PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0028
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/51
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie „Mäuseohren“ zu mehr Resilienz führen
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Oliver Steeger
Bei vielen Mitarbeitern liegen die Nerven blank. Bereits normale Arbeitstage fordern sie bis an ihre Grenze. Für Projektteams ein Problem: In schwierigen Phasen, wenn Mitarbeiter zusätzlich gefordert sind, geht manchen die Puste aus. Häufig mangelt es an Resilienz, die Kraftreserve für Krisen. Der Wissenschaftler PD Dr. Roman Soucek (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sieht gute Chancen, bei einzelnen Mitarbeitern und im Team Resilienz aufzubauen. Im Interview erklärt er, wie Einzelne, Teams und Organisationen an ihrer Resilienz arbeiten können. Die gute Nachricht: Resilienz lässt sich fördern. Besser noch: Wer zugleich die Resilienz von Mitarbeitern, Teams und sogar des Unternehmens verbessert – der schöpft das Potential ganz aus.
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4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 02/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0028 Im Team Kraftreserven für Krisen aufbauen Wie „Mäuseohren“ zu mehr Resilienz führen Oliver Steeger Bei vielen Mitarbeitern liegen die Nerven blank. Bereits normale Arbeitstage fordern sie bis an ihre Grenze. Für Projektteams ein Problem: In schwierigen Phasen, wenn Mitarbeiter zusätzlich gefordert sind, geht manchen die Puste aus. Häufig mangelt es an Resilienz, die Kraftreserve für Krisen. Der Wissenschaftler PD Dr. Roman Soucek (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sieht gute Chancen, bei einzelnen Mitarbeitern und im Team Resilienz aufzubauen. Im Interview erklärt er, wie Einzelne, Teams und Organisationen an ihrer Resilienz arbeiten können. Die gute Nachricht: Resilienz lässt sich fördern. Besser noch: Wer zugleich die Resilienz von Mitarbeitern, Teams und sogar des Unternehmens verbessert-- der schöpft das Potential ganz aus. Die psychischen Belastungen nehmen im Arbeitsleben zu. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Begriff „Resilienz“. Landläufig wird darunter verstanden: Es handelt sich um individuelle psychische Widerstandskraft. Entweder man hat diese Eigenschaft-- oder man hat sie nicht. Herr Dr. Soucek, als Wissenschaftler rücken Sie dieses schiefe Bild gerade. Was muss man hinsichtlich der Resilienz präzisieren? Dr. Roman Soucek: Dieses Bild der Widerstandskraft ist tatsächlich weit verbreitet. Viele meinen, dass resiliente Menschen immun sind gegenüber belastenden Situationen-- oder dass ihnen Stress sogar nichts anhaben kann. Aus meiner Sicht ist dies wenig zutreffend. Resiliente Menschen sitzen nicht in ihrer Burg und lassen nichts an sich herankommen. Auch resiliente Menschen durchleben stressige, kraftraubende Situationen. Der Unterschied ist, dass sie sich davon schneller erholen können. Ich bezeichne Resilienz deshalb als schnelle und gute Erholungsfähigkeit. Stress und Erschöpfung können sich dadurch nicht aufschaukeln, wenn stressige Situation kurz nacheinander auftreten. In dem Begriff Erholungsfähigkeit steckt das Wort Fähigkeit. Im Gegensatz zu Eigenschaften kann man Fähigkeiten lernen. Gilt dies auch für Resilienz? Kann man sie lernen? Langsam! Resiliente Menschen haben sowohl bestimmte Eigenschaften als auch Fähigkeiten. Wir nennen in unserem wissenschaftlichen Modell die