PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor
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Julia Kroh
Skeptische Stakeholder sind eine mögliche Quelle für Widerstand und ihr potenzieller Anteil an neuartigen Projektlösungen wird oft vernachlässigt. Gerade in komplexen Projekten mit heterogenen Stakeholdern kann ihre Einbindung erfolgsrelevant sein.
Komplexe Innovationsprojekte benötigen Stakeholder Wissen, welches über Stakeholder Einbindung generiert werden kann. Aufgrund der hohen Anzahl relevanter Stakeholder Gruppen verschiedener fachlicher und sozialer Hintergründe ist die Priorisierung von Stakeholdern notwendig. Dabei wird die Einstellung von Stakeholdern zum Innovationsprojekt ein entscheidendes Priorisierungskriterium, denn ihre Einbindung führt im Gegensatz zur Einbindung anderer Stakeholder zu neuartigeren Lösungen und einer höheren Umsetzungsintention des Projektteams. Ebenfalls erfolgsrelevant ist die Erhöhung der Informationsverarbeitungskapazitäten über den moderaten Einsatz von digitalen Tools und moderater
Ausprägung formalen Managements. Zusätzlich sind Stakeholder Incentivierung, Erreichbarkeit des Teams und transparente Kommunikation weitere Erfolgsfaktoren im komplexen Projektmanagement.
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60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 Stakeholder Management in komplexen Innovationsprojekten Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor Julia Kroh Für eilige Leser | Skeptische Stakeholder sind eine mögliche Quelle für Widerstand und ihr potenzieller Anteil an neuartigen Projektlösungen wird oft vernachlässigt. Gerade in komplexen Projekten mit heterogenen Stakeholdern kann ihre Einbindung erfolgsrelevant sein. Komplexe Innovationsprojekte benötigen Stakeholder Wissen, welches über Stakeholder Einbindung generiert werden kann. Aufgrund der hohen Anzahl relevanter Stakeholder Gruppen verschiedener fachlicher und sozialer Hintergründe ist die Priorisierung von Stakeholdern notwendig. Dabei wird die Einstellung von Stakeholdern zum Innovationsprojekt ein entscheidendes Priorisierungskriterium, denn ihre Einbindung führt im Gegensatz zur Einbindung anderer Stakeholder zu neuartigeren Lösungen und einer höheren Umsetzungsintention des Projektteams. Ebenfalls erfolgsrelevant ist die Erhöhung der Informationsverarbeitungskapazitäten über den moderaten Einsatz von digitalen Tools und moderater Ausprägung formalen Managements. Zusätzlich sind Stakeholder Incentivierung, Erreichbarkeit des Teams und transparente Kommunikation weitere Erfolgsfaktoren im komplexen Projektmanagement. Schlagwörter | Stakeholder Management; komplexe Innovationsprojekte; urbane Innovationsprojekte; Stakeholder Einstellung; digitale Tools; Projektmanagement Toolbox Innovationsprojekte adressieren globale Herausforderungen Zur Überwindung zahlreicher globaler Herausforderungen ist die Zusammenarbeit von Stakeholdern verschiedener sozialer und fachlicher Hintergründe in einem lokalen Ökosystem erforderlich [1]. Die Bekämpfung des Klimawandels, als prominentes Beispiel für eine globale Herausforderung, ist demnach schwer zu erreichen, wenn auf lokaler und regionaler Ebene keine Innovationsprojekte entwickelt und umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang gewinnt der urbane Raum als Innovationsobjekt an Bedeutung, denn Städte sind Orte des Wohnens, des Leben und des Arbeitens [2]. In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt drei Viertel der Bevölkerung in Städten, der Grad der Urbanisierung nimmt dabei stetig zu. Daher sind Städte Orte hohen Ressourcen- und Energieverbrauchs und ihre Transformation träge wesentlich zur Bekämpfung des Klimawandels bei. Die Entwicklung und Umsetzung sogenannter urbaner Innovationen, jede Art der innovativen Stadtumgestaltung wie die Förderung klimafreundlicher Mobilität, der (Um-)Bau klimaneutraler Häuser und die Schaffung von Grünflächen [3], trägt damit zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (insbesondere Nr. 11, Nachhaltige Städte und Gemeinden) in Deutschland bei. Die Entwicklung und Umsetzung von urbanen Innovationen ist komplex. Charakteristisch für komplexe Innovationen ist dabei, dass das für die Innovation