eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 34/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0006
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2023
341 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Auswirkungen von Cloud-First auf IT-Projektportfolios

31
2023
Mona Charlotte Blümke
Cloud-Technologien sind einer der größten Treiber in der Weiterentwicklung von Unternehmens-IT. Die damit verbundene Implementierung von Cloud-First-Strategien wirkt sich direkt auf das Management von IT-Projektportfolios aus. Projekte innerhalb bestehender Portfolios müssen auf ihre strategische Passung untersucht und innerhalb des Projektportfolios angemessen gesteuert werden. Weitere Kriterien, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssen, sind die Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit und der Reifegrad der Projekte sowie Abhängigkeiten zwischen Projekten. Die Bewertung der Projekte anhand dieser Kriterien sollte mit Hilfe einer Nutzwertanalyse erfolgen. Aus ihren Ergebnissen sind Maßnahmen in Hinblick auf die Repriorisierung der Projekte sowie der Projektausrichtung bezüglich des Betriebs von IT-Systemen ableitbar.
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33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0006 Auswirkungen von Cloud-First auf IT- Projektportfolios Mona Charlotte Blümke Für eilige Leser | Cloud-Technologien sind einer der größten Treiber in der Weiterentwicklung von Unternehmens-IT. Die damit verbundene Implementierung von Cloud-First-Strategien wirkt sich direkt auf das Management von IT-Projektportfolios aus. Projekte innerhalb bestehender Portfolios müssen auf ihre strategische Passung untersucht und innerhalb des Projektportfolios angemessen gesteuert werden. Weitere Kriterien, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssen, sind die Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit und der Reifegrad der Projekte sowie Abhängigkeiten zwischen Projekten. Die Bewertung der Projekte anhand dieser Kriterien sollte mit Hilfe einer Nutzwertanalyse erfolgen. Aus ihren Ergebnissen sind Maßnahmen in Hinblick auf die Repriorisierung der Projekte sowie der Projektausrichtung bezüglich des Betriebs von IT-Systemen ableitbar. Schlagwörter | Cloud First, Projektpriorisierung, Projektportfoliomanagement, Nutzwertanalyse, strategische Passung, Cloud-Strategie 1. Cloud-Technologien auf dem Vormarsch 82 % deutscher Unternehmen setzen im Jahr 2022 Cloud- Technologien ein [1]. Sie adressieren damit den steigenden Bedarf an Technologieeffizienz und Agilität zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit [2, 3, 4]. Hierbei müssen oftmals veraltete und komplexe IT-Infrastrukturen neu ausgerichtet werden [5]. Damit verbunden ist die unternehmensweite Anpassung der IT-Strategie. Mittel der Wahl ist hierbei häufig eine Cloud-First-Strategie. 2. Cloud-First Im Rahmen einer „Cloud-First-Strategie“ werden bei der Implementierung neuer Lösungen Cloud-Ansätze priorisiert betrachtet. Ferner werden bestehende Lösungen, wo geschäftsbedingt möglich, in die Cloud migriert [6, 7, 8]. Dieser Ansatz grenzt sich damit von einer „Cloud-Only-Strategie“ ab, bei der Lösungen nicht nur primär, sondern ausschließlich cloudbasiert implementiert und vollständig migriert werden. Im Vergleich dazu bietet eine Cloud-First-Strategie Flexibilität, On-Premise-Lösungen den Vorzug zu geben, wenn diese dauerhaft vorteilhafter sind als cloudbasierte Alternativen [9]. Die Überführung bestehender IT-Landschaften in die Cloud erfolgt üblicherweise nach dem Prinzip der teilweisen, iterativen Neuaufstellung [10]. Daraus ergeben sich im Zuge der Transformation drei Kategorien von IT-Lösungen: • On Premise: Bestehende Anwendungen, bei denen weder eine Migration in die Cloud noch das Ersetzen durch eine neue Cloudlösung möglich bzw. aus unternehmerischer Sicht sinnvoll ist, werden weiterhin On-Premise betrieben. • Cloud Enabled: Anwendungen, die ursprünglich für den