eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0055
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2022
333 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Driving Digital – … but Human is Key (2)

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2022
Matthias Pietzner
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45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 Ein Plädoyer für ein „Anthropozentrisches (ITund) Projektmanagement“ im Digitalen Zeitalter Driving Digital --… but Human is Key (2) Matthias Pietzner Sie erinnern sich vielleicht? So begann dieser Beitrag in der letzten Ausgabe der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL: Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendjemand fragt, wie „das mit der Digitalisierung“ denn funktioniert- […] und was das alles mit mir ganz persönlich, mit meinem Job und meinem Umfeld zu tun hat. Und Sie? Haben Sie Ihren Standpunkt in diesen Fragen schon gefunden? Und falls ja, kennen Sie Ihren Kompass und Ihre Leitplanken für Ihren persönlichen Weg in das Digitale Zeitalter? Falls ja gratuliere ich Ihnen von Herzen; das macht gelassen und motiviert und ermöglicht Leistung! Falls nein könnte Ihnen dieser Beitrag in der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL vielleicht helfen, Antworten und Orientierung zu finden; durch Strukturierung von Themen und Gedanken, durch Zustimmung oder Aha-Erlebnisse genauso wie vielleicht durch bewussten Widerspruch oder gar Ablehnung. Fühlen Sie sich also noch einmal eingeladen, auch im zweiten Teil dieses Artikels diesem leider oft „unterbelichteten“ gleichwohl jedoch essenziellen Themen-„Komplex“ (im doppelten Sinne des Wortes) der Digitalen Transformation nachzuspüren. In der vergangenen Ausgabe sind wir in das Thema gestartet mit der „Leitfrage: Wo bleibt der Mensch? “- … in der Digitalen Transformation. Wir haben begonnen, nach Schlüsseln zu suchen, mit denen uns die Steuerung der Digitalisierung gelingen kann, ohne dass der Mensch- - wir Menschen-- dabei „unter die Räder“ kommen und mit denen wir vielleicht in der Läge sind, die Entwicklungen zu beeinflussen oder sogar zu steuern. Dabei sind wir dieser Struktur gefolgt: Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 Dort haben wir uns Gedanken zu den Teilen I bis IV gemacht: Darüber, warum Digitalisierung ohne den Menschen nicht geht, was genau „Digitalisierung steuern“ heißt und warum „der Mensch“ der Haupt-Ansatzpunkt für die Steuerung von Digitalen Entwicklungen ist. Und wir haben uns die ersten beiden der vier zentralen Kompetenzen für ein „#Driving- Digital-Projektmanagement“ näher angeschaut. Genau an dieser Stelle geht es heute weiter. Seien Sie also gespannt; kommen Sie noch einmal mit auf diese spannende Reise. Und Sie werden (wieder) staunen: der Bezug dieser „weichen“ vermeintlichen Rand-Themen zur Technologie-Kompetenz eines Unternehmens und den IT-Experten aller Couleur ist dichter und zwingender als wir das bisher meistens wahrnehmen. TEIL V : Der Wert der Aufrichtigkeit im „Nebel“ der Digitalisierung „Gorillas im Nebel“-- kennen Sie den Film , der Bilder aus dem Leben der legendären Primaten-Forscherin Dian Fossey und ihrer Arbeit in Afrika nachzeichnet? Eine sehr beeindruckende Illustration: Der oft dichte Nebel in den Bergen Ruandas hat den großen Nachteil, dass es passieren kann, dass man, wenn man dort unterwegs ist, urplötzlich Auge in Auge vor einem 2,50 m großen Silberrücken steht; wie aus dem Nichts. Wohl dem, der sich dann nicht erst noch überlegen muss, was er jetzt tun darf und was nicht, welches Equipment er vielleicht lieber nicht mitgenommen hätte oder was er hätte vorbereiten sollen, um die Situation nicht eskalieren lassen zu müssen. Die Gefahr einer Eskalation besteht- - ich