eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 32/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2021-0053
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2021
323 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo

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2021
Christian Drachenberg
Die steigende Anzahl der IT-Systeme der DB Cargo AG [1] – der Schienengüterverkehrstochter der Deutschen Bahn AG [2] – und die zunehmende Komplexität der Vernetzung dieser Systeme führte die traditionelle Arbeitsweise in Projekten der DB Cargo an ihre Grenzen. Eine im IT-Bereich beginnende Neustrukturierung der Projekte, der zugehörigen Prozesse und Verantwortlichkeiten, eröffnete der DB Cargo neue Wege und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, die vorher nicht im Fokus standen, aber zunehmend als „Best Practice“ empfunden werden. Nachdem IT-Projekte als „Vorreiter“ agierten und andere Bereiche in Folge die neuen Abläufe übernahmen, steigerte sich die Qualität der Projekte bei der DB Cargo weiter. In Zukunft wird es interessant zu beobachten und mitzuerleben, wie sich die Arbeits- und Projektkultur durch die Konzernstrategie „Starke Schiene“ [3] weiter verändern wird.
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58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0053 Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo Christian Drachenberg Für eilige Leser | Die steigende Anzahl der IT-Systeme der DB Cargo AG [1]- - der Schienengüterverkehrstochter der Deutschen Bahn AG [2]-- und die zunehmende Komplexität der Vernetzung dieser Systeme führte die traditionelle Arbeitsweise in Projekten der DB Cargo an ihre Grenzen. Eine im IT-Bereich beginnende Neustrukturierung der Projekte, der zugehörigen Prozesse und Verantwortlichkeiten, eröffnete der DB Cargo neue Wege und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, die vorher nicht im Fokus standen, aber zunehmend als „Best Practice“ empfunden werden. Nachdem IT-Projekte als „Vorreiter“ agierten und andere Bereiche in Folge die neuen Abläufe übernahmen, steigerte sich die Qualität der Projekte bei der DB Cargo weiter. In Zukunft wird es interessant zu beobachten und mitzuerleben, wie sich die Arbeits- und Projektkultur durch die Konzernstrategie „Starke Schiene“ [3] weiter verändern wird. Schlagwörter | Digitale Transformation, Wechselwirkung Projekt und Organisation, Vereinheitlichung Projektmanagement Hintergrund & Historisches Grenzen des „historischen“ Projektmanagements Als die Deutsche Bahn im Jahr 1994 in eine AG umgewandelt wurde [4], ging dies mit einer Aufteilung in Einzelgesellschaften einher. Besonders relevant für einen Zugang privater Anbieter zum deutschen Bahnnetz war die Abspaltung der DB Netz AG, die alle Schienenwege und Trassen als unabhängige Instanz verwaltet. Damit diese Aufgabe effektiv gelöst werden kann, war eine Einführung entsprechender IT-Systeme erforderlich. Die Planung und Einführung von IT-Systemen der DB Cargo nahm um die Jahrtausendwende richtig „Fahrt auf“ (siehe Abbildung 1: Auswertung Softwaresysteme der DB Cargo). Den Beginn machte Software, die die Planung und Produktion von Güterzügen unterstützten. (Anmerkung: Mit „Produktion“ ist im Bahnverkehr die Bereitstellung eines Zuges und Durchführung der Fahrt gemeint. Dies schließt alle sicherheits- Wissen Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo DOI 10.24053/ PM-2021-0053 32. Jahrgang · 03/ 2021 Abbildung 1: Auswertung Softwaresysteme der DB Cargo © DB Wissen | Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0053 relevanten Prüfungen und die Erstellung der erforderlichen Unterlagen ein-- und ist eine „Wissenschaft für sich“). Besonders die Einführung und das Ausrollen neuer Software war im Vergleich zu heutigen Prozessen eher „hemdsärmelig“. Waren zwei Wochen Begleitung durch einen Betreuer vor Ort damals noch ausreichend, ist dieses Vorgehen