Eigenschaften „Ressourcen“ und die Fähigkeiten „Prozesse“. Was das Lernen und Trainieren betrifft: Man kann an beidem arbeiten, sowohl an den Ressourcen als auch an den Prozessen. Wie kann man Ressourcen trainieren? Zwei für Resilienz wesentliche Ressourcen sind Optimismus und Achtsamkeit. Aus wissenschaftlicher Forschung wissen wir, dass Menschen durch bestimmte Übungen beide Ressourcen stärken können. Das ist empirisch gut belegt. Heute bezahlen sogar einige Krankenkasse Achtsamkeitskurse. Wie sieht es mit den Prozessen aus? Auch sie kann man trainieren. Prozesse sind gewissermaßen Strategien oder Werkzeuge, die einem helfen mit akuten Krisensituationen umzugehen. Zum Beispiel: Nach einem Schrecken hilft es, dreimal tief durchzuatmen. Danach ist man wieder geerdet. Ein anderes Beispiel: Muss man in einer Krise intensiv an einer Lösung arbeiten, kann es helfen, sich Reportage | Wie „Mäuseohren“ zu mehr Resilienz führen 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 02/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0028 von Telefonen und Internet bewusst abzukapseln. Jeder kann solche Strategien lernen, sich diese für Krisenzeiten zurechtlegen und in einer Art Werkzeugkiste sammeln. Einen Punkt verstehe ich nicht ganz. Weshalb braucht man sowohl Ressourcen als auch Prozesse wie etwa Strategien und Werkzeuge? Die situationsübergreifenden Ressourcen sind die Grundlage und helfen uns, die Prozesse in einer akuten Krisensituation umzusetzen. Ich erläutere den Zusammenhang zwischen Ressourcen und Prozessen gerne an dem Beispiel eines Schäferhunds: Stellen Sie sich einen Schäferhund vor, der eine Schafherde hütet. Dafür braucht der Hund zum einen bestimmte Eigenschaften, etwa Schnelligkeit und körperliche Ausdauer. Zum anderen braucht er Prozesse, verlorengegangene Schafe wieder zur Herde zurückzubringen. Er wird sie vielleicht einkreisen, ihnen den Weg abschneiden und sie langsam zur Herde zurücktreiben. Dies zeigt, dass Ressourcen situationsübergreifend sind, Prozesse dagegen sich auf die Bewältigung einer konkreten Situation richten. Was bedeutet dies für Resilienz? Ein Beispiel dazu: Resiliente Personen gehen mit einem gewissen Optimismus in die Krise; sie gehen davon aus, dass die Krise für sie gut ausgehen wird und vielleicht sogar etwas Gutes hat. Optimismus ist eine Ressource. Wer mit dieser Ressource in eine Krise geht, wird seine Fähigkeiten zuversichtlicher einsetzen. Er wird sich an die Problemlösung machen, weil er im Inneren überzeugt ist, dass es sich lohnt. Alles wird gut! Mich interessiert, wie man die Ressourcen und Prozesse verbessern kann. Fangen wir bitte mit den Ressourcen an. Welche Ressourcen sind für einzelne Mitarbeiter hilfreich? Was macht sie resilient? Neben dem Optimismus sind beispielsweise Achtsamkeit und Selbstwirksamkeitserwartung gute Ressourcen. Selbstwirksamkeitserwartung-- was darf ich darunter verstehen? Selbstwirksamkeitserwartung ist die Überzeugung, dass man Dinge, die man anpackt, auf Grundlage seiner eigenen Fähigkeiten erfolgreich zu Ende führen kann. Mit dieser Überzeugung tritt man an problematische Situationen mit einer anderen Zuversicht heran, was zu deren erfolgreichen Bewältigung beiträgt. Auf diese Weise stärken solche allgemeinen Ressourcen das resiliente Verhalten in konkreten Situationen. Nehmen wir das Beispiel Achtsamkeit, das Sie genannt haben. Wie kann man die eigene Achtsamkeit trainieren? Achtsamkeit bezeichnet im Grunde eine unvoreingenommene