PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement
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Georg Disterer
Andreas Daum
Die Aufgaben im Projektmanagement werden weiter an Bedeutung gewinnen, Angebot und Nachfrage nach Zertifizierungen im Projektmanagement sind groß und nehmen zu. Daher stellt sich die Frage, welchen Wert und welchen Nutzen Zertifizierungen im Projektmanagement haben.
Dazu wurden über 3.600 nach IPMA zertifizierte Projektmitarbeiter/innen in Deutschland befragt. Ermittelt werden die Motive, welche die Befragten dazu bringen, ein Zertifikat im Projektmanagement anzustreben. Diese Motive werden verglichen mit dem Wert und dem Nutzen, die Jahre später tatsächlich wahrgenommen werden.
Im Ergebnis leisten die Motivbündel „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Weiterkommen“ deutliche Beiträge zur Motivation, eine Zertifizierung im Projektmanagement anzustreben. Insgesamt weisen die Befragten ihren Zertifikaten erheblichen Wert bei und halten ihr Engagement und ihren Aufwand für eine Zertifizierung für lohnenswert. Über 80 % der Befragten sprechen eine Empfehlung für das Erlangen eines Zertifikats im Projektmanagement aus.
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66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 Empirische Untersuchung Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement Georg Disterer, Andreas Daum Für eilige Leser | Die Aufgaben im Projektmanagement werden weiter an Bedeutung gewinnen, Angebot und Nachfrage nach Zertifizierungen im Projektmanagement sind groß und nehmen zu. Daher stellt sich die Frage, welchen Wert und welchen Nutzen Zertifizierungen im Projektmanagement haben. Dazu wurden über 3.600 nach IPMA zertifizierte Projektmitarbeiter/ innen in Deutschland befragt. Ermittelt werden die Motive, welche die Befragten dazu bringen, ein Zertifikat im Projektmanagement anzustreben. Diese Motive werden verglichen mit dem Wert und dem Nutzen, die Jahre später tatsächlich wahrgenommen werden. Im Ergebnis leisten die Motivbündel „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Weiterkommen“ deutliche Beiträge zur Motivation, eine Zertifizierung im Projektmanagement anzustreben. Insgesamt weisen die Befragten ihren Zertifikaten erheblichen Wert bei und halten ihr Engagement und ihren Aufwand für eine Zertifizierung für lohnenswert. Über 80 % der Befragten sprechen eine Empfehlung für das Erlangen eines Zertifikats im Projektmanagement aus. Schlagwörter | Projektmanagement, Zertifikat, Zertifizierung, Wert, Nutzen, Motivation, Empirie 1 Zertifizierungsprogramme im Projektmanagement Seit etwa 40 Jahren gibt es im Projektmanagement definierte Zertifizierungsprogramme. In den vergangenen Jahren hat das Interesse daran sowohl bei Personen auf der Suche nach Fort- und Weiterbildung als auch bei Arbeitgebern auf der Suche nach qualifiziertem Personal zugenommen. Das Angebot an verschiedenen Zertifikaten wächst und die Anbieter von Zertifizierungsprogrammen weiten ihre Aktivitäten in immer mehr Länder aus. Zwischen den Jahren 2007 und 2017 stieg die Anzahl der Zertifikate im Projektmanagement der beiden weltweit führenden Anbieter etwa auf das Zehnfache. Damit gilt für Zertifizierungen im Projektmanagement: Angebot und Nachfrage sind groß und nehmen zu. Zertifikaten werden grundsätzlich verschiedene Nutzeneffekte zugerechnet, allerdings zeigt eine Auswahl leicht verkürzter Titel einschlägiger Fachbeiträge der letzten Jahre, dass der Wert und die Vorteile von Zertifikaten im Projektmanagement oder in ähnlichen Arbeitsgebieten in Wissenschaft und Praxis hinterfragt werden [1,2,3,4,5,6]: • Effects of Project Management Certification • Exploring the Value of Project Management Certification • Who Values Certification? • Certifications: Who Dares? • Certification Pays Off! • Certification: Do Organisations Get their Money's Worth? Die zentrale Annahme zum Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement lautet, dass zertifizierte Personen im Projektmanagement bessere Leistungen erbringen. Doch liegen dafür bisher nur rudimentäre Belege vor [1,2,4,6,7,8,9,10,11,12]. Eine Reihe inhaltlicher und methodischer Probleme verhindern einen Nachweis von Wert und Nutzen, etwa Fragen wie: Was ist „Leistung“? Wie ist die Leistung zu messen? Wie können Leistungen von zertifizierten Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 und nicht zertifizierten Personen verglichen werden? Entsprechend konstatieren Untersuchungen eben auch: „… project performance was not influenced by project management certification presence.” [6; 1,4,11] “… current- … certifications are of no value to IT-related projects.” [6] “… uncertified project managers perform their duties as well as certified project managers.” [1; 12] „… certification is not a highly valued project management core competency.