eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 32/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.2357/PM-2021-0013
31
2021
321 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre

31
2021
Patrick Balve
Matthias Albert
André Dechange
Für Dozenten stellt sich bei der Vermittlung von Projektmanagementkompetenzen häufig die Frage, welche Bedeutung dem Einsatz von dazugehörigen Software-Systemen einzuräumen ist. Da hierzu kaum objektivierte Aussagen vorliegen, führten die Autoren eine empirische Untersuchung im Kreis von 40 Dozenten an deutschsprachigen Hochschulen durch und vertieften die Rückmeldungen in Form von 20 Einzelinterviews. Hierbei wurde deutlich, dass die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Projektmanagement-Software von zahlreichen Faktoren wie dem jeweiligen Ausbildungsniveau und -ziel, dem didaktischen Ansatz, der Funktionalität und Erlernbarkeit der Software sowie nicht zuletzt von finanziellen und datenschutzrechtlichen Randbedingungen abhängt.
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Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre Patrick Balve, Matthias Albert, André Dechange Für eilige Leser | Für Dozenten stellt sich bei der Vermittlung von Projektmanagementkompetenzen häufig die Frage, welche Bedeutung dem Einsatz von dazugehörigen Software-Systemen einzuräumen ist. Da hierzu kaum objektivierte Aussagen vorliegen, führten die Autoren eine empirische Untersuchung im Kreis von 40 Dozenten an deutschsprachigen Hochschulen durch und vertieften die Rückmeldungen in Form von 20 Einzelinterviews. Hierbei wurde deutlich, dass die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Projektmanagement-Software von zahlreichen Faktoren wie dem jeweiligen Ausbildungsniveau und -ziel, dem didaktischen Ansatz, der Funktionalität und Erlernbarkeit der Software sowie nicht zuletzt von finanziellen und datenschutzrechtlichen Randbedingungen abhängt. Schlagwörter | Projektmanagement-Software, PM-Software, digitale Lehre, Hochschuldidaktik 1. Motivation Projektmanagement (PM) ist heutzutage ohne den Einsatz entsprechender Software-Programme kaum noch denkbar. Diese dienen zunächst der Planung und Steuerung sämtlicher Projektaktivitäten, dem Controlling und der Projektdokumentation. Immer wichtiger wird aber auch die digital unterstützte Teamkommunikation zur Überwindung räumlicher und zeitlicher Grenzen. So gesehen verwundert es nicht, dass auch bei der Vermittlung von PM-Kompetenzen an Hochschulen-- entweder in Form von Vorlesungen, Übungsveranstaltungen oder studentischen Praxisprojekten [1]-- ebenfalls PM-Software eingesetzt wird. Wenig bekannt ist allerdings über die Beweggründe der Dozenten zum Einsatz einer PM-Software, ihre damit gemachten Erfahrungen im Rahmen der Lehre, den zu überwindenden Hindernissen und bestehenden Erfolgsfaktoren. Vor diesem Hintergrund führten die Autoren eine empirische Erhebung im Kreis von Hochschuldozenten durch. Der vorliegende Beitrag stellt die Ergebnisse in zusammengefasster Form dar. 2. Vorgehen und Methodik Die Untersuchung fand in zwei Phasen statt und richtete sich an die rund 300 Mitglieder der GPM-Fachgruppe „Projektmanagement an Hochschulen“. In der ersten Phase vom 18.02.2019 bis zum 25.04.2019 beantworteten 40 der angeschriebenen Fachgruppenmitglieder (Teilnahmequote 13 %) einen standardisierten Online-Fragebogen. Im Fokus standen hierbei zunächst demographische Faktoren, Aussagen zu Umfang, Inhalt und fachlicher Ausrichtung der PM-Veranstaltungen und natürlich dem bisherigen Einsatz von PM-Software. Die größte Teilnehmergruppe stellten dabei hauptamtliche Professoren deutschsprachiger Hochschulen dar. Von den 40 Befragungsteilnehmern hatten sich 24 