eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 34/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0005
31
2023
341 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Erfolgreich in ein KI-Projekt starten

31
2023
Judith Armbruster
KI als Technologie stellt besondere Anforderungen und Herausforderungen an die Durchführung von Projekten. Dabei sind Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Daten technische Randbedingungen, die als Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung dienen. Darüber hinaus stellt die explorative Natur der Projekte die Notwendigkeit zur Vorgehensweise im Rahmen eines iterativen Prozesses. Besonders spannend ist jedoch der Startpunkt, von welchem aus in ein KI-Projekt gestartet wird. Je nach Vorwissen und Kenntnisstand werden hier eher vage Ideen oder konkrete Ziele formuliert. Dabei können drei Stufen in der Herangehensweise unterschieden werden, wobei sich jeweils andere Methoden zur gemeinsamen Weiterarbeit eignen. Es ist elementar die Ideen und Ziele im Projekt zusammenzubringen und zu konkretisieren, um mit modernen Technologien und Methoden einen Mehrwert zu stiften.
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26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 Eine moderne Technologie braucht moderne Methoden Erfolgreich in ein KI-Projekt starten Judith Armbruster Für eilige Leser | KI als Technologie stellt besondere Anforderungen und Herausforderungen an die Durchführung von Projekten. Dabei sind Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Daten technische Randbedingungen, die als Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung dienen. Darüber hinaus stellt die explorative Natur der Projekte die Notwendigkeit zur Vorgehensweise im Rahmen eines iterativen Prozesses. Besonders spannend ist jedoch der Startpunkt, von welchem aus in ein KI-Projekt gestartet wird. Je nach Vorwissen und Kenntnisstand werden hier eher vage Ideen oder konkrete Ziele formuliert. Dabei können drei Stufen in der Herangehensweise unterschieden werden, wobei sich jeweils andere Methoden zur gemeinsamen Weiterarbeit eignen. Es ist elementar die Ideen und Ziele im Projekt zusammenzubringen und zu konkretisieren, um mit modernen Technologien und Methoden einen Mehrwert zu stiften. Schlagwörter | KI-Projekt, Methodenkasten, Projektstart Künstliche Intelligenz (KI) ist als Technologie auf dem Vormarsch und als Begrifflichkeit im Alltag zunehmend präsent. Spätestens seit der Veröffentlichung der KI-Strategie der Bundesregierung ist der Boden für die Auseinandersetzung mit dem Thema bereitet und die nationalen Ziele klar: Im Kontext von KI will Deutschland ein attraktiver Standort mit Gütesiegel für ‚AI made in Germany‘ werden und dabei den Nutzen für die Menschen sowie das Gemeinwohl und die Sicherheit der Systeme in den Fokus stellen [1]. Der Nutzen von KI-Anwendungen ist im Alltag zunehmend spürbar. Auch wenn zahlreiche Verantwortliche in Unternehmen der Meinung sind, dass der Einsatz von KI noch in den Anfängen steckt, so investieren sie doch in den Aufbau ihrer Organisation, Prozesse und Fachwissen [2]. Denn sie sind davon überzeugt, dass der Einsatz von KI notwendig und erfolgskritisch ist und einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen bringt [2,3]. Nicht nur in den Unternehmen, sondern auch bei den Kunden steigt die Akzeptanz für den Einsatz von KI [3]. Entsprechend ist das Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema KI groß und die Motivatoren sind vielfältig. Dieser Herausforderung gilt es besonders im Rahmen des Projektstartes zu begegnen. Digitalisierung als grundlegende Voraussetzung KI geht eng mit dem Thema Digitalisierung einher, denn Digitalisierung und Konnektivität bieten die Grundlagen für KI und machten dessen Entwicklungen überhaupt erst möglich. In vielen Branchen