“ [7] Dennoch sind Vermutungen zum Zusammenhang zwischen der Zertifizierung einer Person und ihrer Leistung im Management von Projekten wichtig für interessierte Beschäftigte, Arbeitgeber, Anbieter von Schulungen und Lehrgängen sowie für Fachgesellschaften, die als Berufs- oder Fachverband agieren. Denn wenn diese Vermutungen nicht mehr vertreten werden können, dann würden Zertifizierungen lediglich für Nachwuchskräfte als Ticket zum Eintritt in den Arbeitsmarkt gelten und darüber hinaus kaum Signalwirkung entfalten können [10,13]. Wegen der genannten inhaltlichen und methodischen Probleme soll hier ein anderer Ansatz verfolgt werden. Untersucht werden sollen die Vor- und Nachteile, die Personen beim Erreichen eines Zertifikats und danach wahrnehmen, welche Motive sie zu der Zertifizierung bewegt haben und welcher Nutzen für sie später resultiert. Daraus soll ein Bild erlangt werden, welchen Wert und Nutzen die Personen dem Zertifikat beimessen. Damit wird der wahrgenommene Nutzen („perceived value“) aufgenommen, um etwa intrinsische und extrinsische Motive zu identifizieren, die das Streben nach einem Zertifikat im Projektmanagement erklären. 2 Untersuchungsziel und Leitfragen Der dem Projektmanagement zugrundeliegende Aufgabenbereich der Planung, Steuerung und Kontrolle von Projektvorhaben wird zukünftig an Bedeutung zunehmen [9,14,15,16,17], denn Unternehmen werden Arbeit häufiger in Projektform organisieren, um dem schnellen Wandel begegnen zu können. Seit vielen Jahren wird beobachtet, dass das Umfeld von Unternehmen komplexer und zugleich schnelllebiger wird. Kundenanforderungen wandeln sich häufig, Prozesse und Ablaufe werden häufig umgestellt, Vertreter/ innen unterschiedlicher Anforderungen sind zu berücksichtigen, die Wettbewerbssituation wird drängender, der Innovationsdruck steigt. Daher müssen häufig Änderungsvorhaben durchgeführt werden. Zudem müssen in Unternehmen weitere Entwicklungen wie zunehmende Komplexität von Lieferketten sowie der zunehmende und umfassendere Einsatz von Informationstechnik berücksichtigt werden, die Projekte als bevorzugte Organisationsform und damit Projektmanagement (noch) bedeutender werden lassen. Damit wird auch die Fort- und Weiterbildung im Projektmanagement sowie die Bestätigung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch Zertifikate wichtiger werden. Die beiden weltweit führenden Anbieter von Zertifikaten im Projektmanagement sind: • International Project Management Association (IPMA), in Deutschland vertreten durch die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement GPM; • Project Management Institute PMI, in Deutschland vertreten durch eine deutsche Landesgesellschaft. Diese beiden Anbieter haben bis 2019 weltweit über 1 Million Zertifikate im Projektmanagement ausgegeben, ganz überwiegend auf dem jeweiligen Einstiegsniveau [2,13], davon in Deutschland wohl etwa 100.000; ein Anstieg dieser Zahlen ist zu erwarten [2,13,18]. Wesentliche Interessierte an Zertifizierungen im Projektmanagement sind: • Beschäftigte, die im Zuge einer Fort- oder Weiterbildung Kenntnisse und Fähigkeiten im Projektmanagement erlangen und zum Beleg dafür ein Zertifikat erhalten wollen. • Arbeitgeber, die für Projekte qualifiziertes Personal benötigen. Zertifizierungen unterstützen sie durch eine gezielt Abbildung 1: Rücklauf der auswertbaren Fragebogen Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 ausgerichtete Fort- oder Weiterbildung und helfen bei der Einstellung von qualifiziertem Personal. • Anbieter von Schulungen und Lehrgängen im Projektmanagement [2], die ihre Teilnehmer/ innen auf die Zertifikatsprüfungen vorbereiten. Deren Geschäftsmodell beruht auf Erträgen aus den Teilnahmegebühren für Schulungen und Prüfungen. • Fachgesellschaften in der Funktion von Berufs- oder Fachverbänden von beruflich am Projektmanagement Interessierten (wie z. B. IPMA bzw. GPM). Sie organisieren einen fachlichen Austausch zwischen den Mitgliedern, bestimmen das Berufsbild und entwickeln Curricula zu aktuellen Kenntnissen und Methoden im