PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2021_0056
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Nicht mit den Falschen verbünden
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Jens Köhler
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Kolumne | Nicht mit den Falschen verbünden 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 03/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0056 Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen eMail: Jens.Koehler@basf.com Kolumne Nicht mit den Falschen verbünden Jens Köhler Priesberg stürmt in das Büro von Ehrlich: „Ich komme gerade von einem aufregenden Workshop mit unseren Digitalisierern. Sie versprechen eine neue Strukturierung unserer Logistikdaten und Prozesse. Diese Technologie ist neu und erst in ein paar Jahren einsetzbar, macht aber einen vielversprechenden Eindruck.“ Ehrlich, der auf seinem Bürostuhl sitzt und aufmerksam zuhört, antwortet trocken: „Wie gut sind denn eure aktuellen Probleme gelöst? Funktioniert alles? Werden eure Prozesse unterstützt? Sind alle Materialdaten in ihrem Kontext vorhanden? “ Priesberg überlegt: „Wenn du so fragst, dann haben wir noch viel Handarbeit zu machen. Sicher, es funktioniert nicht alles, aber dafür haben wir doch die Zukunftstechnologie.“ Ehrlich wird ein wenig misstrauisch und fragt: „Was sind denn deine nächsten Schritte? “ Priesberg entgegnet entspannt: „Och, ich werde die neue Technologie den Kollegen meiner Abteilung schon nahebringen und schmackhaft machen.“ Ehrlich schüttelt den Kopf: „Du? Du bist doch gar kein Experte dafür und wirbst einfach so? “ Priesberg antwortet: „Um ehrlich zu sein, ich habe sogar schon damit angefangen. Wir haben eine weite Strecke vor uns, das merke ich bereits jetzt schon. Aber ich hoffe ganz fest, dass mir die Kollegen folgen werden.“ Ehrlich fragt weiter: „Was passiert im Falle eines Scheiterns? “ Priesberg entgegnet schnell: „Ein Scheitern wird und darf es nicht geben.“ Ehrlich fasst zusammen: „Also hast du den Digitalisierern gerade einen Blankoscheck ausgestellt. Alles was schiefgeht, fällt dann auf dich zurück.“ Priesberg kommt langsam ins Grübeln: „Naja, es ist schon eine große Verantwortung-…“ Ehrlich unterbricht: „Das meine ich nicht, das ist eine Floskel. Ich meine was ganz anderes: Fühlen sich die Digitalisierer durch dieses Setting an die Verpflichtung gebunden, rechtzeitig zu liefern, oder hast du ihnen mit dem Blankoscheck gar mehr Freiheit, sprich Spiel und Spaß eingeräumt? “ Priesberg ist ernüchtert: Du kannst einem aber alles verderben. Es macht so viel Spaß, mit den Digitalisierern zu sprechen und sie sind so enthusiastisch- … davon könnten sich meine Kollegen eine Scheibe abschneiden.“ „Ich fasse das mal zusammen“, entgegnet Ehrlich und fährt fort: „Ich prophezeie dir zwei Dinge: Erstens, die aktuellen dringenden Probleme werden nicht gelöst werden und ihr benötigt weiter Handarbeit, und zweitens die neue Technologie wird nicht an den Start gehen. Im Gegenteil: Es geht in die Verlängerung der alten Technologie.“ Priesberg ist jetzt auf dem Boden der Tatsachen angekommen. „Schade, ich hatte gehofft, auch etwas Neues zu lernen und dies in unsere Abteilung hineintragen zu können. Woraus besteht denn jetzt mein Wertbeitrag? “ Ehrlich antwortet trocken: „Aus der Formulierung und dem Hochhalten eurer Anforderungen. Und an der Definition und Anwendung eines Gate-Keeper-Prozesses.“ Priesberg fasst es mit anderen Worten zusammen: „Also soll ich den Digitalisierern darlegen, was sie zu leisten haben und dies anhand von festen Kriterien überprüfen? “ „Genau das“, erwidert Ehrlich. „Und halte dich aus Fachdiskussionen heraus. Löse nicht deren Probleme, sondern stimuliere Lösungen zu euren Problemen. Lasse sie in eurer Sprache sprechen. Dann versteht es eure Abteilung. Nur so schaffst du Wert. Und genau das ist auch dein Wertbeitrag.“ Priesberg wundert sich: „Du hast ja eben gar nichts von Organisationen und Komplexität und all diesen Dingen erzählt. Hast du die Lust daran verloren? “ Ehrlich lacht: „Ganz im Gegenteil. Aber ich habe deine Sprache verwendet. So sind wir schneller zum Punkt gekommen. Aber wenn du es auch auf Komplexisch hören möchtest, bitte sehr: „Dein erstes Setting vergrößert zwar den Lösungsraum der Digitalisierer, mindert aber deren Bereitschaft, sich für eine Lösung zu entscheiden. Und die vielen unvollständigen Lösungen trägst du in deine Abteilung und erzeugst dort nur Ablehnung, da keine Lösung zünden und es nicht vorangehen wird. Die soziale Komplexität wird erhöht und euer Lösungsraum wird klein oder verschwindet sogar. Man beschäftigt sich am Ende nur noch mit sich.“ Priesberg hat es verstanden: „Dadurch, dass ich die Digitalisierer quasi aussperre und lediglich auf die Erfüllung äußerlicher Kriterien bestehe, helfe ich ihnen, sich auf eine Lösung zu fokussieren. Alles wird klar. Die neue Technologie wird reif und kann angewendet werden.“ Ehrlich schließt ab: „Manchmal ist es doch gut, ‚wir‘ und ‚die‘ zu sagen. Aber nur, wenn es zum Wohle aller ist. Mit einer klaren Aufgabentrennung kann jeder seinen Job besser machen.“ Eingangsabbildung: © iStock.com/ / CombackImages Kolumne Nicht mit den Falschen verbünden DOI 10.24053/ PM-2021-0056 32. Jahrgang · 03/ 2021
