eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0104
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2022
335 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

3D-Welten – Visualisierung auf einem neuen Level

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2022
Miriam Sasse
Am 7. Juli 2022 hatten wir die Möglichkeit auf dem PM Forum der Gesellschaft für Projektmanagement e. V. 24 Teilnehmenden die 3D-Welten von Janek Panneitz vorzustellen. In nur zwei Stunden visualisierten Janek Panneitz und ich mit allen gemeinsam unsere Vorstellung von einer Projektmanagement-Arbeitswelt in 2030. Die 3D-Welten sind eine Visualisierungsmethode, die komplexe Sachverhalte darstellt und besprechbar macht, wenn einfache Whiteboards oder Pinnwände in 2D nicht mehr ausreichen. Wer täglich komplexe Themen gestaltet und diese verantwortungsvoll umsetzt, hat mit den 3D-Welten ein wirkungsvolles Tool zur Hand. Alle Mitgestaltenden können sich besser orientieren und für die nächsten Schritte ausrichten. Egal ob Projekt-, Portfolio- oder Strategie-Manager, egal ob Mitarbeitende oder Führungskräfte – eine Veranschaulichung mit 3D-Welten wirkt auf allen Ebenen.
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61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0104 Komplexe Sachverhalte greifbar und lösbar gestalten 3D-Welten-- Visualisierung auf einem neuen Level Miriam Sasse Am 7. Juli 2022 hatten wir die Möglichkeit auf dem PM Forum der Gesellschaft für Projektmanagement e. V. 24 Teilnehmenden die 3D-Welten von Janek Panneitz vorzustellen. In nur zwei Stunden visualisierten Janek Panneitz und ich mit allen gemeinsam unsere Vorstellung von einer Projektmanagement-Arbeitswelt in 2030. Die 3D-Welten sind eine Visualisierungsmethode, die komplexe Sachverhalte darstellt und besprechbar macht, wenn einfache Whiteboards oder Pinnwände in 2D nicht mehr ausreichen. Wer täglich komplexe Themen gestaltet und diese verantwortungsvoll umsetzt, hat mit den 3D-Welten ein wirkungsvolles Tool zur Hand. Alle Mitgestaltenden können sich besser orientieren und für die nächsten Schritte ausrichten. Egal ob Projekt-, Portfolio- oder Strategie-Manager, egal ob Mitarbeitende oder Führungskräfte-- eine Veranschaulichung mit 3D-Welten wirkt auf allen Ebenen. „Mich hat besonders begeistert, dass wir spielerisch entwickeln konnten, wie unsere Welt 2030 aussehen soll”, sagt Stephan Reinisch, Unternehmensinhaber bei Die Energieingenieure GbR und Teilnehmer des PM Forums. „Wir haben methodisch in verschiedenen Dimensionen geprüft und diskutiert, und sind gemeinsam zu Ergebnissen gekommen. Viele BuzzWords haben wir nach und nach eliminiert und uns auf das konzentriert, worauf es wirklich ankommt.“ Dieser Beitrag veranschaulicht, wie die 3D-Welten in vier Phasen zur Visualisierung beitragen. Es wird deutlich, wie 3D-Welten die Aufmerksamkeit fokussieren und das intellektuelle Potenzial der gesamten Gruppe auf die Problemlösung lenken. Die hohe Komplexität wird dargestellt, ohne dass es unübersichtlich oder ermüdend wird. Entscheidungen werden nachhaltiger getroffen und tägliche Probleme des Projekt-Alltags gelöst. Obwohl 3D-Welten viele Methoden der Visualisierung miteinander verbindet, bleibt es leichtgewichtig und jederzeit schnell anwendbar. In vier Phasen eine 3D-Welt gestalten Zu Beginn stellt der Moderator das Motto vor, zu dem eine 3D-Welt erstellt wird. In der ersten Phase werden die wichtigsten Themen gesammelt und jedes Thema wird auf je ein Sechseck geschrieben (Bild 1). Danach werden Themen, die zusammen gehören, dadurch geclustert, dass die Sechsecke zusammengeschoben werden. Dadurch entwickeln sich die Themeninseln. Die Nähe der Inseln drückt die inhaltliche Nähe der Themen aus. Zusätzlich werden mit Brückenelementen Verbindungen geschaffen (Bild 2). So werden die Abhängigkeiten zwischen den Themen visualisiert. In der dritten Phase werden die Sechsecke mit Höhenplättchen priorisiert. Höher liegende Themen haben eine höhere Priorität als niedrig liegende (Bild 3). Anschließend werden durch unterschiedliche Marker, wie zum Beispiel kleine Holzhäuschen, weitere Inhalte ausgedrückt (Bild 4, Abbildungen von Janek Panneitz). PM Forum