PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Commercial Project Management (CPM) aus Auftraggeber-Sicht
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Gregor Oleniczak
Hasso Reschke
Commercial Project Management (CPM) ist ein unverzichtbarer Baustein im Projektmanagement geworden, vor allem bei größeren Auftragnehmern. Dabei werden alle nicht-technischen Aufgaben von der Projektentstehung über die Projektrealisierung bis hin zum Projektabschluss in einer Hand zusammengefasst.
Für den Project Manager stehen meistens die technischen Aufgaben im Vordergrund. Aber auch im nicht-technischen Kontext steigt die Komplexität. Für eine erfolgreiche Projektarbeit müssen deshalb auch kaufmännische und vertragliche Aufgaben qualifiziert bearbeitet und erfüllt werden. Dies gilt insbesondere im internationalen Projektumfeld.
Für den Auftraggeber sind als Pendant zum Auftragnehmer die kommerziellen Themen ähnlich wichtig, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Auf der Auftraggeber-Seite werden große Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte (z. B. Häfen, Energietrassen, Fertigungsanlagen) initiiert, geplant und realisiert. Für die Projektdurchführung müssen eine Reihe an Firmen mit der Realisierung beauftragt werden. Je nach Geschäftszweck, Betriebsgröße und speziellen Projektanforderungen ist das Aufgabenspektrum unterschiedlich stark ausgeprägt.
Im Zuge der stetig wachsenden nicht-technischen Anforderungen an die Projekte ist eine Aufgabenteilung zwischen Projektmanager und dem Commercial Project Manager hilfreich/essenziell und Garant für erfolgreiche Projektarbeit.
CPM muss sich auch in Deutschland weiter etablieren. Deshalb hat die CPM 2019 eine Fachgruppe gegründet. Diese beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des CPM. Ihre Mitglieder kommen aus der einschlägigen deutschen Industrie und Wirtschaft. Dort wurde u. a. ein englischsprachiger Zertifikatslehrgang für CPM entwickelt, der in diesem Jahr an der FOM-Hochschule in Siegen Premiere hat.
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24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Commercial Project Management (CPM) aus Auftraggeber-Sicht Gregor Oleniczak, Hasso Reschke Für eilige Leser | Commercial Project Management (CPM) ist ein unverzichtbarer Baustein im Projektmanagement geworden, vor allem bei größeren Auftragnehmern. Dabei werden alle nicht-technischen Aufgaben von der Projektentstehung über die Projektrealisierung bis hin zum Projektabschluss in einer Hand zusammengefasst. Für den Project Manager stehen meistens die technischen Aufgaben im Vordergrund. Aber auch im nicht-technischen Kontext steigt die Komplexität. Für eine erfolgreiche Projektarbeit müssen deshalb auch kaufmännische und vertragliche Aufgaben qualifiziert bearbeitet und erfüllt werden. Dies gilt insbesondere im internationalen Projektumfeld. Für den Auftraggeber sind als Pendant zum Auftragnehmer die kommerziellen Themen ähnlich wichtig, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Auf der Auftraggeber-Seite werden große Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte (z. B. Häfen, Energietrassen, Fertigungsanlagen) initiiert, geplant und realisiert. Für die Projektdurchführung müssen eine Reihe an Firmen mit der Realisierung beauftragt werden. Je nach Geschäftszweck, Betriebsgröße und speziellen Projektanforderungen ist das Aufgabenspektrum unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Zuge der stetig wachsenden nicht-technischen Anforderungen an die Projekte ist eine Aufgabenteilung zwischen Projektmanager und dem Commercial Project Manager hilfreich/ essenziell und Garant für erfolgreiche Projektarbeit. CPM muss sich auch in Deutschland weiter etablieren. Deshalb hat die GPM 2019 eine Fachgruppe gegründet. Diese beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des CPM. Ihre Mitglieder kommen aus der einschlägigen deutschen Industrie und Wirtschaft. Dort wurde u. a. ein englischsprachiger