PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Ein neues Projektmanagement braucht die Welt
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Hendrik Backerra
Robin Aden
Clemens Drilling
Ganz egal, um welchen Wandel es geht, die Umsetzung findet durch Projekte statt, oder – im politischen Raum – durch sogenannte strategische Initiativen, deren Kernelemente aber wieder Programme und Projekte sind. Damit kommt dem Projektmanagement eine wesentliche Verantwortung zu, denn es ist der größte Hebe., den wir haben, Nachhaltigkeit tatsächlich „auf die Straße“ zu bekommen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, müssen wir die Art und Weise, wie wir gute Projekte machen, radikal ändern. Wir empfehlen die Einführung eines multiperspektivischen Initiativen- und Projektmanagements, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, auf Werten wie Integrität, Teilen und Vertrauen basiert und auch die Nachhaltigkeit unseres Planeten wie auch den Wohlstand unserer globalen Gemeinschaft miteinbezieht.
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4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 Ein neues Projektmanagement braucht die Welt Hendrik Backerra, Robin Aden, Clemens Drilling Schlagwörter | Ganz egal, um welchen Wandel es geht, die Umsetzung findet durch Projekte statt, oder- - im politischen Raum- - durch sogenannte strategische Initiativen, deren Kernelemente aber wieder Programme und Projekte sind. Damit kommt dem Projektmanagement eine wesentliche Verantwortung zu, denn es ist der größte Hebel, den wir haben, Nachhaltigkeit tatsächlich „auf die Straße“ zu bekommen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, müssen wir die Art und Weise, wie wir gute Projekte machen, radikal ändern. Wir empfehlen die Einführung eines multiperspektivischen Initiativen- und Projektmanagements, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, auf Werten wie Integrität, Teilen und Vertrauen basiert und auch die Nachhaltigkeit unseres Planeten wie auch den Wohlstand unserer globalen Gemeinschaft miteinbezieht. Schlagwörter | G20, Earth's Overshoot Day, Nachhaltigkeit, Agenda 2030, ViPM, Standards GLOBALE HERAUSFORDERUNG Unser Planet steckt in der Krise. Der sogenannte Earth's Overshoot Day, von dem ab wir jedes Jahr mehr Ressourcen verbrauchen, als der Planet wieder regenerieren kann, fiel im Jahr 2021 auf den 29. Juli. „Bis zu 30 % aller Säugetier-, Vogel- und Amphibienarten werden in diesem Jahrhundert vom Aussterben bedroht sein“ (Rockström, Steffen, Noone 2009). Klimachaos, Massenarmut, Massenmigration-- wir sind in ein Zeitalter großer Störungen eingetreten (Scharmer und Kaufer 2009). Auf der Grundlage der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung- - Formulierungen, die für das Überleben der globalen Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung sind- - versprechen zahlreiche strategische Initiativen mit ihren Projektportfolios und zahllosen Programmen und Projekten, notwendige Ergebnisse zu liefern, sowohl global in der UN als auch auf europäischer wie nationaler Ebene. Als mittelfristig außerordentlich wirksames Beispiel sei der ESG-Standard genannt, der drei nachhaltigkeitsbezogene Verantwortungsbereiche für Unternehmen beschreibt. Das „E“ für Environment steht hierbei z. B. für Umweltverschmutzung oder -gefährdung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen (Umwelt). Social („S“) beinhaltet Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement (Corporate Social Responsibility). Unter Governance („G“) wird eine nachhaltige Unternehmensführung verstanden. Hierzu zählen z. B. Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse (Corporate Governance). Darauf basieren bereits heute Kennzahlensysteme der EU und diverse Nachhaltigkeitsratings [ESG-Kriterien • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon]. Initiativen und Projekte sind damit das wichtigste Instrument, mit dem strategische Veränderungen umgesetzt werden (Mansell, Simon, Plodowski 2019). Doch mehr als 50 % aller weltweit durchgeführten Projekte liefern nicht die erwarteten Ergebnisse (PMI 2019), und trotz mehrerer Veröffentlichungen (Gavlin, Tywoniak, Sutherland 2021; Ellmann, Månsson 2009) sind sowohl das Portfolioals auch das Projektmanagement (PM) weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Tatsächlich gibt es trotz einiger vielversprechender Versuche (Jaes, Faganel 2013; McManus, Cacioppe 2011; Silvius et al. 2017) kaum ein gemeinsames Verständnis für ein „nachhaltiges“ Portfolio- und Projektmanagement. Die Hinweis: Dieser Artikel ist Teil des Communiqués der Globalen Values Community (values20.org) für die G20. Er wurde im November 2021 im Rahmenprogramms des G20 Gipfels in Rom vorgestellt. Reportage | Ein neues Projektmanagement braucht die Welt 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 hohe Zahl gescheiterter Projekte macht deutlich, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Etablierte Projektmanagementprinzipien basieren auf einer Denkweise von gestern, einem Top-down-Ansatz für Budget, Umfang, Zeit und Führung (Silvius et al. 2017). Es fehlt ihnen an langfristiger Verantwortlichkeit. Die Entscheidungsträger konzentrieren sich auf die termingerechte Fertigstellung und die Kostenkontrolle als ihre Benchmarks, aber sie sind kaum bereit, engagierte Menschen zu schätzen und die Auswirkungen der Projektergebnisse nach dem Projektabschluss ebenfalls zu berücksichtigen. Obwohl wir wissen, dass der Erfolg von Projekten wesentlich von der Qualität der Führung abhängt, wird Projektmanagement immer noch als methodisches Instrumentarium und nicht als Führungskonzept verwendet. Stakeholder-Themen werden in den PM-Normen nur oberflächlich behandelt. Ihre Einbindung in den Kontext der nachhaltigen Entwicklung erfordert einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Kultur und Werte. Anstelle des heutigen Management-of-Stakeholder- Ansatzes (d. h. Stakeholder dazu zu bringen, die Projektanforderungen zu erfüllen und dem Projekt nicht „im Wege zu stehen“) könnte ein Management-for-Stakeholder-Ansatz von Vorteil sein (Eskerod, Huemann 2013). Die globale Herausforderung besteht darin, alle Stakeholder-Gruppen einzubinden, indem organisatorische Werte mit menschlichen Werten zusammengebracht und mit den Strukturen, Prozessen und gewünschten Projektergebnissen in Abstimmung gebracht werden. Das Projektmanagement stützt sich häufig auf das Menschenbild der Theorie X mit seiner strengen hierarchischen Entscheidungsfindung und Kommandostruktur. Unterschiede zwischen den Individuen oder kulturellen Gepflogenheiten werden meist nicht genügend beachtet und in die Tagesarbeit miteinbezogen, ja oft überhaupt nicht wahrgenommen. Das traditionelle Projektmanagement bietet kaum Konzepte zur partizipativen Entscheidungsfindung oder Prozesse zur Problemlösung, Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird daher meist nur für das organisationale Lernen des eigenen Kompetenzwerkes verwendet (Lessons Learned). Soziale Indikatoren, die aus den SDGs abgeleitet sind, Umwelt-, Sozial- und Governance-Indikatoren (ESG), Corporate Social Responsibility (CSR) oder andere nachhaltige Indikatorensysteme wie die Taxonomie der Europäischen Union (EU) oder das von Green Project Management (Carboni et al. 2018) vorgeschlagene System sind im Projektalltag fast völlig abwesend. Tharp betont, dass „Nachhaltigkeit nicht nur bedeutet, ‚grün‘ zu sein und sich unserer Auswirkungen auf die Umwelt bewusst zu sein. Wir müssen auch die Risiken im Zusammenhang mit Arbeitspraktiken, Menschenrechten, fairen Geschäftspraktiken und Verbraucherfragen bewerten“ (Tharp 2012). GLOBALE LÖSUNG „Im dritten Jahrtausend haben wir Menschen die Möglichkeit, ein Zusammenspiel mit dem planetarischen Lebensraum zu entfalten, der organismisch und zukunftsfähig ist. Es geht jetzt darum, das Alte zu transformieren und eine neue Kultur zu schaffen, die eine tiefe Integration von Menschen und Natur in den Lebensprozess in den Mittelpunkt unserer Orientierung stellt.“ (Dahm 2019) Die Autoren schlagen ein wertebasiertes (value based), integrales Initiativen- und Projektmanagement (ViPM) vor, einen neuen Ansatz, der die Herausforderungen des traditionellen Projektmanagements überwindet und die Erfolgsquote von Projekten deutlich erhöht. ViPM kann einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der SDGs leisten. ViPM ist ein wertebasierter Ansatz für das Initiativen- und Projektmanagement Die Initiativen der G20 bewegen sich in einer Welt der komplexen globalen Herausforderungen und können auch nur durch globale Zusammenarbeit gemeistert werden. Die Akteure kommen aus verschiedenen Kulturen mit ihren je eigenen Wertvorstellungen. Das kann zu einem Spannungsfeld durch unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationen führen, z. B. in Bezug auf den Wert Nachhaltigkeit. Wenn man die unterschiedlichen Wertesysteme anerkennt und sie in einem partnerschaftlichen Prozess für das konkrete Vorhaben unter einem Dach gemeinsamer Werte vereinen kann, dann können in der Qualität der Umsetzung neue Maßstäbe gesetzt werden. ViPM begreift die Unterschiedlichkeit von Werten der Menschen als Potenzial. ViPM folgt der Theorie Y von McGregor (McGregor 1960) und geht davon aus, dass Menschen intrinsisch motiviert sind und daran arbeiten, sich selbst weiterzuentwickeln, ohne eine direkte Belohnung zu suchen. Gute Projekte werden von Men- Abbildung 1: Beispielhafte Übersicht ESG Kriterien (Quelle: www.wuestpartner.com, ESG-konforme Immobilienbewertung) Reportage | Ein neues Projektmanagement braucht die Welt 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 schen, die die volle Verantwortung für ihr Tun übernehmen und nicht überwacht werden müssen, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Der wertebasierte integrale PM Ansatz definiert Führung daher als eine dienende (ermöglichende) Aufgabe. Es geht darum, dem Team Hindernisse aus dem Weg zu räumen, anstatt ihm die „Wahrheit“, oder „wo es lang geht“ mitzuteilen. Die ViPM-Führungskraft versteht die Einzigartigkeit der Einzelnen und die Vielfalt ihrer Wertesysteme. Oft wird das Spiral Dynamics Modell von Clare Grave-- oder eines der Nachfolgemodelle-- verwendet, um die Teammitglieder in Haltung und Verhalten besser zu verstehen. Es dient auch als Hilfsmittel für die respektvolle Anerkennung der Beteiligten während der gemeinsamen Arbeit. Spiral Dynamics ist ein äußerst nützliches Modell, das bei der Analyse von Stakeholder-Umgebungen angewendet werden kann (Drilling 2019). ViPM definiert den Begriff Erfolg neu Projekte sind nicht nur für den kurzfristigen Output, also die Erreichung der vereinbarten konkreten Ziele verantwortlich, sondern auch für die mittel- und langfristigen Auswirkungen ihrer Ergebnisse. Damit kommen zu den traditionellen Erfolgskriterien- - Einhaltung des Zeitplans, des Budgets, der Qualität-- Kriterien für die Nachhaltigkeit hinzu, ganz gleich, ob sie nun nach dem oben erwähnten ESG- oder mit dem „Triple-Bottom-Line“ Ansatz (Menschen, Ökologie, Ökonomie) strukturiert