Projektmanagement. Mit dieser Untersuchung soll vor allem analysiert werden, wie jene Personen, die im Zuge von Fort- oder Weiterbildung Kenntnisse und Fähigkeiten im Projektmanagement erlangt und zum Beleg dafür Zertifikate erhalten haben, den Wert und Nutzen dieser Zertifikate einschätzen. Damit wird der von diesen Personen wahrgenommene Nutzen („perceived value“) gemessen, um etwa deren intrinsische und extrinsische Motive zu identifizieren. Dafür sind vielfältige Motive vorstellbar, z. B. persönliche Herausforderung beim Anstreben einer fachlichen Prüfung, Steigerung und Bestätigung des fachlichen Wissens, berufliches Prestige und Anerkennung. Aufstiegsmöglichkeiten, Zugang zu einem breiteren Spektrum an Tätigkeiten, Zugang zu anspruchsvolleren Tätigkeiten, bessere Verdienstmöglichkeiten, höhere Arbeitszufriedenheit. Bei der Untersuchung wurde insofern auf Vorarbeiten anderer Autoren aufgebaut [2,10,13]; als theoretische Grundlage wurde die Motivationstheorie verwendet, insbesondere die Self-Determination Theory (SDT) [19]. Entsprechend lauten die zentralen Forschungsfragen der Untersuchung: Welcher Wert wird einem Zertifikat im Projektmanagement von den Personen beigemessen, die es erlangt haben? Welche persönlichen Vor- und Nachteile rechnen sie einem Zertifikat zu? 3 Erhebung und Erfassung der empirischen Daten Um im Rahmen einer empirischen Untersuchung den Wert und den Nutzen von Zertifikaten im Projektmanagement zu erheben, der ihnen von Personen beigemessen wird, die ein Zertifikat im Rahmen einer Fort- oder Weiterbildung erlangt haben, wurde auf Basis von Fachliteratur eine Reihe von Formulierungen diverser Wert- und Nutzeneffekten entwickelt. Dabei konnte aufgebaut werden auf Studien, die ebenfalls Fragestellungen zu Zertifikaten im Projektmanagement untersucht haben [2,13], und auf Studien, die Fragestellungen für Zertifikate in anderen Fachdomänen wie etwa für Krankenpfleger/ innen [20,21,22,23,24,25] oder für Fachkräfte im Personalwesen [26,27,28] durchgeführt haben. Alle Formulierungen der Fragestellungen-- insbesondere zur Erfassung von Wert- und Nutzeneffekten von Zertifikaten-- wurden in Voruntersuchungen und Pretests auf Eignung geprüft. Dabei waren vor allem die Hinweise einer Reihe von Personen hilfreich, die einem der Autoren aus Fort- und Weiterbildungskursen zur Erlangung von Zertifikaten im Projektmanagement persönlich bekannt sind und an einem Pilottest teilgenommen haben. Die Forschungsfragen wurden mit einer großzahligen Befragung von Personen untersucht, die im Zuge einer Fort- oder Weiterbildung Kenntnisse und Fähigkeiten im Projektmanagement erlangt und dafür ein Zertifikat erhalten haben. Der Zugang zu den Befragten gelang in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), über die alle Personen per eMail angesprochen wurden, die in Deutschland zwischen den Jahren 2011 bis 2020 (September) IPMA-Zertifikate im Projektmanagement abgelegt haben. Die Befragung wurde strukturiert durchgeführt und über eine elektronische Plattform im WWW abgewickelt. Die Befrag- Abbildung 2: Umfang der Beschäftigung in Projekten in den vergangenen Jahren Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 ten wurden personalisiert angeschrieben, deren Antworten wurden ausschließlich anonymisiert erfasst, gespeichert und ausgewertet, ein Rückschluss auf einzelne Personen ist somit nicht möglich. Im Zeitraum zwischen 10. November und 20. Dezember 2020 wurden 3.623 ausgefüllte und auswertbare Fragebogen aus Deutschland zurückgesandt. In Abbildung 1 ist die Zuordnung und Verteilung der Rückläufe auf die Jahre wiedergegeben, in denen die Befragten- - nach ihrer Erinnerung- - ihr Zertifikat im Projektmanagement erlangt haben. Bei dem Einsatz von 33.304 zustellfähigen Adressen wurde somit eine Rücklaufquote von 10,9 % erzielt. Unter Berücksichtigung, dass viele der Angesprochenen ihr Zertifikat schon vor einigen Jahren abgelegt haben, ist die Rücklaufquote als hoch anzusehen und weist auf ein großes Interesse für die Fragen der Untersuchung hin. Für das Interesse spricht auch, dass 10 % der Befragten sich-- separat zur Befragung-- gemeldet haben und das Angebot der Zusendung von Ergebnissen angenommen haben. Neben fachlichen Fragen zur unmittelbaren Adressierung der Forschungsfragen wurden soziodemografische Merkmale und Kennzeichen der beruflichen Situationen der Befragten erhoben und anonym ausgewertet. Zum Beispiel sind die Anzahl der Berufsjahre der Befragten, die Anzahl der Arbeitsstage, an denen sie pro Woche in Projekten arbeiten, und die Art der Projekte, in denen sie arbeiten, erhoben worden. