PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0100
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Der Projektmanager als Jäger
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Martin Barth
Margit Sarstedt
Projekte sind häufig durch unpräzise Ziele und unklare Rand- und Rahmenbedingungen belastet. Dies wirkt sich negativ auf den Projekterfolg aus. In diesem Artikel werden konkrete Vorgehensweisen innerhalb der Projektarbeit in Analogie zu den Tätigkeiten eines Jägers gesetzt. Dabei vertreten die Autoren die Ansicht, dass der Projektmanager als Jäger und Gejagter eine weit verbreitete Realität darstellt. Es wird aufgezeigt, wie durch ein geändertes Rollenverständnis des Projektmanagers als Hegeverantwortlicher die Erfolgschancen eines Projektes zum Nutzen aller Beteiligten erheblich erhöht werden können.
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48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 Der Projektmanager als Jäger Martin Barth, Margit Sarstedt Für eilige Leser | Projekte sind häufig durch unpräzise Ziele und unklare Rand- und Rahmenbedingungen belastet. Dies wirkt sich negativ auf den Projekterfolg aus. In diesem Artikel werden konkrete Vorgehensweisen innerhalb der Projektarbeit in Analogie zu den Tätigkeiten eines Jägers gesetzt. Dabei vertreten die Autoren die Ansicht, dass der Projektmanager als Jäger und Gejagter eine weit verbreitete Realität darstellt. Es wird aufgezeigt, wie durch ein geändertes Rollenverständnis des Projektmanagers als Hegeverantwortlicher die Erfolgschancen eines Projektes zum Nutzen aller Beteiligten erheblich erhöht werden können. Schlagwörter | Rolle des Projektmanagers, Projekterfolg, Projektstrategie, Projektumfeld, Projektpflege Das Revier Kann man ein Projekt mit einem Revier vergleichen? Ja! So wie ein Jäger sein Revier bewirtschaftet, so hat ein Projektmanager sein Projekt in seiner vollen Komplexität zu koordinieren. Projekte können, genau wie Reviere, allerdings sehr heterogen sein. Um Projekte besser zu verstehen, schauen wir uns zunächst an, was ein Revier ausmacht. Unterscheidungskriterien sind beispielsweise die vorliegende Vegetation oder auch das Vorhandensein verschiedener Wildarten. Typische Aufgaben sind dabei die Pflege und Hege der Natur und natürlich auch des dort lebenden Wildes. Eine alte Jägerweisheit besagt: „Das Revier eines Jägers gedeiht, wenn er sich der Natur geweiht! “ Demnach sind die Pflege von Flora und Fauna, die Fütterung von Wild im Winter, die Sicherstellung der artgerechten Salz- und Mineralstoffversorgung der Tierwelt sowie das Errichten von Nist- und Bruthilfen elementare Maßnahmen zur Revierentwicklung. Innerhalb dieser Perspektive nimmt das Erlegen von Wild nur einen kleinen Teil der gesamten Revierarbeit ein. Das Revier des Projektmanagers ist das Projekt. Und wenn das Projekt ein Revier darstellt, gilt es also, Projektpflege (Hege) zu betreiben. Das Projekt findet in einer bestimmten Umgebung statt, in der es Rand- und Rahmenbedingungen, Haupt- und Nebenziele, Auftraggeber und Kunden, Mitwirkende und sonstige handelnde Personen sowie verschiedenste Interessensgruppen gibt. Zusammenfassend, es ist eine ebenso heterogene, komplexe und manchmal auch verwilderte Landschaft wie in der Natur. Deshalb ist es elementar, diese grundlegenden Projekteigenschaften und Rahmenbedingungen frühzeitig zu bestimmen. Darüber hinaus erfordern auch unterschiedliche Projektarten und -typen differente Vorgehensweisen in der Projektarbeit. Ebenso wie die Wahl der zugrunde liegenden Projektorganisationsform