PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0092
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/111
2022
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Das Haus für den Wandel
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2022
Oliver Steeger
Wo ist die Spur Berliner Mauer? Wo stand sie? „Hier lief sie her, mitten durchs Atrium“, hilft uns Andreas Ludwigs, „Mr. Neubau“, wie er im Konzern anerkennend genannt wird. Er zeigt auf die Bodenplatten: „Hier hat sie sich gegabelt.“ Dann tatsächlich: Wir sehen den ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer im Bodenmuster. Zwei Linien ziehen quer durch das riesige Atrium. Nun wird auch der Rest klar: Mitten auf dem ehemaligen Grenzstreifen, der West-Berlin vom Ostteil trennte, steht der 2020 eröffnete Axel-Springer-Neubau. Die deutsche Nachkriegsgeschichte spiegelt sich in vielen Details wider, in der Farbe der mächtigen Säulen des Atriums, der Kacheln des Fußbodens, den Farben der Aufzüge – und sogar in den Namen der beiden Gebäudeteile, „East“ und „West“.
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6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0092 Projekt „Axel-Springer-Neubau“ in Berlin Das Haus für den Wandel Oliver Steeger Wo ist die Spur Berliner Mauer? Wo stand sie? „Hier lief sie her, mitten durchs Atrium“, hilft uns Andreas Ludwigs, „Mr. Neubau“, wie er im Konzern anerkennend genannt wird. Er zeigt auf die Bodenplatten: „Hier hat sie sich gegabelt.“ Dann tatsächlich: Wir sehen den ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer im Bodenmuster. Zwei Linien ziehen quer durch das riesige Atrium. Nun wird auch der Rest klar: Mitten auf dem ehemaligen Grenzstreifen, der West-Berlin vom Ostteil trennte, steht der 2020 eröffnete Axel-Springer-Neubau. Die deutsche Nachkriegsgeschichte spiegelt sich in vielen Details wider, in der Farbe der mächtigen Säulen des Atriums, der Kacheln des Fußbodens, den Farben der Aufzüge-- und sogar in den Namen der beiden Gebäudeteile, „East“ und „West“. Vom Boden wenden wir unseren Blick hinauf in das mächtige Atrium. Die oberen Terrassen scheinen zu schweben. Wir legen den Kopf in den Nacken und blicken hinauf. Die fünf oberen Etagen springen hervor aus dem Gebäude: weite, offene Flächen, die sich wie schwerelos in das 45 Meter hohe Atrium ausschwingen. „Sie sind an einem Tragwerk aufgehangen“, erklärt uns Andreas Ludwigs, „wir wollten Offenheit und Transparenz im Neubau.“ Statt wabenförmige Einzelzimmer und Bürozellen, fügen wir gedanklich hinzu. Denn diese „alte“ Bürowelt, lernen wir, passt nicht zu moderner Teamarbeit, wie sie heute im Axel-Springer-Konzern verbreitet ist. Mitarbeiter sollen sich sehen. Sich begegnen und austauschen. Flexibilität und Schnelligkeit sind Trumpf. So kommt der Wandel im Medien- und Technologiekonzern voran. Manche nennen dieses Atrium liebevoll „Valley“, angelehnt an das Silicon Valley. Tatsächlich ist es wie ein Tal. 13 filigrane Brücken überspannen die Tiefe (Spannweite: 185 Meter) und verbinden die Gebäudeteile „East“ und „West“: ein Symbol für die Überwindung des geteilten Deutschlands, aber auch ein Zeichen dafür, beim Arbeiten kurze Wege zu nehmen und Brücken über den eigenen Bereich hinaus zu bauen. Zu den anderen im Unternehmen. Und das Atrium ist wirklich ein Schmuckstück. Sonnenlicht strömt durch eine riesige Fensterseite. In der Mitte das Atriums, im Hellen, gibt es eine kleine Kaffeebar, wo eine Gruppe junger Mitarbeiter Getränke holt. Weiter seitlich ein Arbeitsbereich mit Schreibtischen, ein Coworking-Space, wie wir später hören. Eingestreut gepolsterte Bänke und Stühle für Besprechungen, wie kleine Inseln für Kommunikation. Durch die riesige Halle-- 120.000 