Leipzig | 3D-Welten-- Visualisierung auf einem neuen Level 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0104 Auf diese Weise markieren die Teilnehmenden Produktionsorte, Informationsflüsse, Stakeholder und vieles andere. Für die 3D-Welten wird bewusst die Metapher der Insel- Welt genutzt. Alle Teilnehmenden sehen vor ihren geistigen Augen verschiedene Inselgruppen entstehen und bei steigendem Meeresspiegel untergehen. Nur hochgelegene Inselteile, d. h. Themen mit hoher Priorisierung, trotzen dem steigenden Meeresspiegel. Häuser auf niedrigen Inselteilen gehen als Erstes im Meer unter. Gehirnkraft und Aufmerksamkeit lenken Die 3D-Welten erinnern auf den ersten Blick an ein Brettspiel und dieser erste Blick trügt nicht: Brettspiele schaffen es, dass Menschen sich freiwillig in ihrer Freizeit damit beschäftigen, komplexe Probleme zu lösen. Damit Spielende schnell Entscheidungen treffen können müssen alle Informationen schnell erfassbar dargestellt werden. Dafür haben Brettspiele Mechanismen entwickelt, um schnell darzustellen, wo Ressourcen sind, welche Handlungsoptionen es gibt, welche Strategie und welche Taktik die Mitspieler haben könnten. Diese Mechanismen hat Janek Panneitz in die 3D- Welten übertragen, um komplexe Themen handhabbar und entscheidbar zu machen. „Ich bin mit einer neutralen Meinung in den Workshop gegangen- - wieder mal Gamification- - aber dieses Mal war ich ganz angenehm überrascht, über die Methodik und über die Trainer. Ich empfand es als sehr produktiv, was wir veranstaltet haben”, freut sich Uwe Kopp, Head of Project-Management Skills, Qualification & Coaching bei CLAAS KGaA mbH. „Diese Methodik ist meiner Meinung nach sehr gut geeignet, um auch das Top-Management abzuholen, ohne die notwendige Seriosität zu verlieren. Es ist vorstandsfähig, weil die Tiefe der Auseinandersetzung und die hohe Qualität der Materialien die sonst übliche Distanz überbrücken.” Komplexität darstellen, ohne die Wahrnehmung zu überlasten Wenn Teilnehmende in einem Meeting über eine lange Zeit Fließtext in 2D lesen oder auf ein Whiteboard starren, ermüdet irgendwann ihre Wahrnehmung. Aufgrund der Komplexität wachsen die Inhalte kontinuierlich, der Text wird länger, das Whiteboard immer voller und dieser Wahrnehmungskanal wird überlastet. Ein Wechsel der Wahrnehmungskanäle löst dieses Problem: verschiedene Formen, verschiedene Farben, räumliche Nähe und Distanz, dazu Bewegung im Raum PM Forum Leipzig | 3D-Welten-- Visualisierung auf einem neuen Level 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 05/ 2022 10.24053/ PM-2022-0104 und deren Wechselwirkung helfen dabei, zwischen den Kanälen umzuschalten und konzentriert zu bleiben. Haptisch nachhaltige Entscheidungen treffen 3D-Welten machen Entscheidungen greifbarer. Die Teilnehmenden nehmen die Marker in die Hand und platzieren die physischen Objekte dort, wo sie sich positionieren wollen. Sie beziehen Stellung, sie positionieren sich für anstehende Entscheidungen und sie gestalten aktiv ein dreidimensionales Bild mit. Die entstehende 3D Welt ist ein Abbild ihres gemeinsamen Einigungsprozesses und jeder findet darin einen Platz. Egal ob intro- oder extravertiert, Mitarbeitende oder Führungskräfte- - allen stehen die gleiche Anzahl an Marker zu, um Wertungen zu setzen. Niemand gibt der Gruppe mit seiner oder ihrer Entscheidung die Meinung der ganzen Gruppe vor. Gruppendenken wird vermieden und der IKEA-Effekt tritt ein: Was ich selbst gebaut habe, das hat einen höheren Wert für mich als das, was andere erbaut haben. „Ich war extrem positiv überrascht, dass wir einen Konsens gefunden haben mit lauter Leuten, die sich vorher überhaupt nicht kannten”, erklärte Christoph Lehnert, Managing Consultant bei der bu: st group GmbH, Fachgruppenleiter der GPM Young Crew. „Obwohl jeder seine eigene Agenda verfolgt hat, hatten wir zum Abschluss ein Bild, dem alle zustimmen. Viele Einzelbeiträge wurden nicht hoch priorisiert oder fielen komplett raus, aber das war für alle vollkommen in Ordnung, weil sie zum Gesamtergebnis beigetragen haben.” Probleme des Projektalltags lösen Tagtäglich benötigen wir unsere Handlungskompetenzen, um Projekte zu managen. Das ICB4 unterscheidet Kontext-Kompetenzen, persönliche und soziale Kompetenzen sowie technische Kompetenzen. Die 3D-Welten helfen dabei, die Kompetenzen lösungsorientiert zu nutzen. Die Themen auf den Insel-Sechsecken können Elemente aus dem Projektkontext darstellen, Risiken fürs Risikomanagement, Stakeholder fürs Stakeholdermanagement, die verschiedenen Features des Produktes, die Ziele des Projektes und vieles mehr. Um sich auf die Komplexität vorzubereiten und Strategien für den Umgang zu entwickeln, bieten die 3D-Welten die Möglichkeit zu sortieren, zu visualisieren, zu priorisieren und sich gemeinschaftlich auszurichten. Mit den 3D-Welten gehört es der Vergangenheit an, dass alle Themen die Priorität 1 erhalten, niemand Transparenz über die Situation hat oder das gemeinsame Commitment zur festgelegten Ausrichtung fehlt. Teams, die Selbstorganisation und hohe Autonomie anstreben, können durch die 3D-Welten besser kommunizieren. Stakeholder und am Workshop Unbeteiligte können schnell über die Ergebnisse informiert werden, weil sie die 3D-Visualisierung mit wenig Erklärung nachvollziehen können. Weitere Parteien können schnell dazukommen und sich mit einbringen. Methoden leichtgewichtig zu etwas Neuem kombinieren Eine Visualisierungsmethode wie die 3D-Welten ist vollkommen neu. Sie geht über das Priorisieren durch Punktekleben weit hinaus. Dadurch dass viele Methoden miteinander kombiniert werden, potenziert sich ihre Wirkung. Die Kombination ist deshalb nicht massiv überlastet, weil sie verschiedene Wahrnehmungskanäle anspricht. Ein komplexes System wird durch die 3D-Welten so weit vereinfacht, dass die Diskussion nicht am eigenen Gewicht stirbt. Das Ergebnis ist so leichtgewichtig, dass die Beteiligten sich auf die Komplexität einstellen, die Details greifen und die Ergebnisse transferieren können. In Ihren Anwendungsbereichen einsetzen Auch ohne das Material für die Visualisierung mit 3D-Welten zu besitzen, können Sie Inhalte über mehrere Wahrnehmungskanäle darstellen. Versuchen Sie das, was Sie gewöhnlich an einer Pinnwand oder einem Whiteboard festhalten, auf den Tisch zu legen. Arbeiten Sie mit verschiedenen Höhen zur Priorisierung und nutzen Sie statt Klebepunkte unterschiedliche Objekte. So können wir die Frustration über die Begrenztheit des zweidimensionalen Raums beenden. Die 3D-Welten können Sie auf unterschiedliche Weise anwenden und kombinieren. Bisher kennen wir Kombinationen mit diversen Liberating Structures, den Objectives and Key Results (OKR) und dem Schema-Coaching mit Teams. Zahlreiche weitere Anwendungsbereiche sind möglich und wir freuen uns sehr über den Austausch mit Experimentierenden. Literatur Steinhöfer, D. (2021). Liberating Structures: Entscheidungsfindung revolutionieren (1. Aufl.). Vahlen. Aerssen, B. V., Buchholz, C., Burkhardt, N., Bretz, S., Brüser, B., Göhring, G., Herrmann, J., Kossey, D., Lammert, S., Sauer, D., Scharikow, T., Schönhoff, T., Sommer, B. & Wacker, V. (2022). Das große Handbuch Digitale Transformation: 222 Methoden und Instrumente für mehr Wandlungsfähigkeit im Unternehmen (1. Aufl.). Vahlen. Oech, V. R. (2021). The Creative Contrarian: 20 „Wise Fool“ Strategies to Boost Creativity and Curb Groupthink (1. Aufl.). Wiley. Phan, N. (2018). Endowment Effekt. Warum Ikea glücklich macht (1. Aufl.). GRIN Verlag. Janek Panneitz ist Organisationspsychologe und begeisterter Brettspieler und Entwickler der 3D Welten Methode. Als freiberuflicher Trainer, Berater und Facilitator entwickelt er neue Methoden und Formate um Organisationspsychologie erlebbar zu machen und bietet Ausbildungen zu den 3D Welten an. Dr. Miriam Sasse ist derzeit als Senior Agile Transformation Managerin in einem internationalen Medienkonzern tätig. Als zertifizierter Business Coach und Agile Coach begleitet sie die Transformation des Unternehmens zu mehr Agilität und coacht Führungskräfte für diese Herausforderung. Miriam Sasse ist Autorin mehrerer Fachbücher, Regionalgruppenleiterin der GPM (Gesellschaft für Projektmanagement e. V.), Dozentin an verschiedenen Hochschulen, Host des internationalen Podcasts Agile World sowie offizielle Trainerin für OpenSpace Agility und Inviting Leadership in Deutschland.