eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 32/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2021-0054
71
2021
323 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen

71
2021
Dörte Bräunche
André Dechange
Claudia Förster
Susanne Marx
Die Corona-Pandemie hat in 2020 auch die Projektmanagement-Dozenten an Hochschulen vor große Herausforderungen gestellt. In kürzester Zeit wurde das Lehrkonzept auf die Online-Lehre umgestellt. Welche Erfolgsrezepte haben sich bewährt? Um dieser Frage nachzugehen, wurden 20 Hochschuldozenten in einer Studie interviewt. Im Ergebnis zeigen sich drei Faktoren als wesentlich: Erstens, die Haltung des Dozenten im Sinne eines agilen Mindsets – nur mit Mut, Experimentierfreude, Neugier und Fehlertoleranz lässt sich die Online-Lehre etablieren. Zweitens ist die Auswahl der Technik essenziell. Drittens gilt es, durch wirksame Methoden trotz der physischen Distanz eine soziale Beziehung aufzubauen. Weiteres Fazit: Die Online-Lehre bietet vor allem Chancen für die Verzahnung mit der Wirtschaft, um Studierenden Einblicke in die Projektwelt der Praxis zu vermitteln.
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64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen Dörte Bräunche, André Dechange, Claudia Förster, Susanne Marx Für eilige Leser | Die Corona-Pandemie hat in 2020 auch die Projektmanagement-Dozenten an Hochschulen vor große Herausforderungen gestellt. In kürzester Zeit wurde das Lehrkonzept auf die Online-Lehre umgestellt. Welche Erfolgsrezepte haben sich bewährt? Um dieser Frage nachzugehen, wurden 20 Hochschuldozenten in einer Studie interviewt. Im Ergebnis zeigen sich drei Faktoren als wesentlich: Erstens, die Haltung des Dozenten im Sinne eines agilen Mindsets-- nur mit Mut, Experimentierfreude, Neugier und Fehlertoleranz lässt sich die Online-Lehre etablieren. Zweitens ist die Auswahl der Technik essenziell. Drittens gilt es, durch wirksame Methoden trotz der physischen Distanz eine soziale Beziehung aufzubauen. Weiteres Fazit: Die Online-Lehre bietet vor allem Chancen für die Verzahnung mit der Wirtschaft, um Studierenden Einblicke in die Projektwelt der Praxis zu vermitteln. Schlagwörter | Online-Lehre, Digitalisierung, Blended Learning, Digitale Lehre, Blended Online, Projektmanagement- Lehre, Didaktik 1 Einleitung „Und dann plötzlich die Challenge: Vorlesung aus dem kleinen Sendesaal at Home! “ Im Sommersemester 2020 wurden Dozenten an Hochschulen vor die Aufgabe gestellt, ihr Lehrkonzept in kürzester Zeit auf ein digitales Format zu übertragen. Während manche schon mit gemischten Formaten (Blended Learning) experimentiert hatten, standen andere davor, ihr Lehrkonzept komplett zu überdenken. Welche Erfahrungen haben Dozenten des Projektmanagements in dieser Zeit gemacht und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für die Zukunft der Projektmanagement-Lehre ableiten? Dieser Frage sind die Autoren in der hier vorgestellten Studie von November 2020- - März 2021 nachgegangen. In strukturierten, ca. einstündigen Interviews sprachen sie mit zwanzig Dozenten in Deutschland und der Schweiz, die in der Arbeitsgruppe der GPM Projektmanagement an Hochschulen engagiert sind. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und qualitativ ausgewertet. Die wesentlichen Themen der Interviews umfassten inhaltliche und didaktische Anpassungen der Lehre, den Aufbau des Online-Kurses mit seinen digitalen und didaktischen Elementen, die Zufriedenheit der Studierenden, Prüfungsformen, Tipps und Erfolgsfaktoren. Die Teilnahme an den Interviews war freiwillig, damit sind die Aussagen nicht repräsentativ. Zur Reduzierung subjektiver Einflüsse bei der Befragung erfolgte eine Aufteilung der Interviews auf alle vier Autoren mit einem abschließenden Abgleich der gewonnenen Erkenntnisse. Die interviewten Dozenten sind schwerpunktmäßig hauptamtlich lehrende Professoren, die Projektmanagement in Bachelor- und Master-Studiengängen unterrichten. Fast alle Interviewpartner mussten von einer überwiegenden Präsenzlehre zum Sommersemester 2020 auf die vollständige Online-Lehre wechseln. Im Unterschied zur Präsenzlehre, bei der sich Dozenten und Studierende an einem Ort befinden, stellt die Online-Lehre, bei der dieser Austausch ausschließlich digital gestützt erfolgt, erweiterte Anforderungen. Gilly Salmon [1] diskutierte in ihrem Modell das nötige Zusammenspiel von technischem Support und E-Moderation, um das digital gestützte Lernen über fünf Stufen mit jeweils erhöhter Interaktivität zu begleiten. Bei diesem Modell wird deutlich, dass zwischen Zugang und Wissenserwerb die Stufe der Sozialisation in der Gruppe ein wesentliches Element ist. 2 Corona als „Frischzellenkur“ für die Lehre? „Ich habe immer nur gedacht, müsste ich mal, aber jetzt musste ich einfach.“ Mit Offenheit hat sich ein Großteil der Interviewpartner der Herausforderung der Umstellung auf ein ausschließlich digitales Lehr-Lern-Angebot gestellt, wie eine Wissen Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen DOI 10.24053/ PM-2021-0054 32. Jahrgang · 03/ 2021 Wissen | Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 Dozentin sagte, sie „erlebe es wie eine Frischzellenkur“ . Die Situation hat Dozenten selbst in die Rolle des Lernenden versetzt, „sich zu trauen, jeden Tag wieder etwas Neues auszuprobieren, auch mit der Gefahr, dass man sich total blamiert“. Diese Experimentierfreude hat vielfältige Lehr-Lern-Szenarien hervorgebracht. Insgesamt ist ein agilerer Ansatz in der Lehrplanung zu beobachten, der auf häufigerem Feedback zwischen Studierenden und Dozenten während des Semesters basiert. Regelmäßiges Feedback, Reflexion der Gruppenarbeit oder Retrospektiven am Ende einer Lehr-Lerneinheit verbunden mit der Möglichkeit Wünsche zu äußern, führte zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess in der Lehrveranstaltung und festigte zudem das gegenseitige Vertrauen. Dabei wurde die besondere Anstrengung der Dozenten von den Studierenden auch wertgeschätzt. Die Rolle des Dozenten scheint sich insgesamt verändert zu haben. Neben der Expertise im Fachgebiet und in der Didaktik erlangen technische Fähigkeiten im Umgang mit Software für Lehr-Lern-Szenarien, Medienproduktion und rechtliche Kenntnisse ebenso Bedeutung, wie das Coaching der Studierenden in der digitalen Lern-Umgebung, die Anregung der digitalen Interaktion und die Förderung der Netiquette sowie die Moderation von Feedback-Prozessen. Diese Rolle vereint sowohl den technischen Support als auch die E-Moderation, wie von Gilly Salmon für das Lernen im digitalen Raum beschrieben [1]. Dass diese Umstellung herausfordernd war, bestätigen die analysierten Interviews, insbesondere durch folgende Problematiken: • aufwendigere Vorbereitung u. a. durch Aufbereitung im Lernmanagementsystem (LMS), Entwicklung von Alternativen für Technikausfall (der „Plan B“); • größere wahrgenommene Distanz durch verringerten sozialen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden aber auch zwischen den Lernenden untereinander (Anonymität, kein Sichtkontakt, die sogenannte „schwarze Wand“ ausgeschalteter Kameras); • technische Hürden (Ausstattung Hochschule und Studierende); • veränderter Fokus (Angst vor Mitschnitten, zunehmende Abstumpfung und Konsumhaltung der Studierenden); • Einschränkungen für Lehr-Lern-Elemente, die haptische oder physische Aktion erfordern; • Unsicherheit bei den Themen Datenschutz und Software- Auswahl; • zum Teil