liefert diese Kategorisierung wichtige Implikationen für die Projektarbeit. Eine klare Verortung und die Kommunikation der Positionierung des Projektes ist somit die Basis für späteren Projekterfolg. Abbildung 1: Arbeit im Revier: Anlegen einer Salzlecke zur Salz- und Mineralstoffaufnahme des Wildes. „Das Revier eines Jägers gedeiht, wenn er sich der Natur geweiht! “ Wissen | Der Projektmanager als Jäger 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 Wie auch der Jäger die Grenzen seines Reviers kennen muss, um sinnvoll agieren zu können, so sind alle Akteure im Umfeld eines Projektes gut beraten, das Revier des Projektes von Anfang an klar abzustecken. Und es gilt zu definieren, welche Ressourcen dem Projekt zur Verfügung stehen sowie welche Ziele mit dem Projekt erreicht werden sollen- - und welche eben nicht! Unscharf definierte Grenzen werden häufig nicht beachtet. In das vermeintliche Revier des Projektes dringen revierfremde Personen- - sozusagen Wilderer- - ein, stellen zusätzliche Anforderungen oder beanspruchen Teile der Projektressourcen für sich. Es ist der Projektmanager, der hierdurch am meisten zu leiden hat. Deshalb ist die Revierklärung, die Auftragsklärung, die Verantwortungsklärung im primären Interesse des Projektmanagers. Und diese Klärung hat vorab, spätestens jedoch zu Beginn des Projektes zu erfolgen. Der Projektmanager kann die Klärung jedoch nicht allein herbeiführen. Alle Beteiligten sind aufgefordert, an der präzisen Beschreibung und Absteckung des Projektes mitzuwirken. Die Analogien des Jagdreviers und des Projektreviers werden nachfolgend in einzelnen Tabellen verdeutlicht und sollen als Anregung dienen, das Projekt umfassend und in voller Transparenz zu definieren. Und wie ist es um Ihr Revier bestellt? Haben Sie in Ihrem Projekt an alles gedacht? Das Jägerlatein Die Projektsprache 🙂 😐 ☹ Revier Projekt Revierziel Projektziel Hege Projektpflege Beschaffenheit des Reviers Projekteigenschaften Abbildung 2: Der Jäger auf der Jagd. „Wer Hirsche jagt, späht nicht auf Hasen.“ Die Jagd (Teil I-- Jäger) Kann man den Projektmanager wirklich als Jäger bezeichnen? Die Autoren meinen, ja! Auch nähern wir uns dem Verständnis der Arbeit eines Projektmanagers zunächst über die proaktive Rolle eines Jägers. In seiner Rolle als Jagender strebt er natürlich auch nach Jagderfolg. Doch was genau ist seine Beute? Ist es nur das Erlegen eines Wildtieres? Ist ein guter Jäger verantwortlich für ein Revier, so ist das Erlegen der Beute zunächst mit dem Erreichen eines Meilensteinziels gleichzusetzen, welches sich dem langfristigen Ziel eines erfolgreichen Projektes (intakten Reviers) unterzuordnen hat. Demzufolge gilt es, sich auch im Projektalltag auf das übergeordnete Ziel zu konzentrieren und sich nicht durch unverhoffte Situationen von diesem ablenken zu lassen! Diese Sichtweise untermauert ebenfalls ein alter Jägerspruch: „Wer Hirsche jagt, späht nicht auf Hasen.“ Hierbei hängt es maßgeblich von den Fähigkeiten, dem Wissen und der Erfahrung des Projektleiters (Jägers) ab, ob sowohl die operativen Meilensteine erreicht sowie die strategischen Zielstellungen auch realisiert werden. Der Projektmanager ist also wie ein Jäger auf der Jagd. Er jagt, übergeordnet gesehen, nach Anerkennung für sich, sein Projekt und sein Team. Diese Anerkennung kommt- - in der Theorie zumindest-- ganz am Schluss, mit der erfolgreichen Beendigung des Projektes. Die Realität sieht oft anders aus, denn die Beendigung des Projektes läuft manchmal nicht ganz so geordnet ab und vermischt sich eher fließend mit