ist Software nicht mehr aus den Prozessen der Produktion wegzudenken und auch innerhalb von Produkten ist Software zunehmend ein essenzieller Bestandteil. Darüber hinaus gilt KI als Treiber und Ermöglicher für eine nächste Stufe der digitalen Revolution, da durch die erhöhte Verfügbarkeit von Daten gänzlich neue Anwendungsfelder geschaffen werden können [4]. Die Digitalisierung als Basis schafft Möglichkeiten, um digitale Repräsentationen von analogen Informationen sowie auch physischen Objekten und Ereignissen zu schaffen [5]. Unabhängig von Branchen, Aufgabenbereichen und Anwendungsfeldern lassen sich dabei drei große Handlungsfelder unterscheiden: • Nutzung digitaler Geräte • Interne Digitalisierung von Prozessen • Geschäftserfolge durch Digitalisierung Der Einsatz von KI setzt entsprechend darauf auf und setzt eine stabile, vorhandene Basis im Bereich Digitalisierung als Wissen | Erfolgreich in ein KI-Projekt starten 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 Grundvoraussetzung in den Unternehmen voraus. Mithilfe von KI können interne Prozesse, die bereits digitalisiert wurden, weiterführend optimiert werden und es werden zusätzliche Produkte und Services im Produktportfolio von Unternehmen möglich. Dabei zeichnen sich vielfältige Möglichkeiten zur Anwendung von KI als Technologie ab. KI-Projekte dienen entsprechend dazu, diese möglichen Anwendungsszenarien im Kontext des jeweiligen Unternehmens umzusetzen. Drei Handlungsrichtungen (Abbildung 1) mit jeweils unterschiedlicher Zielrichtung ergeben sich für die Unternehmen. Praktischer Nutzen für Unternehmen und deren Kunden kann dabei unter anderem in folgenden Anwendungsszenarien geschaffen werden [7]: • Inhalte zu erkennen und zu klassifizieren, • Korrelationen zwischen Daten zu erkennen, • Muster in Daten zu erkennen, • Cluster zu erkennen, • Klassifizierungen vorzunehmen, • Prozesse zu optimieren, • neue Daten zu prognostizieren. Das Werkzeug: KI als Technologie KI ist nützlich und schafft Nutzen, doch was ist KI überhaupt? Grundsätzlich ist KI ein weitgefasster Begriff, welcher sämtliche Technologien umfasst, die die Nachahmung der menschlichen Intelligenz zum Ziel haben. Sowohl eher einfache Regeln, Algorithmen oder Automatisierungen, die menschliche Tätigkeiten ersetzen, als auch kompliziertere Anwendung wie bspw. Prognosen, Textanalysen oder Bilderkennungen werden darin eingeschlossen (Abbildung 2). Als ein spezifischeres Teilgebiet der KI umfasst Machine Learning (ML) sämtliche Werkzeuge, Algorithmen und Methoden zur Konzeption, Modellierung und Umsetzung von KI-Lösungen. Weitere spezifische Methoden sind der Einsatz von künstlichen neuronalen Netzen, wobei die Grundidee der Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn nachgeahmt wird, sowie das Deep Learning, eine spezielle Methode der Informationsverarbeitung, bei der neuronale Netze mit großen Datenmengen trainiert werden. Durch diese große Anzahl an Methoden und Werkzeugen wird der Bereich der Softwareentwicklung um schlagkräftige Werkzeuge erweitert. Das Feld möglicher Problemlösungen Abbildung 2: Teilbereiche und Werkzeuge von KI (Eigene Darstellung nach [8]) Abbildung 1: Handlungsräume für Digitalisierung bzw. KI in den Unternehmen Wissen | Erfolgreich in ein KI-Projekt starten 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 wird stark erweitert und selbst komplexe Probleme können durch neue Lösungswege gelöst werden [9]. Die Herausforderung liegt darin, diese unzähligen Möglichkeiten zum Einsatz von KI auf umsetzbare und wertstiftende Anwendungsfälle in den Unternehmen herunterzubrechen. In KI-Projekten geht es entsprechend um die Anwendung von KI als Werkzeug und die Erarbeitung einer Lösung unter Anwendung von KI. Dafür muss KI als Werkzeug verstanden werden, um einen zielgerichteten Einsatz zu ermöglichen. Um KI-Projekte