mangelnder Austausch unter Kollegen der eigenen Hochschule. Durch das Experimentieren und den damit verbundenen positiven Erfahrungen im Semester zeigen die interviewten Dozenten jedoch eine überwiegend positive Einstellung zur Online-Lehre. Genannte Vorteile der Online Lehre waren insbesondere: • Erprobung der virtuellen Team- und Projektarbeit als Vorbereitung für die Berufspraxis; • zunehmende Strukturierung, Material- und Methodenvielfalt; • Nutzung alternativer Formen der Zusammenarbeit z. B. Unterstützung durch digitale Whiteboards, die auch von Studierenden sehr positiv gesehen wurden; • verringerte Reisezeiten. Die zunehmende Material- und Methodenvielfalt sowie die flexible Anpassung durch intensives Feedback hat auch in der reinen Online-Lehre zu einem Fokus auf Blended Learning geführt. Dabei wird Blended Learning nicht im klassischen Sinn als Mix von Präsenz- und Digital-Unterricht gesehen, sondern fokussiert das zeitbasierte Verständnis mit der zentralen Ausrichtung auf asynchrone und synchrone Lehr-Lern-Elemente [2]. Damit konzentriert sich das Lehr-Design auf die Abfolge von Elementen, die der Studierende zeitversetzt (asynchron) bzw. zeitgleich mit dem Dozenten (synchron) bearbeitet. Für die Unterscheidung vom klassischen Verständnis von Blended Learning sprechen wir im Folgenden von Blended Online. 3 Lehr-Lern-Design: Der Mix aus Didaktik, Software und Zeit Im Vergleich zu reinen Präsenzvorlesungen haben die meisten Interviewpartner inhaltliche und didaktische Veränderungen am Lehr- und Lern-Design vorgenommen. Inhaltlich wurden in vielen Fällen schwierig umzusetzende Elemente (wie z. B. Planspiele und haptische Übungen) reduziert bzw. ersetzt. Im Rahmen der didaktischen Änderungen wurden insbesondere asynchrone Elemente entwickelt und eingesetzt. In vielen Fällen gab es eine asynchrone Vorbereitungsphase meist zur Theorievermittlung durch Videos (Dozentenvideos oder be- Abbildung 1: Beispielhafte Gestaltung einer Blended Online Lehr-Lern-Einheit Wissen | Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 reits bestehende Videos), Übungen oder Readings (Artikel, Texte, Bücher). Die synchrone Vorlesungszeit wurde nicht nur für Input der Dozierenden, sondern auch für die Vertiefung und Anwendung des Wissens in Break-Out-Sessions und Online-Übungen genutzt. Diese Herangehensweise entspricht dem Invertedbzw. Flipped-Classroom-Konzept, bei dem sich Lernende in einer asynchronen Phase mit dem Lehrstoff auseinandersetzen, bevor dieser in einer synchronen Phase interaktiv mit dem Dozenten vertieft wird [3]. Durch die Umstellung auf die Online-Lehre hat dieses Konzept einen deutlich größeren Stellenwert erhalten. Abbildung 1 zeigt die Möglichkeiten und Alternativen von asynchronen und synchronen Lehr- und Lernelementen (Blended Online Matrix). Im Folgenden wird der Einsatz der verschiedenen Elemente durch entsprechende Software beschrieben. „Das Tool [Software] ist immer nur ein Mittel zum Zweck.“ Das Lehr-Lern-Design wird durch verschiedene Software Programme unterstützt. Drei Systemtypen haben sich dabei als essenziell herausgestellt, um asynchrone und synchrone Lern-Elemente im Blended Online Ansatz umzusetzen: • LMS • Videokonferenz-Software • Digitale Whiteboards Punktuell werden diese um weitere Anwendungen ergänzt. Den Einsatz und die Verteilung der eingesetzten Software zeigt Abbildung 2. Das LMS Moodle ist für die Interviewpartner mit Abstand das meistgenutzte System. LMS werden mit unterschiedlichem Funktionsumfang eingesetzt. Das Nutzungsspektrum variiert von der Weitergabe asynchron nutzbarer digitaler Informationen (z. B. Skripte, Readings, Projektmanagement- Vorlagen, Eigen- und Fremdvideos) über die Bereitstellung von Links zu Cloud-Anwendungen, digitaler Testfragen für die Lernerfolgskontrolle, asynchrone Kommunikation / Interaktion zwischen Lehrkraft und Studierenden (z. B. Selbsteinschätzung mit Peer-Feedback, Umfragen) bis hin zur Durchführung von Online-Prüfungen. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Teilnehmer der Studie die Auswahl digitaler Lernelemente im LMS an dem Erfahrungswissen der Studierenden, den Lernzielen und dem Lehr-Lern-Design ausrichten. Im Bereich der Videokonferenzsysteme werden an den Hochschulen der Interviewpartner bisher vorwiegend Zoom und Webex genutzt. Alle in den Interviews genannten Videokonferenzsysteme bieten den technischen, synchronen Aktionsraum zwischen Dozenten und Studierenden. Die synchrone virtuelle Zusammenarbeit aller Akteure findet in einem Hauptraum (Plenum) oder in parallelen Arbeitsräumen (Breakout room) für Kleingruppen statt. Integrierte Funktionen der Konferenzsysteme wie Chat und Umfragen sind weitere wichtige Funktionen zur Ad-hoc-Interaktion bei Fragen aus dem Plenum bzw. Gruppenraum, dem zeitgleichen Informationsaustausch, („chat storming“) wie z. B. Nennung von Story Points beim gemeinsamen Schätzen, oder sie dienen der gezielten Stimmungsabfrage, um die Studierenden zu aktivieren. Funktional „einfache“, intuitiv nutzbare Software für eine synchrone Zusammenarbeit sind integrierte Whiteboards in Konferenzsystemen (z. B. Teams, Zoom, Webex) oder Online- „Pin-Wände“ wie Padlet bzw. Trello. Insbesondere Trello wird bevorzugt zur einfachen Aufgabenplanung und -verfolgung im Team u. a. bei agilen Projektvorgehensweisen eingesetzt. Die funktional mächtigeren Whiteboard-Software-Werkzeuge, bspw. Mural, Miro oder Conceptboard, unterstützen die synchrone wie auch asynchrone Zusammenarbeit und ermöglichen kollektives Lernen im virtuellen Raum. Diese Software- Werkzeuge fördern den Lerntransfer integrativer Methoden von Projektmanagement-Prozessen wie z. B. das Stakeholder Management oder die gemeinsame Erstellung einer sequenziellen Projektplanung für ein Praxisprojekt. Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen die vielfältige Nutzung von Whiteboards und den darin enthaltenen Vorlagen von Werk- Abbildung 2: Einsatz von Software in der digitalen Lehre Wissen | Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 zeugen und Methoden für das Projektmanagement. Nachfolgend sind einige Beispiele aufgeführt: • Brainstorming mittels Mindmapping-Methode; • Ideenpriorisierung mittels „Dot-Voting“ (Punktevergabe); • Erarbeitung des Projektsteckbriefs anhand eines Projekt Canvas; • Erarbeitung des Business Case mittels Business Model Canvas; • Erstellung einer sequentiellen PM-Planung einschließlich Gantt-Chart; • Nutzung für agile Praktiken wie Story Mapping, Retrospektiven, Kanban-Taskboard, Planning Poker. Vergleichbar zum Präsenzunterricht wird zur synchronen wie auch asynchronen Bearbeitung von Projektmanagement-Aufgaben etablierte Projektmanagement-Software eingesetzt, wie z. B. MS Project oder Project Libre (siehe weitere Systeme und Auswahlkriterien [3]). Spezifische Excel-Vorlagen dienen beispielsweise der Risiko-Analyse oder im Projektcontrolling dem Soll-Ist-Vergleich bzw. der Meilenstein-Trendanalyse. In einem Fall kam eine individuell entwickelte WebApp zur Kapitalbarwertermittlung von Projektalternativen zum Einsatz. Für die synchrone wie auch asynchrone Lernerfolgskontrolle setzen einige Befragte Software-Werkzeuge für Wissenstests und Quiz, z. B. am Ende einer Lehr-Lern-Einheit, ein. Für Wissenstests werden Funktionen des LMS, häufiger jedoch die Software Mentimeter und in einigen Fällen die spielerisch geprägte Anwendung Kahoot genutzt. Umfragen werden synchron oder asynchron durchgeführt, um z. B. die