denke, da stimmen Sie mir zu- - immer dann, wenn auf mindestens einer Seite der Beteiligten Unsicherheit über die Situation oder einige Details und meist damit einhergehend Angst herrscht. Angst, gefährdet zu sein, Angst schlecht behandelt zu werden, Angst missverstanden zu werden, Angst nicht genügend wertgeschätzt zu werden-…; die Liste lässt sich fortsetzen. Und Unsicherheit besteht, Sie wissen es, immer dann, wenn Informationen unvollständig sind oder ganz fehlen; oder wenn wir glauben, den Informationen, die wir haben, nicht vollständig trauen zu können; oder wenn wir wissen, dass sich Dinge und Situationen in demselben Augenblick schon wieder verändern, weiterentwickeln, bewegen, in dem wir ihnen nur kurz den Rücken zukehren, um noch weitere (vermeintlich) relevante Informationen an anderer Stelle aufzunehmen. Da ist sie wieder, die Komplexität.Soviel ist also schon mal klar: Absolute Sicherheit über die Komposition einer komplexen Situation gibt es nicht; kann es per Definition nicht geben; und schon gar nicht über ihren Zustand im nächsten Moment oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt. Ich habe es bisher nicht statistisch untersucht, in welcher genauen Korrelation der Grad der Komplexität einer Situation und die Stärke des Unsicherheitsempfindens der Beteiligten oder Betroffenen zueinander stehen, aber es ist eine streng positive Korrelation, so viel steht fest. Wenn wir an dieser Stelle noch einmal Abraham Maslow bemühen sehen wir, dass wir uns mit dem Thema Sicherheit(sempfinden) auf der zweituntersten Ebene seiner Bedürfnis-Pyramide , [12] also noch deutlich in der unteren Hälfte befinden. Der Schluss ist zwingend: Solange ich es für meine Mitarbeiter im Projekt nicht schaffe, dass sie sich in allen für sie relevanten Dimensionen (und das sind einige: Organisation, Arbeitsraum, Technologie, Sozialgefüge, (persönliche) Finanzen, Projekt- und Unternehmensstrategie u. v. m.) einigermaßen sicher fühlen wird es kaum möglich sein, sie für Aufgaben zu gewinnen und zu einer Konzentration darauf zu motivieren, welche erst ihre Bedürfnisse auf einer höheren Ebene befriedigen. Aber genau diese Aufgaben sind es, die Projekte vorwärtsbringen, die Erfolg ermöglichen und die Entwicklungen die Richtung geben können. Committment, Motivation, Kooperation, Performance, Entwicklung, Verantwortung usw. können erst entstehen, wenn zuvor ein großes Maß an Sicherheitsempfinden für den einzelnen Menschen gewährleistet ist. Und Sicherheit- - wir hatten es ja eben- - entsteht durch Kennen und Wissen und Einschätzen-Können und Sich-auf-etwas-verlassen-können im jeweiligen (Projekt-) Umfeld. Es wirkt jetzt fast banal, an dieser Stelle der Vollständigkeit halber noch zu erwähnen, was Sie tun können, um Ihren Mitarbeitern (m / w), Chefs (m / w), Kollegen (m / w), Partnern (m / w) das Gefühl zu geben, ihre jeweilige Projekt- oder sonstige Situation wirklich zu kennen, um alle Möglichkeiten und Fallstricke zu wissen, ihre eigene Position und Perspektiven wirklichkeitsnah einschätzen zu können, sich auf ihre Mitstreiter und Führungsfiguren verlassen zu können. Das Zauberwort zur Sicherheit heißt „Aufrichtigkeit“- - zu Neudeutsch: Compliance. Und dieser Begriff gilt juristisch wie ethisch gleichermaßen. Leider ist das aber wohl so gar nicht banal, wenn ich beobachte, was in unseren Digitalisierungsprojekten landauf, landab so vor sich geht. Die schönste und wohl bekannteste Definition von Compliance wird dem US-amerikanischen Forstwissenschaftler, Wildbiologen, Jäger und Ökologen Aldo Leopold zugeschrieben: „Compliance is doing the right thing when no one else is watching-- even when doing the wrong thing is legal.