entsprechend umsetzen zu können, sodass ein Mehrwert für die Unternehmen und deren Kunden entsteht, muss folglich Wissen in den Unternehmen aufgebaut werden. Neue Kompetenzen und passende Ressourcen machen somit den Einsatz von KI erst möglich. Daten als essenzielle Grundlage Daten sind für KI-Projekte eine essenzielle Grundlage. Eine nicht adäquate Datengrundlage zählt zu den meistgenannten Punkten, weshalb KI-Projekte scheitern [10]. Zudem stellt die Datenqualität einen zentralen Faktor für die erfolgreiche Umsetzung eines KI-Projektes dar, um Modelle erfolgreich trainieren und hohe Vorhersagewerte in Modellen erreichen zu können. Deshalb ist die Etablierung einer Datenstrategie eine Aufgabe, die früh und fortwährend im Rahmen von KI- Projekten bearbeitet werden muss [6]. Durch den hohen Stellenwert der Daten im Prozessablauf der Projekte, ändert sich auch die Vorgehensweise von datengetriebenen Entwicklungsprojekten im Vergleich zu klassischen Softwareentwicklungsprojekten. Während im klassischen Fall der Algorithmus ohne Zuhilfenahme einer Datengrundlage vom Menschen entwickelt und auf einen Satz von Eingabedaten angewendet wird, wird im Bereich Machine Learning nur ein sehr allgemeines Modell vorgegeben, das durch Festlegung von Parametern kalibriert wird. Das Modell „lernt“ aus den vorhandenen Daten und passt sein zuvor willkürliches Verhalten an das gewünschte Verhalten an. Mithilfe der Daten wird aus dieser großen Zahl von Ansätzen einer ermittelt, der den Zusammenhang sehr gut darstellt. Durch Ausnutzung der Daten wird ein Algorithmus festgelegt, durch dessen Anwendung eine Entscheidung getroffen wird. Aus technischer Sicht ist es deshalb unausweichlich, als einen der ersten Schritte vorhandene Daten zu bereinigen, aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen und zu strukturieren. Ein agiles Projektvorgehen Neben den technischen Rahmenbedingungen hat auch der methodische Ablauf eines Projektes einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Projektstarts. Wie jedes andere größere Entwicklungsprojekt bedarf auch ein KI-Projekt einer zugrunde liegenden Struktur, die dafür sorgt, dass Prozesse planbar und Fortschritte messbar werden. Wie bereits beschrieben, ist ein KI-Projekt per se äußerst explorativ, braucht Iteration zur Verbesserung und birgt zahlreiche Unsicherheiten. Ein geeignetes Prozessmodell für die Projektsteuerung muss diese Randbedingungen berücksichtigen und Handlungsweisen vorgeben, die Risiken und Nutzen in Relation setzen. Ein standardisiertes Modell, das im Rahmen von KI-Projekten, genauer im Rahmen von Projekten im Bereich Machine Learning eingesetzt werden kann, ist der CRISP-DM, der Cross- Industry Standard Process for Data Mining (Abbildung 3). Aus der Abbildung wird deutlich, dass der gesamte Prozess und alle Schritte von vorneherein iterativ, das bedeutet kurzzyklisch geplant und mit wiederkehrenden Abläufen angelegt sind. Dabei wird berücksichtigt, dass jede Phase andere Phasen beeinflussen kann. Ein starrer Ablauf würde dem explorativen Wesen des Machine Learning widersprechen, das darauf aufbaut, dass der Gewinn von Erkenntnissen fundamentaler Bestandteil der Methodik ist. Stattdessen setzt Abbildung 3: Das Vorgehensmodell des CRISP-DM (Eigene Abbildung nach [8]) Wissen | Erfolgreich in ein KI-Projekt starten 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 CRISP-DM auf einen ständigen Austausch von Informationen. Einmal getroffene Entscheidungen werden unter Berücksichtigung neu gewonnener Erkenntnisse wiederholt bewertet und unter Umständen angepasst. Gefundene Lösung bzw. Modelle werden im Laufe der Zeit stetig weiter verbessert und an neue Rahmenbedingungen und Daten angepasst. Diese Art des Arbeitens ist auch aus agilen Arbeitsmethoden wie bspw. Scrum bekannt. Sie unterstützen die Notwendigkeit von KI-Projekten