Bedürfnisse und Erwartungshaltungen der Teilnehmer abzufragen, Feedback zu erhalten oder ein Stimmungsbild einzuholen. Auch hierfür wird u. a. Mentimeter genutzt. Die Befragten empfehlen vier Punkte für den erfolgreichen Einsatz von digitalen Lehr-Lern-Elementen: • die sorgfältige Auswahl der Software; • Transparenz des Lehr-Lern-Designs für die Studierenden; • eigene Begeisterung für die einzusetzende Software; • Partizipation der Studierenden bei der Software-Auswahl für Individual- und Gruppenaufgaben. Die Interviewpartner betonen, dass ein erfolgreicher Einsatz von Software für digitale Lernelemente wesentlich von einem einfachen Anmeldeprozess, einer sicheren und stabilen Performance sowie einer hohen Benutzerfreundlichkeit abhängt. Insgesamt gilt bei der Auswahl der Software-Werkzeuge: „Weniger ist mehr“ . Das Lehr-Lern-Design, d. h. die Lernstrategie und der inhaltliche „rote Faden“ der digitalen Lernelemente im Projektmanagement-Kurs muss für die Studierenden transparent und nachvollziehbar sein. Insbesondere bei asynchronen Online-Lehr-Lern-Einheiten sind klare transparente Anweisungen zu Aufgaben, Erwartungen, Rollen, Lieferterminen, dem Ergebnisformat und der Gruppenzuordnung erfolgsrelevant. Der Dozent sollte die ausgewählte Software mit all ihren Funktionen sehr gut kennen und diese dementsprechend nutzen können. Ebenso ist bei der Nutzung kollaborativer Whiteboards erfolgsentscheidend, dass die Studierenden frühzeitig mit der Bedienung vertraut werden und dementsprechend Unterstützung angeboten bekommen. Durch Mitbestimmung der Studierenden bei Auswahl geeigneter Software-Werkzeuge für die Umsetzung von Arbeitsaufträgen wird ihre Motivation gefördert. Äußern Studierende bei Retrospektiven am Ende einer Lehr-Lern-Einheit Wünsche, wird die Motivation intensiviert, wenn die Lehrkraft einen Wunsch aufgreift und diesen bei der Folgeveranstaltung umsetzt. 4 Magisches Dreieck der digitalen Lehre Auf Basis der Interviews konnten folgende drei zentrale Erfolgsfaktoren für den Einsatz digitaler Lernelemente identifiziert werden-- das magische Dreieck der digitalen Lehre: 1. Agiles Mindset Um in der digitalen Lehre erfolgreich zu sein, braucht es vor allem eine experimentierfreudige und mutige Einstellung, d. h. mutig zu sein, neue digitale Lernelemente auszuprobieren, Erfahrungen in der Anwendung und Umsetzung zu sammeln und dabei regelmäßig Feedback von den Studierenden einzuholen und basierend auf den Feedbackergebnissen dann entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Ferner ist es wichtig, eine dazu passende Fehlerkultur bzw. -toleranz zu entwickeln und sich klarzumachen, dass es am Anfang nicht gleich perfekt sein muss. Viele der Lehrenden haben sich damit an dem agilen Mindset mit der zentralen Kernidee „inspect & adapt“ orientiert, d. h. ausprobieren, beobachten, was funktioniert und was nicht so gut funktioniert und anschließend entsprechen- Abbildung 3: TOP-3 Erfolgsfaktoren Wissen | Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 de Anpassungen vornehmen. Zusätzlich fördert das agile Prinzip der Transparenz über den Lehr-Lern-Prozess den Lernerfolg. 2. Technik Einig waren sich die Befragten, dass es von elementarer Bedeutung ist, zunächst die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu gehören ein gutes Mikrofon und eine Kamera, der kompetente Umgang mit dem LMS und dem Videokonferenz-System sowie eine sinnvolle Software- Auswahl zur Förderung der Interaktion mit den Studierenden. Die Interviewten empfehlen dabei am Anfang eine Fokussierung auf wenige digitale Tools. 