“ Was können Sie also tun für Ihr Projekt und Ihre Mitmenschen? Antwort: The right things- - die richtigen Dinge. Und zwar immer. Durchgehend, ohne Ausnahme. Und das ist, wenn man Mensch ist, nicht nur nicht banal, sondern echt schwer; aber wem sage ich das- … Aber die Devise heißt trotzdem: Machen! „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert“ [13] (Gustav Werner). Einen weiteren kleinen Haken hat die Sache allerdings auch noch: „richtig“ ist nicht aus Ihrer persönlichen Perspektive, nach Ihrem-- verzeihen Sie-- egoistischen Urteil gemeint. Sondern „richtig“ ist gemeint im Sinne des und der (Singular und Plural) Anderen. Alles, was der und dem und den Anderen hilft ( ! - … Denkpause- …), guttut ( ! - … Denkpause- …), wichtig ist ( ! -… Denkpause-…), was dem übergeordneten Ziel dient und einem gemeinsamen Wertekatalog folgt, ist „richtig“, ist auf-richtig und auf-richtend! Übrigens: Unsere Computer, die gesamte IT-Infrastruktur, alle Netzwerke und was an Digitalisierungstechnologie uns noch bevorsteht, ist per se „aufrichtig“, gibt Fakten wieder ohne sie zu verfälschen oder zu selektieren oder zu interpretieren (wenn diese Funktionen nicht explizit in sie hinein programmiert wurde). Wie wollen wir damit Schritt halten, wenn wir nicht auch aufrichtig und den Tatsachen und der Wahrheit verpflichtet sind? Also: Machen! Die Inhalte von Aufrichtigkeit, die im „Nebel” der Digitalen Transformation Sicherheit ermöglichen: Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 TEIL VI: Der Wert des Vertrauens im „Sturm“ der Digitalisierung Vertrauen- - ein großes Wort. Vertrauen- - ein für unser menschliches Dasein grundlegendes Wort. Vertrauen-- ja was ist das eigentlich? „Trust matters“ konkludieren die Wissenschaftler Akbar Zaheer (Minneapolis, USA), Bill McEvily (Pittsburgh, USA) und Vincenzo Perrone (Bocconi, I) schon 1998, ganz am Anfang von E-Mail und Internet, in ihrem viel beachteten Aufsatz „Does Trust Matter? Exploring the Effects of Interorganizational and Interpersonal Trust on Performance” [14]. (Im Übrigen ist das auch heute noch ein sehr aktuelles und empfehlenswertes Paper). Ganz allgemein beobachtet ist Vertrauen zunächst einmal ein Phänomen, das in unsicheren Situationen, auf gefährlichen Wegen oder bei risikobehafteten Handlungen auftritt. Wer sich einer Sache sicher sein kann, muss nicht mehr vertrauen, er „weiß“. Vertrauen ist dabei weiter auch „der Wille, sich verletzlich zu zeigen“ [15] (Margit Osterloh, Antoinette Weibel), also etwas zu tun, etwas zu wagen, das einem womöglich schaden kann, von dessen positivem Ausgang man zumindest nicht restlos überzeugt ist, den man sich aber aufgrund von Erfahrungen, die man mit dem Umfeld dieser Situation (oder mit Teilen davon) in der Vergangenheit schon gemacht hat, erhofft oder erwartet. Irgendetwas muss also schon da sein, das man kennt, auf das man sich verlassen kann und das einem das Vertrauen ermöglicht, dass da noch mehr geht. Vertrauen befähigt zum Handeln, und zwar auch und gerade in Situationen, in denen man unter Umständen mehr verlieren als gewinnen kann. Also: her mit dem Vertrauen, dann lege ich los-… Ok, so einfach ist das nicht; wissen wir. Aber wie und woher bekommen wir dieses Vertrauen, das uns befähigt, in diesem immer und überall besonders komplexen und besonders risikobehafteten Umfeld der Digitalisierung zu handeln und womöglich zu steuern? Und dieses „Vertrauen bekommen“ meint ja immer zweierlei Richtungen: das eigene Vertrauen in die Menschen und das Umfeld um einen herum (das zu einer verantwortungsvollen Entscheidungsfreiheit führt) und das Vertrauen des Umfelds und vor allem der Menschen um einen herum in einen selbst (das zu deren Loyalität einem selbst gegenüber und untereinander führt). Die erste Richtung befähigt zum Handeln und Entscheiden, die zweite zum Führen und Steuern. Wenn wir uns also ein #DrivingDigital