dem gegenwärtigen Tagesgeschäft. Aber Anerkennung ist auch während der Projektumsetzung zu erlangen. Das erfolgreiche und termingerechte Erreichen von Meilensteinen, die besonders gute Umsetzung eines Entwicklungsschrittes, die ausgezeichnete und kontinuierliche Information an den Kunden- - all dies findet Anerkennung und fördert damit die im Projektmanager intrinsisch vorhandene Motivation zu erfolgreichem Handeln. Aber diese Teilerfolge ergeben sich nicht von selbst, sie sind hart zu erarbeiten. Und obwohl es nicht der Projektmanager allein ist, der all dies leistet, so ist doch er es, der seine Projektmitarbeiter-- sozusagen seine Jagdhelfer-- anführt und die entscheidenden Impulse setzt. Dabei ist er ständig auf der Pirsch, er sucht nach Gelegenheiten, den nächsten Schritt im Projekt tun zu können und neue Vorgehensweisen zu etablieren. Auch in anderen Projektsituationen ist der Projektmanager auf der Jagd. Wo bekommt man das benötigte Material am günstigsten? Durch welche Lockmittel können außerhalb des Projektes Zuarbeitende dazu gebracht werden, ihre Termine einzuhalten? Welche Strippen sind zu ziehen, um die Unterstützung eines höheren Managers zu erlangen? Wie kann der nächste Meilenstein erreicht werden? Und welche Mittel stehen dem Projektmanager dabei zur Verfügung? Als erfahrener Handwerksmeister des Projektmanagements-- der er ja auch ist-- beherrscht er seinen Werkzeugkasten, in dem er alle Rahmenkonzepte, Prozesskonzepte und Fähigkeiten verwahrt, die er bei Bedarf anwenden kann. [1] Hiermit muss der Projektleiter klare Entscheidungen zur konzeptionellen Vorgehensweise und damit einhergehend auch zur situativen Ressourcenverwendung treffen, Wissen | Der Projektmanager als Jäger 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 auch wenn diese Festlegungen mitunter unbequem sein können. Hierzu muss der Projektmanager seine Prioritäten mit Augenmaß wählen und manches Mal vielleicht auch einen Umweg in Kauf nehmen, um das Gesamtziel durch vorschnelle Entscheidungen nicht zu gefährden. Zusammenfassend, der Projektmanager auf der Jagd nach Ergebnissen und Erfolg sollte proaktiv und vorsichtig zugleich agieren und sein Projekt, sein Revier, immer gesamtheitlich im Auge behalten. Und wie ist es um Sie bestellt? Agieren Sie aktiv und mit Weitblick? Das Jägerlatein Die Projektsprache 🙂 😐 ☹ Jäger Projektmanager Jagdhelfer Projektmitarbeiter Abbildung 3: Der „gejagte“ Jäger. „Jagdgenossenschaft und Behörde, sind des Jägers größte Bürde.“ Die Jagd (Teil II-- Gejagter) Tritt der Projektmanager immer nur als Jäger auf? Nein, die Autoren sehen ihn mitunter auch in der Rolle des Gejagten im eigenen Revier. Genau wie der Jäger ist auch der Projektmanager nicht immer in der proaktiven Rolle des Jagenden vorzufinden. Oft findet er sich in Situationen wieder, welche er nicht vorhergesehen hat. Er ist getrieben und wird u. U. selbst zum Gejagten. Ein alter Jägerspruch lautet: „Jagdgenossenschaft und Behörde sind des Jägers größte Bürde.“ Dieser Spruch verdeutlicht welchen Druck die Auftraggeber (Jagdgenossenschaft)-- oder auch weitere Stakeholder (bspw. Jagdbehörde)-- auf den Jäger ausüben können. So wie Jäger, die Ihre Ausschussquote erfüllen müssen, so steht auch der Projektmanager unter ständigem Erfolgsdruck. Es lastet auf Ihm der Erwartungsdruck des Managements, seines Teams, des Kunden sowie anderer Stakeholder. Jeder erfahrene Projektleiter wird diese Art der Fremdsteuerung nur zu gut kennen. Beispielweise haben sich bei einem gestarteten Bauprojekt die Anwohner zu einer Protest-Organisation