PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2021-0008
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter
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Oliver Steeger
Die Coronapandemie stellt Projekte vor Herausforderungen. Beispiel Energiesektor: Omexom, ein Spezialist für Energie-Infrastrukturen, errichtet beispielsweise „Stromtrassen“ für die Energiewende oder schließt Photovoltaikanlagen oder Ladestationen für E-Autos ans Netz an. Solche Stromnetze gehören zur Grundversorgung. Der Strom muss weiterfließen. Jens Schulz und Uwe Winkler berichten im Interview, wie sich die Pandemie auf ihre Projekte im Energienetz auswirkt, wie sie ihre Vorhaben schützen – und wie sie das Portfolio „agil“ durch die Krise steuern.
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Im Interview mit Jens Schulz und Uwe Winkler: Projekte gegen die Pandemie schützen Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter Oliver Steeger Die Coronapandemie stellt Projekte vor Herausforderungen. Beispiel Energiesektor: Omexom, ein Spezialist für Energie-Infrastrukturen, errichtet beispielsweise „Stromtrassen“ für die Energiewende oder schließt Photovoltaikanlagen oder Ladestationen für E-Autos ans Netz an. Solche Stromnetze gehören zur Grundversorgung. Der Strom muss weiterfließen. Jens Schulz und Uwe Winkler berichten im Interview, wie sich die Pandemie auf ihre Projekte im Energienetz auswirkt, wie sie ihre Vorhaben schützen-- und wie sie das Portfolio „agil“ durch die Krise steuern. Herr Schulz, Herr Winkler, die Corona-Krise hat Projektarbeit beeinträchtigt und die Vorhaben häufig vor Herausforderungen gestellt. Omexom ist ein weltweit tätiger Spezialist für Energie-Infrastrukturen- - mit viel Projektgeschäft. In Ihren Projekten errichten Sie beispielsweise Überlandleitungen, darunter auch die sogenannten „Stromtrassen“ für die Energiewende. Oder Sie arbeiten für kommunale Versorger und schließen beispielsweise Photovoltaikanlagen oder Ladestationen für E-Autos ans Netz an. Wie hat sich die Pandemie auf Ihre Projekte ausgewirkt? Jens Schulz: In meinem Bereich liegen die Großprojekte, also die Hochspannungs-Freileitungen, das Rückgrat der Energiewende. Beispielsweise bauen wir aktuell an der 61 km langen 380-kV Leitung zwischen Reutlingen und Herbertingen. Der Ersatzneubau dieser fast 100 Jahre alten Trasse stellt einen weiteren wichtigen Baustein für die Energiewende in der Region dar. Bei diesem Projekt haben wir den Einfluss der Pandemie und des Lockdowns von Anfang an stark gespürt. Wir haben sehr früh mit Schutzkonzepten reagiert- - und unser Projekt so umstrukturiert, dass wir optimal und ohne Verzögerung weiterbauen können. Während des Corona-Lockdowns wurden viele Projekte gestoppt und aufgeschoben. Weshalb ist dies bei Projekten für das Energienetz nicht ohne Weiteres möglich, etwa beim Bau der Stromtrassen von Norddeutschland in den Süden? JS: Gleich mehrere Gründe machen eine Verschiebung sehr schwierig. Unsere Stromnetze gehören zur kritischen Infrastruktur, sowohl die großen Übertragungsnetze über Land als auch die Netze, die Energie etwa in Kommunen verteilen. Wegen der Energiewende werden mehr Leitungskapazitäten benötigt. Vor allem die Netze der Hochspannungs-Freileitungen müssen weiter erneuert und ausgebaut werden, um Strom vom Norden in den Süden zu transportieren. Im letzten Sommer waren die Netze mehrmals dicht an der Belastungsgrenze. Hinzu kommt: Unsere Projekte sind enorm komplex-- nicht nur technisch, sondern