auf die Fahnen schreiben, brauchen wir unabdingbar beides. Im Kontext der Psychologie ist Vertrauen eine wichtige Dimension der Identitätsbildung. Vertrauen muss sich also (über einen Zeitraum) bilden und ein Teil der Identität des (m) und der (w) und der (pl) Handelnden werden, um dann in Entscheidungen und Handlungen wirken zu können. Und wie anschaulich doch manchmal die deutsche Grammatik ist: die Verben „bilden“ und „werden“ beschreiben an sich bereits einen Verlauf, also einen Vorgang, also etwas, das nicht in einem Zeit-Punkt stattfinden kann, sondern einen kürzeren oder längeren Zeit-Raum in Anspruch nimmt. Vertrauen braucht also Zeit. Vertrauen muss wachsen. Auch hier stellt sich mir und vielleicht Ihnen wieder die Frage: Schließe ich noch immer zu voreilig, wenn ich (wie bereits zuvor in den Abschnitten III und IV- - siehe Heft 2 der PRO- JEKTMANAGEMENT AKTUELL) auch hier die Behauptung wage, das „Höher-Schneller-Weiter“ (also vor allem das „Schneller“) unserer Zeit ist ab einem gewissen Grad geradezu kontraproduktiv für das Vorantreiben und das Steuern von Projekten im Digitalisierungsumfeld, eben weil es Vertrauen erschwert oder verhindert? Meine persönliche Erfahrung sagt nein; aber entscheiden Sie selbst! Die logische Kette der Gedanken zum Vertrauen noch einmal zusammengefasst: Wir haben es im Umfeld der Digitalisierung mit hoher Komplexität und damit großer Unsicherheit zu tun. Zum Handeln und Steuern brauchen wir Vertrauen in beide Richtungen, unseres in andere Menschen und das der Anderen in uns. Vertrauen kann nicht eben mal „gemacht“ werden, sondern muss sich über einen Zeitraum bilden. Geschwindigkeit ist also nur von begrenztem Nutzen, auch und gerade in der Digitalisierung. (Ha! Diesen Aspekt sehen wir hier nun bereits zum dritten Mal in dieser kurzen Abhandlung! Scheint ja wirklich von Bedeutung zu sein.)- - Geradezu ein weiterer Beweis, dessen es gar nicht mehr bedurft hätte, ist diese Gedankenkette auch für die Feststellung, die wir oben im zweiten Abschnitt (ebenfalls in Heft 2 der PROJEKTMA- NAGEMENT AKTUELL) bereits gesehen hatten, dass nämlich der Mensch der Dreh- und Angelpunkt für die Steuerung in der Digitalen Transformation ist. Jedenfalls habe ich in meinen gut 50 Lebensjahren noch keine Maschine vertrauen sehen. Und zu guter Letzt auch dies noch: Wenn ich Sie jetzt fragen würde, ob Sie schon einmal „vertrauensbildenden Maßnahmen“ begegnet sind, ob Sie vielleicht selber schon einmal welche ergriffen haben, dann, so vermute ich, würden Sie sicherlich „ja“ sagen. Was aber haben Sie da genau erlebt oder getan? Und was hat es bewirkt oder warum haben Sie es getan? Haben Sie aus der Ferne jemandem etwas zugerufen? Oder haben Sie eher leise und ganz nah gesprochen? Haben Sie Vorschriften und Anweisungen vor sich hergetragen? Oder haben Sie eher Vorschläge gemacht und sich als Mensch, der auf sein Gegenüber eingeht, zu erkennen gegeben? Hat Ihnen jemand eine Forderung oder einen Arbeitsauftrag „um die Ohren gehauen“? Oder wurden Sie eher mit guten Argumenten davon überzeugt, etwas zu tun oder bei etwas mitzugehen? Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 Sie wissen, worauf ich hinaus will: Vertrauen hat immer mit dem Mensch als menschlichem Wesen zu tun; also mit einer gewissen Nähe, mit Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe und Zutrauen in Kompetenzen, miteinbeziehen und ernst nehmen, mit Offenheit und Aufrichtigkeit. Alle diese sogenannten „weichen“ Faktoren sind es, die Vertrauen bilden helfen; nicht aus Zufall wurden genau diese drei Werte „(menschliche) Nähe“, „Wertschätzung“ und „Aufrichtigkeit“ in den vorhergehenden Abschnitten beleuchtet. Sie alleine reichen sicherlich nicht, Vertrauen wachsen zu lassen, aber sie tragen sehr dazu bei- - oder