eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0073
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2022
334 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL

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2022
Gero Lomnitz
Enttäuschungen beruhen auf Täuschungen. Täuschungen entstehen durch Verhaltensweisen anderer, beispielsweise durch falsche Aussagen, leere Versprechungen, Lügen oder Intrigen. Doch Täuschungen werden auch durch Selbsttäuschungen verursacht, mit anderen Worten, man macht sich etwas vor, geht von unreflektierten Annahmen aus, der Wunsch ist die Mutter oder der Vater des Gedankens. Was bedeutet das für die Projektleitung und ihr Verhältnis zu Auftraggeberinnen und Auftraggeber? Lesen Sie weiter: Den idealen Auftraggeber, die ideale Auftraggeberin, welche Projektmanager:innen hätten so etwas nicht gerne? Im Idealfall vereinigen sich folgende Merkmale: Ausreichender Sachverstand (nicht zu verwechseln mit Detailkenntnissen), Interesse am Projekt, Entscheidungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen (sprich Macht) sowie Budget. Doch die Verhältnisse sind leider nicht immer so. Erstaunlicherweise gehen manche Projektmanager:innen davon aus, dass die Auftraggeber:innen dem Idealzustand mehr oder minder entsprechen. In der Praxis ist es empfehlenswert, sich von diesen Illusionen zu befreien. Wenn Sie weiter träumen wollen, dann können Ihnen die nachfolgenden Empfehlungen helfen. Auf jeden Fall ist es besser, folgende Irrtümer zu vermeiden:
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41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0073 Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL Gero Lomnitz Enttäuschungen beruhen auf Täuschungen. Täuschungen entstehen durch Verhaltensweisen anderer, beispielsweise durch falsche Aussagen, leere Versprechungen, Lügen oder Intrigen. Doch Täuschungen werden auch durch Selbsttäuschungen verursacht, mit anderen Worten, man macht sich etwas vor, geht von unreflektierten Annahmen aus, der Wunsch ist die Mutter oder der Vater des Gedankens. Was bedeutet das für die Projektleitung und ihr Verhältnis zu Auftraggeberinnen und Auftraggebern? Lesen Sie weiter: Den idealen Auftraggeber, die ideale Auftraggeberin, welche Projektmanager: innen hätten so etwas nicht gerne? Im Idealfall vereinigen sich folgende Merkmale: Ausreichender Sachverstand (nicht zu verwechseln mit Detailkenntnissen), Interesse am Projekt, Entscheidungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen (sprich Macht) sowie Budget. Doch die Verhältnisse sind leider nicht immer so. Erstaunlicherweise gehen manche Projektmanager: innen davon aus, dass die Auftraggeber: innen dem Idealzustand mehr oder minder entsprechen. In der Praxis ist es empfehlenswert, sich von diesen Illusionen zu befreien. Wenn Sie weiter träumen wollen, dann können Ihnen die nachfolgenden Empfehlungen helfen. Auf jeden Fall ist es besser, folgende Irrtümer zu vermeiden: 1. Irrtum Der Auftraggeber muss mir einen klaren Auftrag erteilen. Bevor ich mit meiner Arbeit beginnen kann, muss der Auftraggeber mir einen klaren, möglichst gründlich ausgearbeiteten Projektauftrag geben, denn er muss schließlich wissen, was er will. Oft eine Illusion, denn Auftraggeber sind oft fachlich gar nicht in der Lage, einen detaillierten Projektauftrag auszuarbeiten und selbst wenn sie dazu fachlich in der Lage wären, fehlt ihnen meist die Zeit. 2. Irrtum Der Auftraggeber weiß genau, was er will. Der zweite Irrtum steht in enger Nachbarschaft mt dem ersten.Häufig basiert er auf einer Omnipotenzphantasie in Leitung. Das Management hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt, die Enscheidungsträger kennen sich aus, sie wissen, was richtig ist. Werden sie nicht gerade deshalb besser bezahlt? Was für einem fahrlässigen Irrtum unterliegt die Projektleitung, denn sie hat die Verantwortung, in einem möglichst intensivem Austausch mit dem Auftraggeber die Ziele und Rahmenbedingungen zu klären. Die Projektleitung muss den Auftraggeber beraten, unrealistische Erwartungen bezüglich Ziele, Zeit und Kosten klar aufzeigen, auch dann, wenn die Gespräche schwierig sind. Doch nach wie vor gilt die Aussage: „Gute Projektleiter: innen müssen unbequem sein, wenn es die Sache verlangt“, unbequem im Sinne des konstruktivem Ungehorsams. 