eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0059
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333 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Change!

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Heinz Schelle
Berner, W.: Change! 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart 2015, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-7910-3368-6, 503 S., Preis 54,95 Euro
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72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0059 Buchbesprechung Change! Heinz Schelle Berner, W.: Change! 20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart 2015, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-7910-3368-6, 503 S., Preis 54,95 Euro Das folgende Buch wurde von mir bereits in der 1. Auflage besprochen (Heft 3 / 2012).* Ich habe mich jetzt zu einer zweiten Rezension entschlossen, nicht so sehr wegen einiger Ergänzungen, die der Verfasser vorgenommen hat, sondern mehr, weil ich einen Artikel von ihm entdeckt habe, in dem er nicht nur mein Taschenbuch kritisiert hat, sondern-- vielleicht ein wenig zu pauschal-- die Mehrheit der Werke über Projektmanagement. Es lohnt sich jedenfalls diese Passagen auch zu lesen. Sie lassen sich mühelos in diese Rezension integrieren. Das vorliegende Buch ist nicht, wie man beim Lesen des Titels vermuten möchte, lediglich eine mehr oder weniger systematische Ansammlung von Fallstudien, vielmehr steckt dahinter eine wohl durchdachte Typologie, die die Lektüre besonders gewinnbringend macht. Berner, Diplom-Psychologe und als Unternehmensberater auf das Thema „Change Management“ spezialisiert, hat in die erste Auflage folgende Inhalte von Change-Projekten aufgenommen: Turnaround / Sanierung, Kostensenkung, Fusion / Übernahme / Post-Merger-Integration, Reorganisation / Restrukturierung, Unternehmensverkauf, Einführung IT-Systeme, Mitarbeiterqualität, Prozessoptimierung, CRM- Systeme, Qualitätsmanagement, Kulturveränderung, Portfoliomanagement und Leitbild / Vision. In die zweite Auflage wurden fünf weitere Änderungsvorhaben aufgenommen, darunter nochmals Kostensenkungsprogramme, Aufbau von Shared-Service-Centers, Entwicklung einer gemeinsamen Unternehmenskultur und von unternehmerischer Resilienz. Diese Themen werden in eine Matrix eingeordnet. Sie hat die Dimensionen „Geforderte Einstellungs- und Verhaltensänderungen“ und „Wahrgenommene Bedrohlichkeit“. Beispielsweise wird ein Projekt mit dem Ziel des Turnarounds und der Sanierung von den Betroffenen vermutlich als hoch bedrohlich empfunden, die erwartete Einstellungs- und Verhaltensänderung ist aber niedrig. Umgekehrt wird eine angestrebte Kulturveränderung im Unternehmen nicht als sonderlich besorgniserregend wahrgenommen und weckt auch keine größeren Ängste bei den Mitarbeitern, es werden aber beträchtliche Einstellungs- und Verhaltensänderungen gefordert. Der Autor weiß natürlich auch, dass die gewählte Klassifizierung in konkreten Vorhaben nicht puristisch durchgehalten werden kann. Deshalb werden bei jeder Fallstudie mehrere angesprochene Aspekte des Wandels aufgeführt. So wird bei einer Post-Merger-Integration in aller Regel auch eine Prozessoptimierung und eine Restrukturierung stattfinden müssen. Im Anschluss an eine Einführung in das Gebiet des Change Management und die soeben vorgestellte Typologie werden die Fallstudien mit folgenden Themen vorgestellt: • Change Management unter Wettbewerbsdruck • Projektkrise I und II • Kulturveränderung I und II • Turnaround / Sanierung • Prozessoptimierung / Reengineering • Reorganisation / Restrukturierung • Einführung von IT-Systemen • Customer Relationship Management (CRM) • Mitarbeiterqualität • Post-Merger-Integration (PMI) • Konzipierung von Veränderungsprozessen • Förderung der Veränderungsbereitschaft • Krisenvorbereitung Nach jeder realistischen Fallstudie stellt Berner zunächst Fragen an den Leser, um ihn selbst zum Nachdenken anzuregen. Anschließend werden aber diese Fragen vom Autor selbst