notwendige Wissen Wissen | Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 zwangsläufig auf die Stakeholder im Ökosystem verteilt ist [4]. Dies schließt alle Gruppen, Organisationen oder Individuen ein, die am Innovationsprozess direkt oder indirekt beteiligt sind und können sowohl öffentliche Einrichtungen als auch lokale Regierungen und Verwaltungen, privatwirtschaftlich orientierte Unternehmen, Forschungsinstitute und die Zivilgesellschaft sein. Organisationen und Projektteams, die urbane Innovationen entwickeln, benötigen folglich Strategien zur Koordination von Stakeholdern, Fähigkeiten der Einbindung einer großen Anzahl an Stakeholdern und damit Fähigkeiten der Orchestrierung eines heterogenen Ökosystems [5]. Die Komplexität urbaner Innovationsprojekte verändert die Art des Stakeholder Managements. Vor dem Hintergrund einer großen und heterogenen Anzahl zu adressierender Stakeholder Gruppen bleibt unklar, inwiefern etablierte Ansätze des Projektmanagements auf komplexe Innovationsprojekte übertragbar sind. So ist es denkbar, dass Projektteams mit Stakeholdern im Ökosystem flexibler und agiler interagieren müssen, um den Anforderungen der Stakeholder gerecht zu werden und Innovationen erfolgreich umzusetzen. Forschungsgegenstand urbane Innovationsprojekte Ziel der zugrunde liegenden Studien war die Untersuchung von Erfolgsfaktoren und Herausforderungen des Stakeholder Managements in komplexen Innovationsprojekten, um Erfolgszusammenhänge zwischen Stakeholder Einbindung und Projekterfolg aufzudecken. Dabei wurden urbane Innovationsprojekte in Deutschland anhand von semi-strukturierten Interviews mit Mitgliedern der Projektteams, einer Inhaltsanalyse von Projektdokumentationen und Projektberichten sowie einer quantitativen Befragung von Projektteams analysiert. Abb. 1 fasst das Studiendesign zusammen. Forschungsgegenstand waren urbane Innovationsprojekte, die im Rahmen des von der Kreditanstalt für Wiederaufbau finanzierten Programms 432 „Energetische Stadtsanierung“ [6] gefördert und durchgeführt wurden. Ziel dieser Projekte war es, durch die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen die Energieeffizienz in Stadtvierteln zu erhöhen und ihre Kohlenstoffdioxidemissionen zu senken [7]. Eine öffentliche Einrichtung wie die Stadtverwaltung beantragte dabei Fördermittel zur Entwicklung eines Projektkonzeptes, welches im Anschluss umgesetzt werden sollte. Ein Projektteam aus z. B. Stadtplanungsbüros, Architekten und Energieversorgern erarbeitete nach Förderzusage Innovationsalternativen in sechs Handlungsfeldern (z. B. Energetische Gebäudesanierung, Mobilität), welche im Anschluss verschriftlicht wurden [8]. Dies bedeutet, dass alle untersuchten Projekte ähnliche Ziele verfolgten und potenziell ähnliche Innovationsalternativen entwickelten. Deshalb war es möglich, urbane Innovationen unabhängig von der Art des Innovationsprojekts zu untersuchen. Beispielsweise entwickelte eines der untersuchten Innovationsprojekte in einer Gemeinde mit etwa 7.000 Einwohnern in Norddeutschland ein Konzept, in welchem die im Sommer gesammelte Solarenergie und die Abwärme von kleinen und mittelständischen Unternehmen gespeichert und im Winter zur Nahwärmeversorgung genutzt wurde. Der dazu gebaute Wärmespeicher verfügte über ein unterirdisches Speichervolumen von 40.000 m 3 und wurde über eine Genossenschaft unterschiedlicher Gemeindemitglieder betrieben. Ein weiteres untersuchtes Innovationsprojekt in einem sozial schwachen Stadtteil einer Großstadt entwickelte mehrere Teilprojekte, deren Ziel es war, Informationen bereitzustellen und Stakeholder zur Beteiligung und Verhaltensänderung zu motivieren. Neben der Entwicklung von Innovationsalternativen zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands etablierte das Projektteam ein Quartiersbüro, in welchem Veranstaltungen zu verschiedenen projektbezogenen Themen durchgeführt wurden und das Projektteam als Ansprechpartner zur Verfügung stand. Die Durchführung und Bewerbung von Leuchtturmprojekten aus dem Bereich energetische Sanierung, erneuerbare Energien und klimabewusstem Verbrauchsverhalten führte letzten Endes zu einer intensiven Stakeholder Einbindung. Obwohl alle urbanen Innovationsprojekte ähnliche Ziele