Zertifikatslehrgang für CPM entwickelt, der in diesem Jahr an der FOM-Hochschule in Siegen Premiere hat. Schlagwörter | Commercial Project Management, komplexe Aufgaben im Projektmanagement, Auftraggeber, Auftragnehmer, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Techniker und Kaufmann, Projekterfolg, Aufgaben Commercial Project Management, GPM Fachgruppe CPM Was ist Commercial Projektmanagement? Commercial Project Management (CPM) ist ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Projektarbeit. Die Project Manager sind meist technisch orientiert und sehen sich zunehmend großen Herausforderungen ausgesetzt, die komplexen Ziele im Projektgeschäft zu erreichen. Für eine erfolgreiche Projektarbeit müssen auch kaufmännische und vertragliche Aufgaben qualifiziert bearbeitet und erfüllt werden. Dies trifft vor allem auf Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte zu, ebenfalls auf IT- Vorhaben sowie beauftragte Dienstleistungsprojekte. Wichtig ist CPM auch im internationalen Kontext, weil hier vielfältige länderspezifische Anforderungen zusammenkommen und zu beachten sind. Bei all diesen Vorhaben nimmt der Commercial Project Manager (CPMgr) eine besondere Rolle ein: • Commercial Project Management fasst alle nicht-technischen Aufgaben in der Projektentstehung und Projektrealisierung in einer Hand zusammen • Der CPMgr koordiniert die verschiedenen kaufmännischen Fachstellen/ Abteilungen projektbezogen und wirkt eng zusammen mit dem technischen Projektleiter. Bisher fand CPM in Fachdiskussion und Literatur nur für Auftragnehmer Aufmerksamkeit. Es ist bei vielen, meist großen Unternehmen oft schon seit vielen Jahren installiert und pm_04_2022.indb 24 pm_04_2022.indb 24 02.09.2022 13: 53: 07 02.09.2022 13: 53: 07 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Buchtitelbild: Commercial Project Management (VDMA Verlag, 2017) Übersicht der Aufgaben und Verantwortung des CPMgr (Oleniczak, 2018) © Fotocredits/ Shotshop.com gel um Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Alle öffentlichen Auftraggeber sind an das Vergaberecht und die entsprechenden Vorschriften gebunden. Halb-öffentliche Auftraggeber Es sind halbstaatliche Einheiten für besondere Aufgaben wie z. B. Trinkwasser- und Energieversorgung sowie Verkehr, teilweise mit besonderem Rechtsstatus. Ihre Projekte sollen die wichtigsten Entwicklungs- und Versorgungsbereiche des Landes unterstützen. Als Beispiele seien genannt: Rundfunkanstalten wie ARD und ZDF, Deutsche Bahn, Autobahn GmbH des Bundes, Landwirtschaftliche Rentenbank, Hamburger Hafen, Flughafen Frankfurt und viele andere. Auch sie unterliegen dem Vergaberecht. Privatwirtschaftliche Unternehmen Sie stehen im privaten Eigentum und verfolgen wirtschaftliche Ziele, vor allem die Gewinnerzielung. Als Beispiele sind zu nennen: BASF, Bayer Leverkusen, Claas, Mercedes-Benz, Siemens, BMW und viele andere. Sie unterliegen nicht dem öffentlichen Vergaberecht, sondern haben sich (zumindest bei Großunternehmen) eigene hausinterne Regelungen zur Bearbeitung ihrer Investitionsvorhaben gegeben. KMUs Die zu den privatwirtschaftlichen Unternehmen zählenden KMUs sind insofern besonders zu erwähnen, weil bei ihnen in der Regel seltener Investitionsprojekte anstehen und deshalb entsprechende organisatorische Vorgaben oft nicht oder nur rudimentär vorhanden sind. Die wesentlichen Aufgaben im Commercial Project Management Die vielfältigen Aufgaben im CPM sind im nachfolgenden Schaubild dargestellt. aus der erfolgreichen Projektarbeit nicht mehr wegzudenken. Für den Auftraggeber als Pendant zu Auftragnehmer sind aber die kommerziellen Themen ähnlich wichtig, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Wen betrifft CPM als Auftraggeber? Der Auftraggeber (national, international) investiert meist in große Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte (z. B. Häfen, Energietrassen, Fertigungsanlagen). Um seine Projekte zu realisieren, beauftragt er eine Reihe an Firmen, die ihn