zur schnellen Anpassungsfähigkeit und geben gleichzeitig der Offenheit für die Lösungsfindung einen passenden Rahmen. Unterschiedliche Motivatoren KI ist ein spannendes Tätigkeitsfeld. Gerade durch die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der technischen Vielfalt ergeben, erwächst auch das Interesse am Thema KI zumeist auch aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens. Je nach Blickwinkel, Kontext und vorhandenem Vor- und Fachwissen gestaltet sich die Motivation und die initiale Fragestellung für das KI-Projekt unterschiedlich. Verschiedene Motivatoren, die in der praktischen Umsetzung einen Startimpuls darstellen können, sind in Tabelle 1 aufgezählt. Diese Motivatoren und Fragestellungen sind ein Anstoß, von dem aus ein Projektteam in die Auseinandersetzung mit dem Thema KI startet. In diesem formulierten Startimpuls wird der individuelle Einstiegspunkt in das Projekt besonders deutlich. Er bringt den jeweiligen Hintergrund und Wissensstand auf den Punkt und zeigt gerade im Thema Digitalisierung auf, wie viel oder wenig Grundlagen vorhanden sind. Zudem zeigt sich in den Fragen auch eine unterschiedliche Tiefe in der Auseinandersetzung und Übertragung des Themas KI auf das eigene Handlungsfeld. Vage Ideen vs. konkrete Ziele Unumgänglich in der Startphase eines Projektes ist also die Weiterentwicklung und Konkretisierung von Projektzielen, da sie die permanente Ausrichtung aller Aufgaben und Entscheidungen im Projekt ermöglichen. Darüber hinaus dient das Ziel der Motivation sowie der Erfolgsmessung. Die Motivatoren, die im vorangegangenen Kapitel vorgestellt wurden, lassen sich in verschiedene Ebenen der Konkretheit im Hinblick auf die Projektziele unterscheiden, wie Abbildung 4 visualisiert. Während beim Startpunkt „Ich möchte bzw. muss digitaler werden“ noch keine klaren Ziele oder Vorstellungen für die grundsätzlichen Anwendungsgebiete oder den Einsatz von Technologie herrscht, sind bei verschiedenen Motivatoren doch schon grobe Ideen und Vorstellungen erkennbar. Ausgehend von einer Maschine, einem Prozess oder vorhandenen Daten lassen sich hierbei Ideen weiterentwickeln. Teilweise sind Ziele auch bereits auf bestimmte umzusetzende Produkte bzw. Services oder Ergänzungen für das bereits angebotene Portfolio konkretisiert. Basierend auf diesen Ausgangspunkten sind im Rahmen des Projektstarts unterschiedliche Vorgehensweisen geeignet. Es gilt, je nach Ausgangssituation für den Start des KI-Projekts die jeweils passenden, nächsten Schritte zu gehen: 1. Keine klaren Ziele und Vorstellungen: Um Ideen für Einsatzmöglichkeiten zu sammeln und basierend auf den vorgestellten Handlungsfeldern Themen zu finden, die einen Abbildung 4: Konkretheit der Ziele für den Einsatz von KI im Rahmen eines KI-Projektes (Eigene Darstellung) Motivation Frage Ich habe eine Maschine. Kann ich damit und mit deren Daten etwas machen? Ich habe einen Prozess. Kann ich diesen mithilfe von KI verbessern? Ich habe Daten. Kann ich darin interessante Muster und Informationen finden? Ich habe eine Idee für ein zusätzliches Produkt / eine Produktergänzung. Kann ich diese mithilfe von KI umsetzen? Welche KI? Ich habe von KI bzw. einem Anwendungsfall von KI gehört. Kann ich das irgendwie in meinem Unternehmen anwenden, um etwas zu verbessern? Kann ich denselben Ansatz verwenden? Ich möchte / muss digitaler werden. Was kann ich tun? Wie kann ich das machen? Tabelle 1: Motivationsfaktoren und Fragen für den Einstieg in das Thema KI Wissen | Erfolgreich in ein KI-Projekt starten 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 konkreten Mehrwert für Unternehmen stiften, ist es wichtig zunächst KI-Einsatzmöglichkeiten zu explorieren. 2. Grobe Ideen und Vorstellungen: Zur weiteren Konkretisierung und Selektion der vorhandenen Ideen, erfordert es ein nächster Schritt, die Ideen zu evaluieren und zu priorisieren. 