auch vom Projektmanagement und der Terminplanung her. Wir arbeiten ja viel in bestehenden Anlagen und erweitern deren Kapazität. Das heißt- - Sie arbeiten in der Nähe bestehender Strommasten und Leitungen? JS: Ja, zum Beispiel. Manchmal kommen unsere Monteure bestehenden Netzen sehr nahe oder arbeiten direkt an Stromtrassen, die im Betrieb sind. Diese Netze müssen also abgeschaltet werden, damit wir überhaupt daran arbeiten können. Für diese Arbeiten können uns unsere Kunden, die Netzbetreiber, nur sehr enge Zeitfenster geben. Das wird langfristig geplant. Es ist nicht möglich, Arbeiten einfach mal um eine Woche zu verschieben. Wir müssen auf ein neues Zeitfenster warten, und dies kann dauern. Mit anderen Worten: Können wir unsere Terminpläne auf den Baustellen nicht einhalten, hat sich unsere Planung erledigt. Und Verspätungen können teuer werden. Inwiefern teuer? JS: Fehlen notwendige Kapazitäten für den Stromtransport, kann beispielsweise im Norden keine Windenergie eingespeist werden. Bezahlt werden muss diese produzierte Windenergie trotzdem. Dann fallen doppelt Kosten an: Man zahlt für die nicht eingespeiste Energie-- und man zahlt obendrein, dass die dann fehlende Energie regional durch konventionelle Reportage Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter DOI 10.2357/ PM-2021-0008 32. Jahrgang · 01/ 2021 Damit der Strom dort ankommt, wo er gebraucht wird: Im Busdepot Reutlingen werden Busse elektrisch geladen. Foto: Omexom 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0008 Kraftwerke ausgeglichen werden muss. Für uns ist es während der Corona-Krise also essenziell, dass wir unsere Mitarbeiter und Projekte schützen und weiterarbeiten können. Herr Winkler, in Ihrem Bereich arbeiten Sie nicht an Großvorhaben wie Stromtrassen, sondern wickeln eine Vielzahl kleinerer Projekte ab. Sie sind mit Ihrem Bereich für die Verteilung von Energie zuständig. Es geht häufig um die letzte Meile hin zum Verbraucher. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Projekte? Uwe Winkler: In meinem Bereich sind wir viel für regionale Versorger unterwegs, etwa Stadtwerke. Die Verteilnetze dieser Versorger gehören wie auch die Stromtrassen zur kritischen Infrastruktur. Deshalb müssen diese kleinen und mittleren Projekte während der Pandemie reibungslos funktionieren. Wie schützen Sie Ihre Projekte? UW: Unsere Teams auf den Baustellen haben unterschiedliche Größe. Mal sind es zwei oder drei Mitarbeiter, manchmal eine Gruppe von zehn oder zwölf, gelegentlich auch Montagekolonnen von 40 oder mehr Personen. Bis zu Beginn der Pandemie haben wir diese Teams fast täglich flexibel zusammengestellt und quasi aus einem Mitarbeiterpool geschöpft. Das haben wir verändert. Wir haben jetzt feste Arbeitsgruppen. Mitarbeiter wechseln nicht mehr unter unseren Teams. Wir tauschen keine Mitarbeiter zwischen unseren Niederlassungen aus, um zu vermeiden, dass sich das Virus obendrein auch regional verteilen könnte. Erkrankt in diesen festen Teams ein Mitarbeiter, sind die Ansteckungen relativ schnell eingedämmt. Wir halten den Kreis von Kontaktpersonen klein. Dies führt natürlich zu einer gewissen Ineffizienz-… UW: Das ist die logische Folge, wenn man in festen Teams agiert. Bei einigen Projekten haben wir mit zwei Mitarbeitern arbeiten müssen, obwohl eigentlich vier gebraucht wurden. Unsere Kunden tragen diese Vorgehensweise mit. Ihnen ist die Versorgungssicherheit und Gesundheit wichtiger als die Effizienz. Wir wissen alle: Der Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeitenden und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit hat bei uns oberste Priorität. Daher haben wir noch viele weitere Maßnahmen ergriffen. Wir haben früh Mitarbeiter von medizinischen Hilfsorganisationen hinzugezogen. Bei Verdachtsfällen können wir so schnell selbst Tests durchführen. Schon beim geringsten Verdacht schicken wir Mitarbeiter umgehend heim in Quarantäne. Mit dieser Strategie hatten wir bisher Erfolg. In unserem Bereich gab es bei 2.500 Mitarbeitern bislang nur 65 Ansteckungen. Und von diesen 65 Ansteckungen sind die allermeisten im privaten Umfeld geschehen. Eine der wichtigsten Aufgaben für uns ist es jetzt, die Mitarbeiter sensibel zu halten für den Selbstschutz und Fremdschutz. Im vergangenen Sommer war dies nicht immer einfach, weil das Bewusstsein noch geschärft werden musste. Jetzt, da die Sensibilität deutlich größer und die Pandemie überall in den Medien ist, fällt uns das leichter. Wie sieht es bei Ihnen mit den Vorkehrungen aus, Herr Schulz? Welche Schutzprojekte haben Sie aufgesetzt? JS: Durch unser Risikomanagement sind wir auf viele Krisensituationen vorbereitet-- weniger aber auf eine derartige Pandemie, die Lockdowns nach sich zieht. Da ging es uns genauso wie vielen anderen auch. Wir haben also kein Konzept aus der Schublade gezogen und ein Schutzprojekt aufgesetzt. Wir mussten flexibel und agil auf die neue Lage reagieren, wie wir das bei unserer täglichen Arbeit gewohnt sind. Sehr geholfen hat uns dabei, dass unser Konzern seit jeher der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz größte Bedeutung zumisst, wir also auf verinnerlichte Strukturen, Abläufe und Maßnahmen zurückgreifen konnten. Wo liegen bei Ihren Großprojekten die Herausforderungen in puncto Corona-Schutz? JS: Einige wichtige Punkte waren von Anfang an klar und fest etabliert, etwa selbstverständliche Maßnahmen wie die regelmäßige Desinfektion von Baucontainern, regelmäßiges Lüften, generell Abstand halten und Hände waschen im Sinne unseres Hygienekonzepts. Wir führen Listen, wer mit wem auf der Baustelle Kontakt hat. Wir fragen jeden Morgen den Gesundheitszustand unserer Mitarbeiter ab. Sobald sich nur einer nicht wohlfühlt, schicken wir die ganze Kolonne in Quarantäne, bis eine Infektion ganz ausgeschlossen ist. Diese grundsätzlichen Sicherheitsvorkehrungen und Maßnahmen haben wir zügig umgesetzt. Aber? JS: Andere Abläufe sind nicht so einfach umzustellen und mussten individuell betrachtet und abgesichert werden. Auf Großbaustellen sind viele Menschen an einem Ort tätig. Manchmal kommen einhundert Monteure und mehr beispielsweise morgens bei der Bauleitung zusammen und besprechen sich. Dann bestücken sie ihre Fahrzeuge und fahren zu den Orten, an denen gearbeitet wird. Diesen Prozess mussten wir neu aufsetzen, damit alle die erforderlichen Abstände einhalten können. Die Besprechung ist das eine. Das andere ist, in 80 Meter Höhe auf Masten zu arbeiten und dabei Abstand zu halten-… JS: Natürlich, dies ist extrem schwierig. Da können Mitarbeiter auch keine Masken tragen. Einen solchen 80-Meter-Mast Überlandleitungen-- sogenannte „Stromtrassen“-- transportieren den Strom von Nord nach Süd. Foto: Omexom Reportage | Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0008 hochzusteigen- - das ist körperliche Schwerstarbeit. Das gleicht einem Fünf-Kilometer-Lauf. Für diese Mitarbeiter haben wir spezielle Schutzvisiere anfertigen lassen, die an den Helmen befestigt werden und die Masken