bei der Realisierung seiner Vorhaben unterstützen. Als Gruppen von Auftraggebern sind ersichtlich: Öffentliche Auftraggeber Dazu zählen beispielsweise Ministerien, Kreisverwaltungen, Bundesländer, Krankenkassen, Stiftungen, Universitäten, Kultureinrichtungen, kommunale Eigenbetriebe usw. Sie verfolgen öffentliche Zwecke und vergeben in jedem Jahr Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages an private Unternehmen. Hierbei handelt es sich in aller Repm_04_2022.indb 25 pm_04_2022.indb 25 02.09.2022 13: 53: 08 02.09.2022 13: 53: 08 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Je nach Geschäftszweck und Betriebsgröße ist das CPM Aufgabenspektrum unterschiedlich stark ausgeprägt. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Unternehmen international auftritt, selbst produzierend ist oder aber als öffentliches bzw. privatwirtschaftliches Unternehmen agiert. Interessenlagen des Auftraggeber und des / der Auftragnehmer Gleichgerichtete Interessen Generell kann man davon ausgehen, dass sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer das Interesse haben, das in Frage stehende Projekt erfolgreich (für beide Seiten) abzuschließen. Das ergibt sich schon aus dem Vertrag, der zwischen beiden Beteiligten geschlossen wird. Der Auftraggeber hat primär das Interesse, einen bei sich erkannten Bedarf bestmöglich und kostengünstig zu bedienen (z. B. Aufbau von Produktionsanlagen), der Auftragnehmer ist an der Bearbeitung des Projekts interessiert, weil er damit für sich Beschäftigung und Umsatz generiert und ein möglichst gutes finanzielles Ergebnis erzielen will. Spannungen in den „gleichgerichteten“ Interessen ergeben sich dann, wenn der Vertrag Lücken oder Unklarheiten aufweist. Dann beginnt jede Seite, den Vertrag in ihrem Sinne zu interpretieren und es kommt zum Streit, gelegentlich sogar vor Schieds- oder ordentlichen Gerichten. Andererseits wird es wohl keinen Vertrag geben, der zu 100 % sicher und verlässlich ist. Insoweit kommt es auf die beiden Vertragspartner und ihr Verhältnis zueinander an, inwieweit sie der gemeinsamen Zielsetzung den Vorrang geben oder Partikularinteressen in den Vordergrund rücken, um „Vorteile“ herauszuholen. Grundsätzliche Interessengegensätze Aus der Natur der Konstellation ergeben sich aber auch klare Interessengegensätze, die im Vorfeld verhandelt und in dem Vertrag verankert werden müssen oder Gegenstand einer Regelung im aktuellen Fall während der Projektbearbeitungszeit sind. Als Regelungspunkte kommen vor allem in Frage: • Preis, Währung, Zahlungsbedingungen und -procedere • Erkennen von Risiken und ihre Berücksichtigung beim Auftraggeber oder Auftragnehmer • Leistungsumfang, Klarheit und Vollständigkeit der Beschreibung • Aktualität technischer Gegebenheiten, Berücksichtigung technologischer Weiterentwicklungen • Qualitätsanforderungen, Erfüllung und Nachweis • Gewährleistung: Umfang, Zeitrahmen, Procedere • Regelungen bei Vertragsstörungen • Informations- und Berichtspflicht (wechselseitig) • Beistellungen des Auftraggebers (z. B. Informationen, Flächen und Medien, Personal) • Genehmigungen und Bewilligungen (als Voraussetzung für die Realisierungsfähigkeit des Projekts) • Berücksichtigung lokaler oder übergeordneter Gesetze und Regelungen • Formale Regelungen wie anzuwendendes Recht, vertragswirksame Kommunikation, Fristen Die Liste ist nicht abgeschlossen. Die Punkte gegensätzlichen Interesses müssen Verhandlungsgegenstand zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sein. Wenn es sich um Ausschreibungen handelt oder anderweitige generelle Regelungen (z. B. AGB) angezogen werden, sind viele dieser Punkte zunächst geregelt. Es muss aber geprüft werden, ob diese „generellen“ Regelungen ausreichen und, ob sie für das konkrete Projekt passend sind. Ablauf des Projekts Der zeitliche Ablauf eines Projekts ist aus Sicht des Auftraggebers und des Auftragnehmers unterschiedlich. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die unterschiedlichen Blickwinkel: Sicht des Auftraggebers und Auftragnehmers in Projekten (Reschke, 2022) pm_04_2022.indb 26 pm_04_2022.indb 26 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Für den Auftraggeber beginnt die Betrachtung mit dem Erkennen von Bedarf (Produktionskapazität, Qualitätsverbesserung, verbesserte Wirtschaftlichkeit etc.). Sofern dieser Bedarf beim Auftraggeber priorisiert wird, entsteht daraus ein Projekt. Dieses führt beim Auftraggeber zu einer Prä-Projektphase, in der ein Projektkonzept erarbeitet und auf Realisierbarkeit hin geprüft wird. Weiterhin werden die finanziellen Rahmenbedingungen geklärt. Wenn der Auftraggeber für sein Projekt intern die Freigabe erzielt oder erklärt hat, beginnt die nähere Definition des Projekts, insbesondere die Festlegung von Anforderungen. Dies ist eine vorwiegend technische Aufgabe, bei der entweder hausinterne Ingenieurabteilungen oder externe Ingenieurdienstleister tätig werden. Dem CPMgr obliegt in diesem Zusammenhang, auf die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen technischen Konzeptionen zu achten und diese zu bewerten. Da der Auftraggeber die definierten Projektaufgaben nicht mit eigenen Kräften ausführen kann, müssen nun die Ausschreibungsunterlagen erarbeitet werden. Erst mit diesen kann man an den Markt herantreten und Angebote einholen. Nach Abschluss der Ausschreibung hat der Auftraggeber die eingegangenen Angebote zu bewerten, was üblicherweise in mindestens zwei Schritten erfolgt: Eine Grobbewertung führt zu einer verkürzten Liste „ernsthafter“ Angebote (short list), mit denen man sich unter technischen und kaufmännischen Aspekten näher beschäftigt. Sofern Vertragsverhandlungen (rechtlich) möglich sind, erfolgen diese nun, um die Konditionen des gesamten Projekts zu verhandeln und festzulegen. Hier geht es, wie oben schon dargestellt, um das Finden von Lösungen für die oben dargestellten Interessengegensätze. Wenn der Vertrag verhandelt ist oder der Zuschlag erteilt wurde, beginnt für den Auftragnehmer oft erst das Projekt mit der Abarbeitungsphase bis hin zum Bau / Auslieferung, Montage und Inbetriebnahme. Der Auftraggeber hat hier vor allem die Aufgabe der qualifizierten Projektbegleitung in Form von Project Controlling, um die vertragsgemäße Erbringung der Leistung sicherzustellen. Für den Auftragnehmer ist hier aber der Arbeitsschwerpunkt mit Engineering, Procurement, Fertigung, Auslieferung (Logistik), Aufbau, Montage und Inbetriebnahme. Das Projekt kommt für beide Partner zu seinem Ende, wenn die vom Auftragnehmer erbrachte und nachgewiesene Leistung vom Auftraggeber abgenommen und für vertragsgemäß erklärt wird und die Schlusszahlung des Auftraggebers erfolgt ist. Ggfs. gibt es eine Nachlaufphase für Gewährleistung und / oder Serviceleistungen. Projektorganisation und Steuerung Bei Auftragsprojekten baut der Auftragnehmer in der Regel eine Projektorganisation für seinen Auftrag auf. Der Auftraggeber baut seine Projektorganisation nach den Erfordernissen des Projektvorhabens auf. Große und komplexe Projekte werden meistens auch im Rahmen einer autonomen Projektorganisation realisiert. Der Aufgabenumfang ist so umfangreich, dass es sinnvoll ist, für das Projekt eigene Projektmitglieder vollumfänglich abzustellen. Der Projektmanager und der CPMgr arbeiten ausschließlich für das eine große Projekt und sind dort auch organisatorisch angesiedelt. Zunehmend findet man eine partnerschaftliche Ausprägung Wesentliche Faktoren für einen erfolgreichen Einsatz des CPM: • Einsatz von qualifiziertem Personal • Berücksichtigung in der Aufbauorganisation • Festlegung der Aufgabenverteilung zwischen CPMgr und PM • Voller Zugang zu allen projektrelevanten Informationen • Regelmäßiger Informationsaustausch/ Dialog • Zugang und Verständnis für die Technische Seite („eigenes Bild auf der Baustelle“) der Zusammenarbeit zwischen Techniker und Kaufmann auf Augenhöhe. In anderen Fällen ist der Projektmanager alleiniger Verantwortlicher und der CPMgr