Wahrnehmung dessen, was gerade um einen herum passiert und was dies in einem selbst auslöst. Diese Wahrnehmungen werden dabei nicht sofort bewertet. Dadurch entsteht eine gewisse Lücke zwischen der Wahrnehmung und der Reaktion. Eine Art Pause. Ich lerne also, nicht blind meinen vorschnellen Bewertungen zu folgen und kopflos auf ein Krisensignal zu reagieren? Ganz genau! Ein Beispiel aus dem Alltag: Im Straßenverkehr nimmt Ihnen jemand die Vorfahrt. Die erste Reaktion kann dann beispielsweise Wut und Zorn sein. Durch Achtsamkeit entsteht eine Lücke zwischen dem Reiz und unmittelbaren Reaktion. Dadurch können Sie darüber nachdenken, ob sich der Ärger für Sie lohnt. Die Lücke gibt Ihnen mehr Handlungsmöglichkeiten. Sie können sich immer noch ärgern, oder Sie sehen einfach darüber hinweg. Meistens lohnt sich der Ärger nicht. Er bringt Stress, kostet Energie und raubt einem das Wohlbefinden. Eben! Auf diese Weise hilft die Achtsamkeit, Krisen auch emotional besser zu bewältigen und sich schneller zu erholen. Für Achtsamkeit gibt es heute wirksame Lernprogramme. Achtsamkeit kann man gut lernen, es bedarf aber einiger Zeit. Soweit die allgemeinen Ressourcen. Wie sieht es mit den Prozessen aus, also mit den Fähigkeiten und Bewältigungsstrategien für akute Krisensituationen? Welche Prozesse unterstützen die Resilienz? Eine wichtige Fähigkeit ist, Ereignisse emotional schnell zu bewältigen und sie positiv umzudeuten. Positive Umdeutung bedeutet, in einer Krise nicht nur eine Belastung zu sehen, sondern vielleicht auch Lernmöglichkeiten oder Verbesserungschancen. Hinzu kommt beispielsweise die Fähigkeit, eine Lösung für ein Problem umfassend zu planen- - also einen Plan zu entwickeln, wie die Krise zu meistern ist. Dieser Plan muss natürlich umgesetzt werden. Wie darf ich diese Prozesse oder Fähigkeiten näher verstehen? Sie haben Sie eben auch als Strategien beschrieben. Vielleicht kann man sie gut „Werkzeuge“ nennen. Wenn man in eine belastende Situation gerät, greift man zu einem dieser Werkzeuge. Resiliente Menschen haben in belastenden Situationen ein umfassendes Set von Werkzeugen zur Hand. Ein simples Beispiel: Angenommen, ein schwieriger Kunde ruft an. Dann hilft es, dreimal durchzuatmen. Danach ist man deutlich geerdeter und kann wahrscheinlich angemessener reagieren. Klingt simpel-… Bei solchen Prozessen handelt sich häufig um recht einfache, alltäglich einsetzbare Strategien. Wer Resilienz aufbaut, sollte solche Prozesse bewusst sammeln, reflektieren und trainieren. Hat man solche individuellen Prozesse vor einer Krise bereits einmal durchdacht, fällt es leichter, die Prozesse anzuwenden. Entscheidend ist, dass in der belastenden Situation diese Prozesse für einen zugänglich sind. Wie kann man dieses Lernen dieser Prozesse praktisch starten? Etwa Bücher dazu lesen und Kurse besuchen? Ich halte etwas anderes für naheliegender. Mitarbeiter eines Teams oder einer Abteilung sind häufig mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Das Spannende dabei ist, dass sie auf Reportage | Wie „Mäuseohren“ zu mehr Resilienz führen 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 02/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0028 unterschiedliche Weise mit diesen Problemen umgehen. Jeder hat ja von sich aus den einen oder anderen Prozess entwickelt. Das heißt: Unter den Mitgliedern eines Teams gibt es häufig bereits eine Vielfalt von Prozessen. Diesen „Erfahrungsschatz“ kann man nutzen. Konkret bedeutet