten unsere Ergebnisse präsentieren, hoffen wir „nur“, dass alles richtig ist. Das ist bei einem realen Kunden anders? JP: Da geht es um mehr als richtig oder falsch. Da geht es darum, dass dem Kunden die Ergebnisse gefallen und er daraus Nutzen zieht. Werden seine Probleme gelöst? Hilft ihm das Ergebnis weiter? Ist es das, was er braucht? NR: Das Ergebnis muss die Strategie und das Bedürfnis des Kunden treffen. Um solche Fragen dreht sich die Diskussion mit dem Kunden, wenn man ihm Zwischenergebnisse präsentiert oder ein Review durchführt. Bei uns hat die Kommunikation mit einer echten Kundin spannende Erfahrungen ermöglicht und Erkenntnisprozesse ausgelöst. So etwas kann man nicht theoretisch in einem Seminar lernen. In Ihrem BWL-Studium ist Projektmanagement ein Angebot, aber keine Pflicht. Sie hätten für sich auch andere Schwerpunkte setzen können. Weshalb haben Sie sich für Projektmanagement entschieden? JP: Ehrlich gesagt, ich habe während meines Studiums angefangen, mit meiner Wahl für Betriebswirtschaftslehre zu hadern. Ich sehe mich später beispielsweise weder in Marketingabteilungen noch im Finanzbereich-… Das sind typische Aufgabenfelder für BWL-Absolventen. JP: Das mag so sein. Ich aber habe aber immer gerne Projekte organisiert und etwas auf die Beine gestellt. Deshalb passt Projektmanagement gut zu mir. Das Seminar zum Projektmanagement hat ja einen großen Vorteil: Man stellt sich breit auf für das, was immer man nach dem Studium machen will. Theoretisch könnte ich in Unternehmen gehen. Ich könnte aber auch eigene Projekte organisieren. Wer wie ich wirklich etwas verändern will- - der ist, so glaube ich, mit der Vielseitigkeit von Projektmanagement gut beraten. NR: Ich war schon immer ein Freund von organisiertem Arbeiten und Listen. Um Projektmanagement zu lernen, bin ich gezielt nach Regensburg zur Ostbayerischen Technischen Hochschule gegangen. Quasi mit Vorsatz…! NR ( lacht ): Ja, das stimmt. Ich habe vor meinem Studium eine Ausbildung zur Sportfachfrau gemacht und dabei auch Veranstaltungen organisiert. Ich war mir sicher, dass das Studienfach BWL ein gutes Fach für mich ist- - aber nur mit der Richtung Projektmanagement. Mit Projektmanagement kann ich nicht nur Veranstaltungen managen, sondern auch andere Vorhaben. Reportage „Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren“ DOI 10.2357/ PM-2021-0007 32. Jahrgang · 01/ 2021 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0007 Nochmals zu der Kundin Ihres Lern-Projekts, der Joseph-Stiftung in Bamberg. In Ihrem Projekt ging es um ein Konzept, mit dem sich die Stiftung als Arbeitgeberin besser für Hochschulabsolventen vermarkten kann. „Employer Branding” nennt sich dies. Die Stiftung hat durch Ihr Projekt viel über smarte Selbstvermarktung gelernt. Was hat Sie an diesem Thema für Ihr Projekt gereizt? JP: Zu solch einem Konzept gehört heute vielfach eine Social-Media-Strategie. Dieses Thema fasziniert mich schon seit Langem. Meine Studienarbeit ging über Social Media. Ich hatte damals bereits einen persönlichen Bezug dazu, und ich wollte mich näher mit diesem Thema auseinandersetzen. Das Projekt habe ich als kreatives Projekt eingeschätzt-- und genau darum handelte es sich bei diesem Vorhaben auch. NR: Bei mir war es ähnlich. Ich war bereits durch ein Auslandssemester in Südamerika mit dem Thema Social Media in Berührung gekommen. JP: Schon in dieser Hinsicht hat sich unser Projekt gelohnt. Ich habe vieles zu diesem Thema aus dem Projekt mitgenommen-- neben dem Wissen zu Projektmanagement und anderen Learnings. Andere Learnings-- was zum Beispiel? JP: Beispielsweise Selbstorganisation. Für dieses Projekt sollte jedes Teammitglied sechs Wochenstunden einplanen. Da muss man lernen, sich auch Grenzen zu setzen und nicht mehr zu leisten, als eigentlich erwartet wird. Beispielsweise ist es angesichts des Zeitbudgets unrealistisch, ein Strategiepapier über fünfzig oder mehr Seiten vorzulegen. Ich