zusammengeschlossen und klagen vor Gericht auf Baustopp. Jetzt muss gegengesteuert werden. Disruptive, globale Ereignisse haben massive Auswirkungen auf die Sicherstellung der Rohstoffversorgung im Projekt. Jetzt muss gegengesteuert werden. Entgegen jeder Rationalität werden bereits genehmigte und verplante Mittel dem Projekt nun doch nicht bereitgestellt. Jetzt muss gegengesteuert werden. Neben diesen Beispielen bedingen die Komponenten Zeit, Kosten und Qualität des magischen Dreiecks des Projektmanagements grundsätzlich die Rolle des „gejagten“ Projektleiters. Der inhärente Zielkonflikt innerhalb dieser Parameter zwingt den Projektleiter generisch in eine reaktive Steuerungsfunktion. Diese kann, bei einmal existierenden negativen Abweichungen, kaum noch in eine proaktive Funktion mit eigens geplanten, zukünftigen Vorgehensweisen umgewandelt werden. Erstaunlicherweise lassen sich innerhalb eines Reviers oftmals Situationen wie die folgende beobachten. Der Jäger ist dieses Jahr von größeren Schäden an Feldern durch Wildtiere verschont worden, auch der Wildbestand entwickelt sich hervorragend und die Flora und Fauna hat sich gut von der Trockenheit der letzten Jahre erholt. Trotzdem ist der Jäger der Meinung noch mehr tun zu müssen bspw. noch mehr Salzlecken für das Wild und noch mehr junge Bäume pflanzen. Er ist scheinbar getrieben, aber es ist nicht ersichtlich von wem. Genau dieses Paradoxon lässt sich auch, bei vor allem jungen, Projektleitern beobachten, deren Erwartungen an sich selbst oft viel zu hoch sind. Dieser eigenauferlegte Leistungsdruck kann den Blick für die wesentlichen Herausforderungen des Projektgeschäfts vernebeln, ähnlich einem Jäger, der selbst so zittert, dass er sein Ziel durch das Zielfernrohr kaum erkennen kann. Tatsächlich zeigt sich in der Praxis das gerade besonders gute Projektmanager dem eigenen Anspruch mitunter unterliegen, damit „das Luftholen“ vergessen und sich selbst zu Gejagten machen. Wichtig ist, dass dieser Drive stattdessen die Basis für zielführende Handlung ist und der eigene Anspruch eben nicht zum Hemmnis der Projektleitertätigkeit wird. Projektmanagern kann diesbezüglich eine Project Governance-- ähnlich dem Jagdgesetz-- Orientierung geben. Durch Vorgabe von standardisierten Vorgehensweisen, Normen und Verantwortlichkeiten kann der Projektmanager aus diesem Regelwerk Anregungen und Leitplanken seines Handelns im Projektalltag und somit prozessuale Hilfestellung erfahren. Abschließend ist festzustellen, dass ein Projektleiter innerhalb eines Projektes sowohl die Rolle des Jagenden als auch des Gejagten einnehmen kann, bzw. teilweise gezwungen ist diese Rollen auszufüllen. Unter gewissen Umständen kann ein Projektleiter auch innerhalb eines Zeitpunktes sowohl Gejagter als auch Jäger sein. Entscheidend für die Rollenbesetzung kann das jeweilige Gegenüber oder auch die Perspektive sein. So kommt es beispielsweise regelmäßig vor, dass der Projektleiter, aufgrund einer Projektverschlechterung bei der letzten Statusvorstellung, in die Position des „Gejagten“ von der Geschäftsführung gedrückt wurde. Im unmittelbar darauffolgenden Teammeeting agiert er seinem Projektteam gegenüber allerdings als „Jäger“ und fordert konkrete Aktivitäten und Ergebnisse ein. Fühlen Sie sich als Gejagter? Von wessen Erwartungen werden Sie unter Druck gesetzt? Wissen | Der Projektmanager als Jäger 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 Die Witterungsverhältnisse Wie der Jäger mit den Witterungsverhältnissen leben muss, so muss der Projektmanager mit den Umgebungsbedingungen