3. Konkrete Ziele und festgelegte Maschinen zur Datenerhebung: Ist ein konkreter Anwendungsfall gefunden, der einen Mehrwert bringt, gilt es ein gemeinsames Kontextverständnis aufbauen. Unabhängig von der formulierten Zielstellung ist gleichsam auch die Vision für das Projekt zu erarbeiten. Dies ist gerade für explorative Projekte wichtig, denn nicht nur die Wichtigkeit des Projektes selbst lässt sich dadurch im Rahmen der (strategischen) Handlungsfelder des Unternehmens einordnen, sondern auch die Projektziele selbst können im Rahmen des iterativen Prozesses immer wieder neu ausgerichtet werden. Entsprechend braucht es auch den Schritt zurück und eine Reflexion des Handelns: „Ist es wirklich das Richtige, was wir tun? “ gerade dann, wenn direkt mit konkreten Zielen und Ideen gestartet wird. Rahmenbedingungen für den Projektstart Zusammenfassend wird deutlich, dass sich die Auseinandersetzung mit KI als Technologie lohnt und gleichzeitig spannende und motivierende Projekte ermöglicht. In der Praxis stellen gegebene Rahmenbedingungen, wie bspw. die Markt- und Kundenstruktur, angebotene Produkte und Services, technische Infrastruktur und Prozesse sowie vorhandene Ressourcen, Einschränkungen und Leitplanken für die Umsetzungsmöglichkeiten von KI-Projekten dar. Jedoch stellt die Umsetzung eines KI-Projektes auch Anforderungen an interne Strukturen und Prozesse. Für den Projektstart eines KI-Projektes ergeben sich somit verschiedene Fragestellungen: • Wie hoch ist der Grad der Digitalisierung im Unternehmen? • Welche KI-Kompetenzen gibt es? • Welche Datenquellen und Daten sind verfügbar? • Welche Handlungsfelder für die Anwendung von KI gibt es? • Wie konkret sind die Ziele für die datengetriebene Lösung erdacht und formuliert? Passende Antworten zu finden, ist Teamarbeit. Ein Team mit unterschiedlichen Kompetenzen muss zusammengestellt werden und die Vorarbeit leisten, um letztlich einen Startschuss für die Umsetzung des KI-Projektes machen zu können. Pilotprojekt: Methodenkasten für den Projektstart Je nach Ausgangssituation braucht es ein unterschiedliches Vorgehen. Dieser aufgezeigten Problemstellung widmete sich ein Pilotprojekt von iT Engineering Software Innovations (iTE SI) mit dem Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Usability, einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Förderung der Digitalisierung im Mittelstand. Basierend auf Erfahrungen aus der Projektpraxis im Unternehmen wurden anwendbare Methoden für die drei Einstiegspunkte in Projekte gesucht und evaluiert. Vorhandene Werkzeuge, wie bspw. aus der Arbeit der Kompetenzzentren sowie bekannte wie auch neue Methoden wurden im Rahmen von Workshops ausprobiert und für den Einsatz im Rahmen der Entwicklung passgenauer KI-Lösungen neu kombiniert. Damit ist ein Methodenkasten für die Projektpraxis entstanden, der für die verschiedenen Rahmenbedingungen und Menschen in den Projekten anwendbare Werkzeuge bietet (Abbildung 5) [11]. Im Fokus des Pilotprojektes stand dabei die Situation, groben Ideen und Vorstellungen zu begegnen. Ein offenes und modulares Workshop-Konzept dient dazu, in der Zusammenarbeit mit Kunden ein gemeinsames Verständnis für die Rahmenbedingungen zu schaffen und denkbare KI-Anwendungsbereiche auf Basis von Prozessen, Produkten oder Maschinen des Unternehmens zu evaluieren. Darauf aufbauend werden die Use-Cases anhand von Leitfragen in Bezug auf den Einsatzbereich und -Zweck der darin enthaltenen Maschinen, deren Nutzenden und die technische Infrastruktur analysiert, ähnlich wie in der klassischen Nutzungskontextanalyse. Zusätzlich sollen im Gespräch jedoch auch erste Ideen für die Nutzung der Daten gesammelt sowie eine Risikoanalyse durchgeführt werden. Als Werkzeug für die Vorgehensweise dient dabei ein Canvas, ein vorstrukturiertes Plakat, das