eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0020
31
2022
331 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektdiagnose. Auch hinter die Kulissen des Projektes schauen

31
2022
Heinz Schelle
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73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 01/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0020 Buchbesprechung Projektdiagnose. Auch hinter die Kulissen des Projektes schauen Heinz Schelle Lomnitz,G.: ISBN 978-3-7398-3099-5, Schriftenreihe Projektmanagement neu denken. Herausgegeben von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., UVK Verlag 2021, 187 Seiten, Preis 34,99 Gero Lomnitz, seit langem in der GPM bekannt als Trainer und als Autor von zwei sehr originellen Projektmanagementbüchern mit organisationspsychologischem Hintergrund, legt ein Buch mit einem Titel vor, der so in der PM-Literatur bisher nicht vorkommt. Die Methode der Projektdiagnose, die er kreiert hat, ist neu. Der Autor grenzt sie zunächst von den vertrauten Methoden Projektreview und Projektaudit ab. Der entscheidende Unterschied, wie ihn Lomnitz selbst definiert, besteht darin, dass Audits und Reviews sich normalerweise nicht mit den Kernursachen beschäftigen, die hinter den Symptomen liegen. Hingegen „werden Diagnosen durchführt, wenn Fehlentwicklungen, nicht selten verbunden mit Orientierungslosigkeit, Schuldzuweisungen oder Konflikten, auftreten“. Eine Projektdiagnose wird für besonders wichtige oder kritische Projekte geplant, also z. B. für Strategieprojekte, ist also keine Routinetätigkeit im Rahmen des Projektcontrolling. Die Diagnose wegen vermuteter Fehlentwicklungen findet, wie sich aus dem Terminus bereits ergibt, während des laufenden Projekts statt, aber eine Reihe von kritischen Fragen können auch bereits in einer sehr frühen Phase gestellt werden. Hier gibt es Parallelen zu Mason und Mitroff*, die eine Methode entwickelt haben, um erfolgskritische Faktoren, die nicht explizit offengelegt wurden, aufzudecken und zu prüfen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie während des Vorhabens gegeben sind oder fehlen. Der Lomnitz‘sche Ansatz ist freilich ungleich detaillierter und enthält eine beeindruckende Fülle von Ratschlägen und Werkzeugen, in denen sich die Erfahrungen des Unternehmensberaters niedergeschlagen haben. Mithilfe eines groben Phasenmodells, das aus den Phasen Initiierungsphase, Auftragsklärung, Datensammlung, Datenanalyse und -bewertung, Berichtausarbeitung und Datenfeedback besteht, führt der Verfasser durch das Werk. Für mich besonders interessant ist dabei das Kapitel 5, das Beispiele für Diagnosefelder wie etwa Projektziele, Informationsfluss, Entscheidungsprozesse und Zusammenarbeit bringt und die entsprechenden Diagnosefragen aufführt. Bewertung: Die von Lomnitz entwickelte Methodik ist, wie einem beim Lesen klar wird, verhältnismäßig aufwendig. Deshalb sehe ich die Gefahr, dass sie selbst dann unterbleibt, wenn sie dringend geboten erscheint. Solche negativen Erfahrungen liegen ja z. B. für das Modell Project Excellence vor, obwohl es weit gröber strukturiert ist. Nicht nur der Aufwand kann ein Hindernis sein, sondern auch die Angst, dass die Diagnose zu Resultaten führt, die man nicht aufgedeckt haben möchte, weil sie beispielsweise die eigene Karriere gefährden können. Wer es allerdings schafft, diese Hindernisse zu überwinden-- vermutlich am ehesten mithilfe eines Unternehmensberaters- -, dürfte mit einem hohen Ertrag an Erkenntnissen belohnt werden. Da Lomnitz nicht nur auf der Sachebene analysiert, sondern auch untersucht, wie die Betroffenen mit den Problemen umgehen, kann die Diagnose wirklich in die Tiefen des Projekts eindringen. Konkreter: Der Diagnostiker stellt beispielsweise nicht nur ständige Terminüberschreitungen fest, sondern versucht die Ursachen zu ergründen. Sie könnten ihren Grund etwa in einem Dauerkonflikt zwischen Linie und Projekt haben. Das Buch bietet, um mich zu wiederholen, mit seinen Grundlagen, Modellen, Methoden und Instrumenten und der großen Praxisnähe die Mittel für eine gründliche Analyse und ist ohne Einschränkung zu empfehlen. *Schelle, H.: A dialectical approach to project planning. In: Gareis, R. (Ed.): Handbook of Management by Projects. Wien 1990, p. 342-346.