verfolgten, zeigen die zwei Beispiele, dass die Ausgestaltung stark durch den urbanen Kontext getrieben ist. Dies erfordert die Anpassungsfähigkeit des Projektteams an die Charakteristika und Anforderungen der Stakeholder im jeweiligen Ökosystem. Zur Entwicklung von urbanen Innovationsprojekten benötigt ein Projektteam die als „absorptive capacity“ be- Abbildung 1: Dreistufiges Studiendesign basierend auf Multi- Methoden-Ansatz Wissen | Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 zeichneten Fähigkeiten der gezielten Informationssammlung und Verarbeitung, um Innovationslösungen zu entwickeln, die den Anforderungen der Stakeholder entsprechen und damit ein hohes Maß an Umsetzung erreichen. Stakeholder in urbanen Innovationsprojekten Neben den internen Stakeholdern, die im Kern des Ökosystems Stadt ansässig sind, sind Stakeholder aus dem näheren oder weiteren Ökosystem für die Entwicklung und Umsetzung von urbanen Innovationsprojekten relevant (s. Abb. 2). Die detaillierte Analyse zeigt, dass urbane Innovationen neben internen Stakeholdern wie Anwohnern und Eigentümern im Stadtteil auf die Expertise externer Stakeholder wie Energieversorgungsunternehmen, Bauunternehmen und der Stadt angewiesen sind. Projektteams bestehend aus Organisationen des weiteren Quartiersumfeldes sind oft nicht vertraut mit den Gegebenheiten eines spezifischen Stadtteils und sind noch stärker auf die Kollaboration mit internen und externen Stakeholdern angewiesen. Etablierte Ansätze des Stakeholder Managements zeigen, dass die Bedeutung von Stakeholdern besonders hoch ist, wenn Projektteams die drei Attribute Macht, Legitimität und Dringlichkeit bei Stakeholdern als hoch einstufen [9]. Ein Projektmanager eines urbanen Innovationsprojektes betonte in diesem Zusammenhang die Relevanz von einiger weniger Stakeholder für die Umsetzung urbaner Innovationsprojekte: „Wir brauchen Schlüsselakteure im Stadtteil, die mit den anderen Stakeholdern im Quartier vertraut sind, und die bereit sind, langfristig zu planen und zu investieren.“ Im Allgemeinen gibt es für die Stakeholder im Ökosystem Stadt wenig Anreiz, ihr Verhalten zu ändern und Innovationen zu adoptieren, da sie über längere Zeit einen Prozess der Institutionalisierung durchlaufen haben, der ihr derzeitiges Handeln legitimiert und für welches sie auf eine ausgeprägte Ressourcenbasis zurückgreifen können. Weil urbane Innovationsprojekte eine starke Veränderung des Status quo der institutionalisierten Stakeholder anstreben, sind unbekannte Wechselwirkungen und unvorhersehbare Reaktionen, etwa Innovationswiderstände, denkbar [10]. Damit wird neben den klassischen Attributen zur Stakeholder Priorisierung die Einstellung der Stakeholder zum jeweiligen Innovationsprojekt zum entscheidenden Kriterium des Stakeholder Managements. Stakeholder mit hohem Einfluss auf die Umsetzung und einer negativen Einstellung zum Projekt können demnach den Umfang der Projekte verändern, Projekte verzögern oder ganz blockieren. Im Gegensatz dazu können Stakeholder mit einem hohen Einfluss auf die Umsetzung und einer positiven Einstellung zum Projekt die Umsetzung vorantreiben. Abb. 3 zeigt, dass externe Stakeholder des öffentlichen Bereiches wie der Stadt die Umsetzung unterstützen, während Unternehmen aus dem Bereich der Immobilienwirtschaft Innovationsprojekte verzögern können. Einfluss von Stakeholdern auf den Projekterfolg Die Literatur zeigt, dass die Einbindung von Stakeholdern im Allgemeinen zum Erfolg von Innovationsprojekten beiträgt [11]. Allerdings ist die Einbindung einer höheren Anzahl von Stakeholdern in Innovationsprojekten aufgrund des höheren Koordinationsaufwands und Einbußen in Effektivität und Effizienz nicht zielführender [12]. Eine hohe Anzahl an Stakeholdern erschwert insbesondere die Entscheidungsfindung und kann daher die Umsetzung von Projekten verzögern. Zusätzlich kann die Einbindung einer hohen Anzahl von Stakeholdern zur Überlastung der Informationsverarbeitungskapazitäten eines Projektteams führen. Dies unterstützen die Ergebnisse dieser Studie. Während die intensive Einbindung weniger Stakeholder zu einer höheren Umsetzungsintention führt, hat eine hohe Anzahl relevanter Stakeholder-Gruppen den gegenteiligen Effekt. Daher profitieren