werden. In Zukunft werden auch die Kriterien der Werte- und der kulturellen Orientierung eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Projekterfolgs spielen. Die „Triple Bottom Line" kann die SDGs mit normativen Projekterfolgskriterien verbinden (Mansell, Philbin, Plodowski 2019). Visualisiert wird aus dem magischen Dreieck des traditionellen Projektmanagements durch die Erweiterung der Ecken „Kultur“ und „ESG“ die Doppelpyramide für Nachhaltigkeit im ViPM. ViPM wirkt in vier Dimensionen Mindset, Kultur, Kompetenzen und Systeme Als wegweisender Ansatz für das Initiativ- und Projektmanagement erneuert ViPM die Governance-Prinzipien und legt den Schwerpunkt auf eine wertebasierte, nachhaltige Projektgestaltung und -durchführung, die die vier Dimensionen Mindset, Kompetenzen, Systeme (Werkzeuge) und kulturelle Arbeit miteinander verbindet (Barrett 2017) und daher als integral bezeichnet wird. ViPM entwickelt sich zu einer Teammoderation, bei der das Ausbalancieren widersprüchlicher Erwartungen aufgrund unterschiedlicher Denkweisen in gegenseitigem Respekt zu einem zentralen Bestandteil jeder werteorientierten Initiative und jedes Projekts wird. Im Mittelpunkt von ViPM steht das Management für die Interessengruppen. Um in multikulturellen Umgebungen etwas zu erreichen, sind neue Modelle der Zusammenarbeit erforderlich, wie z. B. Soziokratie, Deep Democracy, Multi-Stakeholder-Partnerships, bei denen Projektteams und Stakeholder in die Lage versetzt werden, Probleme partizipativ zu lösen und Entscheidungsprozesse mitzugestalten. Die Zusammenarbeit der Zukunft nutzt gut ausgestattete physische und virtuelle Räume. Digitalisierte Prozesse, Plattformen und Kommunikationsgeräte fördern die Zusammenarbeit auf globaler Ebene. Um diese unterstützenden Technologien möglichst effektiv zu nutzen, müssen Teams eine respektvolle Zusammenarbeit entwickeln. Ein integrales Stakeholder-Management und Multi-Stakeholder-Partnerschaften schaffen eine Vertrauenskultur, die Projekte beschleunigt sowie die Integrität und den Austausch der Beteiligten fördert. Die Integration von Nachhaltigkeit ist das Kernstück von ViPM In Anlehnung an Silvius und Schipper (2014a, 2014b) definieren wir nachhaltiges Projektmanagement als die Planung, Abbildung 2: PM Erfolg neu definieren (Doppelpyramide, eigene Darstellung) Abbildung 3: ViPM: Vom übergeordneten Sinn bis zum Einzelprojekt (eigene Darstellung) PRAXIS KOMMUNIKATION ist das Magazin für angewandte Psychologie in Coaching, Training und Beratung. Wir berichten aus der Praxis der Veränderungsarbeit. Coaches und Trainer lassen sich bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen und schreiben über ihre eigenen Erfahrungen mit Methoden, Tools, Klienten und Beratungssituationen. Theoretische Ansätze und neue Forschungserkenntnisse kommen bei uns nicht zu kurz - wir bereiten sie verständlich auf und laden zum Weiterdenken ein. Wir geben Orientierung über Trends, neue Konzepte und Entwicklungen in der Trainings- und Beratungsbranche - das alles geprägt von einem humanistischen Menschenbild. w w w. p k m a g a z i n . d e 8 . J a h r g a n g A u s g a b e 3 J u n i / J u l i 2 0 2 2 12 € 19 18 3 I S S N 2 3 6 4 - 6 8 0 2 P R A X I S K O M M U N I K A T I O N PRAXIS KOMMUNIKATION ANGEWANDTE PSYCHOLOGIE IN COACHING, TRAINING UND BERATUNG 3 202 2 K reative Lösungen im Coaching LASST UNS SPIELEN! Kreativität - du Miststück! / / / Gedanken eines Scanners „Nein, ich bin nicht zu teuer! “ / / Preise selbstsicher vertreten Spielerische Interventionen / / Das EMDR des 21. Jahrhunderts www.pkmagazin.de PRAXIS KOMMUNIKATION jetzt probelesen! Das E-Journal bieten wir ab sofort zum dauerhaft vergünstigten Preis