eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0021
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2022
331 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Der andere Stromberg-Typ

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2022
Jens Köhler
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74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 01/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0021 Jens Köhler Priesberg und Ehrlich sitzen nach dem Ende einer enttäuschenden Projektteamsitzung im Besprechungszimmer. Priesberg ist richtig wütend: „Dieser verdammte Projektleiter. Erzählt uns letzte Woche noch, wie großartig unser Projekt ist und wie sehr das Management dahintersteht. Heute sagt der gleiche Mensch, das Management unterstütze das Projekt nicht mehr und ist heilfroh, dass er, der Projektleiter, dies erkannt und gestoppt hat. Der Projektleiter steht gut da, aber wir als Team nicht.“ Ehrlich winkt ab. „Wir haben es hier mit dem Stromberg- Faktor zu tun, in Anspielung an die Bürocomedy aus den 2000er-Jahren. Die Hauptrolle Bernd Stromberg bietet ein generisches Verhaltensmuster, in einer Organisation überleben zu können, ohne arbeiten zu müssen.“ Priesberg ist entsetzt: „Ich kenne die gesamte Staffel aus dieser Zeit. Nach jeder Folge wurde ich frustrierter, denn: So ganz realistisch ist das nicht. Stromberg verstößt doch schon bereits zu Anfang gegen so ziemlich alle Compliance-Regeln. Ich verstehe nicht, weshalb so viele Stromberg als Erklärung für all die Probleme im Büroalltag heranziehen.“ Ehrlich kann ein Lachen nur schwer unterdrücken. „Auf der Inhaltsebene hast du völlig Recht, auf der Metaebene sehe ich da Anknüpfungspunkte. Welches Projekt verfolgt Bernd Stromberg? “ Priesberg entgegnet matt: „Natürlich das Projekt ‚Bernd Stromberg‘ und sonst nichts.“ Ehrlich antwortet: „Genau. Und daher lohnt es sich nach den Verhaltensmustern zu schauen.“ Priesberg erklärt: „Das ist einfach. Wenn ich immer auf der Sonnenseite stehen will, dann brauche ich Unterstützer. Also stelle ich mich bei den Menschen, die mich gerade am besten unterstützen können, ins richtige Licht, ohne Rücksicht auf vorherige Absprachen gegenüber anderen Personen. Getreu dem Satz: ‚Was geht mich mein Geschwätz von gestern an.‘ Die Rolle Stromberg verkörpert das auf eine perfide Art und erzeugt damit eine wahnsinnige Dynamik.“ Ehrlich unterdrückt sein Lachen immer noch: „Und auch auf sehr unterhaltsame Weise, wie ich zugeben muss. Ich habe unlängst alle Staffeln in einer Woche gesehen.“ Priesberg bleibt monoton: „Gratuliere! Das nenne ich Bildung. Und da dieses Muster frei von jedem Sachinhalt ist, fürchte ich, es ist universell anwendbar, du hast es ja vorhin als generisch bezeichnet. Tja, dann komme ich zu dem einfachen Schluss: Mach‘ es wie Stromberg, und du bist im Büro erfolgreich.“ Ehrlich fällt ihm ins Wort: „…und alle anderen schauen in die Röhre, Klappe, letzter Vorhang und Schluss ist. Damit ist dann auch jede Diskussion über Projektmanagement oder Management sinnlos, meinst du das? “ Priesberg antwortet einsilbig: „So ungefähr.“ Ehrlich ermutigt ihn: „Im wahren Leben werden Organisationen, wie zum Beispiel unsere Firma, am Ende daran gemessen, dass ein Gewinn eingefahren wird. Es müssen tatsächlich Dinge hergestellt werden, seien es Güter, Dienstleistungen oder Software.“ Priesberg, weiterhin genervt, fährt ihn an: „Soll das jetzt BWL für Anfänger werden? Dafür habe ich wirklich keinen Bedarf-…“ „Nicht so hastig, lieber Kollege“, ruft Ehrlich schnell und fährt fort: „Ich will damit sagen, ein reiner Stromberg, nennen wir ihn Stromberg-Typ A, bringt in einer Organisation nichts voran. Es geht mir eher um einen abgeleiteten Typ, nennen wir ihn Stromberg-Typ B. Mit einer prinzipiellen Änderung können wir aus ihm sogar was Produktives machen.“ Priesberg wirkt langsam motiviert: „Also ein Typ, der reale Projektziele vor Augen hat und sich trotzdem opportunistisch verhält? “ Ehrlich bestätigt, „ja, so kann man es ausdrücken. Und dieser Typ kann eine Organisation tatsächlich voranbringen: Er wird seine Ziele mit denen der Organisation zur Deckung bringen und dadurch ein Momentum erzeugen, das ein Projekt nach vorne bringt.“ Priesberg unterbricht: „Weil er Menschen das Gefühl gibt, für einen Augenblick wichtig für ihn zu sein? “ Ehrlich beschwichtigt. „Ganz genau. Verstehe mich nicht falsch: Ich möchte für diesen Typ nicht wirklich werben, aber er kann Dinge nach vorne bringen, wie es durch reine Sacharbeit oft nicht erreicht werden kann. Denn die konzentriert sich mehr auf die Inhalte und weniger auf deren Außenwirkung. Priesberg wirkt erleichtert: „Organisationen ziehen solche Typen an. Das habe ich jetzt verstanden. Persönlich sollte man solchen Menschen emotional mit Distanz begegnen. Aber sinnvoll arbeiten lassen können wir sie schon. Somit ist Stromberg kein unausweichliches Schicksal.“ Eingangsabbildung: © iStock.com / Comback Images Kolumne Der andere Stromberg-Typ Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com