Personen bereit erklärt, in der zweiten Phase für 30bis 60-minütige Einzelgespräche über den Einsatz der jeweils angegebenen PM-Software in ihrer Lehrpraxis zur Verfügung zu stehen. Schließlich fanden im Zeitraum von September bis Dezember 2019 20 leitfadengestützte Telefon- und Videointerviews statt. Die Teilnahme an beiden Befragungen basierte auf Selbstselektion; die dabei gewonnenen Aussagen sind folglich nicht repräsentativ. Es darf jedoch angenommen werden, dass alle wesentlichen Aspekte des Themenfelds „PM-Software-Einsatz in der Hochschullehre“ in der einen oder anderen Form angesprochen wurden. Zur Reduzierung subjektiver Einflüsse bei der Befragung erfolgte eine Aufteilung der Interviews auf alle drei Autoren mit einem abschließenden Abgleich der gewonnenen Erkenntnisse. Wissen Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre DOI 10.2357/ PM-2021-0013 32. Jahrgang · 01/ 2021 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013 3. Ergebnisse der Online-Befragung Die 40 Befragungsteilnehmer sind mehrheitlich für mindestens zwei PM-Veranstaltungen verantwortlich. Hiervon ist der Großteil auf Studenten einer Fachrichtung ausgerichtet, wobei diese schwerpunktmäßig den Ingenieurwissenschaften, der Betriebswirtschaftslehre und der Informatik zuzurechnen sind. Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Veranstaltungen entfallen 40 % der Nennungen auf 4 Semesterwochenstunden (SWS) in Kombination mit 5 und 6 Credits (ECTS-Punkte). Ein weiteres, weniger starkes Cluster zeichnete sich mit 15 % der Nennungen bei den Lehrveranstaltungen mit 2 SWS in Kombination mit 2 und 3 ECTS-Punkten ab. Von den 40 Befragungsteilnehmern gaben 30 % an, dass sie keine PM-Software in der Lehre einsetzen. Als Gründe hierfür wurden u. a. angeführt, dass unter didaktischen Gesichtspunkten die Nutzung einer Software zur Vermittlung der PM-Kompetenzen nicht zwingend erforderlich ist oder der Zeitbedarf zur Einführung der zum Teil komplexen Produkte als zu hoch angesehen wird. 28 Teilnehmer der Online-Befragung setzen mindestens eine PM-Software in ihren Lehrveranstaltungen ein. Wir erhielten 60 Nennungen von den Teilnehmern zu eingesetzten PM-Software-Programmen. Diese Programme lassen sich, wie in Abbildung 1 visualisiert, aus Sicht der jeweiligen Dozenten in die Kategorien „Keine Lizenzkosten“, „Open Source“ und „Lizenzkosten entstehen“ einteilen. Mit 49 Nennungen stellen Programme aus der Kategorie „Keine Lizenzkosten“ den Großteil der eingesetzten Software dar. Häufig verwendete Programme in dieser Kategorie sind Microsoft Project (20 Nennungen), Trello (10 Nennungen) und Microsoft Excel (4 Nennungen). Von den Dozenten eingesetzte Open-Source- Produkte sind ProjectLibre (6 Nennungen) und OpenProject (1 Nennung). Zu den verwendeten, kostenpflichtigen PM- Software-Programmen zählen SimulTrain (2 Nennungen), Teamwork.com (1 Nennung) und TOPSIM Project Management (1 Nennung). In der Regel werden die Studenten in den Veranstaltungen mit einem oder zwei Programmen bekannt gemacht. Der Einsatz der jeweiligen Software erfolgt dabei zu ungefähr gleichen Anteilen in Form von Demonstrationen, geführten Übungsbeispielen, der selbständigen Verwendung einer vorgegebenen Software oder völlig selbstgewählt durch die Studenten. 4. Ergebnisse aus den Interviews Basierend auf dem entwickelten Interviewleitfaden wurden die Dozenten zunächst detailliert nach den jeweiligen Inhalten und Qualifikationszielen derjenigen PM-Veranstaltungen befragt, in denen PM-Software zum Einsatz kommt. Ferner ging es um funktionale sowie administrative Aspekte der gewählten Software-Programme und Erfahrungen der Dozenten sowie Studenten. Abschließend wurden Randbedingungen und Einflussfaktoren für den erfolgreichen Softwareeinsatz in der Lehre erfragt. Hierbei wurden auch kritische Punkte angesprochen, die einem Einsatz im Weg stehen oder ihn zumindest erheblich erschweren. Die folgenden Abschnitte repräsentieren die inhaltliche Essenz der Interviews nach Themenclustern, die von den Autoren aus der Menge der gesammelten Aussagen gebildet wurden. 