den Rahmen für den Dialog mit dem Unternehmen gibt. Dieser Methodenkasten hilft allen Projektbeteiligten dabei, die vorherrschende Situation und den eigenen Standpunkt zu verstehen sowie vorhandene Ideen und Gedanken zu sammeln, gemeinsam aufzubereiten und weiterzuentwickeln. Sie schaffen ein gemeinsames Verständnis der Situation zu erlangen und helfen, einen nächsten Schritt in der Konkretisierung der Projektideen zu erreichen. Bei iTE SI werden diese Methoden nicht nur im Rahmen von Kundenprojekten eingesetzt, sondern finden auch im Rahmen der Produktentwicklung einer eigenen IIoT-Lösung, den IIoT Building Blocks Anwendung. Diese dienen dazu, im industriellen Produktionsumfeld Daten zu erfassen und daraus Mehrwert zu generieren. Abbildung 5: Methodenkasten für den Start eines KI-Projektes (Eigene Darstellung) 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0005 Jetzt durchstarten: Take aways KI als Technologie eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten für Ergebnisse und Lösungen, die im Rahmen von Projekten entstehen. Dabei fordert der Einsatz der Technologie den Unternehmen und Projektteams einiges ab, denn vorhandene Strukturen und Prozesse müssen auf die Arbeit in explorativen und unsicheren Kontexten ausgerichtet sein. Darüber hinaus bringen KI-Projekte eigene Rahmenbedingungen mit, was auch methodisch ein Umdenken bei den Projektbeteiligten und Stakeholdern in den Unternehmen erfordert. Folgende drei Prinzipien sollen diese neuen Handlungsweisen stützen und dienen damit dem erfolgreichen Start und letztlich auch der Umsetzung eines KI-Projekts. #1: Inspiration durch Vision Da KI-Projekte wie beschrieben in ihrem Charakter eher explorativ sind und damit eine langfristige detailgenaue Planung nicht zielführend ist, ist die Orientierung an einer inspirierenden Vision für das Projekt selbst zielführender, als konkrete Umsetzungsziele zu verfolgen. Die Vision lässt den notwendigen Spielraum, um einen passenden Lösungsweg zu finden, der das gewünschte Ergebnis liefert. Damit wird zudem auch das Projektteam in seiner Kreativität und Problemlösungskompetenz gefordert, was für die Beteiligten äußerst motivierend und begeisternd wirken kann. #2: Erfolg ist ein Prozess In kurzen Iterationen erste Ergebnisse zu produzieren, ist das Ziel agiler Arbeitsmethoden. Diese Denkhaltung ist auch für KI-Projekte wichtig, um der Notwendigkeit zur Exploration passender Lösungsmöglichkeiten sowie der Arbeit mit den Daten eine Struktur zu geben. Kleine Zwischenziele dienen dabei als Anker, um zu überprüfen, ob der Umsetzung der Vision nähergekommen wird. #3: Gemeinsames Lernen Die Umsetzung komplexer Problemstellungen braucht die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken verschiedener Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen. Durch die Kombination von technischem Wissen sowie von Geschäfts- und Datenverständnis entsteht ein ganzheitlicher Blick auf das Handlungsfeld. Zudem ist es in sich evolutionär entwickelnden Projekten unabdingbar, in kurzen regelmäßigen Abständen eine Rückschau (auch Retrospektive genannt) durchzuführen. Dadurch wird nicht nur der Prozess der Zusammenarbeit gestärkt, sondern auch für gute Rahmenbedingungen im Miteinander gesorgt. Alles in allem zeigt sich, dass die Anforderungen und der Startpunkt in ein KI-Projekt jeweils individuell sind. Deshalb gilt es zur Unterstützung passende Methoden einzusetzen, um einerseits ein gemeinsames Verständnis aller Projektbeteiligten zu schaffen, andererseits erste Ideen zu konkretisieren, Möglichkeiten zu evaluieren und Ziele zu konkretisieren. Wenn bekannt ist und ein gemeinsames Verständnis im Team aufgebaut ist, was erreicht werden soll und kann, dann ist der KI-Projektstart gelungen und eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung ist gelegt. Literatur [1] Bundesregierung (2022) Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz. Abgerufen unter: https: / / www.ki-strategie-deutschland.de / home.html [20. 