On-Premise-Betrieb entwickelt, aber in die Cloud verlagert wurden. Die Ressourcennutzung wird von lokal auf virtuell umgestellt, die zugrundeliegende Architektur bleibt aber gleich. Die Veränderungen in den Betriebsprozessen und die Verwirklichung der Vorteile der Cloud sind begrenzt [12, 13]. • Cloud Native: Anwendungen, die für die Ausführung in einer Cloudumgebung konzipiert wurden und in der Regel als Software as a Service (SaaS) zugekauft werden. Sie ermöglichen es Unternehmen, alle Vorteile der Cloud zu nutzen [12, 13, 14]. Um die notwendigen Maßnahmen in der Transformation von der traditionellen IT-Strategie zu Cloud-First zu identifizieren, ist eine ganzheitliche Betrachtung der IT-Landschaft erforderlich [15, 16]. Die bestehenden IT-Lösungen, die nicht im on- Premise-Betrieb verbleiben, müssen entsprechend Gartner’s Wissen | Auswirkungen von Cloud-First auf IT-Projektportfolios 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0006 Fünf-R-Ansatz rehosted („rehost“), umgestaltet („refactor“), überarbeitet („revise“), neu gebaut („rebuild“) oder ersetzt („replaced“) werden. Abbildung 1 stellt dar, in welchen Kategorien von IT-Lösungen diese Maßnahmen jeweils resultieren [17]. Im Hinblick auf das Projektportfoliomanagement hat die Einführung einer Cloud-First-Strategie demnach vielfältige Auswirkungen. In diesem Sinne müssen nicht nur neue Projekte zur Migration bestehender Lösungen in die Cloud geplant, sondern auch bereits laufende IT-Projekte auf Passung innerhalb des neuen strategischen Ansatzes untersucht werden. Gleichzeitig ist zu prüfen, welche laufenden Projekte bereits auf die Zielsetzung der Cloud-First-Strategie einzahlen und folglich priorisiert werden sollten. Darüber hinaus sind diejenigen Projekte zu identifizieren, die, obwohl es sich um die on-Premise-Implementierung oder -Weiterentwicklung von IT-Lösungen handelt, aufgrund betrieblicher Notwendigkeit nicht depriorisiert werden können [18, 19]. Cloud-First-Strategie Betrieb weiterhin on- Premise z.B. aufgrund regulatorischer Vorgaben Unverändert On-Premise Rehost Refactor Revise Rebuild Replace Cloud Enabled Cloud Native Migration der Anwendung wie sie ist in die Cloud Anpassung der Anwendung für bessere Cloud- Eignung vor dem Rehosting Umfassende Modernisierung der Anwendung vor dem Refactoring oder Rehosting Neubauen der Anwendung in der Cloud Ersatz der on-Premise- Anwendung durch eine Cloud- Native- Anwendung Anwendungen innerhalb der bestehenden on-Premise IT-Landschaft On-Premise Entwicklung oder Einkauf von on-Premise-Lösungen z.B. aufgrund regulatorischer Vorgaben Cloud Native Entwicklung oder Einkauf von für die Anwendung in der Cloud konzipierten Anwendungen Neue IT-Anwendungen Abbildung 1: Umgang mit IT-Lösungen bei Einführung einer Cloud-First-Strategie (Quelle: eigene Darstellung) Quelle Bewertungskriterien Strategische Bedeutung / Strategie-Fit Wirtschaftlichkeit Machbarkeit Risiko Dringlichkeit Projektabhängigkeiten Kundenbedürfnisse Regulatorische Anforderungen Mitarbeiterbedürfnisse Stakeholderinteressen Produkt- / Service- / Imageverbesserungen [20] x x x x x x [21] x x x x x x x [22] x x x x x [23] x x x x [24] x x [25] x x x x x x x [26] x x x x x x [27] x x x x [28] x x x x [29] x x x x x x A n z a h l (von 10) 9 9 5 7 5 4 4 2 4 1 1 Tabelle 1: : Literaturanalyse der gängigen Bewertungskriterien für die Projektpriorisierung Wissen | Auswirkungen von Cloud-First auf IT-Projektportfolios 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0006 3. Projektneubewertung und -repriorisierung In der Priorisierung von Projekten eines Projektportfolios kommen unterschiedliche Bewertungskriterien zur Anwendung. In der Neubewertung bestehender Projekte im Projektportfolio im Zusammenhang mit einer neuen strategischen Ausrichtung bildet der Strategie-Fit folgerichtig das leitende Kriterium. Weiterhin müssen im Sinne der Sicherstellung des Geschäftserfolgs zusätzliche Kriterien evaluiert werden. Tabelle 1 zeigt die