PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Mit der Agilen Blüte wachsen
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Judith Armbruster
Kleine Unternehmen benötigen eine eigene Herangehensweise an die agile Transformation. Das Modell der „Agilen Blüte“ lädt KMU ein, sich mit dem Thema Agilität auseinanderzusetzen.
Das Modell „Agile Blüte“ stellt die besonderen Anforderungen kleiner Unternehmen an die agile Organisationsentwicklung in den Fokus. Damit ist es ein Handwerkszeug, um die agile Transformation der Unternehmen anzustoßen und zu begleiten.
Die Agile Blüte stellt dabei drei Wirkungskräfte und sechs Dimensionen heraus, um die Aspekte, die für kleine Unternehmen im Rahmen der agilen Organisationsentwicklung wichtig sind, aufzuzeigen. Mit einem begleitenden Canvas-Set gibt es den Unternehmen zudem ein Werkzeug an die Hand, um ihren Weg hin zu mehr gelebter Agilität zu gehen.
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12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0086 Ein Modell für die agile Organisationsentwicklung kleiner Unternehmen Mit der Agilen Blüte wachsen Judith Armbruster Für eilige Leser | Kleine Unternehmen benötigen eine eigene Herangehensweise an die agile Transformation. Das Modell der „Agilen Blüte“ lädt KMU ein, sich mit dem Thema Agilität auseinanderzusetzen. Das Modell „Agile Blüte“ stellt die besonderen Anforderungen kleiner Unternehmen an die agile Organisationsentwicklung in den Fokus. Damit ist es ein Handwerkszeug, um die agile Transformation der Unternehmen anzustoßen und zu begleiten. Die Agile Blüte stellt dabei drei Wirkungskräfte und sechs Dimensionen heraus, um die Aspekte, die für kleine Unternehmen im Rahmen der agilen Organisationsentwicklung wichtig sind, aufzuzeigen. Mit einem begleitenden Canvas-Set gibt es den Unternehmen zudem ein Werkzeug an die Hand, um ihren Weg hin zu mehr gelebter Agilität zu gehen. Schlagwörter | Modell „Agile Blüte“, KMU, Agile Organisationsentwicklung, Canvas-Set Kontinuierlicher Wandel gilt als stetiger Begleiter, der sich durch alle Bereiche des Lebens und des unternehmerischen Handelns zieht. Sowohl externe als auch interne Treiber stellen Unternehmen vor strategische Herausforderungen. Sie machen es notwendig, Agilität als Fähigkeit im Unternehmen zu verankern. Agilität, als Kompetenz zur reagiblen Anpassung und gleichzeitig als Ausprägung von Sensitivität für Veränderungen, gilt deshalb mehr denn je als Überlebensfaktor statt nur als Wettbewerbsvorteil. Das Umdenken in den Unternehmen hat bereits begonnen und viele haben sich auf den Weg gemacht, um eine agile Organisation zu werden. Jedoch sind es vor allem die mittleren und kleineren Unternehmen (KMU), die am Thema Agilität noch wenig partizipieren. Auf Grund geringer Ressourcen und fehlender eigener Expertise stehen sie in diesen Entwicklungen den großen Unternehmen nach. Da KMU jedoch in der und für die Wirtschaft in Deutschland eine wichtige Bedeutung haben, gilt es, das Thema Agilität für die besonderen Anforderungen von KMU aufzubereiten. Eigenschaften von KMU Im Jahr 2019 gehörten laut Statistischem Bundesamt 2,6 Mio. Unternehmen, somit 99,4 % aller Unternehmen in Deutschland, zur Gruppe der KMU [1]. Damit stellten sie Arbeitsplätze für die Mehrheit der Beschäftigten (56 %) und erwirtschafteten 42 % des Bruttojahresumsatzes. Die Unternehmen lassen sich einerseits basierend auf quantitativen Faktoren wie den Umsatzzahlen sowie der Anzahl der Mitarbeitenden unterscheiden, andererseits sind es gerade die qualitativen Faktoren, die prägend für das Arbeiten in KMU sind. Die Einheit von Eigentum und Leitung ist ein prägendes Merkmal für ein mittelständisches Unternehmen [2]. Dieses zentrale Wirken der Unternehmerpersönlichkeit spiegelt sich im wirtschaftlichen Handeln der Unternehmen unter anderem in folgenden Eigenschaften wider: • Eine langfristige Ausrichtung der