09. 2022] [2] Adesso (2021) Zum Status von KI in D-A-CH. Pläne-- Prognosen- - Projekte. Abgerufen unter: https: / / ki.adesso. de / ki-de / oeffentliche-downloads / ki-eine-bestandsaufnahme-2021.pdf [19. 09. 2022] [3] Deloitte (2021) KI-Studie 2020: Wie nutzen Unternehmen Künstliche Intelligenz? Abgerufen unter https: / / www2.deloitte.com / de / de / pages / technology-mediaand-telecommunications / articles / ki-studie-2020.html [20. 09. 2022] [4] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, BMVI (2018) Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Mobilität. Aktionsplan. Abgerufen unter https: / / www. bmvi.de / SharedDocs / DE / Anlage / DG / aktionsplan-ki. pdf? __blob=publicationFile [20. 09. 2022] [5] Luber, Stefan & Nico Litzel (2019) Was ist Digitalisierung? Abgerufen unter https: / / www.bigdata-insider.de / was-istdigitalisierung-a-626 489/ [20. 09. 2022] [6] Thomas LaRock (2020) 6 Tipps für die ersten Schritte in die Welt der KI. Abgerufen unter https: / / www.ip-insider. de / 6-tipps-fuer-die-ersten-schritte-in-die-welt-der-kia-937 585/ [20. 9. 2022] [7] Bitkom e. V. (2022) Das Periodensystem der Künstlichen Intelligenz. Abgerufen unter: https: / / periodensystem-ki. de / Mit-Legosteinen-die-Kuenstliche-Intelligenz-bauen [20. 9. 2022] Bachelor Projekt- & Prozessmanagement Berufsbegleitend & praxisnah 100 % online studieren Staatlicher Hochschulabschluss B.A. Zulassung auch ohne Abitur möglich Karriere-Kick 2023 wings.de/ projektmanagement 97 % Weiterempfehlungen bei FernstudiumCheck.de Sehr gut 4.3/ 5.0 Anzeige Wissen | Erfolgreich in ein KI-Projekt starten Judith Armbruster Judith Armbruster arbeitet als Agile Coachin und Projektmanagerin im Softwareunternehmen iT Engineering Software Innovations (iTE SI). Dabei gestaltet sie die methodische Herangehensweise an Projekte und begleitet sowohl verschiedene Kundenprojekte als auch die Entwicklung der eigenen IoT-Lösung von iTE SI, die IIoT Building Blocks. Judith Armbruster interessiert sich für neue Technologien und agile Herangehensweisen, bestenfalls wird beides im Rahmen von Projekten kombiniert. Ihr Wissen gibt sie im Studiengang „Agiles Projekt- und Transformationsmanagement“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen als Dozentin weiter. Foto: Peter Löbel [8] VDMA Software und Digitalisierung (2018) Quick Guide Machine Learning im Maschinen- und Anlagenbau. Abgerufen unter https: / / www.vdma. org / documents / 34 570 / 1 052 572 / Quick-Guide%20 Machine%20Learning%20-KI.pdf / 8021ab42-79a6-5c72c4f6-20b6c49ad54a [21. 9. 2022] [9] Heise online (2019) Von Daten, Rollen und Modellen-- ein Bauplan für KI-Anwendungen. Abgerufen unter: https: / / www.heise.de / hintergrund / Von-Daten-Rollen-und-Modellen-ein-Bauplan-fuer-KI-Anwendungen-4 586 595. html? seite=all [20. 9. 2022] [10] Sylvia Singh (2021) 3 Gründe, warum Machine Learning Projekte scheitern. Abgerufen unter: https: / / www.theinformationlab.de / alle / blog / 3-gruende-warum-machinelearning-projekte-scheitern/ [20. 9. 2022] [11] Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Usability (2021) KI- Pilotprojekt iT Engineering SI: Ergebnisse und Ausblick. Abgerufen unter: https: / / www.kompetenzzentrum-usability.digital / kos / WNetz? art=News.show&id=1792 [20. 09. 2022] Eingangsabbildung: © Sikov-- stock.adobe.com Dieter Brendt, Olaf Mackowiak Führung in der Technik 1., Auflage 2021, 177 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8169-3467-7 eISBN 978-3-8169-8467-2 Mitarbeitende zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser: innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in vergleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können. Anzeige