3. Soziale Beziehungen Auch im „digitalen Raum“ ist es wichtig, für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen, denn die Studierenden müssen sich wohlfühlen, sonst funktioniert Lernen nicht. Dabei müssen die persönlichen Beziehungen zwischen dem Lehrenden und den Lernenden gefördert werden, denn die empfundene Distanz in der Online-Lehre ist größer als im Vergleich zur Präsenzlehre. Vertrauensbildende Maßnahmen sind daher essenziell, beispielsweise sich nicht nur als Dozent, sondern als Mensch authentisch vorzustellen. Ferner gewinnt die Interaktion aufgrund der größeren Distanz noch mehr an Bedeutung. Das Arbeiten mit digitalen Lernelementen ist dann besonders erfolgreich, wenn es gelingt die Studierenden aktiv in die Lehre einzubinden. Abbildung 3 zeigt die aus den Interviews resultierenden TOP- 3 Erfolgsfaktoren zur Online-Lehre. Aus den Antworten der Interviewpartner zeigte sich ferner, dass der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung mit Kollegen für die erfolgreiche Umsetzung von digitaler Lehre weitere Erfolgsfaktoren darstellen. 5 Chancen der Online-Lehre Die Digitalisierung der Lehre bietet viele Chancen, Experimentierfreude vorausgesetzt. Durch den Einsatz digitaler Elemente und deren Rhythmisierung über den Lernprozess übernimmt der Dozent die zusätzliche Rolle des Lern-Coaches. Durch die agilen Prinzipien wie Feedback, kontinuierliche Verbesserung und Transparenz wird die Lehre zielgruppenspezifischer. Die Vielzahl an digitalen, didaktischen Bausteinen ermöglicht eine individualisierte Lehre, die unterschiedliche Lerntypen und Wissensstände berücksichtigt. Ferner schafft die digital umgesetzte Lehre Flexibilität für Studierende und Dozenten. Durch den Einsatz asynchroner Elemente im Sinne des Blended Learning verbleibt mehr Zeit für die Anwendung des Wissens in den synchronen Lehreinheiten. Damit erhöht sich die Qualität der Lehre. Zu diesem Punkt ist anzumerken, dass die GPM Fachgruppe Projektmanagement an Hochschulen seit März 2020 eine noch größere Dynamik erfahren hat [5]. Dieser intensive Austausch hat viele Dozenten unterstützt, die Herausforderung der abrupten Umstellung auf die digitale Lehre zu meistern. Dieser Austausch wird auch weiter von Bedeutung sein, da die Erwartungen der Studierenden an die Qualität der Online-Lehre in der Zukunft steigen und eine ständige Anpassung erfordern. Als besondere Chance hat die Vernetzung der Lehre zu Akteuren außerhalb der Hochschule einen deutlichen Schub durch die digitale Lehre erhalten. „Das Einbinden von Gastreferenten ist so viel einfacher und darüber können wir einen Dörte Bräunche Dörte Bräunche studierte Betriebswirtschaft an der Universität Köln und absolvierte ein Executive MBA an der Universität St. Gallen. Seit 2013 ist sie selbständige Beraterin, Dozentin und Trainerin für Projektmanagement. Zuvor war sie über zwanzig Jahre in projektleitenden Funktionen bei mittelständischen, internationalen Unternehmen tätig. Sie ist Senior Projektmanagerin (Level B). Bräunche Projects, Hohenstaufenring 48 - 54, 50 674 Köln E-Mail: DB@braeunche.com Prof. Dr. André Dechange Prof. Dr. André Dechange arbeitete nach seinem Studium der Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaft zwanzig Jahre in der Industrie und Beratung im Bereich Projektmanagement, bevor er 2012 als Professor für Projektmanagement an die Fachhochschule Dortmund berufen wurde. Fachhochschule Dortmund Fachbereich Wirtschaft Emil-Figge-Straße 44 44 139 Dortmund E-Mail: andre.dechange@fh-dortmund.de großen Mehrwert generieren.“ V on der Einbindung einzelner Gastvorträge bis hin zur praktischen Umsetzung studentischer Projekte mit Unternehmen sind die Erfahrungen durchweg vielversprechend, wie auch durch Wehnes und Höschl umfassend dargelegt [5]. Die Einbindung externer Gastdozenten hat sich digital als deutlich einfacher gezeigt, ein Element, das auch bei grundsätzlicher Rückkehr zur Präsenzlehre im Onlineformat beibehalten werden soll. Durch weniger Zeitaufwand lassen sich ohne regionale Begrenzung passende Experten gewinnen, mit kurzen Beiträgen mehrmals in die Vorlesung einbinden oder gar zu digitalen Podiumsdiskussionen zusammenschalten. „Eine Kombination ist am besten.