überwiegend ersetzen. Und manchmal steckt das Problem auch im Detail, für das man eine Lösung finden muss. Im Detail? JS: Ja, denken Sie an die Verpflegung der Mitarbeiter. Anfangs hatten Restaurants geöffnet. Beim ersten Lockdown waren sie aber geschlossen. Wie konnten wir sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter nicht zu Dutzenden in den wenigen geöffneten Supermärkte einkaufen? Also haben wir ein Catering auf der Baustelle eingeführt, sodass sich die Teams unter größtmöglichem Schutz verpflegen konnten. Wir haben Zelte aufgestellt. Wegen der Abstandsregeln mussten wir dafür auch die Fläche unserer Baustellenlager erweitern. Solche Lösungen mussten wir flexibel erarbeiten. Die Planung dafür hat anfangs Nachtschichten gebraucht-- nicht nur für die Erstellung des Konzepts, sondern auch für die ständige Anpassung und Aktualisierung. Hinzu kam die Informationsbeschaffung, mit der wir uns intensiv auseinandergesetzt haben. Wie konnten wir überhaupt an gesicherte Informationen kommen? Welche Verordnungen, die von der Politik diskutiert wurden, waren tatsächlich verbindlich erlassen worden? Es gab und gibt weiterhin bei den Verordnungen gravierende regionale Unterschiede. Was in dem einen Bundesland erlaubt ist, ist möglicherweise in dem Nachbarland verboten-… JS: Freileitungen machen vor Landesgrenzen nicht Halt. Sie beginnen etwa in Baden-Württemberg und enden in Bayern. Hinzu kommt: Wir rekrutieren unsere Mitarbeiter europaweit in unserem Konzern. Viele Monteure kommen beispielsweise aus Österreich; einige Zeit lang war Österreich Hotspot. Einreisende Mitarbeiter brauchten daher einen negativen Corona-Test. Da war die Frage: Wo können sie sich testen lassen? War das wirklich verpflichtend auch bei einer Durchreise durch ein Bundesland? Und: Galt die Regel wirklich- - oder war sie in einer Pressekonferenz bloß diskutiert worden? Wenn Mitarbeiter einreisen durften- - konnten sie nach der Arbeitswoche überhaupt heimreisen? Ich habe häufig mittwochs schon geprüft, wie wir am Freitag Mitarbeiter sicher zu ihren Familien zurückbringen können. Wie haben Sie diese Herausforderungen organisatorisch in den Griff bekommen? JS: Wir haben relativ schnell einen Krisenstab eingerichtet. Er tagt seitdem mindestens einmal die Woche. Nach Bedarf können wir Mediziner hinzuholen-- oder konzernintern auch eine Juristin, die die neuesten Gesetze und Verordnungen durcharbeitet, sowie auf Kollegen aus dem Bereich Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit zurückgreifen. In diesem Krisenstab laufen alle Erkenntnisse aus Deutschland zusammen, also von unseren Baustellen, Niederlassungen und aus den Business Units. Wir prüfen die Lage, berücksichtigen die neusten Verordnungen, gleichen sie mit unserem Konzept ab und steuern nach. Also ein Krisenstab, der die Schutzmaßnahmen in den Projekten zentral steuert? UW: Nein, ganz im Gegenteil. Der Krisenstab legt die Basis, bündelt und verteilt Informationen. Während unsere Projektleiter Entscheidungsfreiheit für ihre Projekte haben, generell und unabhängig von der Pandemie. In unserem Unternehmen gilt seit langem der Grundsatz, dass Projektleiter wirklich verantwortlich sind- - mit allen nötigen Befugnissen vor Ort an Abstand halten: Besprechung von Omexom-Mitarbeitern auf der Baustelle. Foto: Omexom Coronaschutz auch in der Höhe: Mitarbeiter mit speziellem Visier erklimmen Strommasten. Foto: Omexom Reportage | Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0008 der Baustelle. Das gilt jetzt