in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellbar. Der damalige Standard „handschriftlich ausgefüllte Dokumente“ wurde durch eine IT-Applikation erweitert, mit der erklärten Zielsetzung, eine elektronische Lösung als Option anzubieten. Die Vereinfachung der Prozesse und die neu gewonnene Unterstützung durch die IT wurde zügig von den Mitarbeitenden akzeptiert, sodass sich die IT-Lösungen als neue Basis etablieren konnten. Mangels konkret für diesen Zweck ausgebildeten IT-Projektleitenden wurden die Projekte durch Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen geführt. Diese waren- - und sind- - , was die fachlichen Hintergründe betrifft, absolut auf der Höhe und versiert. Ihre Kenntnisse von Projektleitungsmethoden waren zum Teil sehr gut- - aber eben nicht im IT-Umfeld. Inzwischen wissen wir: Auch mit einer formellen Weiterbildung als Projektleitender benötigt man Zeit, sich in einem „unbekannten Themenumfeld“ zurechtzufinden. Wie in diesem Fall die erfolgreiche Arbeit in einem komplexen Umfeld wie der IT der DB Cargo. Durch die zunehmende Vernetzung der neuen Systeme wurden die Projekte komplexer und die Abstimmungen aufwendiger. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurden in der Folgezeit zwei Projektleiter eingesetzt- - einer für die Fachlichkeit, einer für die Abläufe in der IT. Das funktionierte meist sehr gut, vor allem, wenn die Kolleginnen und Kollegen gut zusammenarbeiteten, dennoch gab es teilweise Reibungsverluste. Es gab immer wieder Diskussionen, wer der beiden Projektleiter denn nun „gesamtverantwortlich“ ist- - oder über notwendige Gegenmaßnahmen entscheiden soll. Oder-- im schlimmsten Fall-- für eine Verschiebung von Meilensteinen verantwortlich ist. Die Mitarbeitenden aus dem Fachbereich wollten sich die „Kontrolle“ und auch die Verantwortung nicht nehmen lassen, die Projektbeteiligten aus der IT versuchten, (aus ihrer Sicht) negativen Entwicklungen entgegenzuwirken. Vor allem in der Abstimmung zwischen einzelnen Projekten und Bestandssystemen, was Softwareänderungen, Einführung und Tests betraf, wurde das notwendige Prozedere immer schwieriger. Die Komplexität der Vernetzung durch Schnittstellen und Abhängigkeiten hatte einen Grad erreicht, der diese Teamlösung de facto unmöglich machte. Schaffen neuer Grundlagen Eine Änderung brachte das Programm „Digitale Transformation“. Im Zuge des DB Cargo-weiten Projekts wurden alle Prozesse rund um IT-Projekte durchleuchtet und auf einen durchgängigen Standard gebracht, der auch international funktionsfähig ist und akzeptiert wird. Grundlage waren und sind die Empfehlungen der GPM. Mit dem Beginn der Umsetzungsphase der Digitalen Transformation wurden die Prozesse angepasst und die Verantwortlichkeiten neu sortiert. Als eine der weitreichenden Änderungen wurde das Profil der Projektleitenden neu definiert und entsprechend gestärkt. Jetzt liegt die volle Verantwortung für das Projekt, von der Planung bis zum Abschluss, bei eben diesem Projektleitenden. Inzwischen wurde verstanden und akzeptiert, dass die Fachbereiche ihren Einfluss in IT-Projekten in den Lenkungskreisen und als wichtige Elemente des Projektteams geltend machen können und müssen. Damit wurde die Idee umsetzbar, die am besten geeignete Person, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Bereich oder Abteilung, als Projektleitenden auszuwählen. Die Ziele des Programms Digitale Transformation wurden erreicht: Abbildung 2: DB Netz AG, Netzleitzentrale Frankfurt am Main: Blick auf die Monitore am Arbeitsplatz des Bereichskoordinatoren Süd (RB Süd, RB Südwest) DB Netz © Deutsche Bahn AG Wissen | Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0053 • Es gibt deutlich mehr Transparenz in allen Phasen der Projekte. • Die Arbeit an einer koordinierten Vereinheitlichung der Systeme unter der Führung der IT-Architektur-Abteilung wurde möglich und die Umsetzungen dieser Konzepte planbar. • Gemeinsame Projekte mit Schwestergesellschaften der DB