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren die 3.623 Antwortenden durchschnittlich 42 Jahre alt, zum Zeitpunkt ihrer Zertifizierung durchschnittlich 39 Jahre alt. Von den Antwortenden sind 31 % Frauen. Die Antworten stammen von Personen mit erheblichen Berufserfahrungen: Ohne Ausbildungs-/ Studienzeiten und bei anteiliger Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigung verfügen die Antwortenden zum Zeitpunkt der Erhebung durchschnittlich über 16 Jahre Berufserfahrung, davon sind sie durchschnittlich 11 Jahre in Projekten aktiv. Da Erfahrungen und Kompetenzen in Projektarbeit in dieser Untersuchung von besonderer Bedeutung sind, wurde separat die Intensität der Projektarbeit erhoben. Abbildung 2 zeigt, dass 78 % der Befragten in den vergangenen 3 Jahren mindestens 3 Tage pro Woche in Projekten beschäftigt waren. 3.016 der Befragten (83 %) haben in den vergangenen drei Jahren die Leitung von Projekten oder Teilprojekten innegehabt. Alle Befragten haben international anerkannte Zertifikate der IPMA auf verschiedenen Stufen (Level) erlangt. Abbildung 3 gibt die Verteilung der Befragten auf Zertifikate der IPMA an. Damit können die Befragten der Stichprobe als qualifizierte und erfahrene Projektmitarbeiter/ innen angesehen werden. Die Auswertungen der soziodemografischen Daten sowie der beruflichen Situation zeigen keine Auffälligkeiten oder Ausreißer. 4 Messungen von Motiven und Nutzen Die Erhebungsinstrumente für die Motive sowie für den wahrgenommenen Nutzen bei Zertifikaten sind mit explorativen Faktorenanalysen (Maximum Likelihood mit Varimax Rotation) überprüft. Bei der Vorbereitung ergeben die Chi-Quadrat- Tests nach Bartlett auf Sphärizität, dass die in der Stichprobe beobachteten Korrelationen signifikant, also nicht zufällig sind. Das Prüfverfahren nach Kaiser-Meyer-Olkin auf Eignung der Daten für eine Faktorenanalyse („Measurement of Sampling Adequacy“ MSA) weist für die Variablen KMO-Werte von > 0,7 aus, die als „ziemlich gut“ („middling“) angesehen werden [29]. Die Details sind in Abbildung 4 angegeben, ebenso die Werte für die Erklärungskraft sowie für Ladung und Reliabilität (Cronbachs Alpha), die nach gängigen Standards als „gut“ anzusehen sind. Abbildung 3: Zertifikate der Befragten nach IPMA „Individual Competence Baseline“ Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 Motive Nutzen Ladung Cronbachs Alpha Composite reliability Ladung Cronbachs Alpha Composite reliability persönl. Herausforderung (1) (2) 0,781 0,618 0,694 0,660 0,740 0,711 0,751 0,690 fachl. Weiterentwicklung (3) (4) (5) berufl. Netzwerk (6) (7) berufl. Weiterkommen (8) (9) (10) 0,483 0,904 0,667 0,652 0,858 0,850 0,721 0,723 0,767 0,751 0,825 0,737 0,731 0,813 0,468 0,929 0,680 0,913 0,686 0,869 0,796 0,710 0,817 0,807 0,862 0,748 0,786 0,836 KMO- = 0,755; Sign. nach Bartlett < 0,000; 60,6 % Erklärung der Varianz KMO-= 0,796; Sign. nach Bartlett < 0,000; 67,2 % Erklärung der Varianz Abbildung 4: Kennzahlen der Faktorenanalyse zu Motiven und Nutzen Im Zuge der Faktorenanalysen mussten einige Variablen ausgeschlossen werden, da sie keine ausreichenden Werte für Ladung und Reliabilität aufweisen-- siehe Abbildung 5 für die Fragen zu Motiven, zum Nutzen wurde entsprechend und nahezu identisch formuliert. Im Ergebnis wurde eine Lösung mit vier Faktoren bestimmt, da sie taugliche Werte aufweist und sowohl für Motive als auch für Nutzen gute Erklärungen der Varianzen in der Stichprobe liefert. Die Fragestellungen sind unter Bezug auf Untersuchungen entwickelt, die ebenfalls zu Zertifikaten im Projektmanagement [13] oder zu Zertifikaten in anderen Fachdomänen durchgeführt sind [20,26,27,28]. Mit der ermittelten Lösung mit vier Faktoren liegt ein taugliches und brauchbares Instrument für die Motive sowie für die wahrgenommenen Nutzen bei Zertifikaten vor. Die Faktoren sind inhaltlich sprechend zu benennen wie folgt: (1) persönliche Herausforderung, (2) fachliche Weiterentwicklung, (3) berufliches Netzwerk und (4) berufliches Weiterkommen. Die Faktoren sind für Motive und Nutzen identisch, die jeweiligen Fragenstellungen sind nahezu identisch formuliert, sodass damit eine Reihe von Auswertungs- und Vergleichsmöglichkeiten bestehen. persönliche Herausforderung (1) Die Zertifizierung sah ich als eine Herausforderung, mich offiziell