Kriterien auf, die im Rahmen einer Literaturanalyse, die insgesamt zehn Lehrbücher und Artikel aus anerkannten Fachzeitschriften berücksichtigt, identifiziert wurden. Hierbei wurden Synonyme zu einem einzelnen Begriff vereinheitlicht. Es wird im Weiteren angenommen, dass diejenigen Kriterien, die in mindestens 40 % der Veröffentlichungen genannt wurden, aufgrund ihrer in der Praxis erwiesenen Eignung am weitesten verbreitet sind. In Tabelle 2 werden deshalb diese Kriterien tiefergehend in Hinblick auf ihre Relevanz im Kontext der Repriorisierung von Projekten eines bestehenden Projektportfolios bei Einführung einer Cloud-First-Strategie betrachtet. Ergänzt wird hierbei zudem der Reifegrad der Projekte, da im Kontext der Einführung der Cloud-First-Strategie keine Erstbewertung der Projekte erfolgt, auf die in der meisten Literatur Bezug genommen wird. Stattdessen erfolgt eine Neubewertung eines bereits bestehenden Projektportfolios, innerhalb dessen verschiedene Projekte einen unterschiedlich fortgeschrittenen Entwicklungsstand (Reifegrad) haben. Krit. Relevanz vor dem Hintergrund einer Cloud-First-Strategie Strategie-Fit Sehr hoch: Kriterium mit höchsten erwarteten Unterschieden in den Ergebnissen im Vergleich zur vorherigen strategischen Ausrichtung. Ausschlaggebendes Kriterium vor dem Hintergrund der Analyse des Projektportfolios aufgrund einer strategischen Neuausrichtung. Dringlichkeit Hoch: Projekte, die z. B. aufgrund regulatorischer Vorgaben zeitdringlich sind, können nicht depriorisiert, sondern nur ggf. im Sinne der strategischen Neuausrichtung inhaltlich angepasst werden, solange dies die zeitliche Planung nicht maßgeblich beeinträchtigt. Wirtschaftlichkeit Mittel: Es kann angenommen werden, dass ein Projekt nur initiiert wurde, weil es wirtschaftlich von Vorteil ist. Dennoch kann sich die mittel- und langfristige Wirtschaftlichkeit durch die strategische Neuausrichtung verändern. Reifegrad Mittel: Der Reifegrad der Projekte ist zum Zeitpunkt der Analyse des bestehenden, sich über Jahre hinweg entwickelnden Projektportfolios unterschiedlich. Es kann sinnvoll sein, Projekte, die kurz vor der Vollendung stehen, auch dann zu priorisieren, wenn sie nicht auf die Cloud-First-Strategie einzahlen, um von anderen Entwicklungen zu profitieren. Abhängigkeiten Mittel: Projekte können ggf. nicht depriorisiert werden, weil z. B. stark auf die Cloud-First-Strategie einzielende Projekte von ihnen abhängig sind. Mitarbeiterbedürfnisse Gering: Gesamtheitlich kann davon ausgegangen werden, dass Projekte mit hohem Strategie-Fit die Mitarbeiterzufriedenheit fördern, da sie den Unternehmenserfolg bedingen. Risiko Gering: Es kann angenommen werden, dass ein bereits bestehendes Projekt nur initiiert wurde, weil es zur Risikobereitschaft des Unternehmens passt. Es ist keine wesentliche Änderung des Risikos durch die strategische Neuausrichtung zu erwarten. Kundenbedürfnisse Gering: Es kann angenommen werden, dass ein bereits bestehendes Projekt nur initiiert wurde, weil es Kundenbedürfnisse direkt oder indirekt bedient oder von anderer so hoher Relevanz ist, dass die Kundenbedürfnisse keine Rolle spiele (z. B. regulatorisch vorgegeben). Machbarkeit Gering: Es kann angenommen werden, dass ein bestehendes Projekt nur initiiert wurde, weil es machbar ist. Tabelle 2: Relevanz der Bewertungskriterien für die Projektpriorisierung Die Priorisierung von Projekten im Projektportfolio anhand der festgelegten Bewertungskriterien kann sich an verschiedenen Methoden orientieren. Tabelle 3 zeigt auf, welche Methoden in der Literatur für diesen Zweck angeführt werden. Hierbei wurden Synonyme zu einem einzelnen Begriff vereinheitlicht. Es wird im Weiteren angenommen, dass diejenigen Methoden, die in mindestens 40 % der Veröffentlichungen genannt wurden, aufgrund ihrer in der Praxis erwiesenen Eignung am weitesten verbreitet sind. In Tabelle 4 werden diese Methoden näher erläutert. Aus der aus Tabelle 2 hervorgehenden mindestens mittleren