fungiert als eine Art kaufmännischer Projektsteuerer, der den Techniker unterstützt und die kaufmännischen Aufgaben zuarbeitet. Beide Ausprägungen können durchaus sinnvoll sein und sind davon abhängig, wie komplex das Projekt ist, wie lange es läuft und, wie das hausinterne Verständnis von Projektmanagement ist. In den meisten Fällen wird beim Auftraggeber für mittelgroße Projekte die klassische Matrix-Projektorganisation gewählt, bei der die Projektmitglieder eine organisatorische Zugehörigkeit in ihrer Fachabteilung der Linienorganisation haben und durchaus an mehreren Projekten mitarbeiten. Der CPMgr ist dann im kaufmännischen Bereich angesiedelt, erbringt die erforderlichen Aufgaben für mehrere Projekte und ist nicht auf ein Projekt alleine konzentriert. Wenn Projektvorhaben nicht so häufig anfallen, beispielsweise bei KMUs einmal alle zehn Jahre (z. B. Umbau der eigenen Werkshalle) lohnt sich nicht, eine große autonome Projektorganisation aufzubauen. Die Mitarbeiter arbeiten dann für das Projekt und nehmen gleichzeitig ihre ihnen zugewiesene Linienaufgaben wahr. Risikomanagement und Absicherung Beauftragung Der Auftragnehmer sichert sich bei der Beauftragung beispielsweise mittels einer Bürgschaft des Auftraggebers ab, damit kein Zahlungsausfall bei der Herstellung und anschließenden Lieferung des zu liefernden Produktes droht. Projektrealisierung Der Auftraggeber muss sich wiederum gegenüber dem Auftragnehmer absichern, dass dieser die beauftragte Leistung tatsächlich erbringt (Vertragserfüllungsbürgschaft) und die Leistung als Abschlag nur maximal in dem Umfang zur Auszahlung kommt, wie sie vom Auftragnehmer erbracht worden ist. In der Regel werden maximal 80 % der erbrachten Leistung bezahlt. Werden seitens des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer sog. Vorauszahlungen vorgenommen, für die keine bisherigen Gegenleistungen seitens des Auftragnehmers erbracht worden sind, sollte die Zahlung entsprechend gegenüber einer entsprechenden Bankbürgschaft abgesichert werden. KMUs tragen ein hohes Risiko, da die Absicherungen in der Regel teuer sind, tragen insbesondere KMUs ein hohes Risiko. Das kann dazu führen, dass die Projekte unrentabel werden. pm_04_2022.indb 27 pm_04_2022.indb 27 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Gewährleistung nach Projektabschluss Nach dem technischen Projektabschluss erfolgt die kaufmännische Abrechnung. Hier ist bereits mit der Beauftragung darauf zu achten, dass der Auftragnehmer nach Fertigstellung des Auftrages und der Abnahme auch dem Gewährleistungsanspruch nachkommt. In der Regel werden hierfür sogenannte Gewährleistungsbürgschaften vom Auftragnehmer gefordert und für den Zeitraum der Gewährleistung beim Auftraggeber hinterlegt. Was sind die Aufgabenfelder beim Auftraggeber? Der CPMgr hat ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet abzudecken. Je nach organisatorischer Ausprägung und je nach Geschäftszweck des Unternehmens ist für das Zusammenspiel zwischen dem Projektmanager, der in der Regel als Techniker fungiert, sowie dem CPMgr, der vornehmlich die kaufmännischen Aufgaben abdeckt, eine unterschiedliche Aufgabenteilung vorhanden/ festzustellen. Der CPMgr arbeitet eng mit dem Projektmanager zusammen, so dass eine Reihe von Aufgaben letztlich im Ergebnis zusammen abgestimmt werden. Dies bietet ebenso die Chance, dass sich beide Projektpartner die Aufgaben aufteilen und somit parallel und eigenständig zugleich Aufgaben effizient abwickeln können. Im Zuge der stetig wachsenden Anforderungen an die Projekte ist eine Aufgabenteilung zwischen Projektmanager und CPMgr hilfreich/ essenziell und Garant für erfolgreiche Projektarbeit. Zu den Aufgaben des CPM gehören je nach Ausprägung vor allem: • Projektentwicklung / Projektinitiierung • Bedarfsbewertungen • Anforderungskonzeption • Festlegung Zielkosten • Kostenmanagement • Kostenplanung und -steuerung • Kalkulation / Budgetierung von Projekten • Wirtschaftlichkeitsanalysen • Soll-/ Ist