ausführlich beantwortet, so dass man immer mit den eigenen Antworten vergleichen kann. Beim Lesen der außerordentlich differenzierten, dem jeweiligen Fall sehr genau angepassten, sehr klugen Analysen, die eine unglaubliche Fülle von Einsichten beinhalten, wurde mir immer wieder schmerzlich bewusst, welche Fehler ich selbst in früheren Projekten begangen habe. Was mich begeistert hat: Es wird immer auch ausführlich erläutert, wie man aus einer zumeist verfahrenen Situation herauskommen kann. Zwar bietet der Verfasser nach jeder Fallstudie eine knappe Zusammenfassung und am Ende des Buches unter der Überschrift „Leitgedanken“ auch noch 15 höchst lesenswerte Empfehlungen, ich kann aber nur jedem, der das Buch in die Hand nimmt, den Rat geben, sich nicht auf diese relativ wenigen Seiten zu beschränken, sondern alles zu lesen. Da Berner gut formuliert und die Geschichten durchweg spannend sind, kann man das Werk, das auch noch ein detailliertes sorgfältig zusammengestelltes Literatur- und Stichwortverzeichnis enthält, auch in den Urlaub oder in das Wochenende mitnehmen. Langeweile kommt dabei mit Sicherheit nicht auf. Mein Fazit: Für jeden Projektmanager und Linienmanager, der sich mit der Problematik des organisatorischen Wandels befassen muss- - und wer muss das eigentlich nicht- - sollte diese Publikation Pflichtlektüre werden. Ich garantiere: Wer auch nur einige der niemals trivialen Ratschläge befolgt, wird sich in Zukunft sehr viel Ärger ersparen. Wer andererseits durch die Ausführungen nicht erheblich sensibilisiert wird, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Besseres habe ich zum Thema „Change Management“ jedenfalls noch nicht gelesen. Ein Glücksfall für unsere Disziplin. Jetzt aber der versprochene Zusatz: Berner bringt die Projekte ins Spiel, in denen es zum Beispiel um eine Veränderung der Vertriebsorganisation geht und setzt sie von „technischen Projekten“ ab, zu denen er etwa Bau-, IT- und Logistikprojekte zählt. Hier, so sein nicht ganz unproblemati- Rezensionen | Change! 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0059 sches Beispiel, „weiß man schon am Anfang ziemlich genau, was am Ende herauskommen soll.“ Was aber, wenn es um eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur geht, wo am Anfang zwar klar ist, in welche grundsätzliche Richtung es gehen soll, aber weder angebbar ist, was die genauen Ziele sind, noch, welche Hindernisse dem im Weg stehen, noch wie das soziale System auf die Veränderungsimpulse reagieren wird? “ Diese Unterscheidung ist natürlich alles andere als neu, bemerkenswert ist aber die folgende These von Berner. Und jetzt kommt seine Generalkritik: „Auf diese grundsätzliche Andersartigkeit in sozialen Systemen geht Schelle ebenso wenig ein, wie es irgendein mir bekanntes Projektmanagementbuch tut.“ Ist dieses Urteil gerechtfertigt oder nicht? Für mein eigenes Werk ist es meines Erachtens ein wenig zu hart, weil ich die „Andersartigkeit“ zumindest bei dem Projekt „Einführung eines PM-Systems in einer Organisation“ ausführlich behandelt habe. In der ganzen PM-Literatur, die natürlich Berner nicht vollständig gelesen hat, ist die Kritik mal berechtigt, mal eher nicht, zumal, wenn man berücksichtigt, dass die Thematik auch unter der Überschrift „Stakeholdermanagement“ behandelt werden kann. Allerdings kenne ich kein Werk, das die Problematik des Wandels auch nur ähnlich ausführlich und gescheit behandelt wie das Buch von Berner. Das heißt, wir sollten die Probleme, die mit dem Wandel verbunden sind, ausführlicher behandeln. Das rezensierte Werk kann uns dabei enorm weiterhelfen. Die Widerstände gegen Projekte des sozialen oder technischen Wandels werden in Zukunft keineswegs geringer. *https: / / www.umsetzungsberatung.de/ service/ read.php? n119 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 03/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0059 ERNST | SAILER | GABRIEL Nachhaltige Betriebswirtschaft 2. Auflage Ihr Weg zu nachhaltiger uvk.de Unternehmensführung.