von € 48 an! PRAXIS KOMMUNIKATION gibt es im Zeitschriftenhandel und im Abo als Print- und E-Journal. Testen Sie uns - bestellen Sie unter www.junfermann.de das günstige Probe-Abo (3 Hefte für € 20,00 inkl. Versandkosten). Das Magazin für Profis. Und solche, die es werden wollen. Reportage | Ein neues Projektmanagement braucht die Welt 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 Überwachung und Steuerung von Prozessen der Projektdurchführung und der Projektunterstützung unter der Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Aspekte in Bezug auf Ressourcen, Prozesse und Ergebnisse. Nachhaltiges Projektmanagement zielt darauf ab, Vorteile für die Beteiligten zu erzielen und die Leistung auf transparente, faire und ethische Weise zu gewährleisten, die eine proaktive Beteiligung der Beteiligten einschließt. Nachhaltigkeit in Initiativen und Projekten umfasst die folgenden drei Bereiche, die für ein besseres Verständnis getrennt betrachtet werden sollen. Nachhaltigkeit im Hinblick auf den Projektgegenstand und die Projektziele Diese Dimension berücksichtigt den Grad der Integration von Nachhhaltigkeitszielen im Projektgegenstand, seien es Initiativen im Rahmen der 17 SDGs oder ihrer insgesamt 169 Unterzielen, seien es Projekte mit dem Gegenstand der Entwicklung entsprechender Kennzahlensysteme, des Monitorings oder der (jährlichen) Berichterstattung. Für Deutschland beispielsweise wird der Pfad zur Erreichung der SDGs in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) beschrieben. In ihr sind die Prinzipien für das Management von Nachhaltigkeitsherausforderungen festgelegt, für jedes der 17 Ziele konkrete Unterziele und Maßnahmen aufgezeigt sowie Indikatoren zur Überprüfung des Handlungsfortschritts definiert. Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Produktionsprozesse Unabhängig vom Projektgegenstand kann der Grad von Nachhaltigkeit gemessen werden in Bezug auf eingesetzte Produktionsverfahren, auf die Verwendung (und Herkunft) von Materialien, Maschinen, Werkzeugen, Dienstleistungen Dritter, oder Finanzierungen. Für diese Dimension erarbeitet die Europäische Union aktuell ein umfangreiches Kennzahlensystem zur Steuerung von Finanzströmen in der Zukunft (die ESG-Metriken). Ein Fokus auf Nachhaltigkeit anerkennt die Interdependenz von Organisationen und der Gesellschaft im weiteren Sinne und umfasst Menschenrechte, Kampf gegen die Diskriminierung von gefährdeten Gruppen, Bürgerrechte, Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit sowie Entwicklung und Ausbildung, Umwelt, nachhaltige Ressourcennutzung und Wiederverwendung (Kreislaufwirtschaft), Vermeidung von Umweltverschmutzung und Eindämmung des Klimawandels, faire Geschäftspraktiken, Korruptionsbekämpfung, fairer Wettbewerb und Achtung der Eigentumsrechte, Verbraucherfragen, faire Vertragspraktiken, Streitbeilegung und faires Marketing, und Engagement für die Gemeinschaft, Ausbildung und Qualifizierung von Mitarbeitern, Schaffung von Wohlstand und Einkommen und Engagement für die Gemeinschaft. Nachhaltigkeit der Führungsprozesse Die traditionelle Projektplanung konzentriert sich lediglich auf Kosten, Qualität und Zeit. Ein wertebasiertes (integrales) Projektmanagement berücksichtigt soziale und ökologische Dimensionen bei der Projektplanung und -durchführung (Bozesan, Mariana 2020). Darüber hinaus integriert diese Dimension der Nachhaltigkeit die Fragen rund um die Integration von Nachhaltigkeitskonzepten in das Projektmanagement. Nachhaltigkeit bezieht sich auch auf Verantwortung und Rechenschaftspflicht sowie auf Werte in Bezug auf Ethik, Fairness und Gleichheit (Silvius et al. 2017). Diese soziale Dimension umfasst die Arbeit an