4.1 Didaktik Laut den befragten Dozenten muss zu Beginn jedes PM-Software-Einsatzes die Frage nach den zu vermittelnden Kompetenzen stehen. Zunächst gibt es Fälle, in denen die Software dazu dient, ausgewählte Methoden und Zusammenhänge interaktiv so zu verdeutlichen, dass die Studenten diese besser verstehen können. Beispiele hierzu sind das zeitliche und kapazitive Durchrechnen eines Netzplans mit dem Ableiten von Handlungsalternativen sowie die Fertigstellungswertanalyse. Dabei erweist es sich als besonders zeiteffizient, wenn die Studenten bereits vormodellierte Szenarien zur Verfügung gestellt bekommen. Viele Interviewte stimmten darin überein, dass es selbst im digitalen Zeitalter Vorteile mit sich bringt, PM-Methoden in einem ersten Schritt analog (z. B. am Whiteboard) zu vermitteln, bevor diese mit Softwareunterstützung praktiziert werden. In diesem Zusammenhang wurde auch auf den Vorteil eines gestaffelten, semesterweisen Kompetenzaufbaus hingewiesen. Eine weitergehende, ganz eigenständige Zielsetzung kann die konkrete Beherrschung einer oder mehrerer Software- Abbildung 1: In Lehrveranstaltungen eingesetzte PM-Software Wissen | Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013 Programme sein. Als typischer Beweggrund hierzu wurden in den Interviews das Studiengangprofil sowie das zukünftige Tätigkeitsfeld der Absolventen genannt. Unabhängig vom angestrebten Abschlussniveau (Bachelor, Master) wird PM-Software gerne fakultativ oder verpflichtend zur Unterstützung studentischer, teilweise sogar dislozierter Projektarbeit eingesetzt. Sinnvoll ist dies jedoch erst, nachdem entweder in vorangegangenen Semestern mit der Bedienung einer konkreten Software erste Erfahrungen gesammelt werden konnten, eine vorlaufende Kompaktschulung angeboten wird oder bei den Studenten per se eine hohe Eigenmotivation zum eigenständigen Erlernen einer PM-Software vorliegt. Zum Ende von Realprojekten wird von den Studenten gerne eine Reflexion des Software-Einsatzes im Kontext ihrer Teaminteraktion gefordert. 4.2 Akzeptanz Die Akzeptanz von PM-Software wird sowohl von den Dozenten als auch den Studenten bestimmt und ergibt sich durch alle in Kapitel 4 benannten Kriterien. Insbesondere die Dozentenakzeptanz wird laut Aussagen der Befragten von den persönlichen Vorlieben und Erfahrungen sowie dem Einarbeitungs-, Bedien- und Administrationsaufwand beeinflusst. Die Akzeptanz der PM-Software bei den Studenten hängt nach Einschätzung der Dozenten vor allem an folgenden Punkten: Die Erlern- und Bedienbarkeit der PM-Software steht für viele Studenten im Vordergrund, insbesondere, wenn sie keine bisherigen Erfahrungen mit einer Software hatten. Falls jedoch bereits Praxiserfahrungen vorliegen, sind die hierbei genutzten Software-Programme auch bei den Studenten favorisiert und eher akzeptiert. Wenn die Anwendung der PM-Software notenrelevant ist, steigt automatisch die Akzeptanz bei den Studenten („sanfter Druck“). Notenrelevante Beiträge reichen dabei z. B. von ein paar Fragen (auch Screenshots) in einer Klausur oder einem Test, Bonuspunkten für die Bearbeitung einer Case Study mit Hilfe der PM-Software, bis hin zu der Anwendung der PM-Software als eigenständige Prüfungsleistung. Zur Steigerung der Akzeptanz können die Dozenten Unterstützung in Form von Praxisbeispielen oder Anwendungsbeispielen leisten. Das Thema