Strategie ist geprägt durch die Lebensplanung der Unternehmerpersönlichkeit. Nachhaltige Entwicklungen haben deshalb zumeist Vorrang vor kurzfristiger Gewinnerzielung. • Eine geringe Ressourcenausstattung, vor allem hinsichtlich finanzieller Mittel schränkt das strategische Handeln der Unternehmen ein. Deshalb sind KMU zumeist auf regionale oder Nischenmärkte fokussiert. Darüber hinaus steht vor allem für grundlegende Themen, wie bspw. Digitalisierung, zumeist wenig Budget zur Verfügung und rentables Tagesgeschäft wird vorgezogen. • Flache Strukturen und familiäres Miteinander sind bedingt durch die geringe Beschäftigtenzahl. Die Mitarbeiwww.junfermann.de - Wir liefern versandkostenfrei! ---Neu bei Junfermann Cora Besser-Siegmund et al. Praxisbuch Online-Coaching Verbindung herstellen mit NeuroRessourcen Erfolgreiche Kommunikation zwischen Coach und Coachee funktioniert auch in der digitalen Welt. Die benötigten NeuroRessourcen muss niemand lernen oder trainieren: Augenbewegungen wecken bei jedem Menschen emotionale Ressourcen und Aufmerksamkeit; Bewegung unterstützt erfolgreiches Denken; die Nutzung des Tastsinns ermöglicht ein ganzheitliches, agiles „Berührt-Sein“. Dieses Know-how kann beim Online-Coaching mit bewährten Methoden verknüpft werden: z. B. mit kognitivem Gedankenmanagement, Achtsamkeitsinterventionen, Klopftechniken, Hypnose, NLP und systemischen Ansätzen. 200 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 28,00 • ISBN 978-3-7495-0185-4 • Auch als E-Book erhältlich Dirk W. Eilert Integratives Emotionscoaching mit emTrace Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt Emotionen beeinflussen das Selbstbild sowie Entscheidungen und Handlungen. Das gilt auch für die Fähigkeit, sein Wissen und Können punktgenau abzurufen. Eine Lösung liegt hier jedoch nicht auf der Ebene des Denkens, sondern auf der Ebene der Emotionen. Genau dies erreicht ein integratives Emotionscoaching mit emTrace. Als Coach erfahren Sie in diesem Buch u. a., wie Sie mithilfe des Motivkompasses das emotionale Kernthema Ihrer Klient*innen punktgenau erfassen und bearbeiten und Ihren Coaching- Werkzeugkoffer um effektive Interventionen des Emotionscoachings erweitern. 520 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 58,00 • ISBN 978-3-7495-0131-1 • Auch als E-Book erhältlich Annette Marquard Starker Auftritt Das Trainingsprogramm für mehr Selbstbewusstsein im Berufsleben Unser (beruflicher) Alltag ist eine tägliche „Vorstellung“. Der Schritt auf die „Bühne“ fällt uns aber oft schwer und verursacht Stress. Es kommt unsere ängstliche, bedürftige und selbstkritische Persönlichkeit zum Vorschein. Wie schaffen wir es, glaubwürdig und selbstbewusst aufzutreten? Dieses Buch lenkt unsere Gefühle, unsere Denkweise und unsere Handlungen durch gezielte Übungen in konstruktive Bahnen: Es geht um Haltung, Stimmtraining, Lampenfieber ... Das Ergebnis: Meetings, Präsentationen oder Reden werden selbstbewusst gemeistert und die Teamfähigkeit wird geschult. 128 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 24,00 • ISBN 978-3-7495-0192-2 • Auch als E-Book erhältlich Reportage | Mit der Agilen Blüte wachsen 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0086 tenden arbeiten zumeist in breiten Aufgabengebieten. Prozesse zur Kontrolle sind eher indirekt und informell vorhanden, da die Arbeiten von der Unternehmerpersönlichkeit leicht zu überblicken sind. Die Mitarbeitenden gelten zumeist eher als erweiterte Familie und das soziale Miteinander wird durch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl und lange Bindung zum Unternehmen erwidert. Die Unternehmerpersönlichkeit prägt somit in ihrer Art und Weise alle grundlegenden Elemente der Unternehmen: Struktur, Kultur und Strategie. Ihr Denken und Handeln ist grundlegend für die Organisation als Ganzes und schafft damit für das Unternehmen ein individuelles Marktumfeld. Um die darin liegenden Chancen bestmöglich zu nutzen, lohnt es sich für KMU besonders, sich mit dem Thema Agilität zu beschäftigen. Die Immanente Agilität von KMU Während sich KMU bereits umfassend mit den grundlegenden Themen beschäftigen, die die Veränderungen im Marktumfeld vorantreiben, wie bspw. der Digitalisierung und den Anwendungsmöglichkeiten moderner Technologien sowie auch den sich ändernden ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen, wird Agilität noch wenig thematisiert. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es nur wenige Studien mit geringer Stichprobe, die sich dem Thema widmen. Darin zeigt sich zwar, dass ein grundlegendes Verständnis von Agilität vorhanden ist und die Notwendigkeit eines agilen Mindsets als Grundlage gesehen wird, die tatsächliche Umsetzung auf operativer Ebene ist jedoch nur selten ganzheitlich geschehen oder methodisch begleitet. Trotzdem kann KMU eine immanente Agilität zugeschrieben werden, wenn Agilität als angewandte Fähigkeit der Unternehmen verstanden wird, sich an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen zu können und gleichzeitig das eigene Marktumfeld aktiv mitzugestalten. KMU handeln bedingt durch die vorgestellten für sie prägenden Eigenschaften bereits nach agilen Prinzipen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Durch ihre geringe Größe und flachen Hierarchien können sie sich per se schneller an neue Rahmenbedingungen anpassen als große Unternehmen. Weiterhin ist das soziale Miteinander ebenfalls eine wichtige Säule eines agilen Unternehmens. Dabei wird im KMU jeder Mitarbeitende mit seinem Können und seinen Fähigkeiten geschätzt, darüber hinaus ist auch die Ausrichtung auf den Kunden und dessen Bedürfnisse bereits ein Kernwert der Unternehmen. Während sich somit in der Kultur bereits gelebte agile Aspekte zeigen, sind es die Strukturen, Prozesse und die Strategie, welchen es an Transparenz und Formalisierung fehlt. Die Vision ist zwar durch die persönlichen Vorstellungen der Unternehmerpersönlichkeit geprägt und die Werte des Unternehmens werden durch sie verkörpert, jedoch sind diese zumeist nicht explizit formuliert. Kommunikation findet situativ und informell statt, wodurch ein Großteil an Informationen in der Unternehmensführung zusammenläuft und sonst wenig verfügbar ist. Eine Tatsache ist jedoch in Unternehmen aller Größen gleich: Agilität ist eng mit den Menschen im Unternehmen verbunden und wächst mit deren Verständnis und Offenheit für Neues. Diese persönliche Einstellung zur Agilität muss zusammen mit tiefergreifendem Wissen um die verschiedenen Aspekte der Agilität im kleinen wie im großen Unternehmen geschaffen werden. Die Vorgehensweise und eingesetzten Werkzeuge gilt es dabei an die individuellen Rahmenbedingungen anzupassen. Besonderheiten der Agilen Organisationsentwicklung Das unternehmerische Handeln eines Unternehmens zu verändern ist ein komplexes Unterfangen, denn in diesen Prozess sind alle zentralen Elemente eines Unternehmens involviert. Gleichzeitig erfordert es ein geändertes Denken und Handeln aller Mitarbeitenden im Unternehmen. Für Personen, die erste Schritte im Thema machen, ist es wichtig, eine verständliche Vorstellung und Verknüpfung der Themen Agilität und Organisationsentwicklung zu schaffen. Dabei gilt es, das Thema Agilität in seiner Gesamtheit mit allen inhaltlichen Aspekten zu kommunizieren sowie methodisch ein Konzept zur agilen Organisationsgestaltung an die Hand zu geben. Auch hierfür ergeben sich Besonderheiten in KMU, im Besonderen in der Zielgruppe der kleinen Unternehmen. Ein Modell ist für diese Unternehmen nur dann anwendbar, wenn es leicht verständlich ist und keine große Einarbeitungszeit bedarf. Denn Personen, die in Zentralfunktionen in KMU arbei- Abbildung 1: Drei Veränderungskräfte wirken im Rahmen der agilen Organisationsentwicklung (Eigene Darstellung) Reportage | Mit der Agilen