anerkannten Anforderungen im Projektmanagement zu stellen (2) Die Zertifizierung war eine Chance, meine Fähigkeiten und Kompetenzen einer unabhängigen Prüfung zu unterziehen fachliche Weiterentwicklung (3) Die Zertifizierung war eine Chance, meine Fähigkeiten und Kompetenzen im Projektmanagement auszubauen und zu erweitern (4) Die Zertifizierung sollte mir ermöglichen, in Projekten eigenständiger und selbstständiger zu handeln (5) Die Zertifizierung sollte mir ermöglichen, in Projekten wichtigere und anspruchsvollere Tätigkeiten auszuüben berufliches Netzwerk (6) Die Zertifizierung sollte mir ermöglichen, mit anderen PM-Experten/ innen zu kommunizieren (7) Die Zertifizierung sollte mir ermöglichen, neue Leute kennenzulernen berufliches Weiterkommen (8) Die Zertifizierung sollte meine Chancen auf berufliche Weiterentwicklung (Karriere, Beförderung-…) erhöhen (9) Die Zertifizierung sollte meine Chancen auf bessere Bezahlung erhöhen (10) Die Zertifizierung sollte meine Chancen am Arbeitsmarkt erhöhen Abbildung 5: Erhebungsinstrument für Nutzen (Formulierungen für Nutzen entsprechend) Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 5 Empirische Ergebnisse 5.1 Motive und Nutzen der Zertifizierung Das entwickelte Messkonzept ermöglicht die Analyse der Motive der Personen, die ein Zertifikat im Projektmanagement erlangen wollen, und eröffnet Vergleichs- und Interpretationsmöglichkeiten. Der Gesamtwert für die Motive- - zum damaligen Zeitpunkt der Erlangung der Zertifikate- - für alle Befragten liegt bei 3,2. Dieser Wert kann auf die vier Erklärungskomponenten zerlegt werden, wie in Abbildung 6 angegeben. Erkennbar leisten die Komponenten „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Weiterkommen“ deutliche Beiträge zur Motivation. Demgegenüber leistet eine Verbesserung des „beruflichen Netzwerks“ nur einen geringen Beitrag, die Befragten hatten also keine großen Erwartungen, mit der Erlangung eines Zertifikats das berufliche Netzwerk zu verbessern. An den im Messkonzept zugeordneten Fragen (Abbildung 5) ist abzulesen, dass die drei Faktoren „persönliche Herausforderung“ und „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Netzwerk“ intrinsische Motive, der Faktor „berufliches Weiterkommen“ extrinsische Motive umfassen [19,27]. Intrinsische Motive stammen aus innerem Antrieb, also dem persönlichen Interesse und dem Spaß an einer Aufgabe, aus dem inneren Streben nach Leistung oder dem Umsetzen eigener Vorstellungen sowie persönlicher Ziele [19,27]. Insofern zielt das Verhalten auf persönliches Wohlbefinden im Beruf sowie den Aufbau und den Ausbau von Kenntnissen und Fähigkeiten. Zusammenfassend wird dies auch als Streben nach „being good“ bezeichnet [10,13]. Demgegenüber handeln Menschen aus extrinsischen Motiven, wenn sie sich Vorteile wie etwa materielle Anreize, Beförderung, ein besseres Beschäftigungsverhältnis, höheres Prestige oder Anerkennung und Wertschätzung ihres Umfelds erhoffen [19,27]. Dieses Streben, auf andere einen guten Eindruck zu machen, wird als Streben nach „looking good“ bezeichnet [10,13] und auch als „dark side of certification“ [10] angesehen. Fachliche Inhalte des Projektmanagements spielen dann eine geringe Rolle, im Vordergrund stehen jene Wirkungen, die im Rahmen eines „impression management“ [10] entfacht werden. Davon kann eine Verbesserung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses oder bessere Chancen am Arbeitsmarkt erwartet werden. Der im Messkonzept enthaltene Faktor „berufliches Weiterkommen“ ist dem Verhalten auf Basis extrinsischer Motive zuzuordnen [19,27]. Insgesamt weisen die Befragten der Motivation bei der Erlangung des Zertifikats eine Höhe von 3,2 zu. Dabei wird den intrinsischen Faktoren „persönliche Herausforderung“ und „fachliche Weiterentwicklung“ eine positive Motivationswirkung zugesprochen, ebenso dem extrinsischen Faktor „berufliches Weiterkommen“. Dagegen geht von dem intrinsischen Faktor „berufliches Netzwerk“ nur eine geringe Motivationswirkung aus. Der Gesamtwert für die aktuell von den Befragten wahrgenommenen Nutzeneffekte durch ein Zertifikat beträgt 3,2 und kann vier Erklärungskomponenten zerlegt werden wie in Abbildung 7 (rechts) dargestellt. Die Motive und Erwartungen der Befragten an Zertifikate im Projektmanagement werden als Nutzen (tatsächlich) wahrgenommen (Abbildung 7), d. h. die erwartete „persönliche Herausforderung“ wird empfunden, die „fachliche Weiterentwicklung“ wird bemerkt