auch für die Schutzmaßnahmen vor Ort. Bei größeren Maßnahmen stimmen sich die Projektleiter mit der Niederlassung kurz ab. Doch wir erwarten, dass sie vor Ort Lösungen finden. JS: Viele Entscheidungen zu den Schutzkonzepten kann man wirklich nur auf der Baustelle treffen. Ein Beispiel: Wir arbeiten gerade an Projekten sowohl im Ruhrgebiet nahe Essen als auch auf der Schwäbischen Alb. Als in Essen die Hotels geschlossen wurden, stand der lokale Projektleiter vor großen Herausforderungen: Wo die Mitarbeiter unterbringen? Auf der Schwäbischen Alb sah dies völlig anders aus. Touristische Übernachtungen waren nicht erlaubt, wohl aber geschäftlich veranlasste. Unsere Mitarbeiter waren den Hotels dort sehr willkommen. Was bei dem einen Projekt passt, funktioniert nicht bei dem anderen. Was ist Ihre Rolle bei diesem dezentralen Vorgehen? Wie unterstützen Sie die Projektleiter? UW: Wir verteilen Informationen und unterstützen bei größeren Maßnahmen. Wichtig war aus meiner Sicht der Erfahrungsaustausch und der Austausch von Ideen mit und zwischen den Projektleitern. Ein Projektleiter hat ein Problem, der zweite liefert Ideen für die Lösung, die dann von einem dritten oder vierten übernommen wird. Die Informationen aus den Projekten liefen bei uns zentral zusammen und wir haben die Informationen dann wieder allgemein zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel? UW: Anfangs waren ja nur einige Gebiete in Deutschland von der Pandemie betroffen- - und damit auch nur wenige Projekte. Aus diesen Projekten haben wir die Maßnahmen und Erfahrungen abgefragt, um sie dann an die Projekte weiterzugeben, die erst später betroffen waren. Allein mein Bereich hat vierzig größere Niederlassungen. Wenn wir die Ideen und Lösungen all dieser vierzig Niederlassungen zusammenbringen, profitieren wir von einem großen Erfahrungsschatz. Wir nutzen die Schwarmintelligenz. Dies erinnert an agile Vorgehensweise bei Projekten: dezentrales, flexibles, interaktives, stark eigenverantwortliches Arbeiten mit laufender Anpassung an die neue Lage. Hinzu kommt gute Unterstützung durch die Führung. UW: Wir haben in unserem Konzern ohnehin eine stark ausgeprägte Netzwerk-Kultur. Wer eigenverantwortlich arbeitet und Unterstützung braucht, muss wissen, wen er ansprechen kann. Er muss seine Kollegen also kennen. Diese Netzwerke tragen dazu bei, uns flexibel und agil zu machen. Die Schutzmaßnahmen aufzusetzen-- das ist die erste Herausforderung in der Corona-Krise. Die zweite Herausforderung ist mindestens ebenso so groß. Sie besteht darin, die Maßnahmen zu erhalten. Konkret: Dafür zu sorgen, dass die Schutzregeln auch noch nach vielen Monaten der Pandemie konsequent befolgt werden. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass überall die Maßnahmen umgesetzt werden? JS: Schutzmaßnahmen sind ja generell nicht neu auf Baustellen. Arbeitssicherheit und Unfallverhütung spielen dort eine wichtige Rolle. Und wir haben hier seit jeher klare Richtlinien, die wir kontinuierlich auf neue Anforderungen hin anpassen. Wir haben hauseigene Fachkräfte für Arbeitssicherheit, sie begehen regelmäßig unsere Baustellen. Derzeit prüfen sie natürlich auch, ob und wie Corona-Verordnungen umgesetzt sind. Ob also etwa Waschgelegenheiten eingerichtet oder die Container groß genug sind, damit man den Sicherheitsabstand einhalten kann. Sie sagten vorhin, dass es eine wichtige Aufgabe ist, die Mitarbeiter selbst für die Schutzmaßnahmen sensibel zu halten. UW: Ja, das ist es. Im Augenblick ist