Kubikmeter, sagt man uns-- geht ein gedämpft-geschäftiges Gemurmel, ein angenehmes Summen. Fast wie Urlaub, denke ich, fehlt nur noch der Pool. Die Architektur des Axel-Springer-Neubaus- - ein Bürogebäude für mehr als 3.000 Mitarbeiter des Konzerns- - ist avantgardistisch und stilprägend, sogar für Berliner Verhältnisse. Doch Andreas Ludwigs, Geschäftsführer Axel Springer Services & Immobilien, sieht den Bau vor allem als Werkzeug für das Arbeiten der Zukunft. Axel Springer hat sich von einem reinen Verlag zu einem durchdigitalisierten Medien- und Technologieunternehmen gewandelt. Das braucht neue Arbeitsformen: agile Projektarbeit, Teamwork, Ideenaustausch über Unternehmenseinheiten hinweg, schnelle Abstimmung. Was auch heißt: Die Menschen aus Einzelbüros „herausholen“ ins Offene, wo sie sich sehen und begegnen können. Das Bürogebäude als Ort der Begegnung und Zusammenarbeit attraktiv machen. Flexible Kooperation und spontane Kommunikation ermöglichen, damit der Wandel schneller vorankommt. „Ist der Neubau eine Art Universalwerkzeug für New Work? “, frage ich, „eine Art Taschenmesser, das für jede Aufgabe etwas bietet? “ Mit dem Begriff Universalwerkzeug geht man d’accord. „Den Begriff New Work benutzen wir dagegen ungerne“, entgegnet Jasmin Heumann, Expertin für New Work & New Workplace, „wir haben unser eigenes Konzept gefunden, den Reportage | Das Haus für den Wandel 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0092 Axel Springer Way of Work. Wir haben uns bereits vor einiger Zeit entschlossen, neue Arbeitsformen auszutesten.“ Arbeitsformen, die kein herkömmliches Büro brauchen. Für die ein herkömmliches Büro sogar schädlich sein kann. Auf dem Weg zum digitalen Büro stieß man im Konzern auf eine provozierende Frage: Braucht es noch Schränke, Aktenordner und Papier? Braucht es überhaupt klassische Bürozimmer, in dem jeder seinen „eigenen“ Schreibtisch hat, wo Wände die Menschen trennen? Auf unserem Weg durch den Neubau erkennen wir: Die Insignien und Merkmale klassischer Büros scheinen im Axel-Springer-Neubau weitgehend zu fehlen. Digitalisierung bedeutet ein Verschwinden des Materiellen. Mathias Döpfner, Vorstand des Konzerns, soll mal gesagt haben, dass das Ausdrucken einer E-Mail heute eigentlich eine Sünde ist. Ohnehin: Statt E-Mails zu schreiben sollte man sich besser zusammensetzen und reden. Kollegen sehen und herüberwinken, um schnell an Problemlösungen zu arbeiten. Im beiläufigen Gespräch entstehen bekanntlich gute Ideen-- und das ist das Rohmaterial für den Erfolg von Digitalkonzernen. Heute kommen in dem Neubau auf 100 Mitarbeiter im Durchschnitt 70 Norm-Arbeitsplätze. Der Rest besteht aus Arbeitsmöglichkeiten für Einzelne und Teams, etwa Sofas oder Meetingtische (alles außer Schreibtische, wie Jasmin Heumann erklärt). Hinzu kommt dezidierter Coworking-Space. „Zudem gibt es sogenannte Funktionsarbeitsplätze. Dabei handelt es sich um Arbeitsplätze, beispielsweise für die Maske unserer TV-Studios, die sich verschiedene Personen mit der gleichen Funktion teilen", fügt Jasmin Heumann an. In Summe bedeutet dies: Viele Mitarbeiter wechseln mehrmals am Tag ihren Arbeitsplatz: von einem Schreibtisch zum Coworking-Space, vom Coworking-Space zum Meeting-Hub, später vielleicht zum Learning Lab oder mit Kollegen an die Kaffeebar. Sie arbeiten und kommunizieren häufig dort, wo Platz ist und sie ihre Aufgabe optimal durchführen können. Damit erübrigt sich häufig auch der anderswo übliche Aufwand für Organisation: Besprechungsräume buchen, Kolleginnen und Kollegen hinterhertelefonieren, durch Gänge laufen und an Bürotüren klopfen, um seine Leute zu finden. „Wenn ich morgens zu früh zur Arbeit komme, hole ich mir manchmal einen Kaffee und setze mich an einen der offenen Coworking-Schreibtische“, berichtet Jasmin Heumann, „ich denke über die für den Tag anliegenden Aufgaben nach und überlege, wo im Haus ich jeweils was am besten erledigen kann. Ich sehe eintreffende Kolleginnen und Kollegen und bereite meinen Tag vor.