Nutzen ist eng verknüpft mit der Berufsfeldrelevanz der PM-Software. Wenn die Relevanz der PM-Software für den zukünftigen Job von den Dozenten nachvollziehbar vermittelt wird, steigt automatisch die Akzeptanz der Software. Auch das Thema Spaß kann einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Akzeptanz bei den Studenten (und den Dozenten) leisten. Insbesondere sollte die Anwendung der PM- Software keinesfalls frustrieren. Auch hier haben Dozenten unterschiedliche Möglichkeiten zu unterstützen. Insbesondere die Verwendung von Case Studies kann hier ein wichtiger Beitrag sein. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Akzeptanz im Masterbereich höher ist als im Bachelorbereich. Darüber hinaus beeinflusst auch der Studiengang die Akzeptanz des Software-Einsatzes. Informatikstudenten sind z. B. eher offen, neue Software anzuwenden. 4.3 Nutzerfreundlichkeit Die Erlern- und Bedienbarkeit ist sowohl ein Auswahlkriterium als auch ein Einflussfaktor im Rahmen der Akzeptanz von PM- Software. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Verfügbarkeit von Schulungsmaterial, insbesondere Online-Tutorials, wobei gerade Letztere Vorteile bei unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten bieten und dadurch den Dozenten bei der Einführung der PM-Software unterstützen und entlasten. Online- oder Präsenzschulungen zur Einführung und vertieften Nutzung der PM-Software sind eine gute Alternative zum Selbststudium. Dabei kann entweder auf externe Trainer oder interne Kapazitäten (studentische, wissenschaftliche Hilfskräfte, Mitarbeiter usw.) zurückgegriffen werden. Diese Entscheidung hängt jedoch häufig von entstehenden Kosten und Verfügbarkeiten ab. Jede Einführung von PM-Software ist mit Aufwand verbunden, der im Verhältnis zum gesamten Workload der Veranstaltung stehen sollte. Erfahrungen von einzelnen Befragten zeigen, dass PM- Software innerhalb einer Lehreinheit (z. B. 90 Minuten) nachvollziehbar vermittelt oder selbst von den Studenten erlernt werden sollte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Akzeptanz bei den Studenten negativ beeinflusst wird. 4.4 Kostenstruktur Aus Sicht der Dozenten lässt sich PM-Software im Hinblick auf ihre Kostenstruktur in frei verfügbare Angebote, Angebote mit akademischer (Campus-)Lizenz und Angebote ohne (Hochschul-)Rabatte einteilen. Zu den frei verfügbaren Lösungen zählen einerseits Programme zur Planung und Steuerung wie ProjectLibre, Trello und OpenProject und andererseits kostenfreie Kommunikationslösungen wie WhatsApp, Slack oder Skype. Im Bereich der (Campus-)Lizenzen lassen sich Testversionen, kostenfreie Software wie Jira, quasi-kostenfreie Software wie Microsoft Project (mit Einschränkungen), Microsoft Teams und Mindjet Mindmanager, Software mit Einschränkungen in Bezug auf den Funktionsumfang, die Nutzeranzahl oder die Nutzungsdauer und Software, die auf Basis individueller Vereinbarungen zwischen Hersteller und Hochschule oder Dozent genutzt wird, unterscheiden. Finanzierung und Lizenzierung einer kostenpflichtigen Software sind häufig aufwendige Unterfangen im Hochschulumfeld. Dies ist darin begründet, dass reguläre Abonnement- Modelle und Kostenstrukturen der Anbieter, welche auf den Produktiveinsatz der PM-Software in Unternehmen ausgelegt sind, für den Lehrbetrieb im Hochschulbereich selten geeignet sind. Einerseits erschweren die Beschaffungsrichtlinien im öffentlichen Dienst bzw. der Verwaltung bestimmte Zahlungsmodalitäten der Anbieter, andererseits sind die vorherrschenden Lizenzmodelle (z. B. Abrechnung pro Nutzer und Zeiteinheit) inkompatibel mit der aus der schwankenden Semesterstärke resultierenden, wechselnden Nutzerzahl und dem häufig nur punktuellen Einsatz der Software in der Vorlesung, Vorlesungsnachbereitung oder Übungsaufgabenbearbeitung. 