Blüte wachsen 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0086 ten, sind zumeist Allrounder und besitzen keine oder nur eine geringe fachliche Expertise im Thema Agilität. Entsprechend sollten ein Einsatz und erste Schritte im Thema mit nur wenigen Ressourcen möglich sein. Inhaltlich steht die agile Organisationsentwicklung in den kleinen Unternehmen auf drei Säulen: 1. Die Unternehmerpersönlichkeit im Bereich der Reflexion und Kommunikation zu begleiten 2. Die Mitarbeitenden befähigen mitzugestalten 3. Im Unternehmen die passenden inneren Strukturen aufbauen, um Räume zu schaffen, die ein gemeinschaftliches Arbeiten ermöglichen. Das Modell: Die Agile Blüte Einen Ansatz, um diesen Rahmenbedingungen in den kleinen Unternehmen zu begegnen, ist das Modell der „Agilen Blüte“. Dieses agile Organisationsentwicklungsmodell für kleine Unternehmen basiert auf drei tragenden Wirkungskräften: der Strukturkraft, der Visionskraft und der Gemeinschaftskraft (Abbildung 1). Veränderung geschieht schließlich nur, wenn Kräfte auf Bestehendes wirken. Für eine agile Transformation braucht es also Veränderungskraft im Unternehmen. Die Agile Blüte basiert darauf, regelmäßig und stetig neue Impulse zu setzen und damit die drei Kräfte im Unternehmen zu mobilisieren und die agile Transformation in Bewegung zu halten. Diese drei Kräfte, die Strukturkraft (blau), Innovationskraft (orange) und Gemeinschaftskraft (pink) entfalten dabei eine individuelle Wirkungskraft, die in unterschiedliche Richtungen wirkt, wie Abbildung 1 zeigt. Dabei ist es die Strukturkraft, die wie ein Grundgerüst der Blüte und ebenso der Organisation Stabilität verleiht. Die Innovationskraft wirkt von innen nach außen, während die Gemeinschaftskraft von außen nach innen wirkt. Diese beiden Kräfte sorgen entsprechend für ein Wechselspiel zwischen Neuausrichtung und Verankerung-- die Ambivalenz zwischen Stabilität und neuen Impulsen, die eine agile Organisation benötigt. Weiterführend gliedert sich jede dieser drei Säulen wiederum in zwei Dimensionen auf. Diese Dimensionen machen die Wirkungskräfte greifbar und aktiv gestaltbar. Das Modell der Agilen Blüte stellt somit insgesamt sechs wichtige Dimensionen heraus, die für die agile Organisationsentwicklung von kleinen Unternehmen von Bedeutung sind und entsprechend den Handlungsrahmen für deren agile Transformation aufzeigen (Abbildung 2). Ein weiterer grundlegender Aspekt ist das Verständnis, dass agile Organisationsentwicklung ein Prozess ist, der niemals abgeschlossen sein wird. Dies spiegelt sich in der Darstellung des Modells durch die bewusste Wahl der nach außen offenen Form wieder, die an eine Blume erinnert. Aus dieser Form ist deshalb auch der Name für dieses Modell, nämlich „Agile Blüte“ bzw. „Agile Blossom“ (engl. für Blüte), abgeleitet. Ähnlich wie eine Blüte soll sich die Organisation und das Unternehmen in den einzelnen Dimensionen langsam hin zu mehr gelebter Agilität entwickeln und darin wachsen. Die Blüte steht dabei als Symbol und Metapher für Wachstum und Entfaltung, was wiederum gut mit dem Thema agile Organisationsentwicklung einhergeht. Die Dimensionen der agilen Transformation kleiner Unternehmen Die agile Organisationsentwicklung in KMU und speziell in kleinen Unternehmen hat besondere Rahmenbedingungen. Entsprechend wird durch die Arbeit an den äußeren sechs Dimensionen eine Weiterentwicklung des Unternehmens sowie die Etablierung einer agilen Kultur und Mindsets, die den zentralen Kern einer Organisation bilden, in diesen Unternehmen möglich. Strukturkraft Die Strukturkraft wird maßgeblich von den beiden Dimensionen Struktur und Prozesse geprägt. Sie setzt den Rahmen und ist somit die Kraft, die die Organisation zusammenhält und grundlegend die Art und Weise des Miteinanders prägt. • Struktur: Die Struktur ist in allen Modellen und für alle Größen an Unternehmen ein grundlegendes Element, um die