und das „berufliche Weiterkommen“ wird beobachtet. Die Intensität dieser Nutzeneffekte entspricht bezüglich „persönliche Herausforderung“ und „fachliche Weiterentwicklung“ etwa den Motiven und Erwartungen, die Effekte bezüglich „berufliches Weiterkommen“ fallen etwas zurück. Die niedrigen Erwartungen bezüglich des beruflichen Netzwerks werden eher übererfüllt. Die Ergebnisse einiger Untersuchungen in anderen Fachdomänen weisen aus, dass mit den Zertifikaten eher intrinsische als extrinsische Motive und entsprechende Nutzeneffekte verfolgt werden; intrinsische Motive überwiegen die extrinsischen Motive [27]. Dieses Merkmal zeigen die hiesigen Ergebnisse zu Zertifikaten im Projektmanagement nicht, Abbildung 6: Motive zur Zertifizierung im Projektmanagement Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 denn der extrinsisch geprägte Motivationsfaktor „berufliches Weiterkommen“ hat beachtliche Bedeutung. Insgesamt stehen die- - zum Zeitpunkt der Zertifizierung bestehenden- - Motive und die aktuell wahrgenommenen Nutzeneffekte bei den Befragten in einem ausgewogenen Verhältnis. Demnach halten die Befragten ihr Engagement und ihren Aufwand im Zuge der Fort- oder Weiterbildung und der abschließenden Zertifizierung für lohnenswert. 5.2 Zertifizierungen im Lauf der Zeit Die Befragten haben ihre Zertifikate im Zeitraum von 2011 bis 2020 erhalten. Dadurch kann verglichen werden, ob im Verlauf der Jahre Unterschiede bei den Motiven und wahrgenommenen Nutzen aufgetreten sind. Eine Analyse der Motive und Nutzeneffekte zeigt über die Jahre durchaus Veränderungen. Die Motive „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Netzwerk“ weisen nahezu gleiche Werte aus, das „berufliche Weiterkommen“ bildet jedoch für Befragte mit späteren Zertifikaten ein deutlich wichtigeres Motiv zur Erlangung eines Zertifikats. Beim wahrgenommenen Nutzen spielen die Erklärungskomponenten „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterbildung“ und „berufliches Weiterkommen“ bei Befragten mit späteren Zertifikaten eine erkennbar und signifikant größere Rolle. Diese Entwicklung der vergangenen Jahre kann zum Teil darauf zurückgeführt werden, dass die GPM Mitte des Jahres 2018 ihre Fort- und Weiterbildungsprogramme sowie Zertifizierungen an die neue Version ihres Standards für individuelle Kompetenz ICB 4 (Individual Competence Baseline, Version 4.0) angepasst hat. Zertifizierungen werden ab Mitte 2018 nach diesem Ausbildungs- und Prüfungsstandard durchgeführt [30]. Abbildung 8: Motive und Nutzen vor und nach dem Jahr 2018 Abbildung 7: Ergebnisse zu damaligen Motiven und heutigem Nutzen Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 Da die Umstellungen auf das Regelwerk ICB 4 in der Mitte des Jahres 2018 durchgeführt wurden, sind in Abbildung 8 die Befragten mit Zertifikaten aus dem Jahr 2018 eliminiert, um abgrenzen zu können „vor/ nach“ den Umstellungen auf ICB 4. Bei Befragten mit Zertifikaten aus den Jahren ab 2019 sind Motivation und wahrgenommener Nutzen signifikant höher als bei Befragten aus den Jahren zuvor. Bei der Erhebung der Motive zur Zertifizierung können die unterschiedlichen Zeitabstände-- unter 2 Jahren versus mehr als 3 Jahre bis zur Befragung-- die Erinnerung der Befragten unterschiedlich beeinflussen. Jedoch werden bei der Einschätzung des aktuellen Nutzens einer Zertifizierung Erinnerungseffekte keine Rolle spielen. Daher kann gefolgert werden, dass die Steigerung des wahrgenommenen Nutzens-- von 3,16 bei Befragten mit Zertifikaten bis 2017 auf 3,30 bei Befragten mit Zertifikaten ab 2019-- auch auf die zwischenzeitlichen Umstellungen auf das Regelwerk ICB 4 zurückgeführt ist. Die Umstellungen auf ICB 4 haben also insofern den wahrgenommenen Nutzen bei den Befragten gesteigert. Diese Ergebnisse unterscheiden sich von anderen Untersuchungen, bei denen zum Beispiel mit zwei Erhebungen zu den Zeitpunkten 2004 und 2014 ein Rückgang der Motivation für ein Zertifikat im Projektmanagement ermittelt wird; übereinstimmend ist, dass die Bedeutung des Motivs „looking good“ über die Zeit an Bedeutung gewinnt [13]. 