dies: In einem moderierten Workshop können sich Mitarbeiter zu ihren persönlichen Prozessen austauschen. Das heißt, der eine erklärt dem anderen, wie er mit einer belastenden Situation umgeht? Wie er es zum Beispiel in einem lauten Großraumbüro bewerkstelligt, sich auf eine Problemlösung zu konzentrieren? Ja- - wobei solch ein Workshop eine bestimmte Struktur braucht. Die Frage an die Teilnehmer, was sie generell in belastenden Situationen tun, ist viel zu weit gefasst. Man muss spezifischer werden und die Fragen weiter herunterbrechen auf konkrete Situationen. Zum Beispiel: Wie gehen die Teilnehmer mit einer unmittelbar auftretenden Emotion um- - etwa mit Ärger nach dem Anruf eines schwierigen Kunden? Oder: Wie schotten sich die Teilnehmer dagegen ab, um bei wichtigen Arbeiten nicht gestört zu werden? Wir haben unlängst einen Workshop bei einer Bank durchgeführt, in dem sich ein Team auf die „Mäuseohren“-Regel geeinigt hat. Mäuseohren-Regel? Was darf ich darunter verstehen? In dem Workshop hat ein Teammitglied seine persönliche Strategie gegen die Unterbrechungen erklärt: Er setzt sich ein Headset auf, wenn er Ruhe braucht. Dies schaut dann so aus, als ob er telefonieren würde. Deshalb hat ihn niemand gestört. Von dieser Idee war das Team begeistert. Es hat auf dem Workshop beschlossen: Trägt jemand ein Headset, wird er nicht gestört. Gleich, ob er telefoniert oder nicht. Das Headset ist ein Signal an die anderen: „Nicht ansprechen, bitte! “ Wie erklärt sich dann der Name „Mäuseohren“? In dem Team hat man Headsets mit Schalenkopfhörern verwendet, also recht große Kopfhörer, die tatsächlich an Mäuseohren erinnert haben. Daraus hat sich der Name ergeben. In den vergangenen Jahren haben Sie sich intensiv mit Resilienz im Arbeitsleben auseinandergesetzt. Sie haben dabei einen interessanten Punkt herausgearbeitet: Für die Stärkung der Resilienz sollte man nicht nur bei einzelnen Mitarbeitern ansetzen, sondern auch beim Team sowie beim Unternehmen selbst. Wir haben ein Modell mit drei Ebenen von Resilienz entwickelt: Die Ebene des Individuums, die Team-Ebene und die Organisations-Ebene. An dieser Stelle wird es für Laien etwas kompliziert. Ich verstehe Ihr Modell so, dass es nicht nur beim Individuum spezielle Ressourcen und Prozesse gibt. Auch beim Team spielen Ressourcen und Prozesse eine Rolle. Wir haben es also mit fünf Bereichen zu tun. Erstens, individuelle Ressourcen und individuelle Prozesse. Zweitens, Team-Ressourcen und Team-Prozesse. Als fünfter Bereich kommt die Ebene der Organisation hinzu, die der Resilienz einen Rahmen gibt. Wichtig bei alledem ist: Diese Elemente sind in Wechselwirkung miteinander. Sie können sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Sprechen wir bitte zunächst über die Ebene des Teams. Was unterscheidet die Team-Ebene von der individuellen Ebene? Die Anforderungen an die Teamresilienz sind anders als die an die Resilienz von Individuen. Bewältigt ein Team gemeinsam eine Krise-- dann braucht es andere Ressourcen als ein Individuum. Zu den Team-Ressourcen gehören beispielsweise ein gutes Teamklima, eine Vision des gemeinsamen Ziels sowie partizipative Sicherheit für den Einzelnen. Hinzu kommt, dass das Team seinen Mitgliedern auch psychologisch Sicherheit bietet. Team-Achtsamkeit ist wichtig, und gleiches gilt für eine gute Fehlerkultur. Inwiefern Fehlerkultur? Positive Fehlerkultur heißt: Niemand muss Angst davor haben, Fehler zur Sprache zu bringen- - weder eigene Fehler