Art und Weise der Zusammenarbeit zu regeln. Durch eine Änderung der Struktur wird entsprechend großes Veränderungspotential ermöglicht. Kleine Unternehmen haben zwar durch ihre geringe Größe nur begrenzten Gestaltungsspielraum, der trotzdem so ausgearbeitet werden kann, dass Selbstorganisation und Kollaboration möglich werden. • Prozesse: Neben den Strukturen, geben die Prozesse weitere grundlegende Rahmenbedingungen vor, die die Interaktion innerhalb des Unternehmens sowie mit dessen Umwelt regelt. Um Dezentralisierung zu ermöglichen und an Effizienz zu gewinnen, braucht es in den kleinen Unternehmen vor allem eine Formalisierung von Handlungsrahmen. Innovationskraft Die Innovationskraft hat eine starke Orientierung am äußeren Umfeld der Organisation sowie eine starke Wirkung nach außen, was durch die beiden Dimensionen Vision sowie Megatrends ersichtlich wird. Somit dient diese sowohl der Zielfindung für die Organisation unter gleichzeitiger Schaffung von Sensitivität für Veränderungen im Marktumfeld sowie der Unterstützung der Offenheit für Neues. Es entsteht eine enge Wechselwirkung mit der angrenzenden Dimension, der Kollaboration, um ein passendes Netzwerk nach außen aufzubauen. • Vision: Die Notwendigkeit für das Vorhandensein einer Vision findet sich auf allen Ebenen der Agilität wieder. Sie dient sowohl in agilen Methoden auf Projektebene als auch für das Unternehmen als Leitlinie, damit jedes einzelne Mitglied eines Teams oder einer Organisation die richtigen Entscheidungen treffen kann. Dafür ist es unabdinglich zu wissen, welches Gesamtziel verfolgt wird. • Megatrends: Da KMU, insbesondere kleine Unternehmen, oftmals eher reaktiv im Bezug zu Marktveränderungen agieren, wird diese Dimension bewusst sichtbar gemacht. Sie dient dazu, die Sensitivität für Marktveränderungen in den Unternehmen zu wecken. Gemeinschaftskraft Die Gemeinschaftskraft wirkt auf den Aufbau des Netzwerkes nach innen. Durch die Dimensionen Kommunikation und Kollaboration steht hier die Menschlichkeit im Mittelpunkt. Reportage | Mit der Agilen Blüte wachsen 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0086 Persönliche Weiterbildung und Reflexion sind in dieser Wirkungskraft verankert. Die Gemeinschaftskraft schafft somit Tiefe. Sie stärkt einerseits die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden, andererseits dient sie dem Wissensaufbau, sowohl von fachlichem als auch methodischem Wissen. Damit stellt sie das Handwerkszeug der Agilität. • Kommunikation: Eine häufige sowie transparente Kommunikation ist ein wichtiger Aspekt in der Agilität und bildet zusammen mit den anderen agilen Werten die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und Lösungsfindung. In kleinen Unternehmen gilt es hierbei besonders den internen Dialog zu stärken, um die Mitarbeitenden im Sinne der Selbstorganisation zu Mitgestaltern zu machen. • Kooperation: Ein Fokus auf die Anforderungen und das Miteinbeziehen der Kunden ist in der agilen Arbeitsweise fest verankert. Für kleine Unternehmen ist die Kooperation mit Kunden und Partnern besonders relevant, da sie stark in Wertschöpfungsketten eingebunden sind sowie ihr Netzwerk und ihre Kompetenzen dadurch erweitern. Canvas-Set zur Anwendung des Modells Bei der Übertragung des Modells in die Praxis liegt nunmehr die größte Herausforderung für die Unternehmen. Als geeignetes Format hat sich dafür das Canvas als anwendungsgerecht herausgestellt, denn es ist sowohl einfach zu verstehen als auch anzuwenden. Ein Canvas, engl. für Leinwand, bezeichnet ein vorstrukturiertes Plakat, das es ermöglicht, eine komplexe Problemstellung strukturiert zu visualisieren oder Inhalte gemeinsam zu bearbeiten. Die Kerneigenschaft eines Canvases ist dabei, dass es durch vorgegebene Fragestellungen und Aspekte die Diskussion anregt sowie zu einem offenen Austausch über ein Thema oder eine Problemstellung einlädt. Durch