günstigen Denkweisen und gemeinsamen Werten für die Durchführung eines Vorhabens (beispielsweise durch die unter Verwendung bewährter Rahmenwerke wie der CTT (Cultural Transformation Tools von Richard Barrett) ebenso wie die Beachtung des Wohlergehens der Projektteammitglieder und Stakeholder. Schon in der Analyse umfasst das ein tiefes Verständnis der Denkweise, des Wertesystems und der Bedürfnisse der Stakeholder, gefolgt von einer entsprechenden Kommunikations- und Aktionsplanung, um die Bedürfnisse der Interessengruppen und des Projekts in Einklang zu bringen. Auf Grundlage einer auf den Menschen ausgerichteten Haltung arbeiten diese Projekte mit einem fördernden Führungsstil, der auf einem ganzheitlichen Ansatz hoher Diversität der Interessengruppen und partizipativer Entscheidungsfindung beruht. Sie schaffen eine wertebasierte Zusammenarbeit, die sich auf Vertrauen, Selbstorganisation, Verantwortung und Transparenz konzentriert. Die Vorteile von Gruppenentscheidungen sind weithin bekannt: besseres Denken, bessere Akzeptanz, bessere Entscheidungen (Kaner 2014, Ellmann, Månsson 2009). Politische Empfehlungen an die Gruppe der G20 Wir empfehlen das Etablieren eines wertebasierten integralen Initiativen- und Projektmanagements (ViPM), von der Vision bis zum realisierten Nutzen. Dies bietet eine großartige Gelegenheit, die SDGs zu erreichen. 1. Den Begriff „Erfolg“ für Initiativen, Portfolios und Projekte neu definieren Erfolg aus einer nachhaltigen Perspektive bedeutet, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte zu berück- Abbildung 4: Dimensionen der Nachhaltigkeit im Portfolio-, Programm- und Projektmanagement. (eigene Darstellung) Reportage | Ein neues Projektmanagement braucht die Welt 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 sichtigen. Dazu zählt auch das Formulieren von Erfolgskriterien (Kennzahlen) in den fünf Kernbereichen Planet, Menschen, Wohlstand, Frieden und Partnerschaften- - erweitert um den Sinn (Purpose) der globalen SDGs. 2. Schaffung eines ViPM-Standards Schaffung eines Standards als normative Grundlage für die Durchführung künftiger Initiativen, Programme und Projekte. Schaffung eines ViPM-Frameworks durch Aktualisierung der bestehenden Kodizes, Verflechtung des technischen Projekts mit Maßnahmen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Einführung eines partizipativen Portfolio- und Projektgestaltungsprozesses. 3. Einrichtung eines G20-ViPM-Büros zur Umsetzung dieses neuen Ansatzes in aktuellen und künftigen strategischen Projekten. Das Büro nimmt die Bedarfe der politischen Institutionen wie des privaten Sektors auf, analysiert die global erforderlichen finanziellen und nichtfinanziellen Ressourcen und unterstützt die Durchführung dieser neuen strategischen Programme und Projekte. Das Büro kann auch als Knotenpunkt für den Aufbau einer Plattform für globale Ressourcenfinanzierungsmechanismen dienen. Dafür bietet sich die enge Zusammenarbeit mit der UNOPS an. 4. Erarbeitung eines ViPM-Ausbildungs-, -Zertifizierungs- und -Bewertungssystems für den weltweiten Wissenstransfer über ViPM, der auch Erfahrungen und bewährte Verfahren aus den durchgeführten Abbildung 5: 5+1 Kernbereiche der 17 SDGs (Quelle: vale. com, 2021) Das System, bei dem die Ressourcenplanung funktioniert Ressourcenmanagement Projektportfolio-Management Aufwand- & Kosten-Controlling Projektplanung Unverbindlich online kennenlernen! www.ressolution.ch Scheuring AG +41 61 853 01 54 info@scheuring.ch Initiativen und Projekten sammelt und zur Verfügung stellt. Unterstützend kann die Einrichtung einer ViPM-Zertifizierungsstelle sicherstellen, dass zukünftige Projektportfoliomanager und Initiativenbzw. Projektleiter ein wertebasiertes integrales Projektmanagement in hoher Qualität durchführen. 