Cargo im Ausland wurden „einfacher“ und befinden sich auf einer stabileren Basis. Damit wurde es möglich, die Stärken des europaweiten DB-Cargo-Netzwerks durch eine gemeinsame IT weiter auszubauen. Auf neue Anforderungen von Kunden, Partnern oder auch der verschiedenen nationalen Infrastrukturbetreiber (Gesetzesänderungen, Änderungen der Vorgaben oder Prozesse) kann schneller und effektiver reagiert werden, da das Vorgehen standardisiert ist. Inzwischen ist dieses Modell etabliert und wird im Dialog mit allen Beteiligten weiterentwickelt. Ergebnisse in der IT Fast alle IT-Projektleitenden sind inzwischen IPMA zertifiziert. Neben neuen Mitarbeitenden wurde auch für die Mitarbeitenden aus Nicht-IT-Bereichen eine Zertifizierung gestartet, um die „neuen“ Prozesse und Standards weiter zu verbreiten, die Basis der Projektentwicklung der DB Cargo weiter zu verbessern und die Akzeptanz im Unternehmen für projektorientierte Ansätze zu erhöhen. Auch wenn das Fortbildungsprogramm Corona-bedingt ins Stocken geraten ist, soll an dem Programm der Fortbildung und Zertifizierung festgehalten werden. Nicht nur bei den Projektleitenden gab es Veränderungen. Auch andere Teams und Abteilungen wurden umstrukturiert und mit neuem Aufgabenprofil versehen. Ob es um die IT- Architekten geht, die zukünftige Entwicklungen aufzeigen und die Zukunft im Zusammenspiel der IT der DB Cargo planen, oder aber um die Mitarbeitenden der Einführungskoordination, deren Aufgabe unter anderem die Erstellung von Einführungsdrehbüchern ist, um die Funktionsfähigkeit der komplexen Verknüpfungen bestehender IT-Systeme bei Softwareaktualisierungen sicherzustellen. Der gesamte Lebenszyklus eines IT-Projekts wurde überarbeitet und modernisiert. Von der Idee über die Vorstudie, die Umsetzung und letztendlich den Betrieb wurden Unterlagen und Prozesse angepasst. Eines der Ergebnisse ist die Erkenntnis, dass wir als DB Cargo eine hybride Organisation sind, die sowohl agile als auch klassische Methoden des Projektmanagements nutzt. Obwohl man von Projekt zu Projekt entscheidet, wie eine Umsetzung erfolgen soll, gibt es doch eine Komponente aus der „agilen Welt“, die sich für uns bewährt hat und nicht mehr aus den Projekten der DB Cargo wegzudenken ist: Die „Planungskonferenz“, auf der die Erstellung neuer Software abgestimmt wird, um Konflikte zwischen Projekten frühzeitig aufzuzeigen und zu klären, wie begrenzte Ressourcen bestmöglich zu nutzen sind. In den beteiligten Teams rund um die Projekte ist- - auch getrieben durch die Projektleitenden- - eine selbstlernende Organisation entstanden. Bestehende Dokumente und Prozesse rund um die Projekte werden laufend angepasst-- zum Beispiel wurden Freigabeprozesse weiterentwickelt und vollständig digitalisiert, damit auch in Corona-Zeiten ohne Beeinträchtigungen durch fehlende, gedruckte Freigaben gearbeitet werden kann. Das mag trivial klingen, aber auch in diesem Punkt war eine gewisse Überzeugungsarbeit notwendig, da der bestehende Prozess verändert wurde. In diesem Prozess gab es eine deutlich erkennbare Lernkurve auf dem Weg zu einer selbstlernenden Organisation. Corona-Auswirkungen Abseits von wirtschaftlichen Folgen waren die Auswirkungen der Corona-Krise auch bei Projekten der DB Cargo AG spürbar. Es war eine „Justierungsphase“ notwendig, um die Projekte auf eine komplette „Remotesteuerung“ umzustellen. Homeoffice war bereits vor Corona verbreitet, aber in weit geringerem Maße. Schwerpunkt der Projektarbeit und des Miteinanders war der persönliche Kontakt zwischen den Mitgliedern eines Projektteams und zwischen den Projekten. Abbildung 3: Entlang der Weinberge bei Karlstadt am Main rollt eine Ellok der Baureihe 185.2 mit einem Güterzug Richtung Würzburg © Deutsche Bahn AG Wissen | Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0053 Es mussten nicht nur praktikable Lösungen für das verteilte Arbeiten gefunden werden, sondern viele weitere Aspekte waren betroffen. Wie