sie verhindern es womöglich sogar, wenn sie im menschlichen Miteinander nicht genügend Beachtung finden. Könnte sich vielleicht lohnen, das mal (wieder) in den Blick zu nehmen. Die Inhalte von Vertrauen, die im „Sturm” der Digitalen Transformation Handlungsfähigkeit ermöglichen: Portion Unsicherheit aufgrund der für die meisten von uns kaum mehr verstehbaren Komplexität, die schließlich Angst machen kann. Dennoch gibt es, so haben wir gesehen, (im Wesentlichen zwei) Gründe, warum die Digitalisierung ohne den Menschen auch nicht geht: Erstens, weil der Mensch in Aufgaben, die seine original menschlichen Fähigkeiten wie Erfindungsreichtum, komplexe Interaktion, Empathie bis hin zu Moral und Fairness benötigen, nicht durch Maschinen ersetzt werden kann. Und zweitens, weil gerade bei digitalen Entwicklungsprojekten immer wieder der Mensch bewerten und entscheiden muss, welche Technologie in welche Richtung (weiter-) entwickelt und genutzt werden soll und darf.  Digitalisierung ohne den Menschen-- geht nicht. Und dennoch bleiben die Gefahr und die Angst, als Mensch durch digitale Technologien früher oder später „substituiert“ zu werden. Damit stand im Teil II die Frage im Raum: Was kann getan werden? Wie können die Chancen, welche in der Digitalisierung zweifelsohne auch liegen, im Sinne des Menschen genutzt und die ganze Entwicklung möglichst aktiv und zum Wohl des Menschen gesteuert werden? Um im jeweils richtigen Moment entscheiden und handeln zu können ging es zunächst darum, aufmerksam zu sein, die Veränderungen im Auge zu behalten und die Einflüsse auf uns persönlich und unsere Gesellschaft zu verstehen. Das Verstehen von Situationen, Zusammenhängen und Entwicklungen ist die Grundvoraussetzung, um zu steuern; und Steuern, aktives Sich-Beteiligen und Sich-Einbringen ist für den Menschen als Individuum zugleich sicherer und angenehmer als passiv in eine Richtung getrieben, gejagt, gestoßen oder gezwungen zu werden. Diese erstrebenswerte Position, in der Digitalen Transformation (mit) steuern zu können, brachte uns unmittelbar zum Management von Projekten, da fast alle technologischen Fortschritte und Aktivitäten in Projekten organisiert werden. Da sich aber im Lauf der Zeit und zusammen mit den technischen Inhalten der Projekte auch der Charakter der Projekte selbst verändert, helfen uns reine Methodiken, tradierte wie innovative, nicht wirklich und schon gar nicht nachhaltig weiter.Die Antwort auf die Frage, was uns denn dann aber weiterhelfen könnte, lautete: (Projektmanagement-) Kompetenz; Kompetenz als die Fähigkeit, in unterschiedlichen, immer wieder neuen Kontexten erfolgreich und verantwortungsvoll Lösungen zu finden und umzusetzen. Steuern sollte also nur der Kompetente. Und wer steuert, trägt dann auch im besten systemischen Sinn die Verantwortung für alle Ergebnisse und Folgen, die am Ende eines Projekts oder einer Entwicklung herauskommen (oder nicht herauskommen), gewollt oder ungewollt. Um nun weiter die Frage zu beantworten, was genau die Kompetenzen für ein erfolgreiches Projektmanagement im komplexen Kontext seien, haben wir uns zuerst über die möglichen Ansatzpunkte für die Steuerung Gedanken gemacht, um daraus die notwendigen Kompetenzen ableiten zu können. Die Digitaltechnik selbst zeigte sich als nicht wirklich nutzbarer Ansatzpunkt und die weiteren Überlegungen führten uns letztendlich zu den Menschen in den Projekten als entscheidendem Faktor und Stellhebel. Es müssen Menschen bewegt und befähigt und gesteuert werden, um das große Lassen Sie uns nun zum Schluss aus all dem bisher Bedachten eine Art Fazit ziehen, eine Conclusio, die uns als Menschen, Kollegen, Freunde, Mitarbeiter, Beteiligte und Betroffene für unseren jeweils ganz eigenen und für unseren gemeinsamen Weg in die