5. Aufbau einer globalen ViPM-Gemeinschaft durch die Verbindung und Erweiterung bestehender Netzwerke von traditionellem Projektmanagement und dem integralen Bereich. Befähigen Sie die nächste Generation von Projekt-Managern durch aktive Teilnahme an dieser globalen Gemeinschaft. Aufbau einer tragfähigen Kommunikationsplattform zur Stärkung der Zusammenarbeit und des Austauschs. Literatur Barrett, Richard. 2017. Values-driven organisation- - Cultural Health and Employee Well-Being as a Pathway to Sustainable Performance. New York: Routledge. Bozesan, Mariana. 2020. Integral Investing: From Profit to Prosperity. Cham: Springer. Carboni, Joel, and Duncan, William, and Gonzalez, Monica, and Milsom, Peter, and Young, Michael. 2018. Sustainable Project Management: The GPM Reference Guide. Novi: GPM Global. Dahm, Daniel. 2019. Benchmark Nachhaltigkeit: Sustainability Zeroline: Das Maß für eine zukunftsfähige Ökonomie. Bielefeld: transcript Verlag. Drilling, Clemens, and Prof. Grau, Nino, and Dr. Oswald, Alfred. 2019. “Kultur und Werte.” in Kompetenzbasiertes Projektmanagement. Nürnberg: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, Hrsg. 464-495. Drilling, Clemens, and Linder-Hofman, Bernd. 2020. “Beyond Agile- - Integrales Projektmanagement für Menschen- und Wert(e)orientierung in einer hoffnungsarmen Zeit”. Integrales Forum: Wirtschaft im Wandel, June. Anzeige Reportage | Ein neues Projektmanagement braucht die Welt 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0049 Ellmann, Sonja, and Månsson, Erik. 2009. “Holistic Stakeholder Management: Coping with Stakeholder challenges in the 21st century”. 23th IPMA World Congress, Finland. Eskerod, Pernille, and Huemann, Martina. 2013. "Sustainable development and project stakeholder management: what standards say", International Journal of Managing Projects in Business. Vol. 6 Iss 1. 36-50. Gavlin, Peter, and Tywoniak, Stephane, and Sutherland, Janet. 2021. “Collaboration and opportunism in megaproject alliance contracts: The interplay between governance, trust and culture”. International Journal of Project Management, April 5th, 23-48. 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Sein Beratungsansatz verbindet pragmatische Geschäftsentscheidungen mit einem tiefgreifenden Verständnis von Organisationsentwicklung und Kulturgestaltung, um die nachhaltige Entwicklung von Firmen zu ermöglichen. hb@hendrikbackerra.de Robin Aden Robin Aden, MHP- - A Porsche Company, Berater im Bereich Organizational Transformation, Fokus Automotive & Manufacturing Seine Expertise liegt im Bereich der integral-systemischen Organisationsentwicklung, um Unternehmen mit ihren Mitarbeitern, Werten, Strukturen und Prozessen auf die nächste Stufe der werteorientierten Zusammenarbeit zu begleiten. eMail: robin.aden@mhp.com Clemens Drilling Clemens Drilling, geschäftsführender Gesellschafter der newTrust GmbH, einem internationalen Beratungsunternehmen mit den Schwerpunkten Organisationsentwicklung und integral-nachhaltiges Projektmanagement; Initiator von pm4future für ein gemeinwohlorientiertes Projektmanagement. Delegierter der und Autor für die globale Gruppe Values 20. 2015 - 2019 Vorsitzender des Präsidialrats der GPM. eMail: clemens.drilling@newtrust.de Silvius, Gilbert, and Schipper, Ron, and Planko, Julia, and van der Brink, Jasper. 2017. Sustainability in Project Management. New York: Routledge. Tharp, Jennifer. 2012. “Project management and global sustainability.”. PMI Global Congress-EMEA. Marseilles. Eingangsabbildung: © pathdoc-- stock.adobe.com
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