führen Sie zum Beispiel einen „Kick-Off- Workshop“ oder ein „Lessons-Learned“ durch? Acht Stunden in einer Videokonferenz zu verbringen ist sehr anstrengend und virtuelle Diskussionen sind eher „schwierig“. Schwerwiegender waren die erforderlichen Anpassungen bei Großveranstaltungen, wie zum Beispiel der Planungskonferenz. Marktstände in einer Halle mit kurzen, persönlichen Gesprächen an Bistrotischen waren nicht mehr möglich. Die Online-Variante funktioniert zwar und bringt auch gute Ergebnisse hervor, aber eine „Netzwerkpflege“-- die der Schmierstoff der digitalen Community ist- - war in dieser Form nicht mehr möglich. Richtet man seinen Blick auf die Ergebnisse, erkennt man, dass die neuen Prozesse mit kleineren Anpassungen auch in einer „Corona-Zeit“ funktionieren und die Herausforderungen zum Teil mit „mehr Zeit“ und eigenen Austauschformaten angegangen werden. Beispiele wären virtuelle Stand-up- Meetings oder ein eigener Tagesordnungspunkt wie „Kaffeeklatsch“ in einem eher formlosen Termin. Ausblick-- „Starke Schiene“ und „Starke Cargo“ Konzernstrategie „Starke Schiene“-- Deutsche Bahn AG und DB Cargo Einen Überblick über die Konzernstrategie „Starke Schiene“ findet man auf den Internetseiten der Deutschen Bahn [4]. Kurz zusammengefasst handelt es sich um ein Programm, die Deutsche Bahn AG zukunftssicher aufzustellen und einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Sicherung logistischer Funktionen in Deutschland und Europa zu leisten. Die Strategie Starke Schiene erstreckt sich auf alle Geschäftsbereiche der Deutschen Bahn AG. Die DB Cargo leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Strategie. „Starke Cargo“: die „Starke Schiene“ der DB Cargo Am „einfachsten“ ist aus Sicht der DB Cargo IT die Gruppe der Modernisierungsanforderungen an die IT-Systeme. Die Anforderungen sind typischerweise gut verstanden und ausführlich beschrieben. Die IT-Architekten haben ihre Vorstellungen klar dargestellt-- ob es um die Umstellung auf Cloudfähigkeit die Ablösung von Mainframe Systemen oder die Zusammenführung bestehender Systeme geht: Die Projekte sind keine „Selbstläufer“, aber sie sind gut vorbereitet und durchführbar. Die nächste Gruppe beinhaltet Projekte, in denen Neuland betreten wird: • Wie kann ein IT-System aussehen, um die Auslastung der DB Cargo-eigenen Wagen und der Wagen unserer Kunden zu verbessern? • Welche Möglichkeiten gibt es, Bedarfe der Kunden schneller und effektiver zu bedienen? • Wie kann die Kommunikation mit dem Kunden verbessert und seine wachsenden Erwartungen erfüllt werden? • Wie kann ein verlässliches „Forecast-System“ aussehen? Und wie kann man in diesem Fall die Wageneigentümer und die Wagenmieter (das sind oft unterschiedliche Gesellschaften) informieren? • Wie kann der Datenschutz durchgehend sichergestellt werden? Im Güterverkehr benötigt man mehr als eine Art von Wagen: Teile für die Automobilindustrie werden in unterschiedlichsten Wagentypen geliefert, aber die Hersteller brauchen besondere Wagen zum Transport der fertigen Autos. In beiden Fällen fahren Wagen unter Umständen leer zurück. Das geht auch noch etwas komplizierter: Nicht immer benötigt ein Kunde einen kompletten Zug von A nach B- - um bei unserem Beispiel zu bleiben: Fertige Automobile sind vom Werk zu einem Verladehafen zu befördern. Manche Kunden buchen nur zwei oder drei Wagen, weil sie einfach keinen Bedarf für einen gesamten Zug haben. Abbildung 4: Digitale Weichendiagnose mit DIANA © Deutsche Bahn AG Wissen | Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0053 • Wie stelle ich aus mehreren dieser Wagen verschiedener Kunden effektiv einen Zug zusammen? • Wie kann ich die Planung IT-technisch unterstützen? • Wie schaffe ich es, die benötigte Zeit in den Rangieranlagen zu verkürzen? • Wie kann ich das Informationsbedürfnis des Kunden zu seiner Zufriedenheit und seinen Erwartungen entsprechend bedienen? • Und wie stellt man durch Erweiterbarkeit eine