noch Fehler anderer. Wer Fehler ohne Bedenken eingestehen kann, befindet sich also in einer Art psychologischen Sicherheit. Diese allgemeine Fehlerkultur hilft besonders bei der Bewältigung von Krisen. Das Team kann bestimmte Prozesse entwickeln, mit denen Fehler gemeldet, im Team diskutiert und dann behoben werden. Hier zeigt sich übrigens ein weiteres Mal das Verhältnis zwischen Ressourcen und Prozessen. Die positive Fehlerkultur bildet die Basis dafür, beim Auftreten eines Fehlers konstruktiv mit diesem umzugehen. Wir haben vorhin gesagt, dass einzelne Mitarbeiter etwa durch Trainings oder Übungen ihre Resilienz verbessern können. Wie sieht dies bei Teams aus? Wie kann man deren Ressourcen und Prozesse verbessern? Resiliente Teams zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie eine gemeinsame Vorstellung von ihrer Zusammenarbeit haben oder auch nicht. Deshalb sollten Teams eine gemeinsame Sichtweise auf ihre Zusammenarbeit und Interaktion entwickeln: Wie geht das Team mit Fehlern um? Wie werden Informationen weitergeleitet? Das Beispiel mit den Mäuseohren, das ich eben beschrieben habe, ist solch eine gemeinsame Sichtweise. Es wird gemeinsam akzeptiert, dass Mitarbeiter für bestimmte Aufgaben ungestört arbeiten. Die Kopfhörer, so die im Team akzeptierte Regel, ist ein Signal für ein Bedürfnis. Augenblick! Teams haben doch immer solche gemeinsamen Sichtweisen und Übereinkünfte-… Da bin ich mir nicht sicher! Teams meinen vielleicht, dass sie unter bestimmten Dingen das gleiche verstehen. Doch tat- Reportage | Wie „Mäuseohren“ zu mehr Resilienz führen 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 02/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0028 sächlich gehen die Meinungen auseinander, und die Sichtweisen divergieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Frage, wie ein Team Informationen optimal austauscht. Informationen sollen schnell ausgetauscht werden. Darin sind sich vielleicht alle einig. Doch die einen sagen: Jeder ist verantwortlich, dass er für ihn wichtige Informationen holt. Die anderen dagegen: Es ist Pflicht eines jeden, wichtige Informationen sofort weiterzugeben. Push-Prinzip versus Pull-Prinzip-… Richtig. Resilient werden Teams dadurch, dass sie sich zu diesen Sichtweisen austauschen-- und bestenfalls ein gemeinsames Verständnis entwickeln. Bei all diesen Maßnahmen zur Verbesserung der Resilienz handelt sich offenbar um relativ einfache, kleine, praktikable Schritte. Wir sprechen nicht über schwierige, kostspielige und zeitraubende Trainings? Ich halte sehr viel von kleinen Maßnahmen, die über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Wir haben bei einem Unternehmen beispielsweise Mitarbeiter eingeladen, an einem webbasierten Training mit kleinen Übungen zur Stärkung der Resilienz teilzunehmen. Alles kleine Schritte. Wichtig ist, dass Mitarbeiter und Teams immer wieder Input bekommen, zum Austausch angeregt werden und neue Ideen direkt im Alltag ausprobieren können. Kleine, nachhaltige Maßnahmen-- dies ist ein Erfolgsfaktor. Bislang haben wir noch nicht über die dritte Ebene gesprochen-- die des Unternehmens. Welche Rolle spielt das Unternehmen bei dem Aufbau von Resilienz? Die Organisation gibt den Rahmen für die Interaktion für Mitarbeiter und Teams vor. Ein Beispiel: Ein Unternehmen kann Mitarbeitern Handlungsspielraum geben. Handlungsspielraum hilft dem Einzelnen, seine persönlichen Resilienz-Strategien am Arbeitsplatz umzusetzen. Die Regel