diese beschriebenen Eigenschaften eignet sich die Canvas-Methode gut für den Einsatz in kleinen Unternehmen, wenn es durch geringe Managementressourcen und fehlenden Experten an Methodenwissen sowie fachlich Gleichgesinnten und Sparringspartnern innerhalb des Unternehmens fehlt. Hier kann die Arbeit mit einem Canvas helfen, um den Status Quo zu erheben und Reflexion zu ermöglichen. Damit wird ein gemeinsames Verständnis als wichtiger Ausgangspunkt für eine weiterführende Diskussion geschaffen. Informationen, die bisher nur einzelne Kollegen wussten, werden somit explizit und stehen zur gemeinsamen Ausgestaltung zur Verfügung. Das Canvas fördert zudem den Dialog und lädt zur Kollaboration ein. Es ermöglicht einen hierarchie-übergreifenden gleichberechtigten Austausch und baut damit Hindernisse für das offene Gespräch ab, wodurch die Ideen und Beiträge aller Kollegen sichtbar werden. Somit geht die Methode des Canvas auch passend mit den agilen Werten zusammen und kann durch die Anwendung helfen, diese entsprechend weiter zu etablieren. Jedoch brauchen gerade auch in kleinen Unternehmen verschiedene Personen, Teams oder Bereiche unterschiedliche Werkzeuge und Methoden. Deshalb kann das Thema mit einem einzigen Canvas weder ganzheitlich noch nutzbringend abgebildet werden. In dieses Verständnis greift auch die Ergänzung des Modells der Agilen Blüte durch ein Set von mehreren Canvases. Die einzelnen Canvases greifen jeweils einen inhaltlichen Aspekt des Modells heraus und ermöglichen damit die Bearbeitung einzelner Dimensionen. Darüber hinaus integrieren sich die einzelnen Canvases in ihrer Wirkung gleichzeitig auch in das Gesamtmodell zur Weiterentwicklung des Unternehmens. Abbildung 2: Die agile Blüte als agiles Organisationsentwicklungsmodell für KMU (Eigene Darstellung) Reportage | Mit der Agilen Blüte wachsen 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0086 Im Thema Agilität Wachsen Agilität für KMU und im Besonderen für kleine Unternehmen greifbar und erlebbar zu machen, ist das Ziel der Agilen Blüte. Diese vielschichtige Thematik soll für kleine Unternehmen einfach zu verstehen sein und im Tagesgeschäft anwendbar werden. Dafür stehen die beiden vorgestellten Komponenten des Modells: Die Visualisierung des Modells zeigt die wichtigen Aspekte der agilen Organisationsentwicklung kleiner Unternehmen auf und durch die Zurverfügungstellung des Canvas- Sets wird die Brücke zur praktischen Anwendung geschlagen. Die Agile Blüte liefert somit eine praktische Hilfestellung für die Mitarbeitenden in den Unternehmen und ermöglicht, dass die Unternehmen auf ihrem individuellen Weg das Thema Agilität für sich entdecken und bei sich verankern können. Ausgehend vom persönlichen Ausgangspunkt begleitet die Methode Schritt für Schritt und ist anpassbar an die Herausforderungen und neuen Anforderungen, die unterwegs warten und auf die reagiert werden muss. Praxisbeispiel: iT Engineering Software Innovations Der Weg der Organisationsentwicklung bei iTE SI dient vorherrschend der Weiterentwicklung des Unternehmens an sich, um die eigene Agilität auszubauen und entsprechend die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Gleichzeitig wurde durch die Erlebnisse und Beobachtungen parallel auf diesem Weg auch das beschriebene agile Organisationsentwicklungsmodell sowie das Canvas-Set entwickelt und erprobt. Entsprechend ist die agile Transformation bei iTE SI durch die Arbeit und Aktivierung der drei Wirkungskräfte, der Strukturkraft, der Innovationskraft und der Gemeinschaftskraft im Unternehmen bestimmt. Dabei wurde Veränderung im Unternehmen durch kleine Experimente in Form von neuen Methoden sowie geänderten Prozessen und Strukturen, die von einem Team an vorangehenden Mitarbeitenden initiiert wurden, herbeigeführt. Mit diesen verschiedenen Maßnahmen und Workshops, bei welchen auch die Canvases zum Einsatz kamen, wurde entsprechend in den Dimensionen der Agilen Blüte gearbeitet. Die durchgeführten und initiierten Maßnahmen selbst zeichnen sich einerseits durch Verbesserungen an bestehenden Prozessen und Arbeitsweisen aus, andererseits wurden gänzlich neue Strukturen und Formate geschaffen. Zur Optimierung bestehender Arbeitsweisen wurden einzelne Teams und Bereiche in der Umsetzung agiler Arbeitsmethoden begleitet. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Umsetzung des Rahmenwerks Scrum, da dieses im Unternehmen bereits verbreitet eingesetzt wird. Dazu zählten unter anderem die Überarbeitung und Einführung der Definition of Done, die Moderation von Retrospektiven und Coaching in der Arbeit mit dem Backlog. Auch projektübergreifend wurde durch die Ausweitung der Anwendung bestehender Softwarewerkzeuge mehr Transparenz in Prozesse und Meilensteine gebracht. Diese Verbesserungen wirken nicht nur auf die interne Zusammenarbeit, sondern haben auch Auswirkung auf die Schnittstellen nach außen, in der Arbeit mit Kunden und Partnern bspw. auf den Prozess der Angebotsstellung oder die Anforderungsdefinition. Gleichzeitig wurden bei iTE SI neue Formate und Strukturen eingeführt, die die projektübergreifende Kommunikation und Kollaboration fördern. Zudem wurden damit Räume geschaffen, in welchen die Mitarbeitenden eingeladen sind, sich persönlich weiterzuentwickeln sowie sich aktiv in das unternehmerische Handeln einzubringen. Dabei wurde z. B. ein internes Vortragsformat ins Leben gerufen, die iTED Talks, das angelehnt an die bekannte Vortragsreihe „TED-Talks” Kurzvorträge von Mitarbeitenden für Mitarbeitende zu verschiedenen Themen bietet. Durch diese Maßnahmen wird der projektübergreifende Austausch bei iTE SI gestärkt sowie das viele und fachlich tiefe Wissen, das die einzelnen Mitarbeitenden im Unternehmen haben, transparent und für andere verfügbar gemacht. Neue Interaktionsformate zur Kollaboration wurden etabliert und werden von den Mitarbeitenden zunehmend mit Leben gefüllt. Die Mitwirkung aller Mitarbeitenden wurde durch Workshops und Mitarbeiterbefragungen gefördert. Alles in allem wurde in den ersten Monaten der agilen Organisationsentwicklung ein Fokus darauf gelegt, neue Strukturen zu schaffen, die sowohl Raum für persönliche Weiterentwicklung geben, als auch das Unternehmen als Ganzes haben wachsen lassen. Die agile Organisationsentwicklung von iTE SI zeigt damit erste Ergebnisse, ist jedoch gleichzeitig erst am Anfang. Durch weiterführende Maßnahmen sowie eine Verankerung der initiierten Formate und Strukturen gilt es, diesen Prozess weiterführend zu gestalten, sodass iTE SI als Unternehmen nach weiteren Wachstumszyklen in voller agiler Blüte steht. Weitere Informationen und Download des Canvas-Sets unter: www.agileblossom.com Literatur [1] Destatis (2021) Kleine und mittlere Unternehmen, [online] https: / / www.destatis.de / DE / Themen / Branchen-Unternehmen / Unternehmen / Kleine-Unternehmen-Mittlere- Unternehmen/ _inhalt.html [Stand: 7. 9. 2021] [2] Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2021) Mittelstandsdefinition des IfM Bonn, [online] https: / / www.ifmbonn.org / definitionen / mittelstandsdefinition-des-ifmbonn [Stand: 7. 9. 2021] Eingangsabbildung: © iStock.com / Vizerskaya Judith Armbruster Judith Armbruster, Agile Coachin und Projektmanagerin, befasste sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeit mit der agilen Organisationsentwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und entwickelte ein eigenes Modell „die Agile Blüte“, das die besonderen Anforderungen von KMU aufgreift. Ein Zusammenspiel aus Theorie und Praxis wird durch ihre Arbeit bei iT Engineering Software Innovations ermöglicht, welches sich als kleines Unternehmen im Bereich der Softwareentwicklung auf den Weg der agilen Transformation gemacht hat. eMail: hello@juditharmbruster.de Internet: www.agileblossom.com Foto: Peter Löbel