“ Überhaupt die Tugend des „Sich- Sehens“: „Wenn ich oben auf einer der Brücken stehe, kann ich das ganze Atrium überblicken. Ich sehe, wer aus meinem Team wo ist. Und ich entdecke Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich länger schon sprechen wollte.“ Auf unserem Weg durch den Neubau kommen wir vorbei an weitläufigen Coworking-Spaces, kleine Arenen oder Sitzgelegenheiten etwa für Teambesprechungen, Gastro-Angebote und Eventflächen für Lernen, Diskussion und Teambuilding. Uns fällt auf: Die Schreibtische sind leer. Nichts liegt herum. Wir vermissen persönlichen Dinge, mit denen Mitarbeiter anderswo „ihren“ Schreibtisch dekorieren (und ihr Revier markieren). Doch hier herrscht ans Spartanische grenzender Minimalismus. Vor allem, weil es den festen, persönlichen Schreibtisch nicht mehr gibt, zu dem man morgens wie blind läuft. Aber was ist mit den Sachen, die man fürs Arbeiten braucht? Jeder Mitarbeiter hier im Neubau hat seinen Spind. „Ich habe ihn seit Wochen nicht genutzt“, gibt Jasmin Heumann zu, „ich brauche zum Arbeiten nicht viele Dinge.“ Viele hier haben einen Laptop unter dem Arm und ihr Smartphone in der Hand. Vielleicht noch Notizbuch und Kugelschreiber. Das ist alles. Dann stehen wir auf einer der schmalen, die Gebäudeteile „East“ und „West“ verbindenden Brücken. Die Hände auf der Brüstung, blicken wir aus dem sechsten Stockwerk hinab ins Das Axel-Springer-Neubau an der Berliner Zimmerstraße, mitten im ehemaligen Zeitungsviertel. © Foto: Oliver Steeger Reportage | Das Haus für den Wandel 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0092 Atrium. Die TV-Studios von „Bild“ und „Welt“ sind in unserem Rücken. „Von hier oben habe ich einen besonders guten Überblick“, sagt Jasmin Heumann, „suche ich jemanden, gehe ich häufig auf eine der Brücken.“ Hinter alledem steht eine größere Idee. Mathias Döpfner beschrieb 2018 in einem Podcast, wie er die Arbeitskultur der Zukunft sieht. Dabei ging es auch um Nachhaltigkeit, Potentialentfaltung, Wertschätzung und Sinnstiftung. Er will Menschen wieder physisch zusammenbringen und anregen, im Unternehmen unterwegs zu sein. Erreichbarkeit spielt eine wesentliche Rolle. Sie ermöglicht intensiven Austausch, multidisziplinäre Ideen, kreative Problemlösungen und blitzschnelle Abstimmungen. Redakteure der Zeitung „Die Welt“ treffen auf junge Programmierer von der Produkt- und Preisvergleichsplattform „idealo“. TV-Moderatoren kommen zusammen mit Vertriebsleuten und Marktforschern. Meine Frage: Gab es auch Bedenken gegen dieses räumlich offene Konzept? „Ja, sie gab es“, sagt Andreas Ludwigs, „der Geräuschpegel war einer der Punkte. Wir haben die Akustik darauf ausgelegt, dass hier rund dreitausend Menschen ungestört arbeiten können.“ Es wurde viel Beton und Glas verbaut, quasi „laute“ Materialien, die eigentlich Schall reflektieren. Trotzdem dämpft das Atrium die Geräusche des geschäftigen Treibens zu einem Summen. Wie ist das möglich? „Zum einen ist der Raum hier im Atrium sehr groß“, erklärt Andreas Ludwigs, „es handelt sich um ein Raumvolumen von etwa der vierzigfachen Größe des Olympia-Beckens in Rio de Janeiro.