Relevanz mehrerer Bewertungskriterien für die Projektpriorisierung vor dem Hintergrund der Einführung einer Cloud- First-Strategie bei Banken wird ersichtlich, dass sich ein- und zweidimensionale Bewertungsmethoden in diesem Zusammenhang nicht anbieten. Folglich stellt die Nutzwertanalyse die beste Methodik für diesen Zweck dar. Gleichzeitig sollten diejenigen Projekte, die aufgrund ihrer z. B. regulatorisch bedingten Erforderlichkeit zwingend im Zeitplan umgesetzt werden müssen, sogenannte „Must-Haves“, vor Anwendung der Nutzwertanalyse identifiziert werden. Solche „Must-Haves“ müssen auch bei insgesamt niedrigem Nutzwert priorisiert werden [22]. Bewertungskriterien mit geringer Priorität müssen in der Nutzwertanalyse im Sinne der Aufwandsreduktion weiter- Wissen | Auswirkungen von Cloud-First auf IT-Projektportfolios 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0006 hin nicht berücksichtigt werden, da aufgrund ihrer geringen Relevanz keine nennenswerten Effekte auf den Gesamtnutzwert der Projekte zu erwarten ist. Die für die Priorisierung der Projekte relevanten Bewertungskriterien sind demnach Strategie-Fit, Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Reifegrad und Abhängigkeiten. Nach Bestimmung der Muss-Projekte müssen alle anderen Projekte in den Kriterien mit mindestens mittlerer Relevanz vergleichbar bewertet werden [22]. Hierfür ist eine Operationalisierung der Kriterien auf mindestens einer Ordinalskala erforderlich, die für alle Kriterien gleich codiert werden kann. Für das Kriterium Strategie-Fit kann eine solche Operationalisierung z. B. folgendermaßen umgesetzt werden: • 0 = Das Projekt schadet der Umsetzung der Cloud-First- Strategie in mittlerem bis hohem Ausmaß (z. B. die Entwicklung von On-Premise-Anwendungen, die nicht mehr in die Cloud überführt werden können); • 1 = Das Projekt schadet der Umsetzung der Cloud-First- Strategie in geringem Ausmaß (z. B. die Entwicklung von On-Premise-Anwendungen, die ressourcenintensiv in die Cloud überführt werden können); • 2 = kein Einfluss auf die mit der Cloud-First-Strategie verbundenen Ziele (z. B. die Entwicklung von On-Premise-Anwendungen, die ohne signifikanten Aufwand in die Cloud überführt werden können); • 3 = Das Projekt zahlt in geringem Ausmaß positiv auf die Strategie oder die damit verbundenen Ziele ein (z. B. Förderung agiler Managementmethoden); • 4 = Das Projekt zahlt in mittlerem Ausmaß positiv auf die Strategie oder damit verbundenen Ziele ein (z. B. Cloud Enablement); Quelle Bewertungsmethode Nutzwertanalyse Portfoliotechnik Komparative Verfahren Mathematische, multikriterielle Optimierungsmodelle SWOT-Analyse Entscheidungsbäume / -tabellen Wirkungsanalyse Balanced Scorecard Punktbewertungsmethode Simulationsmethoden [21] x x [20] x x [30] x x x [23] x x [25] x x [26] x x x x [31] x x [32] x x x [33] x x [34] x x x x x x Gesamt 9 5 4 1 1 1 2 3 1 1 Tabelle 3: Literaturanalyse der Methoden für die Ermittlung von Projektprioritäten Methode Beschreibung Nutzwertanalyse (mehrdimensional) Alle relevanten Kriterien werden gewichtet und operationalisiert. Die Projekte werden in jedem Kriterium auf der gleichen Skala bewertet und in einer Scoringtabelle dargestellt. Aus den einzelnen Ergebniswerten und der Gewichtung ergibt sich für jedes Projekt ein vergleichbarer Gesamtnutzenwert [21, 30]. Portfoliotechnik (zweidimensional) Die Projekte werden durch die gleichzeitige Betrachtung zweier Hauptkriterien in einer Matrix bewertet [20, 30]. Komparative Verfahren (eindimensional) Paarvergleich: Die Projekte werden eindimensional anhand eines Kriteriums paarweise miteinander verglichen. Die Priorisierung ergibt sich aus der Häufigkeit der Präferenz im Vergleich. Rangordnungsvergleich: Die Projekte werden eindimensional anhand eines Kriteriums in eine Reihenfolge gebracht [30]. ABC-Verfahren: Die Projekte werden anhand eines Kriteriums in drei Kategorien eingeteilt [21, 30]. Tabelle 4: Methoden der Projektpriorisierung Wissen | Auswirkungen von Cloud-First auf IT-Projektportfolios 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0006 • 5 = Das Projekt zahlt in hohem Ausmaß positiv auf die Strategie oder damit verbundenen Ziele ein (z. B. Cloud- Nativeness). Nach Definition der Kriterien und ihrer Skalenwerte folgt anhand dieser die Bewertung der bestehenden Projekte des Projektportfolios. Im Rahmen der Nutzwertanalyse werden anschließend die Ergebnisse in den einzelnen Bewertungskriterien gemäß ihrer Gewichtung ermittelt. Die Gewichtung ist aus der Relevanz der Kriterien (siehe Tabelle 2) abzuleiten. Im Ergebnis wird für jedes Projekt ein Nutzwert auf einer Skala von 0 bis 5 ermittelt, der über die Priorisierung der Projekte bestimmt. 4. Maßnahmen der Portfoliosteuerung Anhand der Nutzwerte sowie der Einzelergebnisse der Kriterienbewertung der Projekte müssen konkrete Maßnahmen zur zielorientierten Projektportfoliosteuerung im Einklang mit der Cloud-First-Strategie abgeleitet werden. Tabelle 5 stellt Leitlinien für die Maßnahmenableitung dar. Bewertungsergebnis Maßnahme Muss-Projekte Höchste Priorisierungen. Die Reihenfolge der Priorisierung innerhalb der Muss- Projekte wird über den Nutzwert bestimmt. Projekte mit hohem Nutzwert Werden in der Portfoliosteuerung priorisiert behandelt. Projekte mit mittlerem Nutzwert Werden in der Portfoliosteuerung mit mittlerer Priorität behandelt. Projekte mit niedrigem Nutzwert aufgrund eines niedrigen Strategie-Fits bei teilweise mittleren bis hohen Ergebnissen in den anderen Kriterien (auch Muss- Projekte) Einleitung von Maßnahmen zur Erhöhung des Strategie-Fits. Diese wird über die Anpassung der Projektausrichtung im Einklang mit Gartner’s Fünf R in Hinblick auf die Ziel-IT der Projekte erreicht. Bei Implementierung eines Cloud-Native- Ansatzes kann dabei der Strategie-Fit am stärksten erhöht werden. Die Implementierung eines Cloud-Enablement-Ansatzes trägt ebenfalls, aber in weniger starkem Ausmaß, zur Erhöhung des Strategie-Fits bei. Das richtige „R“ sollte mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt werden. Projekte mit niedrigem Nutzwert und niedrigen Ergebnissen in allen anderen Kriterien (außer Muss-Projekte) Einstellung oder Depriorisierung der Projekte. Tabelle 5: Maßnahmen der Projektportfoliosteuerung 5. Fazit Zusammenfassend wird ersichtlich, dass die Bewertung der Kriterien Strategie-Fit, Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit und der Reifegrad von Projekten sowie Abhängigkeiten zwischen Projekten im Rahmen einer Nutzwertanalyse objektive Maßstäbe für die Repriorisierung der Projekte eines bestehenden Projektportfolios vor dem Hintergrund der Einführung einer Cloud-First-Strategie bietet. Aus diesen lassen sich zudem klare Maßnahmen ableiten, die die erfolgreiche Implementierung der Strategie unterstützen. Projekte mit hohem Nutzwert sollten in diesem Zusammenhang grundsätzlich priorisiert werden. Projekte mit niedrigem Nutzwert sollten abgebrochen, depriorisiert oder ihr Nutzwert durch eine Neuausrichtung des Projektes im Sinne der Cloud-First-Strategie mithilfe von Gartner’s Fünf R erhöht werden. Hierfür sollte eine Untersuchung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von rehosting, refactoring, revising, rebuilding oder replacement Maßnahmen erfolgen. 6. Literatur [1]: Statista: Nutzung von Cloud Computing in deutschen Unternehmen bis 2020. 2021, Stand: 30. September 2022 [2] Sternkopf, Christian: Legacy-Modernisierung: So bringen Banken ihre IT auf die Überholspur. 2019, Stand: 10. September 2022 [3]: Nicoletti, Bernardo: Cloud Computing in Financial Services. 1. Auflage, Palgrave Macmillan, Basingstoke, 2013 [4] Yoo, Christopher S.: Cloud Computing: Architectural and Policy Implications. In: Review of Industrial Organization Ausgabe 31 / 2011, S. 405-421 [5] Freudenstein, Gero / Zies, Ingolf / Busche, Sebastian: Der ewige Kampf der Banken mit der Legacy-IT. 2019, Stand: 16. 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