4.5 Administration und Plattform Die befragten Dozenten zielen in der Regel darauf ab, eine einfach zu installierende PM-Software zu verwenden- - falls eine Installation überhaupt erforderlich ist-- und den Administrationsaufwand so gering wie möglich zu halten. Unter Administration ist u. a. einerseits der Installations-, Wartungs- und Pflegeaufwand für die Software und andererseits die Einrichtung bzw. das Customizing von Nutzern, Rollen und Funktionen zu verstehen. Wissen | Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013 Bei zentraler IT-Administration sind erstgenannte Aspekte in PC-Laboren durch das Hochschul-Rechenzentrum abgedeckt. Da der PM-Lehrbetrieb jedoch zum überwiegenden Teil in Vorlesungsräumen stattfindet und die PM-Software häufig nur für einen Teilumfang der Lehrinhalte erforderlich ist, obliegt den Studenten die Installation und Einrichtung der Software auf ihren eigenen Geräten. Die Gerätelandschaft unter den Studenten kann dabei sehr heterogen sein (Laptop mit Microsoft Windows, MacBook mit macOS, Chrome Books mit Google Chrome OS usw.). Viele Dozenten sehen sich deshalb mit der Anforderung konfrontiert, eine plattformunabhängige PM-Software einsetzen zu müssen, welche auf den unterschiedlichen Betriebssystemen und Hardware-Umgebungen zur Verfügung steht, um jedem Studenten den Zugang zum Lehrinhalt zu ermöglichen. Wenn die Studenten gemeinsam mit einer PM-Software arbeiten sollen, obliegt oft dem Dozenten das Einrichten der Nutzer, die Verteilung der Nutzerrechte und das Customizing von Benutzeroberflächen und Funktionen. Nur hierdurch kann der Dozent sicherstellen, dass die von ihm vermittelten Lehrinhalte in der PM-Software in entsprechender Art und Weise angewendet werden können. Administriert der Dozent die PM-Software selbst, entstehen gerade zu Semesterbeginn hohe Aufwände in Bezug auf die Pflege und Wartung der Softwareinstallation und die Schulung der Studenten. Bei technischen und anwenderspezifischen Problemen wird der jeweilige Dozent dann in vielen Fällen zum ersten Ansprechpartner. Nicht unerwähnt soll hierbei bleiben, dass eine zentrale Abteilung wie ein Rechenzentrum in einer Hochschule oft konkurrierende Ziele im Hinblick auf die zur Verfügung stehende PM-Software verfolgt. 4.6 Datenschutz und Datensicherheit Datenschutz- und Datensicherheitsaspekte spielen in der Wahrnehmung der Studenten eine untergeordnete, wenn überhaupt eine Rolle. Dies zeigt sich auch darin, dass sie zur Kommunikation oft Software wie WhatsApp oder Slack nutzen, welche im Hinblick auf Datenschutz-Aspekte kritisch zu bewerten sind. Dozenten als Lehrkörper an deutschen Bildungseinrichtungen dürfen diese Thematik jedoch nicht außer Acht lassen. Dies betrifft beispielsweise den Umgang mit studentischen Identitäten, wenn zur Nutzung einer Software Nutzerkonten beim jeweiligen PM-Softwareanbieter außerhalb des Hochschulraums angelegt werden müssen. 4.7 Funktionalität Gängige Marktübersichten listen für den deutschsprachigen Raum rund 60 kommerzielle PM-Systeme sowie 16 Open- Source-Systeme, jeweils mit z. T. erheblich unterschiedlichem Funktionsumfang und für unterschiedliche Zielgruppen, auf [2, 3, 4]. Hinzu kommt, dass gerade im agilen Umfeld praktisch alle paar Monate neue Systeme auf den Markt kommen, die sich an der Schnittstelle zwischen agilem Aufgaben- und Teammanagement einerseits und persönlichem Zeitmanagement andererseits bewegen. Somit ist klar, dass es „das“ System mit Universaleignung nicht geben kann. Die Befragten sind daher bestrebt, Software-Produkte einzusetzen, die zunächst ihren sachlichen Anforderungen am besten entsprechen, deren