“ Will sagen: Der Schall verliert sich in der schlichten Weite. Zum anderen: Die Akustik wurde aufwändig bauphysikalisch berechnet, wie in einem Konzertsaal, und während des Bauprojekts gab es viele Messungen und Versuche. Dämmmaterialien dämpfen und formen die Geräuschkulisse. „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Schall als nicht störend empfinden“, sagt Andreas Ludwigs. Kirchenstill soll es hier aber nicht sein. Für die typische Geräuschkulisse im Axel-Springer-Neubau hat Andreas Ludwigs eine Art akustisches Vorbild: das Arbeiten im sommerlichen Park. Dort hört man vielleicht aus der Ferne den Straßenverkehr, spielende Kinder, das Rufen von Volleyballspielern, das Murmeln von nahen Menschengruppen. „Doch solch eine Kulisse stört nicht die eigene Sprachverständigung“, sagt er. Sie wirkt sogar stimulierend, kommunikativ. Natürlich gibt es Situationen, in denen sogar diese gedämpfte Kulisse zu laut ist; dann muss man den Ruhesuchenden stille Bereiche anbieten können. „Solche Bereiche haben wir natürlich“, sagt Andreas Ludwigs. Werden sie nachgefragt? „Selbstverständlich“, antwortet er. Für Andreas Ludwigs war der Neubau ein ehrgeiziges und höchst spannendes Projekt, wie ein Immobilienfachmann es nur selten bekommt. Errichtet wurde das Gebäude auf einer der wenigen Brachflächen in diesem Viertel, vis-a-vis dem bestehenden, 1966 eingeweihten Axel-Springer-Hochhaus. „Vorher war hier die Berliner Mauer, dann, nach der Wende, ein Parkplatz“, sagt er. Um 2012 entstanden erste Pläne für den Neubau. „Wir haben den Raumbedarf aufgrund unserer Wachstumsperspektiven projiziert“, erklärt er, „so, wie andere Unternehmen es auch machen. Eine betriebswirtschaftlich rationale Vorgehensweise.“ Dann ging der Konzern eigene Wege. Anders als viele Unternehmen, die ihre Marke im Bau repräsentiert sehen wollen, fokussierte sich der Konzern auf Funktionalität. Statt um Repräsentieren ging es darum, ein Werkzeug für Zusammenarbeit zu entwickeln. Mit Rem Koolhaas aus den Niederlanden gewann der Konzern einen kongenialen Architekten. „Ich wollte dieses Gebäude wirklich bauen“, wird Koolhaas zitiert, der bis Ende der 1960er Jahre selbst als Journalist gearbeitet hatte. Ihn faszinierte der Gedanke, ein Gebäude für die Die offene Arbeitswelt für eine offene Arbeitskultur. © Foto: Oliver Steeger Reportage | Das Haus für den Wandel 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0092 Interaktion von Menschen zu schaffen-- als Werkzeug für die Weiterentwicklung eines Unternehmens und als physischer Gegenentwurf zur „Eintönigkeit des Arbeitens im virtuellen Raum“, wie Rem Koolhaas sagte. Ende 2014 bekam sein Architekturbüro den Zuschlag. 2016 der Baustart, ein Jahr später die Grundsteinlegung, 2018 das Richtfest, im September 2019 die traditionelle Schlüsselübergabe, im Oktober 2020 die offizielle Eröffnung, ab dem Frühjahr 2020 der Einzug. Alles nach Plan (und, wie Andreas Ludwigs versichert, im geplanten Budget). 9.100 Quadratmeter waren bebaut worden; über 52.000 Quadratmeter stehen für Büros, Besprechungsräume und Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. „Eine der wesentlichen technischen Herausforderungen war der Bau an sich“, erklärt Andreas Ludwigs. Beim ersten Blick auf die Pläne durchfuhr es ihn: Diese hängenden Terrassen im oberen Teil des Gebäudes-- das schien kaum baubar. „Der Tag, an dem wir Statiker und Prüfstatiker bei uns in einem Raum hatten, dachte ich, dass der Bau nie funktioniert“, erzählt er, „die haben so pessimistisch geschaut, sich eingeschlossen und lange beraten.