dies relativ leicht. Man spricht und liest überall über die Pandemie. Das Thema ist überall präsent. Unsere Projektleiter melden uns, dass die Maßnahmen insgesamt akzeptiert und diszipliniert umgesetzt werden. Entscheidend bei alledem ist, dass Mitarbeiter die Erfolge der Maßnahmen sehen können. Erfolge? UW: Beispielsweise eine niedrige Infektionszahl im Betrieb. Oder ein Kunde, der ausdrücklich die Umsicht unserer Mitarbeiter lobt. Solche Erfolge muss man den Mitarbeitern zurückspielen. Also ihnen zeigen, dass die Maßnahmen wirken-- und dass diese Maßnahmen in erster Linie ihnen selbst helfen und ihre Gesundheit schützen. Inwiefern spielt es eine Rolle, dass Ihre Monteure beispielsweise durch Arbeitsschutz an ähnliche Maßnahmen gewöhnt sind? Fördert dies die Disziplin? UW: Selbstverständlich. Der Konzern fordert und fördert diese Sicherheitskultur, und Sicherheit ist ein persönliches Anliegen von Bauleitern und Führungskräften. Wir haben über viele Jahre die Sensibilität für Arbeitssicherheit erhöht. Unfälle passieren ja häufig nicht, weil man die Regeln nicht kennt-- sondern weil man sich nicht ausreichend an die Regeln hält. Also wegen mangelnder Disziplin. Da achten wir stark aufeinander. Wir sprechen uns gegenseitig an, wenn wir die Regeln mal nicht genau beachtet haben: Weshalb trägst Du keine Warnweste? Weshalb keine Handschuhe? Keine Maske? JS: Diese Disziplin immer und überall zu zeigen- - das ist für alle eine große Herausforderung. Da trifft man sich zum Jahresende im Besprechungsraum, hält die geforderte Distanz ein- - und muss auch beim Abschied, wenn man sich „Frohe Feiertage” wünscht, den nötigen Abstand einhalten. Also dann nicht doch die Hand geben. Ich habe übrigens nie erlebt, dass jemand die Regeln in Frage gestellt hat und beispielsweise keine Maske tragen wollte. Der Sinn der Maßnahmen ist hier allen klar. In diesem Zusammenhang muss man auch unsere Corona-Schutzmaßnahmen sehen. Sie waren für viele nur eine Ergänzung der bereits akzeptierten Sicherheitsregeln. Bauprojekte leben stark von persönlicher Kommunikation. Es gehört zur Projektkultur auf Baustellen, dass man sich trifft, Baustellen begeht und von Angesicht zu Angesicht Status und Planungen bespricht. Auch die Bauabnahme geschieht direkt auf der Baustelle. Diese persönliche Kommunikation wurde durch die Pandemie stark eingeschränkt. Wie sind Sie damit umgegangen? Reportage | Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0008 JS: Wir haben, wie fast überall, stark auf Videokonferenzen gesetzt- - übrigens auch, wenn die Gesprächspartner räumlich in der Nähe waren. Beispielsweise entsenden unsere Kunden auf viele Baustellen einen Koordinator. Vor der Pandemie waren Koordinatoren ständig auf der Baustelle, während des Lockdowns aber nur für einige Stunden am Tag. Wir haben ihnen einen eigenen Container beschafft, damit sie abgeschottet arbeiten konnten. Sogar ihre Besprechungen mit unseren Bauleitern, die vielleicht nur nebenan in einem anderen Container saßen, fanden per Videokonferenz statt. UW: Wir haben in unserem Unternehmen schon vor einiger Zeit auf digitale Projektabwicklung gesetzt. Beispielsweise sind unsere Projektleiter mit Tablets ausgestattet, mit denen sie Fotos machen, Planungen einsehen oder an Meetings teilnehmen können. Ich bin mir sicher, dass diese digitale Kommunikation auch nach der Pandemie bei uns bestehen bleiben wird. Also nach der Pandemie keinen Schritt zurück zu den altbekannten Baustellenrunden bei Kaffee und Plänen im engen