Anwendung schnell erlernt werden kann und die dennoch möglichst repräsentative Eigenschaften und Funktionalitäten aufweisen. Wer im Rahmen einer Spezialveranstaltung beispielsweise Projektportfoliomanagement vermitteln möchte, wird auf andere Produkte zurückgreifen müssen, als jemand, der seine Studenten dazu ermutigen möchte, die Durchführung ihres Gruppenprojekts mit Hilfe eines agilen Taskboards zu unterstützen. Die Experten nannten auch Fälle, in denen sogar unterschiedliche Software im Verbund eingesetzt werden musste, um den umfassenden Anforderungen an verteilte Kommunikation, Datenmanagement und eben Planung und Steuerung in einem realen studentischen Projektgeschehen gerecht zu werden. Dem gegenüber stehen Fälle, in denen PM-Software im Rahmen einer Vorlesung alleine zu Demonstrationszwecken eingesetzt wurde. 5. Heuristisches Vorgehensmodell zur Softwareauswahl Die aus den Interviews gewonnenen Aussagen haben einen deutlichen Einfluss auf die mögliche Neuauswahl einer PM- Software für den Einsatz in der Hochschullehre. Unter Berücksichtigung typischer Software-Auswahlkonzepte [z. B. 2, 5] wurde für diesen Zweck das in Abbildung 2 dargestellte, aus fünf Schritten bestehende, heuristische Vorgehensmodell entwickelt. Abbildung 2: Heuristisches Vorgehensmodell zur Auswahl einer PM-Software in der Lehre Wissen | Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013 Im Rahmen der Bedarfsanalyse (Schritt 1) sind zunächst der Stellenwert der PM-Lehre an einer Hochschule sowie curriculare Vorgaben und didaktische Ziele zu analysieren. Hinzu kommen nicht zu unterschätzende Akzeptanzfaktoren, wie Vorerfahrungen bei den Dozenten und die motivationale Haltung der Studenten. Viele Dozenten finden überzeugende Antworten auf die bis hierhin aufgeworfenen Fragen, Ernüchterung tritt aber dann bei einer tiefer gehenden Betrachtung der bestehenden Rahmenbedingungen (Schritt 2) ein. In finanzieller Hinsicht sind den Akteuren hier häufig enge Grenzen gesetzt. Bereits die übliche Abwägung zwischen den Software-Kosten und einem monetär quantifizierbaren Nutzen ist an öffentlichen Hochschulen, die ja keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, nicht praktikabel. Somit verbleibt ein Ausgabeposten, der regelmäßig von den Dozenten zu verteidigen ist. Die Beschaffungsrichtlinien im öffentlichen Dienst untersagen in der Regel auch den Abschluss von Abonnementverträgen, wie es bei Software-as-a-Service-Modellen üblich wäre. Zahlungen per Kreditkarte, möglicherweise sogar an im Ausland ansässige Software-Anbieter, sind erfahrungsgemäß schwierig umzusetzen oder müssen von den Dozenten sogar selbst übernommen werden. Zu den budgetären und beschaffungsrechtlichen Herausforderungen kommen nicht selten auch Reglementierungen der Hochschulrechenzentren hinzu. Weitere erschwerende Aspekte ergeben sich durch die schon angesprochene diskontinuierliche Nutzung der Software im Semesterverlauf und die schlechte Prognostizierbarkeit von Anzahl und Zusammensetzung der Studenten quer über die verschiedenen Semester hinweg. Handelt es sich auch noch um einen verpflichtenden Lehrbestandteil, dann rücken unweigerlich auch datenschutzrechtliche Erwägungen ins Zentrum der Betrachtung. Der eigentliche Auswahlprozess, Schritt 3, kann sich nur noch im Rahmen des soweit eingegrenzten Lösungsraums entfalten. Somit wird in vielen Fällen der funktionalen Eignung einer PM-Software nur noch ein untergeordneter Stellenwert beigemessen. Durchgängig gefordert wird jedoch die leichte Erlernbarkeit in Verbindung mit einer möglichst umfassenden Plattformverfügbarkeit. In Anbetracht des sich somit aufgespannten Polylemmas darf es nicht verwundern, dass die Dozenten eher opportunistische Auswahlentscheidungen für eine PM-Software treffen und z. B. auf bestehende Campuslizenzen zurückgreifen. Dringend erforderlich sind hier spezielle, auf den akademischen Bereich zugeschnittene Vertragsmodelle, mit denen die Software-Anbieter die enormen Chancen, die in einer Kooperation mit Hochschulen bestehen, erschließen können. Auf die der Vollständigkeit halber angeführten Schritte 4 und 5 im Vorgehensmodell soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da diese nicht im Zentrum der geführten Interviews standen. 