“ Die oberen fünf Stockwerke des Neubaus „hängen“ an einem stählernen Schwerlast-Tragwerk (sie ruhen also nicht auf den darunterliegenden Stockwerken). Für den Bau war dies eine komplizierte Aufgabe. Während der Arbeiten wurden die Terrassen von einem mächtigen Gerüst gestützt, und das spätere Tragwerk wurde errichtet. Bevor dieses Gerüst dann entfernt wurde, hoben Pressen die oberen Etagen an, und sie wurden mit dem von oben herabreichenden Tragwerk verschraubt. Das war wie eine Umlagerung der Last: Statt von unten gestützt hingen die Etagen nun. Zum Beweis, dass diese Lastumlagerung gelungen war, schob man eine BILD- Zeitung zwischen die oberen und unteren Geschosse. Größer (und auch nicht kleiner) als diese Zeitung durfte der Spalt nicht sein. Maßarbeit. Auf unserem Rundgang- - wir warten auf einen Aufzug auf dem Weg zum Dachgarten- - sprechen wir über die Zukunft der Bürogebäude. Der Axel-Springer-Neubau steht auf den Fundamenten des historischen Berliner Zeitungsviertels, das im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche sank. Während der Blüte der Berliner Zeitungswelt in den 1920er Jahren waren hier Druckereien und Redaktionen nahe beieinander. Im Tagesgeschäft zählte jede Minute, um den Redaktionsschluss zu halten. Wer die an Schreibmaschinen getippten Manuskripte aus der Redaktion schnell zur Setzerei bringen konnte, war im Vorteil. Je räumlich näher Journalisten, Setzer, Werbeagenten, Drucker und Spediteure waren, desto besser. Das ist heute anders. Für gefühlt achtzig Prozent der Arbeit spielt es heute kaum eine Rolle, wo sie erledigt wird-- ob im Homeoffice, im Straßencafé, am Strand, in der Gartenlaube oder im Zug. Medieninhalte werden digital verbreitet; sogar die physische Nähe zu Technik wie Servern erübrigt sich. Digitale Arbeit ist entgrenzt, sie braucht keinen festen Ort. Provozierend gefragt: Hat in einer digitalen Welt ein Bürogebäude in Berlin überhaupt noch Zukunft? Andreas Ludwigs denkt über die Frage nach. „Menschen sind immer in die Stadt gekommen, um andere Menschen zu treffen und mit ihnen Neues zu entdecken und zu erarbeiten“, sagt er. Das Bürogebäude sei dafür ein interessantes Werkzeug. „Wir haben lange darüber nachgedacht, was ein Bürogebäude heute für Menschen interessant macht-- und welche Anreize wir geben, dass Menschen ins Büro kommen. Erstens, Menschen müssen die Arbeitswelt in Büros als einladend schätzen, als einen guten und praktischen Ort für Kommunikation und Zusammenkommen. Zweitens brauchen sie eine wirklich gute Gastronomie. Und drittens, bezogen auf unser Gebäude, eine coole Dachterrasse, um sich dort mit Kollegen nach der Arbeit zu treffen und sich zwanglos zu vernetzen.“ Das Bürogebäude auch als Gegenmittel gegen die Einsamkeit der Arbeit im virtuellen Raum? „Vielleicht“, sagt er. Wir sind ganz oben. Wir verlassen den Aufzug und treten ins Freie. Der blaue Berliner Sommerhimmel mit Schäfchenwolken über uns. Hier, auf dem Dachgarten, dringt uns klopfender Bass von Clubmusik entgegen. Die atemberaubende Aussicht ins Weite, über Berlin hinweg. Die Metropole erstreckt sich bis zum Horizont, ein Meer aus Straßen, Häusern, und Kirchtürmen. Instinktiv suchen wir die Kuppel des Reichstags. Ein architektonischer Markstein: Das neue Gebäude prägt das Stadtviertel. © Foto: Laurian Ghinitoiu Reportage | Das Haus für den Wandel 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0092 „Wir meinen, dass das einer der schönsten Dachgärten Berlins ist“, sagt Andreas Ludwigs. Ein Weg schlängelt sich durch die von Mitarbeitern gepflegten Kräuterbeete, Hecken und Olivenbäume. Dazwischen eingestreut Bänke und Tische, manchmal zwanglos aufeinandergestapelte Autoreifen (als Sitze) mit einer Holzkiste (als Tisch). Im Hintergrund sind die Parabol-Antennen von „BILD“, „WELT“ und „N24 Doku“ zu sehen, die zu den Fernsehstudios im Neubau gehören. „Wir empfangen hier nur, wir senden nicht“, beruhigt uns Andreas Ludwigs (also keine Angst vor Strahlung). Vor allem junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich hier zum Feierabendbier. Ab fünf Uhr legt donnerstags eine DJane auf. „Informelle Kommunikation ist uns wichtig“, sagt Jasmin Heumann, „hier kann man sich kennenlernen über Unternehmensbereiche hinweg, Ideen austauschen und Netzwerke aufbauen.