Abweichungen • Änderungsmanagement • Projektfinanzierung • Ermittlung Finanzierungsbedarf: Liquiditätsplanung/ Mittelabflussplanung • Abschluss von Finanzierungsverträgen • Termine: • Terminplanung und -steuerung • Soll-/ Ist Abweichungen • Änderungsmanagement • Monetäre Bewertung von Terminabweichungen • Leistung: • Leistungsplanung und -steuerung • Änderungsmanagement • Variantenuntersuchungen • Abweichungsanalysen • Leistungsfeststellung • Versicherungen • Beauftragung von Versicherungsleistungen • Schadensregulierung • Verträge: • Mitwirkung / Erarbeitung der Vergabestrategie • Mitwirkung bei der Festlegung des Vergabeartenplans • Vertragsvorbereitung und -gestaltung • Vertragsverhandlungen • Vertragsabschluss und Beauftragung • Anti-Claimmanagement / Nachtragsbearbeitung • Kooperations- und Konsortialverträge • Risiken/ Chancen: • Risiko-/ Chancenidentifikation, -analyse, -bewertung • Risiko-/ Chancenbehandlung • Risikoüberwachung und -fortschreibung • Reporting: • Controlling und Reporting von Projekten • Projektdokumentation Empfehlungen für CPM beim Auftraggeber Die Auftragnehmer verfügen aufgrund ihrer ständigen Bearbeitung von Projekten über ein umfangreiches Erfahrungspotenzial zu Projektmanagement und zu CPM. Dieses lässt sich auch für das Projektmanagement beim Auftraggeber nutzen. 1. Bei den Auftragnehmern ist häufig eine Form von Projektorganisation unter Einbeziehung von CPM vorzufinden. Der Auftraggeber sollte ebenfalls eine seiner Rolle entsprechende Form des PM für seine Projekte entwickeln. Wichtig ist insbesondere die Zusammenfassung oder Koordination in einer Hand. 2. Auch für den Auftraggeber sind vielfältige nicht-technische Fragen mit einem Projekt verbunden. Es bietet sich, je nach Charakter des Projekts, an, die kommerziellen und vertraglichen Aspekte für das Projekt in einer Hand zusammenzuführen (Commercial Project Manager, CPMgr) 3. So wie der Auftragnehmer technische Projektlösungen über die Kalkulation wirtschaftlich bewertet, ist auch beim Auftraggeber eine wirtschaftliche Bewertung der Projektanforderungen notwendig. Dies hat der CPMgr zu leisten. 4. Jedes laufende Projekt bringt immer wieder Fragen, Alternativen, Änderungen und oft auch unerwartete Störungen mit sich. Auf der Auftragnehmer-Seite ist hierfür der PM (und ggfs. der CPMgr) zuständig. Es geht sowohl um sachgerechte und wirtschaftliche wie auch rasche Lösungen, um den Fortgang des Projekts nicht zu behindern. Da viele Projektstörungen auch auf den Auftraggeber durchschlagen, ist es, im Interesse einer zügigen Fortführung des Projekts, ebenfalls hilfreich, wenn hier ein PM (und ggfs. ein CPMgr) des Auftraggebers rasch im Sinne des Projekts handeln, geeignete Lösungen entwickeln und im Hause zügig abstimmen kann. 5. Auftraggeber und Auftragnehmer sind durch das Projekt verbunden. Die Art und Weise, wie die Verbindung von den beiden beteiligten Seiten und damit den handelnden Personen gelebt wird, bestimmt in nicht geringem Maß den Erfolg des Projekts. Es ist daher zu empfehlen, dem PM und CPMgr beim Auftragnehmer entsprechende Partner auf der Auftraggeber-Seite gegenüberzustellen, die auch dauerhaft für das Projekt verantwortlich sind. Ein häufiger Wechsel der Ansprechpartner erweist sich meist als schädlich für das Projekt. Fachgruppe CPM Commercial Projektmanagement muss sich auch in Deutschland weiter etablieren. Dazu hat die GPM 2019 eine Fachgruppe CPM gegründet. Diese beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des Themas Commercial Project Management. Die pm_04_2022.indb 28 pm_04_2022.indb 28 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Mitglieder kommen aus der deutschen Industrie und Wirtschaft. Die Aufgaben umfassen: • Forschung und Entwicklung zum Thema CPM • Bearbeitung von Fachartikeln und Fachempfehlungen • Erfahrungsaustausch und Durchführung von Fachtagungen • Weiterbildung und Zertifizierung • Kommunikation und Marketing von CPM im deutschsprachigen Raum. Entwickelt wurde