eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0102
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335 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Big Pictures – Big Basic für jedes Projekt

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Sigfried Haarbeck
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56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0102 Warum dauert das denn wieder so lange? Ein Seufzer, den wohl jeder Projektleiter kennt. Ja, warum dauert es so lange, bis interdisziplinäre Projektteams genau verstanden haben, was ihr Projekt ist, was der konkrete Auftrag ist und wohin die Reise geht? Die Antwort ist meistens: Zwischen dem Kunden und dem Projektteam ist der Auftrag nicht konkret geklärt. Dabei könnte es so einfach sein, hätten sich alle Beteiligten mit einem Big Picture über Ziele und Inhalt ihres Projekts verständigt. Das Große und Ganze in den Blick nehmen: Das ist eine der Hauptaufgaben des Projektmanagers. „Wenn das Ganze betrachtet wird („Seeing the Whole“), lassen sich Individualinteressen oder gruppenspezifische Sonderwünsche mit der Gesamtaufgabe in eine sinnvolle Balance bringen.“ [1] Ein zentraler Punkt ist es, die Projektbeteiligten auf ein Ziel und eine Richtung einzuschwören, einzuordnen, einzuschwingen. Das meint, den gleichen Blick auf das Projekt-Thema und -Ziel zu bekommen. Definition von Big Picture Das Big Picture ist ein Gesamtbild von Ideen, Visionen oder Zielen. Einfach und verständlich visualisiert schafft es ein gemeinsames Verständnis und eine einheitliche Sichtweise. Das Big Picture ist die griffige Interpretation in Form eines Gesamtbildes eines Projektes. [1] Big Picture hat Potenzial! Das wichtigste Potenzial von Big Picture ist, dass alle Beteiligten schnell zu gemeinsamen Erkenntnissen oder offenen Fragen kommen. Ein Big Picture erzeugt eine gemeinsame Sicht auf das Projekt und das angestrebte Ergebnis. Davon profitiert nicht nur das Projektteam selbst. Auch alle Stakeholder, vom Auftraggeber bis zum Lieferanten, können bei der Erstellung ihres Big Pictures auf einen Kurs eingeschworen werden. Zwingend dafür ist die Visualisierung. Durch die Visualisierung bekommt das Team Klarheit über den Auftrag oder in der Fragestellung. Im Big Picture wird eine Struktur dargestellt, die Orientierung bietet. Das Team erkennt die wichtigsten Aspekte, fehlende Informationen, unterschiedliche Varianten und Sichtweisen. Selbstverständlichkeiten können hinterfragt und z. B. ein Changeprozess beflügelt werden. Am Ende des Big-Picture-Prozesses hat das Team ein gemeinsames Verständnis des Projekts. Das Team hat Zusammenhänge dargestellt und konkrete Fragen formuliert. Das Big Picture ist damit der Startpunkt, um Detailarbeit zu definieren oder um (jetzt endlich) loszulegen: • Das Big Picture schafft eine gemeinsame Diskussionsgrundlage und eine einheitliche Sicht. • Alle Beteiligten bringen ihr Verständnis der Dinge ein. • Unterschiedliche Sichtweisen, Prioritäten und Perspektiven werden offensichtlich. • Fehlende Informationen werden erkannt. Einsatzmöglichkeiten für Big Picture: Big Picture zählt zu den wichtigsten Methoden der Ergebnisorientierung-- die Königsdisziplin unter den persönlichen und sozialen Kompetenzen im Projektmanagement. Big Picture kann in fast allen Projektsituationen zum Einsatz kommen, in denen verschiedene Projektbeteiligte einen Blick auf das Große und Ganze bekommen sollen, das Team „eingenordet“ werden soll. Eine Aufstellung zeigt die wichtigsten Einsatzgebiete: • Ideenrunden/ Brainstorming • Projekt-Auftragsklärung • Projekt-Kick-off oder Projekt-Start-up-Workshops • Projektpräsentationen und Roadshows • Darstellung von Visionen, Zielen und Unternehmensstrategien • Visualisierung von IT-Systeme und IT-Architektur Erfahrene Projektleiterinnen und Projektleiter nutzen Big Picture gern und regelmäßig als Werkzeug. Bei der C- und B-Level-Zertifizierung der IPMA gehört Big Picture zum Standard. Die zwei wichtigsten Schritte im Big-Picture- Prozess: 1. Moderation des Prozesses Der Teamleiter oder ein Moderator und das Projektteam erarbeiten Ideen, Ziele oder wichtige Aspekte und visualisieren sie mit der gewählten Methode. Gut geeignet für die Erstellung eines Big Picture ist die Methode „Fragetrichter“ aus dem Moderationswerkzeugkoffer. Schritt eins sind offene Fragen: Was, wie, wer, wozu, weshalb, wann? Was fehlt noch? Was genau gehört dazu? Der Weg geht immer vom Groben zum Feinen! 