des Projektes leben. Und wie das Wetter (von leichtem Lüftchen bis hin zum Sturm) sind diese manchmal günstig (Unterstützung von allen Seiten), manches Mal aber auch widrig (Widerstände und Gegenströmungen). Und der Wind kann dem Projektmanager dabei heftig ins Gesicht wehen und seine Pläne beeinträchtigen. Auch die ihm verliehene Durchsetzungsmacht kann dadurch beeinträchtigt werden. Schauen wir uns die Umgebungseinflüsse eines Projektes genauer an. Der Projektauftrag und die Ziele des Projektes (sachlich, zeitlich, kostenseitig) stehen fest, zu Beginn zumindest. Es gilt nun, eine möglichst genaue Einschätzung der Projektumgebung vorzunehmen. Die zu wählende Projektorganisation hängt einerseits von der Art des Projektes (Innovations- oder Routineprojekt, Erstellung einer technischen Leistung oder Herbeiführung einer Organisationsänderung etc.), andererseits von der existierenden Unternehmensorganisation und der gelebten Unternehmenskultur ab. So werden langläufige Projekte, die nur selektiv auf einzelne Mitarbeiter zugreifen, wohl eher von einer Stabsstelle aus koordiniert werden, während eine sehr teambasierte Zusammenarbeit im Projekt eher in einem separaten Team oder als Matrix-Struktur gestaltet wird. Die Entscheidung für die Projektorganisation muss jedoch auch in die Unternehmenskultur passen. Zum Beispiel wird ein eigentümergeführtes, relativ kleines Unternehmen üblicherweise nicht in einer Matrixstruktur arbeiten können, da das Projekt mit der an sich schon schwierige Machtverteilung zwischen Projektmanager und Linienführungskräften keinen dritten aktiven Steuerer in Person des Unternehmensführers verträgt. Es gilt also, sich in die Unternehmensumgebung organisatorisch und auch zwischenmenschlich einzudenken, bevor eine strukturelle Entscheidung getroffen werden kann. Nun stellt sich die Frage nach der Projektmanagementmethodik. In Lehrbüchern wird häufig der Unterschied zwischen den klassischen und den agilen Methoden betont. In der Praxis ist nach Einschätzung der Autoren jedoch zu beobachten, dass die vermeintlich planbasierten klassischen Methoden in vielen Konstellationen eine deutliche Agilität aufweisen (müssen), um den sich ständig ändernden Rand- und Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Andererseits stehen agile Projekte meistens trotzdem unter dem Druck der Außenwelt, was immer wieder die Notwendigkeit nach langfristigen Planaussagen hervorbringt. Und natürlich sind für die Wahl der richtigen Methodik auch die äußeren Rahmenbedingungen wie die Branche, relevante staatliche Vorgaben oder auch die makroökonomische Situation mitzuberücksichtigen. So weit sind die Rahmenbedingungen von dem Projektmanager durchaus noch analysierbar und damit auch steuerbar. Hat er seine diesbezüglichen Hausaufgaben gemacht, so startet er in hellem Sonnenschein in das Projekt. Die bald aufziehenden Wolken werden nun von allen Aspekten verursacht, die in der Komplexität des Lebens zu finden sind. Da sind zum einen sachliche Probleme zu nennen, Restriktionen, die vorab nicht zu erkennen waren (z. B. wenn ein Material nicht hält, was es verspricht). Zum anderen können sich aus diversen Gründen Verschiebungen in der Zielstellung des Projektes ergeben, denn die Welt um das Projekt herum bleibt nicht stehen, sie wartet mit ihren neuen Ideen und Erkenntnissen nicht auf die Fertigstellung des Projektes (meist als langsame Veränderungen wahrnehmbar). Und schließlich sind da noch die rein menschlichen Faktoren, die Wünsche und Eitelkeiten der Projektteammitglieder, die Verästelungen in