mit den Mäuseohren-… Das Team durfte über diese Regel selbst entscheiden. Ja. An diesem Punkt zeigt unsere Forschung einen interessanten Effekt: Die Selbstwirksamkeitserwartung ist eine wichtige Ressource auf der individuellen Ebene. Kommt jetzt auf der organisationalen Ebene Handlungsspielraum dazu- - dann wirkt dies wie ein Booster. Der Effekt auf die Resilienz wird potenziert. Was, wenn kein Handlungsspielraum besteht? Bei manchen Tätigkeiten besteht kein Spielraum. Aber dann führt ein anderer Mechanismus zur Resilienz. Die Ressource Achtsamkeit entfaltet in solchen Fällen eine Art Pufferwirkung. Eine Art „Schutzwirkung“ gegen die Enge eines Arbeitsplatzes ohne Handlungsspielraum? Ja. Dies zeigen die empirischen Daten. Wir haben es hier mit vielfältigen und intensiven Wechselwirkungen zwischen den Ebenen zu tun. Mal kann der Rahmen Positives fördern, mal Negatives abfedern. Alles hängt mit allem zusammen. Es ist also vorteilhaft, Resilienz auf allen Ebenen zu fördern. Dies bedeutet vermutlich, dass man auch auf der Ebene der Organisation Resilienz fördern kann? In einem unserer Projekte haben wir innerhalb der Organisation Ansprechpartner für das Thema Resilienz ausgebildet. Das waren Mitarbeiter auf allen Ebenen, die sich bereiterklärt hatten, Kollegen Fragen zur Resilienz zu beantworten und ihnen Rat zu geben. Also Multiplikatoren? Ja, im gewissen Sinne. Wir wollten den Mitarbeitern Gelegenheit zum Austausch geben, ohne dass sie fürchten müssten, wegen vermeintlichen „Psychofragen“ schief angeschaut zu werden. Zudem haben wir in einem Unternehmen einen Info-Film gedreht, um die Idee der Resilienz zu promoten. In dem Film haben sich Mitarbeitende des Unternehmens zum Thema Resilienz geäußert, was die Aufmerksamkeit und Akzeptanz des Themas in der Kollegenschaft gefördert hat. Eine letzte Frage zur Praxis. Was empfehlen Sie Projektmanagern, die ihr Team resilient machen wollen? Mein Vorschlag ist, mit einem Workshop zum Perspektivenabgleich im Team zu starten. Die Aufgabe, solch einen moderierten Workshop durchzuführen, ist vielleicht nicht ganz einfach. Doch das kann man lernen. Aus unserer Forschung heraus haben wir einen anwendungsbezogenen Online-Kurs entwickelt. Der kostenlose Kurs heißt „Stark in Alltag und Arbeit-- Resilienz auf Individueller und kollektiver Ebene“ und richtet sich besonders auch an Führungskräfte. Der Kurs wird über die Plattform „Virtuelle Hochschule Bayern“ angeboten. Also ein Tipp für den Einstieg? Auf jeden Fall ein niederschwelliges Angebot, sich weiter mit dem Thema Resilienz auseinanderzusetzen. Eingangsabbildung: © iStock.com/ max-kegfire PD Dr. Roman Soucek PD Dr. Roman Soucek ist akademischer Oberrat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und vertritt derzeit eine Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie an der MSH Medical School Hamburg. Er bringt langjährige Erfahrung in der anwendungsorientierten Forschung mit und hat mehrere Projekte zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz bearbeitet. Beispielsweise koordinierte er das Verbundprojekt Resilire, bei dem in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen und betrieblichen Partnern anwendungsorientierte Instrumente zur Diagnose und Förderung der Resilienz von Beschäftigten entwickelt und evaluiert wurden. Aktuell befasst er sich mit Arbeitsverdichtung aufgrund von neuen Formen der Arbeit und der Auswirkung auf die Gesundheit und Leistung von Beschäftigten. Foto: René Unger