2. Visualisierung der Ergebnisse Schön malen muss man nicht, visualisieren aber auf alle Fälle: Einfach, plakativ, anschaulich und verständlich. Symbole, Pfeile, Strichmenschen reichen aus. Ein Big Picture kann kreativ gestaltet, skizziert oder auf der Basis einer Vorlage erstellt werden, das funktioniert digital oder analog. Es passt auf eine Din-A-4-Seite genauso wie auf ein Flipchart, Whiteboard oder ein digitales Board. Am besten eignet sich jedoch eine große Fläche, sie erleichtert den Blick aller Teilnehmer auf die gemeinsam erarbeitete Zielbestimmung. Freies Visualisieren Routinierte Projektmanager bereiten ihre Vorlage digital oder analog vor. In der Regel wird die Vorlage in 9 Felder unterteilt. Variante eins: Von der Mitte her denken! Das mittlere Feld ist reserviert für das Thema, um das es geht. In den umliegen- Big Picture-- Big Basic für jedes Projekt Sigfried Haarbeck PM Forum Leipzig | Big Picture-- Big Basic für jedes Projekt 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0102 den acht Feldern finden zugehörige Aspekte ihren Platz, z. B. Ziele, Chancen, Stakeholder, Risiken, Phasen, Meilensteine. Bei IT-Projekten kann die beispielsweise eine neue Software im Zentrum stehen, in den freien Feldern dann Schnittstellen, andere Systeme, Wechselwirkungen, Budget etc. Variante zwei: Ist-Soll-Entwicklungen darstellen. Hier wird auf der Vorlage von links nach rechts visualisiert- - vom Istzum Soll-Zustand. Die übrigen Felder dienen auch hier anderen wichtigen Aspekten des Themas. Dieses Modell wird für Change-Prozesse oder Investitionsprojekte genutzt. Arbeiten mit Big-Picture-Modellen Etliche standardisierte Big-Picture-Modelle erleichtern das Vorgehen: Sie bieten einen strukturierten Rahmen für den Prozess in einem professionellen Look and Feel. Die wichtigsten Modelle sind: 1. Roadmap Eine Roadmap bietet eine Übersicht, wie sich ein Produkt, Projekt, eine Abteilung oder ein Unternehmen entwickeln soll. Es ist somit ein zweckdienliches Kommunikationsmedium für Entwicklungs- oder Projektteams. Eine Roadmap zeichnet sich durch plakative Übersichtlichkeit aus und dient zur Projektvorbereitung und Grobplanung. 2. Auftragsklärung In der Auftragsklärung vereinbaren Team und Kunde den Inhalt des Arbeitsauftrags. Das magische Dreieck benennt Kosten, Zeit und Leistung. Die wichtigsten Stakeholder werden genannt und die Phasen und Meilensteine definiert. 3. Projekt Canvas Ein Project Canvas ist ein visuelles Instrument zur systematischen Erfassung der Bausteine eines Projekts. Für die Projektmitarbeiter wird grafisch einprägsam eine Aufgabenstellung als Projekt erfasst und in Form eines Big Picture dargestellt. Dabei helfen vorformulierte Fragen unter anderem zu Kundenanforderungen, Projektzielen, Phasen, Meilensteine, Budget, Risiken / Chancen etc. Alles wird in die Canvas-Felder eingetragen. Mit dem Big Picture im Projekt Canvas werden zugleich alle Bestandteile eines Projektsteckbriefes oder des Projektauftrags erfasst. Zusammenfassung Ob im Change-Prozess, im IT-Projekt oder bei klassischen Bauprojekten: Ein Big Picture hilft allen Beteiligten, sich auf das Ziel zu kalibrieren. Zum Projektstart ist das Big Picture alternativlos. Und im Verlauf des Projekts ist es eine gute Hilfe, das bereits erreichte zu würdigen und das gemeinsame Ziel zu fokussieren. © apropro Haarbeck Projektmanagement © apropro Haarbeck Projektmanagement PM Forum Leipzig | Big Picture-- Big Basic für jedes Projekt Literatur [1] Haarbeck, Siegfried, (2019) Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4), Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, 1. Auflage, S. 978 [2] Nowotny, V. (2017) Agile Unternehmen. Nur was sich bewegt kann sich verbessern. 3. Auflage Göttingen, Business Village Verlag, S. 70) Siegfried Haarbeck Siegfried Haarbeck ist seit über 20 Jahren leidenschaftlicher Projektmanagement-Trainer und Berater, mehrfach ausgezeichnet als Bestin-Class-Trainer. Er arbeitet mit Methoden der Moderation, Kreativität und Agilität mit hoher Wertschätzung für PM-Profis und Einsteiger. Er berät Unternehmen und coacht Führungskräfte nach dem Leitmotiv „Projekte auf den Punkt bringen“. Als überzeugter PM-Netzwerker leitet er die GPM-Regionalgruppe Thüringen. APROPRO Haarbeck Projektmanagement Brühl 16, 99 423 Weimar E-Mail: Info@apropro.de Tel.: 03 643 - 518 424 © apropro Haarbeck Projektmanagement Gerald Pilz Revolution am Arbeitsplatz Wie wir in Zukunft arbeiten werden 1., Auflage 2022, 155 Seiten €[D] 29,99 ISBN 978-3-7398-3094-0 eISBN 978-3-7398-8094-5 Das Buch informiert anschaulich über die Entwicklungen und Studien im Bereich neuer Arbeitsformen. Der Autor spannt dabei den Bogen von New Work und Arbeiten 4.0 sowie Home Office und Remote Work über die Zunahme der Digitalen Nomaden bis hin zur Gig Economy in der Weltwirtschaft. Konkrete Fallbeispiele und innovative Ansätze aus aller Welt geben einen Einblick in diese spannenden Themen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Fachkräfte im Personalbereich und Führungskräfte in Unternehmen und anderen Organisationen. Anzeige