Zukunftsfähigkeit her, damit noch kommende Änderungen nur „kleinere Anpassungen“ und keine komplette Neuplanung erfordern? Abgesehen von der IT müssen hier Prozesse und Arbeitsabläufe untersucht und optimiert werden, um sich in einem zweiten Schritt über eine Umsetzung Gedanken zu machen. Da die Zeit drängt und die Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich nur begrenzt zu einem Projekt abgestellt werden können, um die Vorarbeiten zu begleiten, möchte der Fachbereich oft einen agilen Ansatz verfolgen. Das scheint ein guter Ansatz zu sein, bis man zu den Risiken eines agilen Vorgehens ohne hinreichende Ausgangsplanung kommt. Ohne klare Projektziele und Meilensteine läuft das Projekt Gefahr, sich in Details zu verlieren und wesentliche Ziele zu verfehlen. Gerade gegen Ende des Projekts sind die schwierigen Ziele noch offen, da die Vorarbeiten nicht abgeschlossen waren und eine Umsetzung dann ohne massiven Mehraufwand nicht mehr möglich ist. Als erstes Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass die Umstellung auf einen Projektfokus in diesen Fragen und die entsprechende Rückendeckung des DB Cargo Managements weiterhelfen, gute Ergebnisse zu erzielen. Beispiele für übergreifende Elemente Ein wahrer Test der neuen „Projektkultur“ der DB Cargo kommt in der Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Schwestergesellschaften des Deutsche Bahn Konzerns. Analog zur DB Cargo haben sich auch hier „bevorzugte bzw. erprobte Vorgehensweisen“ herauskristallisiert. Findet sich nun auf beiden Seiten oder zumindest einer Seite ein Team mit einem umfassenden Projekt Know-how, ist es gut machbar, sich entweder dem Partner anzupassen oder aber ein gemeinsames Vorgehen zu finden. Zieht eine Gesellschaft ein Vorgehen nach dem klassischen Projektvorgehen vor, dann kann sich die andere Seite auch bei einem eigenen agilen Ansatz darauf einstellen und das Projekt entsprechend steuern. Mit Wissen und Vertrautheit in verschiedenen Aspekten der Projektleitung und der entsprechenden Erfahrung ist es möglich, die eigenen Prozesse und Dokumente leicht anzupassen, damit eine Transparenz auch innerhalb der gesamten Organisation gewährleistet ist. Das klingt nach mehr Aufwand als es tatsächlich ist. Die Konzernvorgaben der Deutschen Bahn AG gestatten kleinere Abweichungen und unterschiedliche Ausgestaltungen im Projektprozess, aber gewisse Grundlagen und Dokumente sind vorgegeben. Ob ein Vorstudiendokument ein Kapitel oder zwei verpflichtende Anhänge mehr hat, ist nicht erheblich. Klassisches Beispiel für dieses Vorgehen ist die Umstellung der Zugleittechnik auf „ECTS“ [5]-- ein europaweit einheitliches Verfahren zur Steuerung von Zügen. (Anmerkung: Züge fahren nicht wie Autos „auf Sicht“, der Bremsweg von der ersten Sicht des Lokführers auf das Signal bis zum Signal ist in der Regel zu lang. Aus diesem Grund wird der Status des nächsten Signals über ein Leittechnikverfahren vorgemeldet und der Lokführer kann entsprechend reagieren). Damit diese Technik auch genutzt werden kann, ist es notwendig, dass nicht nur die Infrastruktur der Strecke ausgerüstet wird, sondern auch die Triebfahrzeuge. Der Mischbetrieb von alten und neuen Standards der Leittechnikverfahren muss ebenfalls möglich sein, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Ein weiterer Aspekt sind internationale Projekte mit Tochtergesellschaften der DB Cargo aus den jeweiligen Ländern (Anmerkung: DB Cargo hat 16 eigenständige Tochtergesellschaften in ganz Europa, von Spanien bis Bulgarien, von Italien bis Dänemark-- bis hin zur neuen Seidenstraße nach China). Hier wird es komplizierter- - nicht nur wegen der Sprachbarriere und unterschiedlicher Firmenkulturen. Das Sprichwort „Andere Länder andere Sitten“ gilt in gewisser Weise auch für den Bahnverkehr. Die grundsätzlichen Abläufe sind identisch und in der EU geregelt, aber wenn es um Details geht, dann zeigen sich Feinheiten, welche die Projektarbeit