Digitale Zukunft Leitplanken aufzeigt; Leitplanken, die uns Orientierung und Sicherheit und dadurch Gelassenheit geben und dadurch Motivation und dadurch Engagement und dadurch Erfolg fördern oder gar erst ermöglichen. TEIL VII-- Fazit: Alles hängt zusammen; BUT HUMAN IS KEY! Was haben wir uns also auf den vorigen Seiten (und in der vorigen Ausgabe) alles angeschaut- - und vielleicht gelernt? Lassen Sie uns zunächst gemeinsam noch einmal kurz zurückblicken, um dann auch wirklich die richtigen Schlüsse ziehen zu können (siehe nächste Seite). Begonnen haben wir unsere Betrachtung in Teil I bei den digitalen Entwicklungen, die jeder und jede von uns in seinen und ihren sämtlichen Lebensbereichen tagtäglich beobachten kann. Die Gefahr, daraus Nachteile zu erleiden oder schlimmstenfalls ganz „unterzugehen“ ist mal mehr, mal weniger spürbar, aber immer virulent. Dazu kommt eine große Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 Ganze zu bewegen und zu steuern. Es müssen die Menschen mit ihren besonderen Fähigkeiten, welche sie von Systemen, Programmen und Maschinen abheben, die Menschen, die urteilen, bewerten und weitreichende Entscheidungen treffen (sollen), überzeugt werden. Damit konnten wir uns im Weiteren auf diejenigen Kompetenzen fokussieren, die für solche Menschen-Steuerungs- und mithin Führungsaufgaben notwendig sind.  Digitalisierung steuern heißt Verantwortung übernehmen und Menschen führen In den dann folgenden vier Abschnitten dieser Reihe (Teil III-- Teil VI) haben wir uns die vier Fundamente, auf denen die Steuerung in der Digitalen Entwicklung fußt (oder fußen kann), ein wenig in der Tiefe angeschaut, um ihre besondere Bedeutung und ihren Wert als Führungskompetenzen in der Zeit der Digitalen Transformation zu verstehen; vier „weiche“ Kompetenzen, die für das menschliche Wesen sehr vertraut und bedeutsam und gerade deshalb-- wenn vorhanden-- besonders wirkungsvoll und hilfreich sind: Der Wert der Nähe (damit war sowohl die räumliche als auch die „menschliche“ Nähe gemeint) besteht darin, dass sie ein Wohlfühl-Gefühl auslöst, das selbst im Chaos weiterführt zu Selbstwert, zu Stabilität und Vertrauen und letztlich zu Motivation und Engagement. Ein zentraler Faktor, durch den diese Nähe möglich wird, ist eine mehrdimensionale Kommunikation (nach Watzlawick „analoge Kommunikation“), die nur im direkten persönlichen Austausch in der Lage ist, die Emotionalität, eine zentrale Grundfähigkeit und ein zentrales Grundbedürfnis des Menschen, mit einzubeziehen. Im Gespräch von Angesicht zu Angesicht entsteht außerhalb der Fakten-Übermittlung eine „innere“ Verbindung. Verbindungen generell geben Halt, das ist ihre Natur. Zudem hilft Nähe (in beiden oben genannten Ausprägungen), Missverständnisse zu reduzieren oder ganz zu vermeiden, was in jedem Fall der Führung wie der Zusammenarbeit in einem Projekt dienlich ist. Um diese Nähe zu erreichen, zu ermöglichen, ist eine Offenheit nötig, ein Wissen um den Anderen und die ihn beeinflussenden Faktoren, ein Kennen seiner Situation und Agenda; und notfalls auch ein Ertragen von nicht so sympathischen Eigenarten und zunächst nicht verständlichen Arbeits- und Verhaltensweisen. Diese Art von Nähe aufzubauen, braucht Zeit. Der Wert der Wertschätzung, so haben wir gesehen, zeigt sich in der Motivation, die durch sie entstehen kann, selbst wenn sie nur punktuell wahrgenommen wird. Nach der sogenannten Two-Factors-Theory von Frederick Herzberg ist die (wahrnehmbare) Wertschätzung einer der sechs zentralen Motivatoren für Menschen. Also bewirkt auch die Wertschätzung für unsere Mitmenschen im Projekt (und darüber hinaus) etwas für das Projekt, für die Zielerreichung, für den Erfolg- - und wird somit Teil des Steuerungsinstrumentariums in der Digitalen Transformation. Wertschätzung