urbane Innovationen nur von einer intensiven Stakeholder-Einbindung, wenn die Stakeholder anhand relevanter Kriterien priorisiert werden. Ein Mitglied eines Projektteams erklärte die Stakeholder-Priorisierung in seinem Projekt anhand ihrer Einstellung wie folgt: Abbildung 2: Relevante Stakeholder in urbanen Innovationsprojekten, geordnet nach ihrer Relevanz für einen Stadtteil, in welchem das Projekt entwickelt und umgesetzt wird; Ergebnis der qualitativen Studie bei Befragung von Projektteams in sieben urbanen Innovationsprojekten Wissen | Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 „Wir müssen die skeptischen Stakeholder einbeziehen, diejenigen, die immer fragen, wie viel sie zahlen müssen und wie sie profitieren werden. Zumindest nehmen diese Stakeholder eine Position ein, auf Basis derer wir zusammenarbeiten und Vorteile für beide Seiten generieren können. Diese Akteure mögen am Anfang skeptisch sein, aber sie wissen, was sie wollen und die Berücksichtigung dieser Anforderungen führt oft zum Projekterfolg.“ Die quantitativen Ergebnisse stützen diese Aussage. Die intensive Einbindung von anfangs skeptischen Stakeholdern führt zur Entwicklung von neuartigeren Innovationsalternativen im städtischen Raum und erhöht die Umsetzungsrate dieser. Skeptische Stakeholder werden damit im Sinne der konstruktiven Opposition eine Quelle für innovative Ideen und erhöhen durch das infrage stellen des Status Quo und Feedback die Qualität von Innovationsalternativen [13]. Nicht zuletzt wegen des schwierigen empirischen Zugangs wurden die Folgen der skeptischen Stakeholder Einbindung bisher trotz ihrer erheblichen sozialen, praktischen und theoretischen Relevanz in der Forschung weitgehend vernachlässigt. Management von Stakeholdern in komplexen Projekten Die Projektmanagement-Literatur zeigt, dass Projektkoordination über formale Strukturen (z. B, Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Aufgaben, Festlegen von Meilensteinen) die Einbindung von Stakeholdern und die Informationsverarbeitung innerhalb eines Projektteams erleichtern kann [14]. Zu starre formale Strukturen können aber ebenso die Interaktion mit Stakeholdern und die Informationsaufnahme erschweren [15]. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Einbindung von skeptischen Stakeholdern durch einen moderaten Grad an formalem Management und die Verfügbarkeit von Ressourcen im Sinne von fachlicher Kompetenz, IT-Tools und finanziellem Budget unterstützt wird. Etablierte Projektmanagement-Ansätze sind daher nur teilweise übertragbar. Ein moderater Einsatz von formalen Managements erleichtert die Verteilung von Verantwortlichkeiten innerhalb des Projektteams und fördert damit die Interaktion mit skeptischen Stakeholdern und das Erreichen vorher definierter Meilensteine. Wichtig ist dabei, den Formalisierungsgrad auf einem moderaten Niveau zu halten, um flexible und agile Stakeholder Einbindung zu gewährleisten und den Informationsfluss aufrechtzuerhalten. Neben den Anforderungen an das formale Management müssen Projektteams den hohen Informationsbedarf komplexer Innovationsprojekte decken. Eine Möglichkeit, die Informationsverarbeitungskapazitäten eines Teams zu erhöhen, ist der Einsatz digitaler Instrumente. Digitale Instrumente wie die Nutzung von Crowdsourcing-Plattformen und sozialen Medien haben das Potenzial, die Informationssammlung und -verarbeitung zu erleichtern. Darauf aufbauend wird es möglich, auf Stakeholder zugeschnittene Innovationsalternativen automatisiert zu entwickeln. Jedoch zeigen die Ergebnisse, dass Organisationen und Projektteams Probleme haben, digitale Instrumente einzusetzen, insbesondere wenn der Innovationsgegenstand komplex ist und viele interne und externe Stakeholder relevant sind [16]. Zum einen erschwert das als „tacit knowledge“ bezeichnete nur schwer übertragbare Wissen, auf welchem die Entwicklung von komplexen Innovationen beruht, die Nutzung von IT-Tools. Zum andern führt die Nutzung verschiedener IT-Tools zur Überschreitung der Informationsverarbeitungskapazitäten durch einen zu hohen Koordinationsaufwand. Die Ergebnisse zeigen die Grenzen der Informationsverarbeitung in komplexen Innovationsprojekten auf und legen daher den ausgewählten Einsatz