5.3 Empfehlung für ein Zertifikat Ergänzend und komplementär zur Messung der wahrgenommenen Nutzeneffekte wurden die Befragten zusätzlich gefragt, ob sie eine Empfehlung für ein Zertifikat im Projektmanagement aussprechen würden. Die Fragestellung wurde in eine vorgegebene, berufsnahe und realistische Situation eingebettet, einer „Nachwuchskraft“ mit weniger Erfahrungen in Projekten zuzuraten, ein Zertifikat im Projektmanagement anzustreben- - oder nicht. Deutlich über 80 % der Befragten würden eine Empfehlung („ja, auf jeden Fall“ oder „eher ja“) aussprechen-- siehe Abbildung 9. Dieses Ergebnis ist bei allen soziodemografischen Unterschieden bei den Befragten wie Geschlecht, Alter, Jahre der Zertifizierung stabil. Dieses Ergebnis bestätigt die vorher erläuterten Auswertungen, dass die Befragten ihr eigenes Engagement und ihren Aufwand im Zuge der Fort- oder Weiterbildung im Projektmanagement und der abschließenden Zertifizierung letztendlich für lohnenswert erachten. Nur ein Anteil von ca. 8 % würde eine derartige Empfehlung nicht aussprechen. 5.4 Fachlich-inhaltliche Ausrichtung im Projektmanagement Die fachlich-inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Fortbzw. Weiterbildung einer Zertifizierung im Projektmanagement wird von den Beteiligten recht positiv gesehen. Abbildung 10 verdeutlicht, dass die Befragten der entsprechenden Aussage „Ein Zertifikat umfasst spezielles Wissen im Projektmanagement“ deutlich zustimmen; 84,4 % der Beteiligten stimmen ausdrücklich zu, nur 4,7 % lehnen die Aussage ab. Allerdings werden von den Befragten zugleich recht deutliche Hinweise gegeben, dass sich beim derzeitigen Themenkanon einer Zertifizierung im Projektmanagement auch fachlich-inhaltliche Leerstellen auftun gegenüber der aktuellen beruflichen Praxis im Projektmanagement. Insbesondere werden Ansätze und Methoden, die heute unter der Kennzeichnung „agil“ gefasst werden, im Themenkanon der Zertifikate im Projektmanagement vermisst. Der Einsatz agiler Ansätze und Methoden nimmt danach in der beruflichen Praxis des Projektmanagements deutlich zu, Agilität nimmt deutlich Fahrt auf im Projektmanagement [31]. Unter den Befragten mit profunden Projekterfahrungen nehmen nur 25 % an, dass in drei Jahren Projekte weiterhin mit traditionellen, klassischen Ansätzen des Projektmanagements durchgeführt werden. Dagegen ist eine sehr deutliche Mehrheit überzeugt, dass traditionelle und agile Ansätze in der Praxis zu „hybriden“ Ansätzen zusammengeführt werden müssen [31]. So lassen viele Äußerungen der im Rahmen der Studie Befragten in den Freitexten darauf schließen, dass agile Ansätze in der Praxis verbreitet sind und zunehmend im Einsatz erwartet werden. So sind eine Reihe von Aussagen zur fachlich-inhaltlichen Ausrichtung von Zertifikaten im Projektmanagement zu bündeln in „… zu wenig agil-…“ oder „… Agilität ist wichtiger als Projektmanagement-…“, die aktuellen Rollen der Befragten in der Praxis sind eher mit „agile Coach“ oder „Scrum Master“ zu kennzeichnen als mit „Projektleiter/ in“ oder „Teilprojektleiter/ in“, und eine Rezertifizierung nach Ablauf der Gültigkeit eines Zertifikat wird wegen „… mangelnder Berücksichtigung agiler Ansätze-…“ in Frage gestellt. Für die Anbieter von Zertifikatschemata sind die Hinweise auf fachlich-inhaltliche Leerstellen, die mit der Vokabel „agil“ zu skizzieren sind, wichtige Hinweise auf die Notwendigkeit der fachlich-inhaltlichen Weiterentwicklung. Schon für die nahe Zukunft wird von den Befragten erwartet, dass in der Mehrheit der Projekte agile Ansätze eingesetzt werden müssen, um den Anforderungen nach Flexibilität und Geschwindigkeit nachkommen zu können [31]. Daher werden auch in den Abbildung 9: Bereitschaft zur Empfehlung eines Zertifikats Wissen | Wert und Nutzen von Zertifizierungen im Projektmanagement 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 05/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0097 Zertifikaten zum Projektmanagement traditionelle und agile Ansätze zu „hybriden“ Ansätzen zusammengeführt werden müssen. Wenn diese inhaltlichen Leerstellen nicht adressiert werden, dann gehen die Anbieter von Zertifikatsschemata das Risiko ein, dass die grundlegende Annahme zum positiven Zusammenhang zwischen Zertifizierungen einer Person im Projektmanagement und tatsächlichen Leistungen im Projektmanagement (siehe Abschnitt 1) von der Fachöffentlichkeit aufgegeben wird. Dies würde den Wert der Zertifikate im Projektmanagement vermutlich erheblich verringern und zukünftig würden Zertifizierungen lediglich für Nachwuchskräfte beim Eintritt in den Arbeitsmarkt Bedeutung haben [10,13]. 6 Zusammenfassung Angebot und Nachfrage nach Fort- und Weiterbildung im Projektmanagement sowie nach Zertifikaten zur Bescheinigung der Kenntnisse und Fähigkeiten sind groß und nehmen zu. Denn die Bedeutung des Managements von Projekten wird weiter zunehmen. Hier werden die Motive untersucht, die Personen dazu bringen, ein Zertifikat im Projektmanagement anzustreben. Diese Motive werden verglichen mit dem Nutzen, den diese Personen Jahre später vom Besitz ihres Zertifikats wahrnehmen. Die Untersuchung basiert auf einer großzahligen, anonymen Befragung von Zertifizierten, die ihre Zertifikate nach IPMA zwischen 2011 und 2020 in Deutschland erlangt haben. Im Ergebnis leisten die Motivbündel „persönliche Herausforderung“, „fachliche Weiterentwicklung“ und „berufliches Weiterkommen“ deutliche Beiträge zur Motivation, ein Zertifikat anzustreben. Demgegenüber leistet eine Verbesserung des „beruflichen Netzwerks“ nur geringen Beitrag, die Befragten hatten also keine großen Erwartungen, mit der Erlangung eines Zertifikats das berufliche Netzwerk zu verbessern. Jahre später wird von den Befragten durchaus Nutzen vom Zertifikat wahrgenommen, d. h., die erwartete „persönliche Herausforderung“ wird empfunden, die „fachliche Weiterentwicklung“ wird bemerkt und das „berufliche Weiterkommen“ wird beobachtet. Insgesamt stehen die- - zum Zeitpunkt der Zertifizierung bestehenden- - Motive und die nach einigen Jahren wahrgenommenen Nutzeneffekte in einem ausgewogenen Verhältnis. Demnach halten die Befragten ihr Engagement und ihren Aufwand im Zuge der Fort- oder Weiterbildung und der abschließenden Zertifizierung für lohnenswert. Diese Zufriedenheit der Befragten mit ihren Zertifikaten wird bestätigt durch den hohen Anteil derer, die eine Zertifizierung im Projektmanagement insgesamt empfehlen würden. Deutlich über 80 % der Befragten würden eine Empfehlung aussprechen, nur ca. 8 % würden eine Empfehlung nicht aussprechen. Grundsätzlich stimmen 84 % der Beteiligten ausdrücklich zu, dass inhaltlich ein Zertifikat spezielles Wissen im Projektmanagement umfasst, knapp 5 % lehnen eine entsprechende Aussage ab. Allerdings wird zugleich recht deutlich auf eine inhaltlich-fachliche Leerstelle verwiesen, da Ansätze und Methoden vermisst werden, die heute unter der Kennzeichnung „agil“ gefasst werden und mittlerweile in der Praxis des Projektmanagements deutlich Fahrt aufnehmen [31]. Das extrinsische Motiv „berufliches Weiterkommen“ spielt bei den Befragten eine wichtige Rolle, vor allem wenn die Zertifikate in jüngster Vergangenheit erlangt wurden. Eine zu große Bedeutung von diesem „impression management“ [10] birgt die Gefahr, dass Zertifizierungen im Projektmanagement an Effektivität verlieren. Wenn „looking good“ zu sehr in den Vordergrund tritt, dann gelten Zertifizierungen zukünftig lediglich für Nachwuchskräfte als Ticket zum Eintritt in den Arbeitsmarkt und entwickeln darüber hinaus kaum Signalwirkung [13]. Literatur [1] Catanio, J., Armstrong, G., Tucker, J.: The Effects of Project Management Certification on the Triple Constraint. In: International Journal of Information Technology Project Management 4 / 2013, S. 93-111. [2] Farashah, A. D., Thomas, J., Blomquist, T.: Exploring the value of project management certification in selection / recruiting. In: International Journal of Project Management 1 / 2019, S. 14-26. [3] Cegielski, C. G.: Who Values Technology Certification? In: Communications of the ACM 10 / 2004, S. 193-105. [4] Coes, G., Schotanus, K.: Certifications: Who Dares? 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Eingangsabbildung: © iStock.com / Andrii Yalanskyi Georg Disterer Georg Disterer, Prof. Dr., lehrt Wirtschaftsinformatik an der Fakultät für Wirtschaft und Informatik der Hochschule Hannover und ist Autor einiger Fachbücher und vieler Fachbeiträge zu Themen der Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre. Seine Lehr- und Forschungsgebiete umfassen insbesondere: Informationsmanagement, IT-Service-Management, IT-Compliance, IT-Projektmanagement. Zudem ist er IT-Sachverständiger (ö.b.u.v.) und Fachgutachter in nationalen und internationalen Forschungsprogrammen. Andreas Daum Andreas Daum, Prof. Dr., lehrt Betriebswirtschaftslehre und Projektmanagement an der Fakultät für Wirtschaft und Informatik der Hochschule Hannover und ist Autor einiger Fachbücher und Fachbeiträge zur Betriebswirtschaftslehre und zum Projektmanagement/ -controlling. Er ist seit über 30 Jahren Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), leitet seit über 20 Jahren die GPM-Regionalgruppe Hannover und ist seit über 10 Jahren autorisierter Trainingspartner der GPM.