wurde quasi gezwungen, sinnvoll Schwerpunkte zu setzen und mich auf wirklich Wichtiges zu fokussieren, das dem Kunden weiterhilft. Ich denke, ich habe in diesem Projekt gelernt, meinen Fokus besser im Bereich des Möglichen zu setzen. NR: Julia und ich tendieren dazu, uns ehrgeizig in Projekte zu stürzen. Wir wollen etwas bewegen. Doch in unserem Projekt haben wir schnell verstanden, dass wir viele unserer Ideen allein schon wegen der Zeit nicht umsetzen konnten. Das war auch gar nicht gefordert: Man muss ja nicht alle Maßnahmen für Employer Branding selbst umsetzen. Manchmal reicht es, eine sinnvolle Maßnahme einfach zu beschreiben. Der Kunde kann sie später selbst realisieren. Es kommt also darauf an, sich darauf zu konzentrieren, wie man dem Kunden wirklich weiterhelfen kann. Also die Zeit und die Kräfte effektiv einsetzen. In Ihrem Team haben Sie agil gearbeitet. Wie sind Sie mit dieser Arbeitsweise zurechtgekommen? NR: Sehr gut! Sie erlaubt eigenverantwortliche Arbeitsweise. Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren. JP: Diese Arbeitsweise liegt mir. Ich kann mir heute kaum vorstellen anders in Projekten zu arbeiten. Man bekommt einen Auftrag und ein Ziel. Man arbeitet dann selbständig und stellt dabei sicher, dass man sich mit dem Team regelmäßig updatet. NR: Die agile Arbeitsweise nutzt ja auch dem Auftraggeber. Sie ermöglicht, dass man das Ergebnis des Projekts so gut wie möglich nach den Vorstellungen des Kunden gestaltet. Beispielsweise kann man noch recht spät neue Ideen ins Projekt einarbeiten. Gerade im Laufe von kreativen Projekten entstehen viele Ideen. Sind die Anforderungen zur Projektbeginn zu eng formuliert, kann man später solche Impulse vielleicht nicht mehr aufnehmen. Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Sie haben Projektmanagement in einem agilen Studentenprojekt gelernt, das Theorie mit Praxis eng verknüpft. Aus dieser Verzahnung ergeben sich viele Vorteile. Wo sehen Sie dennoch Grenzen oder Schattenseiten? JP: Bei diesen agilen Projekten hat man es mit unterschiedlich stark motivierten Menschen zu tun. Manche bringen nicht ausreichend Engagement und Herzblut hinein- - zumindest nicht so viel, wie man vielleicht selbst hat. NR: Die Motivation war bei uns eine Herausforderung. Unsere Teammitglieder waren in der Tat unterschiedlich engagiert. Da muss man aufpassen, wie man kommuniziert, wie man auch die weniger Engagierten abholt und eine gute Zusammenarbeit erzielt. Agiles Arbeiten schenkt nicht nur Freiheit, sondern erfordert auch harte Disziplin, beispielsweise konsequentes Arbeiten mit den agilen Tools. War dies für Sie eine Herausforderung? NR: Für einige Abstimmungen konnten wir schnelle und bequeme Messenger wie WhatsApp verwenden. Für andere Aufgaben benutzten wir komplexere Kollaborationswerkzeuge. Einige im Team fanden diese Werkzeuge zu umständlich. Sie hätten lieber für alles ausschließlich WhatsApp benutzt. Da muss man Kompromisse finden- - und manchmal auch das konsequente, methodische Arbeiten durchsetzen. Ihr Projekt hat 2019 stattgefunden, also ein Jahr vor der Pandemie. Trotzdem haben Sie vielfach remote gearbeitet. Studentinnen und Studenten haben individuelle, eng gesteckte Stundenpläne. Da ist es nicht ganz leicht, Termine für persönliche Meetings abzustimmen… JP: Trotz dieser Einschränkungen haben wir uns viel persönlich getroffen und uns face-to-face besprochen. Doch offen gesagt, wir hätten vieles auch über Videokonferenzen und mit anderen digitalen Tools erledigen können. Die remote Arbeitsweise, wie sie während der Coronazeit üblich wurde, wäre kein Problem gewesen? JP: Nein, ich denke nicht. Man hätte das ganze Projekt auch online abwickeln können. Es gab kaum eine Situation, die ein persönliches Meeting wirklich erzwungen hätte. Womöglich wären die remote Arbeitsweise und die online Kommunikation einigen aus unserem Team sogar entgegengekommen. NR: Es ist ja eigentlich gleich, ob man gemeinsam