den Machtstrukturen im Unternehmen und deren feine, aber auswirkungsreichen ständigen Verschiebungen, die kundenseitigen Hakenschläge in neue, und unvorhergesehene Richtungen (häufig als disruptive Ereignisse auftretend). Dies alles sorgt für eine sich ständig ändernde Projektsituation, die es zu antizipieren und auf die es sich vorzubereiten gilt. Und wie auf der Jagd sowohl Jäger als auch Gejagte ständig neu die Witterung aufnehmen, so muss der Projektmanager nun in jeder Phase des Projektes die Umgebung praktisch auf Tagesbasis neu evaluieren und einschätzen. Neben allen praktischen Problemen, die die Projektaufgabe mit sich bringt, muss er nun in dem Spiel der Kräfte von Jägern und Gejagten seiner Spur folgen. Hierfür benötigt er-- um mit den Worten der ICB 4 der GPM / IPMA [2] zu sprechen-- nicht nur technische und persönlich-soziale Kompetenzen, sondern vor allem eine ausgeprägte Kontext-Kompetenz. Letztere kann nur sehr bedingt theoretisch erlernt werden, sie kommt mit der Erfahrung. Und sie ist ein zweischneidiges Schwert. Denn je kompetenter der Projektmanager in genau diesem Punkt ist, umso mehr Macht hat er. Er bleibt der Jäger und wird zur potenziellen Gefahr für andere Jäger, also andere Machtträger in der Organisation. Auch dies gilt es zu berücksichtigen und auszubalancieren. In diesem Zusammenhang sollte eine alte Jägerweisheit beachtet werden: „Wenn der Wind weht mit Gesause, bleibt der Jäger gleich zuhause! “ Der Projektmanager muss sich also nicht nur für sein Projekt einsetzen, er muss Das Jägerlatein Die Projektsprache 🙂 😐 ☹ Jagdgenossenschaft Auftraggeber Betroffene der Jagd Stakeholder des Projektes Jagdgesetz Project Governance Abbildung 4: Der Himmel und die Bäume, Indikatoren kommender Witterungsverhältnisse. „Wenn der Wind weht mit Gesause, bleibt der Jäger gleich Zuhause! “ Wissen | Der Projektmanager als Jäger 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 dabei gleichzeitig wissen, welche Kämpfe es sich einzugehen lohnt und wann es von Vorteil ist seine Ressourcen zu schonen, weil das gegenwärtige Projektumfeld eher ungünstig ist. Der Umgang mit den Umgebungsbedingungen ist integraler Bestandteil einer jeden Projektmanagementaufgabe. So wie das Jagdrevier kein „Schönwetterrevier“ ist, so ist auch das Projektmanagement keine „Wohlfühlaufgabe“. Widrige Bedingungen können somit nicht als Grund für ein Scheitern angeführt werden, vielmehr sind sie geradezu der Grund, warum es einen Projektmanager braucht. Die gute Nachricht dabei ist jedoch, dass gerade auch widrige Bedingungen den Erfolg des Projektes befördern können, indem neue, und vielleicht viel bessere Lösungen erkannt und mit gesteigerter Motivation verfolgt werden. Nehmen Sie die Witterungsverhältnisse im Projekt regelmäßig auf? Achten Sie kontinuierlich auf Anzeichen von Veränderung? Das Jägerlatein Die Projektsprache 🙂 😐 ☹ Witterungsbedingungen Projektumfeld Witterung aufnehmen Veränderungen einschätzen Störfaktoren im Revier Störfakten im Projekt Abbildung 6: Säulen des Projekterfolgs Die Hege bringt den Mehrwert Welche Empfehlungen für eine erfolgreiche Projektarbeit können dem Projektmanager nun aus den Jagd-Analogien gegeben werden? Grundsätzlich übernimmt ein Projektmanager mit einem Projekt- - genau wie der Jäger bei Revierübernahme-- auch die Verantwortung für die Hege und Pflege desselben. Aufgrund dieses Verantwortungsüberganges entstehen Rechte und Pflichten sowohl gegenüber dem Projekt, seinen Stakeholdern als auch gegenüber sich selbst. In diesem Zusammenhang lautet ein alter Jägerspruch: „Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild, waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“ Im Einklang mit diesem Zitat sind es die Kernaufgaben des Projektmanagers sein Projekt zu beschützen, sich um seine Stakeholder zu kümmern, Probleme im Projektablauf zu beseitigen und sowohl dem Projekt als auch dessen Auftraggebern wertschätzend gegenüber aufzutreten. Die Autoren leiten aus den vorgestellten Analogien drei wesentliche Säulen des Projekterfolgs ab. Jede dieser Säulen muss innerhalb eines Projektes bekannt gemacht, berücksichtigt und gepflegt werden. Säule 1-- Fokus auf Strategie Vorrangig gilt es, innerhalb eines Projektes das strategische Projektziel nie aus den Augen zu verlieren. Auch wenn es operative Herausforderungen zu meistern gilt- - bspw. das Erreichen eines Meilensteins-- so ist jeder kurzfristige Aktionismus immer auf seine Zweckmäßigkeit für den Projektgesamterfolg hin zu prüfen. Der in der Praxis immer wieder zu beobachtende kontinuierliche Druck auf die Mitarbeiter (zur Meilensteinrealisierung, zur schnellen Auslieferung, etc.) und die damit verbundene dauerhafte Überlastung dieser, muss verhindert werden. [3] Denn ein Burn-out einzelner Projektmitarbeiter oder des Projektteams als Ganzem gefährdet das prioritäre, langfristige Projektziel. Und so schließt sich der Kreis der Analogie zum Jagdrevier, in dem die kurzfristig realisierte Wilderlegung sich der langfristigen Leistungsfähigkeit des Ökosystems unterzuordnen hat- - denn nur durch sorgfältige Hege und Pflege von Wild und Natur kann ein langfristig gesundes Revier sichergestellt werden. Säule 2-- Fokus auf Projektumfeld Natürlich ist es wichtig, dass die Projekte selbst und auch die Abläufe innerhalb von diesen-- egal ob agil, hybrid oder traditionell gemanagt- - geplant werden. Dennoch sind wir der Auffassung, dass die flexible Reaktion auf sich verändernde Bedingungen im Projektumfeld wichtiger ist als die stringente Planerfüllung. Zudem gilt es, ein aktives Stakeholdermanagement zu betreiben, also die Beziehungen zum Projektteam, zu den Auftraggebern und zu weiteren Beteiligten zu pflegen und Machtkämpfe generell zu vermeiden. Und ergeben sich Abbildung 5: Kitzrettung vor den Gefahren der Landmaschinen als zielführende Hegemaßnahme. „Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild, waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“ Alter Jägerspruch Wissen | Der Projektmanager als Jäger 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0100 dann durch organisationale Veränderungen, branchenspezifische Einflüsse sowie Spezifika der Projektart dynamische Veränderungen des Projektumfelds, kann auf dieser guten Basis reagiert werden. Entsprechend der jeweiligen Änderungen im Umfeld gilt es, fortlaufend die Auswirkungen auf den Projektplan zu prüfen und bei Bedarf durch entsprechende Maßnahmen steuernd einzugreifen. Und auch hier wieder greift die Analogie des Jagdreviers. Was nutzt ein ausgefeilter Revierplan, wenn die Witterung umschlägt und den Plan obsolet erscheinen lässt? Auch hier gilt es, sich den Tatsachen zu stellen und pragmatisch umzuplanen. Es kommen auch wieder bessere Witterungsbedingungen, die Fernziele für das Jahr gehen nicht verloren. Säule 3-- Fokus auf Spirit „Du musst brennen für das, was du tust.