6. Zusammenfassung Aus den Ergebnissen der Studie haben die Autoren sieben Erfolgsfaktoren abgeleitet. Abbildung 3 zeigt zusammenfassend die Erfolgsfaktoren bei der Auswahl und dem Einsatz von PM-Software in der Hochschullehre. Prof. Dr. André Dechange Prof. Dr. André Dechange arbeitete nach seinem Studium der Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaft zwanzig Jahre in der Industrie und Beratung im Bereich Projektmanagement, bevor er 2012 als Professor für Projektmanagement an die Fachhochschule Dortmund berufen wurde. Fachhochschule Dortmund Fachbereich Wirtschaft Emil-Figge-Straße 44 44 139 Dortmund eMail: andre.dechange@fh-dortmund.de Abbildung 3: Erfolgsfaktoren für den Einsatz von PM-Software in der Lehre Wissen | Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013 Aufgrund der Vielzahl der herausgearbeiteten Faktoren und Themen wird deutlich, wie individuell der Auswahlprozess ist und damit auch, warum die PM-Software-Landschaft an deutschsprachigen Hochschulen so heterogen ist. Aus Sicht der Autoren wird dieser Status vermutlich in den kommenden Jahren weiterhin Bestand haben, da eher mehr als weniger Anbieter auf den Markt für PM-Software drängen. Literatur [1] Stöhler, Claudia; Förster, Claudia; Brehm, Lars: Projektmanagement lehren. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018. [2] Meyer, Mey Mark: Software-Systeme für Projektmanagement. Anforderungen, Software-Auswahl und Marktübersicht. 9. Auflage, 2017. [3] Berleb Media GmbH (Hg.): Projektmanagement-Software. Unter Mitarbeit von Le Bihan Consulting GmbH. Online verfügbar unter https: / / www.projektmagazin. de / software [Stand: 14. 07. 2020]. [4] Kees, Alexandra; Markowski, Dominic Raimon: Open Source Enterprise Software. 2. Auflage, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019. [5] Groß, Christoph; Pfennig, Roland: Digitalisierung in Industrie, Handel und Logistik. 2. Auflage, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019. Eingangsabbildung: © André Dechange, Matthias Albert, Patrick Balve Prof. Dr. Patrick Balve Prof. Dr.-Ing. Patrick Balve ist seit 2009 Professor an der Hochschule Heilbronn mit Lehrschwerpunkten im Projekt- und Produktionsmanagement sowie der Logistikplanung. Zuvor war er 8 Jahre lang in verschiedenen Fach- und Führungsfunktionen in der Automobilindustrie tätig und kann zusätzlich auf 5 Jahre Erfahrung in Forschung und Unternehmensberatung aus seiner Zeit am Fraunhofer-IPA zurückblicken. Hochschule Heilbronn Fakultät für Technische Prozesse Max-Planck-Str. 39 74 081 Heilbronn eMail: patrick.balve@hs-heilbronn.de Dr. Matthias Albert Matthias Albert arbeitet seit Januar 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studiengang Produktion und Prozessmanagement an der Hochschule Heilbronn und promovierte kürzlich im Themengebiet „Projekterfolgsbewertung“. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre (B. A.) an der DHBW Mosbach und der Wirtschaftsinformatik (M.Sc.) an der Otto‐Friedrich‐Universität Bamberg war er zwei Jahre als Berater und Projektleiter tätig. eMail: matthias.albert@hs-heilbronn.de Wissen | Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 01/ 2021 DOI 10.2357/ PM-2021-0013