Container? UW: Nein, wohl nicht. Jetzt haben auch andere Partner auf der Baustelle die digitale Arbeitsweise akzeptiert. Sie ist verständlich und zur Norm geworden. Nach einem Jahr kann niemand mehr sagen, dass diese Arbeitsweise nicht funktioniert und man sich unbedingt zur Besprechung sehen muss. Inzwischen spüren wir sogar, dass die digitale Kommunikation uns nicht nur in der Pandemie hilft, sondern generell effizienter ist. Generell effizienter? Inwiefern? UW: Man kommt bei digitaler Kommunikation vielfach schneller auf den Punkt. Und: Bauleiter waren lange geneigt, selbst bei kleinen Problemen automatisch zur Baustelle herauszufahren. Dieser Reflex, sofort ins Auto zu steigen, ist durch die Pandemie gebrochen worden. Die Bauleiter haben erkannt, dass sie eigentlich nutzlos verbrachte Fahrtzeit besser verwenden können: etwa für Planung oder schnellere Abrechnung von Leistungen. Es ist erstaunlich, wie viel sich verändern kann, wenn Menschen plötzlich mit neuen Situationen konfrontiert sind. JS: Natürlich brauchen wir auch weiterhin persönliche Kommunikation, etwa mit den Stakeholdern unserer Großprojekte. Der Bau großer Hochspannungs-Fernleitungen ist ja immer auch ein politisches Thema. Wir werden weiterhin den persönlichen Dialog mit Eigentümern, Kommunen und anderen Stakeholdern suchen. Dies lässt sich aus meiner Sicht nicht digitalisieren. Ich denke, es geht um eine gute Balance zwischen persönlicher und digitaler Kommunikation. Damit kommen wir gut durch die Krise und gemeinsam auf allen Ebenen in eine konstruktive Zukunft. Über Omexom Der globale Energiesektor ist einem ständigen Wandel unterworfen. Deshalb arbeitet Omexom gemeinsam mit seinen Kunden daran, die Energiewende umzusetzen. Omexom erarbeitet Lösungen für alle, die Strom erzeugen, umwandeln und transportieren sowie für lokale Versorger und Gemeinden. So unterstützt Omexom Energieerzeuger und Netzbetreiber darin, ihre Aufgaben zu erfüllen und sich gleichzeitig in der dynamischen Umgebung zurechtzufinden. Die Fachkompetenz von Omexom im Bereich der Stromnetze ermöglicht es, die Auswirkungen der erneuerbaren Energien auf die Netze einzuschätzen. Wir arbeiten daran, Speicherlösungen zu entwickeln, nachhaltigere Infrastrukturen zu schaffen und neuen Verbrauchstrends gerecht zu werden. www.omexom.com Jens Schulz Jens Schulz studierte Bauingenieurwesen in Stuttgart und wechselte nach seinen Anfängen im konstruktiven Ingenieurbau 2007 in den Leitungsbau, wo er zu Beginn Planungsprojekte in der Trassierung verantwortete. Nach diversen Stationen als Projekt- und Vertriebsleiter für Bauprojekte im Leitungsbau wechselt er 2016 zur Omexom Hochspannung GmbH, wo er die Leitungsbauaktivitäten der Omexom in Süddeutschland verantwortete. Heute ist er als Divisionsleiter für den Bau von Hochspannungsfreileitung der Marke Omexom in Süddeutschland, Österreich und Italien verantwortlich. Uwe Winkler Uwe Winkler studierte Energietechnik in Konstanz und arbeitete zunächst 20 Jahre bei EnBW in verschiedenen Führungspositionen im Verteilnetzbereich. Nach seiner Zeit beim baden-württembergischen Energieversorger wechselte er zu VINCI Energies Deutschland, wo er erneut verschiedene Führungsaufgaben übernahm. Nach 12-jähriger erfolgreicher Tätigkeit beim VINCI-Konzern wurde er zum Geschäftsführer der VINCI Energies Deutschland Industry & Infrastructure GmbH ernannt. Foto: Omexom Reportage | Die Arbeiten an der „Stromtrasse“ gehen weiter 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0008