“ In der Befragung hat sich gezeigt, dass sowohl der persönliche Austausch am selben Lernort als auch die digitale Lehre jeweils Vorteile bieten. Diese gebündelt und im Einklang miteinander zu verstetigen wird für die Zukunft im Mittelpunkt stehen. Die Entscheidung für digitale oder analoge, synchrone oder asynchrone Lehr- Lern-Elemente sollte dafür an den jeweiligen Lernzielen ausgerichtet werden. Die veränderlichen digitalen Möglichkeiten für die Lehre aber auch zu erwartende steigende Ansprüche der Studierenden werden für Dozenten auch in Zukunft zeitgleich Chance und Herausforderung sein, oder mit den Worten einer Interviewpartnerin: „Am Anfang war ich unsicher, jetzt nicht mehr, jetzt bin ich kühn.“ Die Vernetzung mit Kollegen aber auch die vielseitige Kooperation mit Experten Wissen | Chancen der Online-Lehre für Projektmanagement an Hochschulen 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0054 aus der Projektmanagement-Praxis dürften hierfür besonders hilfreich sein. Deshalb die herzliche Einladung der Autoren an Sie: Seien Sie Gast unserer Vorlesungen, teilen Sie Ihre Erfahrungen mit Studierenden und begeistern Sie sie damit für ein berufliches Engagement im Projektmanagement. Wir danken unseren Interviewpartnern für ihre Zeit und Offenheit, mit der sie diese Studie ermöglicht haben. Einige ausgewählte, anonyme Zitate finden Sie im vorliegenden Text, der die Vielseitigkeit und Tiefe der Erfahrungen der interviewten Dozenten nur in Auszügen und zusammenfassend wiedergeben kann. Literatur [1] Salmon, Gilly: E-moderating: The Key to Teaching and Learning Online, 2nd ed. Taylor & Francis, London 2004. [2] Norberg, Anders / Dziuban, Chuck / Moskal, Patsy D.: Time-Based Blended Learning Model. On the Horizon, 19(3), 2011, S. 207-216. [3] Balve, Patrick / Albert, Matthias / Dechange, André: Einsatz von Projektmanagement-Software in der Hochschullehre, PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL, 01 / 2021, S. 59 -64. [4] Bishop, Jacob Lowell / Verleger, Matthew A.: The flipped classroom: A survey of the research, ASEE Annual Conference and Exposition, Conference Proceedings, 2013. [5] Wehnes, Harald / Höschl, Michael: Studentische Projekte mit Auftraggebern aus Wirtschaft und Verwaltung virtuell umgesetzt, PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL, 01 / 2021, S. 11 -18. Eingangsabbildung: © iStock.com / Drazen_ Prof. Dr. Claudia Förster Prof. Dr. Claudia Förster ist seit 2008 Professorin für Projektmanagement und Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule Rosenheim in der Fakultät für Informatik. Nach ihrem Informatik-Studium an der TU München war sie vierzehn Jahre in verschiedensten Rollen in Forschungs- und IT-Projekten tätig. Technische Hochschule Rosenheim Fakultät Informatik Hochschulstraße 1 83 024 Rosenheim E-Mail: claudia.foerster@th-rosenheim.de Susanne Marx Susanne Marx ist seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte der Hochschule Stralsund. Zuvor war sie fünfzehn Jahre in Projekten im Tourismus sowie der Nahrungsmittel- und Konsumgüterbranche tätig. An der Universität Limerick (Irland) studierte sie Projekt- und Programm-Management (M.Sc.). Hochschule Stralsund Fakultät für Wirtschaft Zur Schwedenschanze 15 18 435 Stralsund E-Mail: susanne.marx@hochschule-stralsund.de Anzeige BEA | SCHEURER | HESSELMANN Projektmanagement Der Klassiker endlich neu aufgelegt. uvk.de