in einem Raum auf eine Präsentation schaut- - oder daheim am Bildschirm sitzt und der Präsentation folgt. Ich denke, die Kommunikation ist heute an keinen Ort mehr gebunden. Außerdem: Videokonferenzen laufen häufig sehr diszipliniert ab-- vielleicht sogar disziplinierter als persönliche Meetings. Sie hätten Ihr Projekt also auch in der Corona-Krise erfolgreich durchführen können? NR: Ja, definitiv. JP: Mit Sicherheit! Reportage | „Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren“ 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0007 Wie sieht es mit eher „weicheren” Erfolgsfaktoren aus, beispielsweise Teamgeist? Kann aus Ihrer Sicht Teamgeist auch online aufgebaut und erhalten werden? JP: Ich glaube, dass dies gut möglich ist-- zumindest, solange keine persönlichen Differenzen im Team bestehen. Dies kenne ich von einem anderen Projekt aus dem vergangenen Jahr. Ich habe das „Netzwerk Nachhaltigkeit” an unserem Campus gegründet. Wir arbeiten komplett online. Im November haben wir auf diese Weise eine Nachhaltigkeitswoche organisiert, und derzeit bereiten wir Aktionen für den Sommer vor. Bei solchen Netzwerken und Initiativen von Freiwilligen ist der Teamgeist besonders wichtig. Man motiviert sich gegenseitig-… JP: Das stimmt. Diejenigen, die jetzt online mitmachen, stehen wirklich hinter den Zielen. Klar, für viele ist das persönliche Beisammensein schöner. Deshalb versuchen wir, unseren Teamgeist durch spezielle Teambildungsmaßnahmen zu erhalten. Da muss man halt etwas kreativ sein. Welche kreativen Lösungen haben Sie dafür gefunden? JP: Wir haben kleine, spielerische Aktionen für unsere Online-Treffen im Netzwerk gefunden. Jeder zeigt beispielsweise mal einen Gegenstand, zu dem er etwas Persönliches erzählt. Wir veranstalten gemeinsames Basteln zum Weihnachtsfest, oder wir backen zusammen Plätzchen-- alles natürlich online. Man entwickelt schnell das Gefühl der Zusammengehörigkeit, und es ist so, als wenn man sich persönlich trifft. NR: So etwas muss natürlich geplant und organisiert werden. Diese Aktionen entstehen nicht spontan. Man braucht einen Vorreiter, der auch die anderen motiviert und mitzieht. Vieles, was sich bei persönlichen Begegnungen spontan ergibt, muss jetzt organisiert werden. Behält man dies im Hinterkopf, hat die remote Arbeitsweise aus meiner Sicht auch große Chancen und hohes Potenzial für Projekte. Julia Poppe Julia Poppe ist seit November 2020 als Projektangestellte der Fakultät Betriebswirtschaft für den Bereich „Gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit“ an der OTH Regensburg zuständig. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Projektmanagement an der Hochschule und widmete sich in ihrer Abschlussarbeit der „Einleitung und langfristigen Gestaltung der Nachhaltigen Entwicklung einer Hochschule durch Studierende am Beispiel der OTH Regensburg“. In diesem Zuge organisierte sie im Sommersemester 2019 die erste Nachhaltigkeitswoche gemeinsam mit zwei weiteren Studierenden auf dem Campus Regensburg und gründete erfolgreich das „Netzwerk Nachhaltigkeit“, welches inzwischen aus rund 35 aktiven und über 200 passiven Mitgliedern besteht. Foto: privat Nazarena Rübel Nazarena Rübel hat nach ihrer Ausbildung zur Sportfachfrau an der OTH Regensburg Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Projektmanagement studiert. Bereits während des Studiums hat sie sich selbstständig gemacht und das Unternehmen roadventures.de gegründet, ein Dienstleister für Foto- und Videoproduktionen für Unternehmen, Startups und Privatpersonen. Derzeit arbeitet sie an einem neuen Projekt, einem Buch über Hochzeitsplanung; es beruht auf ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Eventplanung mit Projektmanagement-Instrumenten am Beispiel einer Hochzeit-- Ein Leitfaden für die Hochzeitsplanung“. Foto: mitch-rue.de Reportage | „Es macht Spaß, sich selbst zu organisieren“ 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0007