einiger weniger IT-Tools nahe, da nur darüber das Potenzial der Informationsverarbeitung voll ausgeschöpft werden kann. Toolbox für erfolgreiche Projektumsetzung Aus den aufgestellten und empirisch getesteten Modellen lassen sich Empfehlungen ableiten, welche Stakeholder wann und wie in urbane Innovationsprojekte eingebunden werden sollten. Die Auswertung der Erfolgsfaktoren in sieben urba- Abbildung 3: Stakeholder in urbanen Innovationsprojekten in Abhängigkeit ihres Einflusses auf die Umsetzung von Innovationsprojekten und ihrer Einstellung zum Projekt; Größe der Kreise zeigt die Intensität der Zusammenarbeit während des Projektes; Ergebnis der quantitativen Studie bei Befragung von 107 Projektteams Wissen | Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 nen Innovationsprojekten zeigt, dass die frühe Einbindung von Umsetzungspartnern, die Anreizsetzung für Stakeholder sich am Prozess zu beteiligen (Anreize sowohl materiell als auch immateriell) und die transparente und andauernde Kommunikation mit Stakeholdern zum Erfolg führen können. Außerdem kann ein Ansprechpartner vor Ort die Umsetzung, die mehrfache Machbarkeitsanalyse technischer Lösungen und die Nutzung von Synergien mit anderen Stadtentwicklungsprogrammen unterstützen. Die Überprüfung dieser Erfolgsfaktoren in 33 weiteren Projekten zeigt, dass sechs unterschiedliche Kombinationen an Erfolgsfaktoren zum Umsetzungserfolg in urbanen Innovationsprojekten führen können. Abb. 4 zeigt welche Kombinationen von Erfolgsfaktoren dies sind [17]. Damit ergeben sich spezifische und allgemein gültige Implikationen für die praktische Durchführung von komplexen Innovationsprojekten nach Projektmanagementstandards (ICB, Bereich methodische Kompetenz Stakeholdern Planung und Steuerung, Projektdesign; Bereich Kontextperspektive Governance, Strukturen und Prozesse). Ausgangspunkt sollte dabei eine detaillierte Analyse des betrachteten Ökosystems, in diesem Fall des Stadtteils, sein. Die Identifikation der zentralen Stakeholder, die über breites Ökosystemwissen verfügen und Einfluss auf die spätere Umsetzung von Innovationsalternativen haben (wie etwa skeptische Stakeholder), sollte daher zu Beginn des Innovationsprojektes erfolgen. Dies reduziert die Anzahl der einzubindenden Stakeholder und erleichtert die Projektdurchführung. Diese kann im nächsten Schritt über zwei Informationssammlungs- und verarbeitungsansätze erleichtert werden. Zum einen unterstützen digitale Instrumente wie Crowdsourcing-Plattformen und soziale Medien die Informationssammlung. Zum anderen erleichtern digitale Instrumente zur Informationsverarbeitung die Entwicklung akteursbezogener Innovationsalternativen. Literatur [1] Rousseau, H. E./ Berrone, P./ Gelabert, L. Localizing sustainable development goals: Nonprofit density and city sustainability. In: Academy of Management Discoveries 5(4)/ 2019, 487-513. [2] Joss, S. Sustainable cities: Governing for urban innovation. Palgram, London, New York 2015. [3] Mieg, H. A. Sustainability and innovation in urban development: Concept and case. In: Sustainable Development 20(4)/ 2012, 251-263. [4] Dougherty, D./ Dunne, D. D. Organizing ecologies of complex innovation. 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Ergebnis basierend auf Interviews in 33 urbanen Innovationsprojekten; • Faktor vorhanden, ◦ Faktor nicht vorhanden Wissen | Einbindung skeptischer Stakeholder als Erfolgsfaktor 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0096 [13] Hauschildt, J. Promotors and champions in innovationsdevelopment of a research paradigm. In: Brockhoff, K./ Chakrabarti, A. K./ Hauschildt, J. (Hrsg.): The dynamics of innovation. Springer Berlin, Heidelberg 1999, 163-182. [14] Widén, K./ Olander, S./ Atkin, B. Links between successful innovation diffusion and stakeholder engagement. In: Journal of Management in Engineering 30(5)/ 2013, 04 014 018. [15] Schultz, C./ Graw, J./ Salomo, S./ Kock, A. How project management and top management involvement affect the innovativeness of professional service organizations-- An empirical study on hospitals. In: Project Management Journal 50(4)/ 2019, 460-475. [16] Kroh, J./ Luetjen, H./ Globocnik, D./ Schultz, C. 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