erschweren (die ich aus eigener Erfahrung kennenlernen konnte). Kleinigkeiten wie leicht unterschiedliche Dokumente, erlaubte Schichtzeiten oder komplett andere Prozesse und zeitliche Vorgaben bei der Bestellung von Trassen (z. B. in Rumänien) sorgen dafür, dass es sehr schwer wird, eine einheitliche Softwareplattform zu schaffen. Diverse Sonderregelungen wie „es fahren auch auf elektrischen Triebfahrzeugen noch Heizer mit“ (UK) sind dabei eher noch amüsante Fußnoten. Bahnverkehr ist nicht mehr national. Die europa- und weltweite Vernetzung von Produktionsketten erfordert Güterverkehr über Grenzen hinweg. Die Stärken der Eisenbahn zeigen sich vor allen bei Verkehren über weite Strecken. Eines der prominentesten Beispiele ist die Verbindung Rotterdam-- Genua, die durch vier Länder führt. Jede Vereinfachung der aufwendigen Trassenbestellungen und Prozesse bei der eigentlichen Fahrt steigert die Effektivität der Zugfahrt und spart Ressourcen. Aus diesem Grund ist es eine Erleichterung und Vereinfachung der Abläufe, wenn vergleichbare Prozesse und Abbildung 5: Weichen und Gleisverbindungen im Nürnberger Rangierbahnhof © Deutsche Bahn AG Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Wissen | Projektmanagement-Effekte bei DB Cargo standardisierte Software für alle beteiligten Partner zum Einsatz kommen. Eine der ersten Aufgaben in einem solchen Projekt ist es also, die jeweiligen Prozesse zu erfassen, damit ein Vergleich möglich wird. Eine Angleichung oder Vereinheitlichung der Prozesse zu definieren, ist dann die Voraussetzung für eine Umsetzung in der IT. Fazit Start-ups fällt der Umgang mit neuen Ideen und einem steten Wandel leichter- - es ist der Kern ihrer Geschäftsidee. Große Unternehmen haben im Laufe ihres Wachstums diese Fähigkeit oft zumindest teilweise eingebüßt. Hier ist es hilfreich, Teams oder Abteilungen zu haben, die den Wandel vorantreiben und diese Fähigkeit im Bewusstsein halten. Auch wenn die Umsetzungsgeschwindigkeit zuweilen niedriger als erhofft ist: die Änderungen zeigen Wirkung. Den Nutzen haben die Vorhaben, die deutlich an Qualität und Flexibilität gewinnen. Andererseits werden neue Wege und Ideen aufgezeigt, von denen auch Kolleginnen und Kollegen, die nicht so stark in Projekte involviert sind, profitieren. Sie erkennen, dass es sinnvoll sein kann, „tägliches Projektgeschäft“ an jemanden zu übergeben, der damit vertraut ist und können sich auf ihre eigenen Stärken zu konzentrieren-- die Fachlichkeit und das Wissen um Abläufe und Vorschriften. Unterstützt das Management dieses Vorgehen und konzentrieren sich die Projektleitenden auf ihre Aufgaben, die Fülle an Ideen, Anforderungen und Anmerkungen zu ordnen und eine Umsetzung zu liefern, dann bringen diese gemeinsamen Projektteams mit Wissen und Erfahrung jedes Unternehmen nach vorne. Christian Drachenberg Christian Drachenberg ist seit 2012 bei der DB Cargo AG als Projektleiter tätig. Schwerpunkte der bisherigen Tätigkeiten lagen im Bereich „Europaweite Produktionssysteme“ und „Modernisierung der IT“. eMail: Christian.Drachenberg@ deutschebahn.com Literatur [1] DB Cargo AG | Deutsche Bahn AG; https: / / www.deutschebahn.com / de / konzern / konzernprofil / Konzernunternehmen / db_cargo-1 191 810? qli=true&page- Num=0&contentId=1 191 968 , Stand: 26. 05. 2021. [2] DB Konzern | Deutsche Bahn AG; https: / / www.deutschebahn.com / de, Stand: 26. 05. 2021. [3] Die Gründung der Deutschen Bahn AG | Deutsche Bahn AG; https: / / www.deutschebahn.com / de / konzern / geschichte / bahnreform-1 188 014, Stand: 26. 05. 2021. [4] Deutschland braucht eine starke Schiene | Deutsche Bahn AG; https: / / www.deutschebahn.com / de / konzern / starke_schiene-3 953 064, Stand: 26. 05. 2021. [5] European Train Control System-- Wikipedia; https: / / de.wikipedia.org / wiki / European_Train_Control_System , Stand: 26. 05. 2021. Eingangsabbildung: © Deutsche Bahn AG Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige