PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0003
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Terra Incognita – Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement
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Rolf Kaestner
Vorhaben zu realisieren, ein Ziel erreichen zu wollen, bewegt viele Menschen neben ihrer Arbeitswelt und der wirtschaftlichen Gestaltung ihres Umfeldes – vom Fahrradkauf über das Auto bis hin zum eigenen Haus. Dafür organisieren sie sich, fangen mal als Einzelpersonen an, mal schließen sie sich in Gruppen zusammen. Und immer wird nahezu unter prekären Bedingungen in das Abenteuer „Projekt für die Gesellschaft“ gestartet. Was diesen Projekten für die Gesellschaft allen gemeinsam ist und wo sich besondere Risiken feststellen lassen, ist Gegenstand der folgenden Betrachtungen.
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12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 01/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0003 Terra Incognita- - Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement Rolf Kaestner Für eilige Leser | Vorhaben zu realisieren, ein Ziel erreichen zu wollen, bewegt viele Menschen neben ihrer Arbeitswelt und der wirtschaftlichen Gestaltung ihres Umfeldes-- vom Fahrradkauf über das Auto bis hin zum eigenen Haus. Dafür organisieren sie sich, fangen mal als Einzelpersonen an, mal schließen sie sich in Gruppen zusammen. Und immer wird nahezu unter prekären Bedingungen in das Abenteuer „Projekt für die Gesellschaft“ gestartet. Was diesen Projekten für die Gesellschaft allen gemeinsam ist und wo sich besondere Risiken feststellen lassen, ist Gegenstand der folgenden Betrachtungen. Schlagwörter | Projektarbeit, Vereine, Verbände, Gesellschaft, GPM Fachgruppe Wann immer Menschen mit einem Zustand nicht zufrieden sind, überlegen sie sich, diesen zu verändern. Das ist so im großen Wirtschaftsleben und der Verwaltung ebenso wie in der kleinen privaten Umgebung. Während dafür allerdings bei erstgenannten Akteuren und im Privaten bei der wirtschaftlichen Gestaltung des Umfeldes sehr früh Budget- oder Haushaltsüberlegungen und -planungen einsetzen, wird bei Projekten mit gesellschaftlicher Zielsetzung meist anders-- also vom gewünschten Zielzustand- - gedacht und nicht von den finanziellen Möglichkeiten. Erster Merksatz: Projekte für die Gesellschaft beginnen meist beim gedachten gewünschten Ergebnis. Nach der Frage, was ich erreicht haben will, beginnt das Nachdenken darüber, wie komme ich dahin. Mit der Eröffnung des Suchraums zum Erreichen des gedachten Projektzieles beginnt auch die Suche nach Verbündeten, weil sich schnell zeigt, dass ein einzelner Mensch nur wenig Resonanz in der Gesellschaft findet- - von unrühmlichen destruktiven Ausnahmen abgesehen. Auch jeder Verein braucht für seine Gründung die berühmten sieben Mitglieder. Zweiter Merksatz: Projekte für die Gesellschaft benötigen Verbündete. Mit der Suche nach Verbündeten ist dann auch schon eine erste Hürde für den Projekterfolg erkennbar. Das gedachte, gewünschte Ergebnis in einem Kopf muss mit den Überlegungen in einem oder mehreren anderen Köpfen eine Schnittmenge bilden, die ein so hohes Maß an Übereinstimmung zeigt, dass sich die verbündete Gruppe auch wirklich gemeinsam auf den Weg macht, das gedachte, gewünschte Ergebnis zu erreichen. Der Zwischenschritt ist getan. Es gibt ein Ziel und eine Gruppe Menschen hat sich darauf verständigt, was sie unter diesem Ziel gemeinsam verstehen. Alle diese Menschen bringen sich dafür freiwillig ein und bleiben dabei, wenn alle anderen Umstände ihnen das auch ermöglichen. Es gibt also verfügbare persönliche Zeit und genug Tatkraft, um mitzuarbeiten, wie es auch die anderen Menschen freiwillig tun. Dritter Merksatz: Projekte für die Gesellschaft werden vom freiwilligen Engagement getragen. Es beginnt der schwierigere Teil in der Projektarbeit für die Gesellschaft: Jetzt werden materielle Ressourcen benötigt. Es kann sich dabei um kleinere Sachmittel handeln, die viele auch bei sich im Haushalt vorfinden. Es kann sich aber auch um Dienstleistungen, Mieten oder Dinge handeln, die ausdrücklich angeschafft werden müssen. Für die Anschaffungen werden finanzielle Mittel benötigt. Diese werden entweder aus dem kleinen Kreis der Aktiven beigesteuert oder es beginnt zusätzlich die Suche nach Finanzierungsquellen. Hier erweitert sich das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten einerseits, während andererseits auch ein Schritt in die Normalität der Projektarbeit getan wird: Es Reportage | Terra Incognita-- Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 01/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0003 werden finanzielle Ressourcen benötigt, ohne die kaum noch ein Projektfortschritt realisiert werden kann. Vierter Merksatz: Auch Projekte für die Gesellschaft brauchen Geld. Projekte für die Gesellschaft haben dazu verschiedene Möglichkeiten finanziert zu werden. Das Spektrum reicht von Spendensammlungen über Mitgliedsbeiträge eines Fördervereins oder Merchandisingaktivitäten bis hin zu Sponsoring durch einzelne große Institutionen oder öffentliche Einrichtungen. Die GPM Fachgruppe „Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement“ bietet speziell zu diesem Thema einen kostenlosen Download auf ihrer Fachgruppenseite innerhalb der GPM Website. Projekte für die Gesellschaft oder Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement als zwei Aspekte einer aktiven Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft finden allerdings nicht in biedermeierlicher Idylle statt. Es handelt sich eigentlich immer um eine Auseinandersetzung, was gewollt oder nicht gewollt ist von unterschiedlichen Interessengruppen, basierend auf unterschiedlichen Wertvorstellungen über eine gewünschte Zukunft. Damit ist so ziemlich jedes Projekt für die Gesellschaft auch das Austragen eines Konfliktes. Fünfter Merksatz: Projekte für die Gesellschaft bedeuten das Austragen von Konflikten in der Gesellschaft. Um in der Lage zu sein, im Rahmen eines Projektes für die Gesellschaft Position zu beziehen und diese auch darzustellen- - insbesondere nötig bei Konflikten, besteht ein Teil des Projektes auch notwendigerweise aus Kommunikation, sei es um die eigenen Sichtweisen darzustellen und zu transportieren oder um gegenüber anderen Sichtweisen Positionen darzustellen und-- nicht ganz unwesentlich-- um Mehrheiten für die eigenen Sichtweisen zu werben. Sechster Merksatz: Projekte für die Gesellschaft bestehen zu einem deutlichen Anteil aus Öffentlichkeitsarbeit. Projekte für die Gesellschaft unter den skizzierten Rahmenbedingungen tatsächlich unter dem Projektbegriff zu betrachten, darf eigentlich unter den gestrengen Augen eines ICB-festen oder DIN-gläubigen Menschen schon als Lapsus angesehen werden. Was spricht hier gegen den gestrengen Projektbegriff? • Es gibt häufig keinen definierten Auftraggeber für ein solches Vorhaben, sondern diffus initialisiert arbeiten mehrere Menschen an einer Zielformulierung für etwas, welches sie gemeinsam erreichen wollen. Hierarchien entstehen situativ. • Durch die Freiwilligkeit in der Arbeit an einem gemeinsamen Ziel ist jederzeit der Ausfall von einer oder mehreren Schlüsselpersonen vorübergehend oder endgültig möglich. Eine verbindliche Verfügbarkeit der handelnden Personen ist nicht gegeben. Rolf Kaestner Der Autor gehört zur GPM Fachgruppenleitung „Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement“ und arbeitet als Gutachter und Sachverständiger in der Entwicklungszusammenarbeit und im Gesundheitswesen. • Die verfügbaren Finanzmittel bestimmen den Fortschritt beim Zielerreichungsgrad. Fehlende Finanzmittel bedeuten „Projektruhe“ bis wieder Geld zur Verfügung steht- - oder Abbruch des gesamten Vorhabens. • Gut gemeint ist nicht zwingend gut gemacht. Widerstand aus anderen Teilen der Gesellschaft, Blockaden aus der Verwaltung oder von Widersachern mit (anderen) wirtschaftlichen Interessen verhindern das Erreichen des ursprünglichen Ziels oder überhaupt die Fortsetzung des Vorhabens. Trotz dieser vielfachen Gefährdungen machen sich in Vereinen, Verbänden, kleinen und großen Initiativen mittlerweile mit erreichter Lobbymacht bundesweit oder gar international einerseits oder als Kleingruppe in ländlicher Umgebung andererseits unverdrossen Menschen auf den Weg, um ihren Beitrag zur Gestaltung unserer Lebenswelten zu leisten. Eingangsabbildung: © iStock.com / scyther5 Das System, bei dem die Ressourcenplanung funktioniert Ressourcenmanagement Projektportfolio-Management Aufwand- & Kosten-Controlling Projektplanung Unverbindlich online kennenlernen! www.ressolution.ch Scheuring AG +41 61 853 01 54 info@scheuring.ch Anzeige