bedeutet, dass ein Mensch einen Wert hat in dem, was er tut oder ist. Und wenn einem „der oder die Andere“ etwas bedeutet, dann ist der Umgang mit ihm und ihr Wert-schätzender, Acht-samer und berücksichtigt im eigenen Handeln auch, was er oder sie braucht. Lob zum Beispiel; oder Nachsicht mit Fehlern und Unzulänglichkeiten; oder Zeit (auch um Nähe aufzubauen); oder Unterstützung in Fragen oder Aufgaben, wo es gerade passt- - oder wo es einfach notwendig ist. Das heißt dann also auch hier wieder, sich selbst an der einen oder anderen Stelle zurückzunehmen, egal in welcher Position und Rolle man steckt; eigene Bescheidenheit schafft Augenhöhe-- Gleich-Wert-igkeit! Der Wert der Aufrichtigkeit liegt darin, dass sie geeignet ist, ein großes Maß an Sicherheitsempfinden für den einzelnen Menschen wie für ein ganzes Projekt-Team zu erzeugen. Sicherheit entsteht durch Kennen und Wissen und Einschätzen-Können und Sich-auf-etwas-verlassen-Können im jeweiligen (Projekt-) Umfeld. Erst dadurch entstehen Committment, Motivation, Kooperation, Performance, Entwicklung, strategische Verantwortung usw. Der häufig synonym verwendete Begriff „Compliance“ unterstreicht die Gültigkeit und Relevanz dieser Steuerungskompetenz gleichermaßen im juristisch wie im ethischen Sinne. „Compliance is doing the right thing when no one else is watching- - even when doing the wrong thing is legal.“ Was wäre also zu tun für ein Projekt Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 und die Menschen darin? „The right things“- - die richtigen Dinge. Nicht ganz leicht, wenn man Mensch ist; aber „was nicht zur Tat wird hat keinen Wert“ (Gustav Werner). Kleiner Haken bei der Sache: „Richtig“ ist nicht aus einer individuellen Perspektive, nach einem privaten oder gar egoistischen Urteil gemeint. Sondern „richtig“ ist gemeint im Sinne des und der Anderen. Alles, was der und dem und den Anderen hilft, guttut, wichtig ist, was dem übergeordneten Ziel dient und einem gemeinsamen Wertekatalog folgt, ist „richtig“ im Sinne der Compliance, ist auf-richtig-- und auf-richtend! Der Wert des Vertrauens schließlich ist, dass es zum Entscheiden und Handeln auch im besonders komplexen und besonders risikobehafteten Umfeld der Digitalisierung befähigt, und zwar auch und gerade in Situationen, in denen unter Umständen mehr zu verlieren als zu gewinnen ist. Dieses Vertrauen meint immer zweierlei Richtungen: das eigene Vertrauen in die Menschen und das Umfeld um einen herum (das zu einer verantwortungsvollen Entscheidungsfreiheit führt) und das Vertrauen des Umfelds und vor allem der Menschen um einen herum in einen selbst (das zu deren Loyalität einem selbst gegenüber und untereinander führt). Die erste Richtung befähigt zum Handeln, die zweite zum Führen und Steuern. Wenn wir uns also ein #DrivingDigital auf die Fahnen schreiben, brauchen wir unabdingbar beides. In der Psychologie ist Vertrauen eine Dimension der Identitätsbildung. Vertrauen muss sich über einen Zeitraum bilden, um ein Teil der Identität eines Menschen zu werden und um dann in seinen Entscheidungen und Handlungen wirken zu können. Auch Vertrauen braucht also Zeit. Es muss wachsen. Damit liegt auch hier der Schluss nahe, dass das „Höher-Schneller-Weiter“ (also vor allem das „Schneller“) unserer Zeit ab einem gewissen Grad geradezu kontraproduktiv ist für das Vorantreiben und Steuern von Projekten im Digitalisierungsumfeld, eben weil es (neben Anderem) Vertrauen erschwert oder verhindert. Bis hierher also die Zusammenfassung. Und nun ziehen wir das FAZIT aus all den betrachteten Aspekten; vielleicht könnte es folgendermaßen lauten: Die Beachtung der vier Kompetenz-Größen-- Nähe, Wertschätzung, Aufrichtigkeit, Vertrauen- - im Umgang mit Menschen bei der täglichen Arbeit und in der