“ Das kommt besonders jungen Mitarbeitern entgegen. In den USA hat man vor einiger Zeit festgestellt, dass High Potentials gerne an Universitäten bleiben, weil sie die Campus- Atmosphäre lieben. Sie wollen ungezwungenen Austausch erleben, das kreative Kribbeln, das gemeinsame Pläneschmieden. Gilt so etwas auch für den Axel-Springer-Neubau? „Es ist nach meinem Empfinden ein sehr städtisches Gebäude, und es nimmt urbanes Leben auf“, sagt Jasmin Heumann, „hier erleben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Teamspirit. Hier können sie in ihrem Team gemeinsam etwas anfassen, gestalten, an Dingen weiterbasteln, ausprobieren.“ Die meisten Bereiche von Axel Springer haben die Möglichkeit, zwischen 40 und 60 Prozent mobil zu arbeiten. Vereinzelte Bereiche sogar bis zu 100 Prozent. Manche kommen wöchentlich vielleicht nur ein oder zwei Tage ins Büro. Doch dann freuen sie sich darauf, mit Kollegen zusammen zu sein. Aus dem Büro wird ein Erlebnisraum. Mich interessiert eines: Wer ein solches Universalwerkzeug für neues Arbeiten in die Hand bekommt- - der muss damit umzugehen lernen. Wie sieht es im Axel-Springer-Neubau aus? Müssen die Mitarbeiter ebenfalls den Umgang mit diesem Tool lernen? „Natürlich“, sagt Jasmin Heumann, „das müssen sie.“ Vieles lernen sie im Vorbeigehen. Sie sehen beispielsweise ein Team in einer Event-Arena diskutieren- - und denken darüber nach, dies selbst mit dem eigenen Team zu probieren. Ähnlich machen die MeetingPods und Coworking- Spaces neugierig. Dieses beiläufige Lernen ist kein „Selbstläufer“. „Wir haben unseren Mitarbeiter auch mit Trainings unterstützt, die Umstellung zu meistern“, sagt Jasmin Heumann. Dabei ging es auch um sehr praktische Fragen, etwa: Wie räumt man seinen (bislang) persönlichen Schreibtisch aus und verabschiedet sich von den Dingen, die einen bisher immer durch den Arbeitstag begleitet haben? Wie kann man sich mit dem Spind später gut organisieren? Jasmin Heumann: „Da hatten wir ein Begleitprogramm, das von einem eigenen Team organisiert worden ist.“ Und auch heute noch werden Mitarbeiter begleitet, besonders die Neuen. Vor sechs Jahren, als die Bauarbeiten starteten, waren Entwicklungen wie die Pandemie, Lockdown und Homeoffice kaum absehbar. So schlimm die Jahre der Pandemie waren-- für die Mitarbeiter waren sie eine Art Vorübung für das neue Arbeiten. Noch während der frühen Pandemie-Phase war der Neubau bereit für den Umzug. Anfangs kamen tatsächlich noch Mitarbeiter mit Umzugskisten. Dann kamen nur noch Kisten; die Mitarbeiter blieben daheim im Mobile Office. Schnell begriffen sie, dass für stilles, konzentriertes Arbeiten das Mobile Office manchmal besser geeignet ist-- derweil ein Büro für anderes doch unersetzlich bleibt. Heute sagen viele: In dem Neubau kann man nicht arbeiten wie man es in „alten Tagen“ gewohnt war. Das Haus verändert das Verhalten. Es bringt Menschen in eine Art „Lösungsmodus“. Es regt an, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Hier fühlt sich niemand allein. Jeder kann andere ansprechen und um Rat oder Hilfe bitten: nicht nur das eigene Team, sondern auch Menschen aus anderen Unternehmensbereichen. Und das ist letztlich auch das, was der Axel-Springer-Konzern bei seinem Wandel braucht. Eingangsabbildung: Markante Architektur für Berlin und Platz für über 3.000 Mitarbeiter-- der Neubau des Axel Springer Konzerns. © Foto: Axel Springer und Dominik Tryba Einer der coolsten Biergärten von Berlin: Das begrünte Dach des Neubaus beherbergt Gastronomie und bietet Platz für informelle Kommunikation und Netzwerken. © Foto: Oliver Steeger Reportage | Das Haus für den Wandel Auf den Fundamenten des Zeitungsviertels