zwischenzeitlich bereits das Fachbuch „Commercial Project Management, erschienen im VDMA Verlag (2017) sowie die „Standards“ für CPM, erschienen bei der GPM (2020). Außerdem wurde von den Mitgliedern der Fachgruppe CPM zusammen mit der GPM, der PM ZERT sowie der Hochschule FOM ein Online-Zertifikatslehrgang für Berufstätige entwickelt, der im August 2022 Premiere hatte (www.fom. de / commercial-project-manager). An der Entwicklung waren vor allem Experten aus der einschlägigen Wirtschaft mit ihren Praxisbeiträgen beteiligt. Die Zertifikate qualifizieren die Teilnehmer u. a. für folgende Aufgaben: • kaufmännische Projektsteuerung • Auftragsbearbeitung und Auftragsabwicklung eines Projekts unter Berücksichtigung optimaler Kosten • Kalkulation von Projekten • Planung / Terminierung der Projektabläufe • Analysieren und Bewerten der Chancen und Risiken eines Projekts • Controlling und Reporting von Projekten • Vertragsabwicklungen Die Fachgruppe steht allen Interessenten, die aktiv etwas zur Weiterentwicklung des CPM beitragen können und wollen, offen (https: / / www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen / themenfokussierende_fachgruppen / commercial_project_management.html). Literatur Commercial Project Management: Die kaufmännische Seite im Projekt Oliver Steeger, PM-aktuell Heft 5 / 2019, S. 51-55 Commercial Project Managementterra incognita Hasso Reschke, Gregor Oleniczak, Lorenz Schneider PM-aktuell Heft 1 / 2018 S. 65-69 Die Rolle des Projektauftraggebers für den Projekterfolg Reinhard Wagner et al. PM-aktuell Heft 2 / 2017 S. 35-42 Commercial Project Management H. Reschke, L. Schneider, G. Oleniczak (Hrsg.) VDMA-Verlag Frankfurt, 2017 ISBN: 978-3-8163-0716-7 Standard für Commercial Project Management Ein Ergebnis der GPM-Fachgruppe CPM Roland Fleissig, Hasso Reschke ISBN 978-3-924 841-81-2 (E-Book) (Erhältlich über GPM) Eingangsabbildung: © iStock.com / Meindert van der Haven Nutzen und Vorteilhaftigkeit von Commercial Project Management: • Erfordernis von CPM aufgrund zunehmender Komplexität der Projekte und damit in der Aufgabenstellung • Ressourcenengpass / Fachkräftemangel (immer weniger MA bearbeiten zunehmend mehrere Projekte) • Generationswechsel und Chance für die Wirtschaft und Industrie • Die kaufmännische Kompetenz gibt dem Management die Sicherheit, dass bei Projektentwicklungen nicht nur die technischen Aspekte berücksichtigt werden- - die Wirtschaftlichkeit eines Projekts wird im Frühstadium kritisch beurteilt. • Der kaufmännische Projektpartner sorgt für eine qualifizierte und vollständige kaufmännische Abwicklung des Projektes- - rechtzeitige Bearbeitung nicht-technischer Belange (z. B.: Initiierung Change-Requests, Vorbereitung der Genehmigung) • Der technische Projektleiter kann sich ganz auf die technischen Aufgaben im Projekt konzentrieren. • Mit Commercial PM eröffnet sich die Möglichkeit, dass Projektverantwortliche im Sinne des Projekts auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Gregor Oleniczak Der gelernte Bankkaufmann und diplomierte Volkswirt ist seit vielen Jahren für die Kostensteuerung und kaufmännische Abwicklung von Infrastrukturprojekten am Frankfurter Flughafen (Flugsteig A-Plus, Passanger-Transfer System Station F, u. a.) verantwortlich. Er ist Gründungsmitglied der Fachgruppe Commercial Project Management bei der GPM und Mitherausgeber des gleichnamigen Buches „Commercial Project Management“, erschienen im VDMA Verlag. Dr. Hasso Reschke Dr. Hasso Reschke: vormals Professor für Betriebswirtschaftslehre und Projektmanagement, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München. Gründungsmitglied und langjähriger Vorstand der GPM Dt. Gesellschaft für Projektmanagement. Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen. Leiter des Hochschulprogramms: Projektkaufmann (2000). Gründungsmitglied in der Fachgruppe „Commercial Project Management“ der GPM. pm_04_2022.indb 29 pm_04_2022.indb 29 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09