Projektarbeit und in der Projektleitung führt ganz besonders im großen Ozean der Digitalen Transformation zu Stabilität, Innerer Stärke, Orientierung, Handlungsfähigkeit- - und damit im weiteren kausalen Zusammenhang zu  Motivation, und damit zu  Engagement, und damit zur  Bewältigung der Herausforderungen, und damit also zu  Erfolg und Nutzen. Wer dies kann-- und will-- der kann und sollte im komplexen Feld der Digitalisierung Verantwortung übernehmen und führen; allerdings auch nur der. Wissen | Driving Digital --… but Human is Key (2) 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0055 Matthias Pietzner Matthias Pietzner ist Executive Consultant bei CGI mit einer über mehr als 20 Jahre gewachsenen und erprobten Expertise im Projekt-, Multiprojekt- und Portfolio- Management. Sein beruflicher Weg begann nach dem Studium der Betriebswirtschaft in den komplexen Entwicklungsthemen der Automobilindustrie und führte ihn über Stationen in operativen und strategischen Projekten schließlich in das IT-Umfeld bei CGI, wo er heute schwerpunktmäßig Kundenprojekte im Bereich Kritischer Infrastrukturen und des öffentlichen und kirchlichen Sektors „end-to-end“ betreut. Neben weiteren Coaching- und Beratungsaufgaben lehrt Matthias Pietzner seit 10 Jahren Projekt- und Qualitätsmanagement sowie Controlling an der Hochschule Esslingen, University of Applied Sciences, zum größten Teil in englischer Sprache. Privat engagiert er sich im kirchlichen und kirchenmusikalischen Bereich. Er ist verheiratet und hat drei Kinder und lebt südöstlich von Stuttgart am Rande der Schwäbischen Alb. Matthias Pietzner CGI Deutschland B. V. & Co. KG Leinfelder Str. 60 70 771 Leinfelden-Echterdingen eMail: matthias.pietzner@cgi.com Mobil: 01 511 / 21 679 11 Mithilfe dieser Leitplanken sollte uns eine menschenorientierte Steuerung und damit auch eine vor allem am Menschen orientierte Erledigung unserer Digitalisierungsprojekte sicherer und erfolgreicher gelingen als ohne sie. Dann bleibt der Mensch als Menschen auch nicht auf der Strecke, weil er letztlich der erste Maßstab für alles Entscheiden, für alles Handeln und für alles Steuern ist; und bleibt. Dieses am Menschen orientierte Gesamt-Konzept umsetzen können Maschinen oder Programme nicht bewerkstelligen und seien sie noch so „künstlich intelligent“; das kann alleine der Mensch in seiner Großartigkeit als Mensch. Auf den Punkt gebracht, für Führungskräfte wie für Mitarbeiter: Zeit und Energie, die Sie in Menschen investieren, gibt Ihnen „die Digitalisierung“ als Erfolg zurück. Ob Sie das nun als „Anthropozentrisches (IToder) Projektmanagement“ bezeichnen wollen oder als „Werteorientiertes Digitalisierungsmanagement“ oder anderswie spielt dabei nun überhaupt keine Rolle; der Schlüssel- - ist der Mensch. Haben Sie? Sehr gut; „Dann aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt“ [16] (August Hermann Franke): We are #Driving Digital-- but Human is Key! Literatur [12] Maslow, Abraham: Paper “A Theory of Human Motivation” in “Psychological Review” Nr. 50. American Psychological Association, Washington D. C. 1943. [13] Gustav Werner: Zitat belegt in https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Gustav_Werner_(Pfarrer) (Stand: 01. 04. 2022). [14] Zaheer, A. / McEvily, B. / Perrone, V.: „Does Trust Matter? Exploring the Effects of Interorganizational and Interpersonal Trust on Performance”, in “Organization Science” Bd. 9 Nr. 2, Catonsville 1998. [15] Osterloh, M., Weibel, A.: Investition Vertrauen. Prozesse der Vertrauensentwicklung in Organisationen. Gabler Verlag, Wiesbaden 2006. [16] Franke, August H.: Lied „Nun aufwärts froh den Blick gewandt“, in: Evangelisches Gesangbuch, Nr. 394. Evangelische Landeskirche in Württemberg. Eingangsabbildung: © iStock.com / Cecilie_Arcurs