3. Irrtum Der Auftraggeber steht hinter dem Projekt. Selbstverständlich kann die Projektleitung erwarten, dass sich der Auftraggeber für das Projekt einsetzt und Blockaden wegräumt, wenn die Projektleitung dazu nicht in der Lage ist. Hinter dieser Erwartung steht der Anspruch an den Auftrager, setz Dich für Dein Projekt ein. Dieser Anspruch ist absolut richtig, doch manche Projektleiter: innen mussten erkennen, dass der Auftraggeber nicht über die notwendige Standfestigkeit verfügt. Besonders nett wird es, wenn einerseits die Bedeutung des Projektes betont wird und andererseits notwendige Entscheidungen nicht getroffen werden. Was folgt pm_04_2022.indb 41 pm_04_2022.indb 41 02.09.2022 13: 53: 16 02.09.2022 13: 53: 16 Wissen | Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0073 daraus? Die Projektleitung sollte die eigenen Annahmen kritisch hinterfragen, manchmal ist ein Desillusionierungsprozess notwendig. 4. Irrtum Der Auftraggeber verfügt über Durchsetzungsmacht, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Stunde der Wahrheit kommt spätestens bei Interessenkonflikten, Widerständen auf Führungsebene gegen die Projektziele oder bei Ressourcenproblemen. Hier sind Auftragger: innen gefordert, hier zeigt sich, ob und wie sie ihre Verantwortung wahrnehmen können und wollen. Statt von der Machtfülle des Auftraggebenden einfach auszugehen, sollte die Projektleitung bereits zu Projektbeginn prüfen, ob der Auftragger über die notwendige Power verfügt. Zugegeben, das ist nicht immer einfach, dennoch eine sinnvolle Investition in die Zukunft des Projektes und machnmal auch der Projektleitung. 5. Irrtum Das Interesse des Auftraggebers hat sich im Verlauf des Projektes nicht geändert. Wer meint, das zu Projektbeginn geäußerte Interesse des Auftraggebers wäre eine stabile Angelegenheit, verfügt entweder nicht über Erfahrung oder die Person ist allzu blauäugig. Interessen des Sponsors können sich im Projektverlauf ändern, was heute ganz wichtig ist, kann morgen einige Stufen herunterfallen. Das geschieht teilweise informell an der Projektleitung vorbei, selten aus böser Absicht, sondern eher aus Nachlässigkeit oder Zeitdruck. Daraus ergeben sich für die Projektleitung klare Konsequenzen: • Nicht wundern, wenn es passiert, sondern es als Teil der Realität verstehen. • Die Interessen oder besser gesagt, Veränderungen der Interessen aufmerksam verfolgen. • Statt zu lamentieren, sollte die Projektleitung mit dem Auftraggeber über dieses Thema sprechen und mögliche Auswirkungen-- Probleme oder Risiken-- deutlich aufzeigen. 6. Irrtum Der Auftraggeber kennt seine Rolle und lebt sie auch. Selbstverständlich kennen und akzeptieren Auftraggeber ihre Aufgaben und Verantwortungen genau, sonst wären sie schließlich nicht in dieser Position. Sie wissen, dass sie sich nicht in die operative Arbeit des Teams einmischen und von Mikromanagement sind sie meilenweit entfernt. Selbstverständlich nehmen sie sich Zeit für Gespräche, wenn es die Situation erfordert und über Änderungen in den Rahmenbedingungen informieren sie die Projektleitung zeitnah. Wer diese Erfahrungen gemacht hat, arbeitet in einer Organisation, in der Projektmanagement vorzüglich etabliert ist! Wer das aber glaubt und gegenteilige, sprich: negative Erfahrungen gemacht hat, sollte sich von seinen Illusionen verabschieden und stattdessen versuchen, mit dem Auftraggeber die Rollen und die damit verbunden Erwartungen zu klären. Zugegeben, nicht immer ganz einfach, aber auf jeden Fall lohnenswert. Eingangsabbildung: © iStock.com / gerenme Gero Lomnitz Gero Lomnitz arbeitet seit vielen Jahren als Berater, Trainer und Coach für namhafte Unternehmen und Non- Profit Organisationen im In- und Ausland. Er hat zahlreiche Beiträge über Projektmanagement veröffentlicht und Lehraufträge an verschiedenen Universitäten wahrgenommen. Zuletzt ist sein drittes Buch „Projektdiagnose-- auch hinter die Kulissen des Projektes schauen“ erschienen. Anzeige Gerald Pilz Revolution am Arbeitsplatz Wie wir in Zukunft arbeiten werden 1., Auflage 2022, 155 Seiten €[D] 29,99 ISBN 978-3-7398-3094-0 eISBN 978-3-7398-8094-5 Das Buch informiert anschaulich über die Entwicklungen und Studien im Bereich neuer Arbeitsformen. Der Autor spannt dabei den Bogen von New Work und Arbeiten 4.0 sowie Home Office und Remote Work über die Zunahme der Digitalen Nomaden bis hin zur Gig Economy in der Weltwirtschaft. Konkrete Fallbeispiele und innovative Ansätze aus aller Welt geben einen Einblick in diese spannenden Themen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Fachkräfte im Personalbereich und Führungskräfte in Unternehmen und anderen Organisationen. pm_04_2022.indb 42 pm_04_2022.indb 42 02.09.2022 13: 53: 17 02.09.2022 13: 53: 17