“ Wie oft ist uns dieser Satz im Leben schon begegnet. Bezogen auf die Tätigkeit eines Projektmanagers vertreten die Autoren ebenfalls diese Auffassung. Natürlich sollte der Projektmanager auch ein Handwerksmeister seines Faches sein und seinen Werkzeugkoffer beherrschen. Und selbstverständlich ist es wichtig, dass ein Projektmanager in der Lage ist sowohl „als Jäger zu agieren“ um das Projekt voranzutreiben, als auch als „Gejagter zu reagieren“ um das Projekt abzusichern. Doch all dies entfaltet seine Kraft erst vollumfänglich, wenn der Projektmanager seinen Beruf aus Überzeugung tut und als Berufung ansieht, anstatt nur als Aufgabe. Denn nur dann ist auch die glaubwürdige Einnahme einer Servant-Leader- Rolle gegenüber dem Projekt selbst, gegenüber den Stakeholdern und auch gegenüber sich selbst wirklich erreichbar. Ein Projektmanager aus innerer Überzeugung strahlt nach außen und ermöglicht es, nicht nur die Zielerreichung zu messen, sondern auch den Einsatz aller Beteiligten wertzuschätzen. Der Jäger- - um auch hier den Kreis zu schließen- - sollte kein Jäger aus Pflicht, sondern ein Jäger, besser noch ein Hegeverantwortlicher, aus Überzeugung sein. Die Hege als Berufung, die Hege und Pflege des Reviers aus tiefem Anliegen heraus, hier treffen sich der gute Jäger und der gute Projektmanager in ihrer inneren Leidenschaft. Stellen Sie sicher, dass Sie die tragenden Säulen des Projekterfolgs beachten! Säule Anforderungen 🙂 😐 ☹ 1 Hegen und pflegen Sie Ihr Projektrevier! Denken Sie langfristig und schützen Sie die Leistungsfähigkeit von sich und Ihrem Team! Kennen Sie Ihre Strategie und die Ihres Auftraggebers! Achten Sie diese strategischen Ziele höher als Kleinerfolge in einzelnen Meilensteinen! 2 Hegen und pflegen Sie Ihr Team, Ihre Stakeholder, Ihre Auftraggeber und Ihr Management! Sorgen Sie gleich zu Beginn für Auftragsklarheit, um spätere Machtkämpfe zu vermeiden! Beobachten Sie Ihre Umgebung und passen Sie Ihr Projekt täglich dem Drift der Geschehnisse an! 3 Hegen und pflegen Sie Ihr Handwerk! Halten Sie Ihr Wissen und Können, Ihren Werkzeugkasten, immer aktuell! Trainieren Sie Ihre Instinkte als Jäger und Gejagter! Sehen Sie Ihre Rolle als Projektmanager nicht als Ihren Beruf, sondern seien Sie Projektmanager aus Berufung! Prof. Dr. Martin Barth Herr Barth ist Professor für Projektmanagement im Fachgebiet Wirtschaft und Management an der IU Internationale Hochschule. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich vertikaler, indirekter Post- Merger-Integrationen unter Berücksichtigung intra- und interorganisationaler Ressourcen sowie auf dem Gebiet des Projektmanagements. Internet: www.iu.de / hochschule / lehrende / barth-martin eMail: martin.barth@iu.org Prof. Dr. Margit Sarstedt Frau Sarstedt ist Professorin für Technologie- und Projektmanagement im Fachgebiet Wirtschaft und Management an der IU Internationale Hochschule. Basierend auf ihrer mehr als zwanzigjährigen Berufserfahrung in der produzierenden Industrie liegen ihre Forschungsinteressen im Einsatz verschiedener Projektmanagementmethoden in operativen und organisatorischen sowie Veränderungssituationen. Internet: http: / / www.iu.de/ hochschule/ lehrende/ sarstedtmargit eMail: margit.sarstedt@iu.org Literatur [1] M. Barth & M. Sarstedt (2022). Der Projektmanager als Handwerksmeister. Projektmanagement aktuell. Heft 2 / 2022. GPM. Tübingen. S. 62-65. [2] IPMA®-- international project management association & GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (2017). Individual Competence Baseline für Projektmanagement (Version 4.0 / Deutsche Fassung). GPM-IPMA. [3] Barth, Martin. 2020. Vertikale, indirekte Post-Merger-Integrationsgestaltung. Neowiss- - Europäischer Wissenschaftsverlag. Frankfurt am Main. ISBN: 978-3-945 484- 19-7. S. 181. Eingangsabbildung: © iStock.com / visualspace