Berlin war und ist mehr als nur eine Stadt der Zeitungen. Anfang des 20. Jahrhunderts war das Berliner Zeitungsviertel (mit heutigen Worten) ein Innovations-Hub für die Medienwirtschaft. Hunderte von Start-ups siedelten sich in dem legendären Viertel an. Es glich einem kontinentaleuropäische Silicon Valley der Medien; bestenfalls die Londoner Fleet Street konnte Berlin in puncto Medieninnovation das Wasser reichen. Große Verlage bauten innerhalb weniger Jahrzehnte ihre Medien-Imperien auf-- bis im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg diese Welt ihr Ende fand. Auf den ausgebrannten Fundamenten dieses Viertel steht heute der Axel-Springer-Neubau. Ein früher Motor für das Zeitungsviertel war die Gründung des Deutschen Reiches 1871. Berlin war nun buchstäblich Mittelpunkt des Reiches. 1883 war beispielsweise der Berliner Lokalanzeiger eine der erfolgreichsten Zeitungen. Seine Innovation war inhaltlich: In der Zeitung waren für den Leser erkennbar Meinungsartikel und Faktenberichte getrennt. Diese journalistische Sorgfalt wurde von Lesern goutiert. Die Auflage des Blattes wuchs auf 200.000 Exemplare, eine zu dieser Zeit enorme Marktmacht. Zur Wende vom neunzehnten ins zwanzigste Jahrhundert wuchs das legendäre Berliner Zeitungsviertel an der Kochstraße und Zimmerstraße, Jerusalemer Straße und Schützenstraße. Zeitungsunternehmer wie Ullstein, Mosse und Scherl gründeten die ersten Massenblätter. Viele neuen Verleger starteten als Anzeigenagentur oder Papierhändler- - und versuchten ihr Glück dann mit einem eigenen Blatt. Manche gerieten bald in Not, wurden wiederum aufgekauft-- und dank technischer Innovationen doch noch zum Erfolg. In den 1920er Jahren blühte die Medienstadt Berlin vollends. Weit mehr als einhundert verschiedene Tages- und Wochenzeitungen wurden produziert und publiziert. Das Zeitungsviertel bildete den Mittelpunkt: Journalisten, Setzer, Drucker, Anzeigenagenten und Arbeiter wuselten durch die Straßen. Die angesehenen Verlage- - damals zu großen europäischen Zeitungsunternehmen herangewachsen- - bauten sich opulente Redaktionshäuser. Auch technisch spielte das Viertel in der vordersten Liga: Hunderte Druckereien, Buchbindereien und Schriftgießereien waren hier konzentriert. Hinzu kam: Die Verlagshäuser waren zentral gelegen, die Wege kurz zu den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Hotspots in Berlin. Die Berliner Illustrierte Zeitung galt Ende der 1920er Jahre als auflagenstärkstes Blatt (rund 2 Millionen verkaufte Exemplare). Ein weiterer Platzhirsch war die BZ am Mittag (nicht zu verwechseln mit der heutigen Berliner Zeitung). Dank moderner Druckmaschinen und Maschinensatzes wurden die Zeitungen schneller und aktueller. Die Verlage konnten den Redaktionsschluss immer weiter nach hinten verlegen und letzte, späte Meldungen aufgreifen. Auch beim Vertrieb zeigten sich die Verleger innovationsfreudig. Ausgeliefert wurden die Straßenzeitungen durch Dreiräder mit Transportkasten. Die flinken Fahrzeuge kamen schnell durch den dichten Berliner Straßenverkehr. Die lebendige Zeitungswelt ging ab 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter. Vor allem jüdische Verlegerfamilien mussten fliehen. Zeitungen wurden geschlossen, Journalisten erhielten Berufsverbot. Die lebendige, liberale Vielfalt der Stimmen, die über Jahrzehnte dieses Berliner Viertel bestimmt hatte, verstummte. Im Februar 1945 ging das Berliner Zeitungsviertel im Krieg unter. Nach der Berliner Teilung durchschnitt die Mauer von 1961 bis 1989 den traditionsreichen Zeitungsstandort. Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard- Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. 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