eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 34/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0009
31
2023
341 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

«Projektdesign»

31
2023
Martina Huemann
Yvonne Schoper
Katrin Reschwamm
pm3410047
47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 Bericht zur D-A-CH Forschungswerkstatt 15. und 16. September 2022 «Projektdesign» Martina Huemann, Yvonne Schoper, Katrin Reschwamm Einleitung Zum zweiten Mal fand die D-A-CH Forschungswerkstatt 2022 in der Schweiz statt, nach Luzern in 2017 dieses Mal am 15. und 16. September im Kulturpark in Zürich. Nachdem die Forschungswerkstatt 2021 erfolgreich virtuell durchgeführt wurde zum Thema «Designing Projects», fand erstmals seit 2019 ein physisches Treffen mit 55 Teilnehmenden statt. Die Forschungswerkstatt ist eine gemeinsame Veranstaltung der drei deutschsprachigen IPMA® Vertretungen, pma-- Projekt Management Austria, GPM- - Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und spm- - Swiss Project Management Association und existiert in der jetzigen Form seit 2014. Federführend in 2022 war der spm unter Leitung von Katrin Reschwamm, die in enger Zusammenarbeit mit Martina Huemann (pma) sowie Yvonne Schoper (GPM), die Werkstatt organisiert hat. Bei der halbtägigen Online-Konferenz im Mai 2021 befassten sich die Teilnehmenden erstmals mit dem wichtigen ICB4 Kompetenzelement «Projektdesign» [1]. Da das Thema sehr umfangreich ist und virtuell nur angerissen werden konnte, brauchte es keine lange Entscheidung, um «Projektdesign» [2] nochmals in den Fokus der Forschungswerkstatt 2022 zu setzen. Das umfangreiche Programm bot die Möglichkeit, Projektdesign mit verschiedenen Ansätzen kennenzulernen, besser zu verstehen und anzuwenden. Die drei Organisatorinnen begrüßten die Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sowohl aus Wissenschaft und Lehre als auch aus der Unternehmenspraxis stammen. Üblicherweise ist es ein Mix an bekannten und neuen Gesichtern. Erfreulich war die diesmalige Teilnahme von einigen Young Crew Mitgliedern aus den drei Schwesterverbänden. In der Veranstaltung setzten wir uns mit ausgewählten Gestaltungselementen auseinander, diese beinhalteten: • Einbezug von End-UserInnen für ein nachhaltiges Produktdesign • Gestaltung von Projekten als Soziale Systeme • Arbeitsmethoden für Wissens- und Technologietransfer • Organisatorisches Design von Projekten • Auswahl und Gestaltung von Projektvorgehensmodellen Einbezug von End-UserInnen für ein nachhaltiges Produktdesign Den Auftakt machte die Keynote von Mona Chirie Mijthab, Dozentin an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst (ZHdK) und gleichzeitig Sozialunternehmerin. Mona gründete Mosan (www.mosan.ch), ein soziales Unternehmen, das die Lebensbedingungen in einkommensschwachen Gemeinden in Guatemala mit Zugang zu sicheren sanitären Einrichtungen verbessert. In ihrer Keynote stellte Mona das ganzheitliche Mosan-System vor, wie aus Abfällen wertvolle Rohstoffe für die regenerative Landwirtschaft werden. Mona begeisterte die Teilnehmenden mit ihrem Vortrag, der uns die Lebensbedingungen sowie zahlreiche Personen mit ihren alltäglichen Herausforderungen des «Toilettierens» näherbrachte. Wir denken darüber nicht nach, da es für uns selbstverständlich ist, aber in vielen Ländern auf der Erde ist der Zugang zu sauberen und geschützten Sanitäranlagen eine Herausforderung, besonders für Frauen kann dies gefährlich werden. Mona ließ uns an ihren partizipativen Methoden, um die lokale Bevölkerung in den Designprozess einzubeziehen, teilhaben. Das Mosan-System selbst besteht aus der Mosan- Toilette ohne Wasser und Chemikalien, dem Abholen der Exkremente, der Umwandlung mittels Pyrolyse in Biokohle sowie der Nutzung der Holzkohle-ähnlichen Substanz als Dünger zum Anbau von Lebensmitteln. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit das Endprodukt sogar in Augenschein zu nehmen. Keynote Mona Mijthab, ZHdK (links) sowie Anknüpfung an 2021 Martina Huemann, pma (rechts), Fotos 1+ 2 Katrin Reschwamm, spm GPM intern | «Projektdesign» 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 Das vorgestellte Projekt war ein hervorragendes Beispiel für die explizite Gestaltung und der gelungene Einbezug der End-UserInnen in einem Produktentwicklungsprojekt-- in diesem Fall einer Toilette-- und die Kraft, die mit Projekten verbunden ist, positive und nachhaltige Veränderung zu schaffen [3]. Gestaltung von Projekten aus systemischer Sicht In einem Impulsvortrag mit anschließendem Workshop stellten Tina Lochmann, Reinhard Kühn und Michael Boxheimer, allesamt ehrenamtlich aktiv bei der GPM und dort im Leitungskreis der Fachgruppe «Systemisches Projektmanagement und Changemanagement», die Gestaltung von Projekten aus systemischer Sicht dar. Sie führten uns in das «Projektdesign aus systemischer Perspektive» ein. Im Vorfeld hatten die Teilnehmenden bereits die entsprechende Broschüre erhalten, die von der GPM Fachgruppe «Systemisches Projektmanagement und Changemanagement» im November 2020 veröffentlicht wurde [4]. Im Vortrag wurden Elemente der wesentlichen systemischen Konzepte wie Autopoiese, Kybernetik (2. Ordnung), Kommunikation (Systemtheorie), radikaler Konstruktivismus und der Bezug zum Projektdesign vorgestellt. Auch Sozialisation, Sprache, Artikulation und Körpersprache sowie Kultur haben eine wichtige Rolle und Einfluss in einem sozialen System. Im anschließenden Workshop «Projektdesign aus systemischer Perspektive» wurden einige ausgewählte Arbeitsmethoden zur Gestaltung der Zusammenarbeit erlebbar gemacht und inhaltlich zum Thema Projektdesign weiterbearbeitet. Der Einstieg in den Workshop wurde mit Neurokunstkarten, die als Denkwerkzeuge dienen, gestaltet. Mit diesen Karten lassen sich auf kreative Art und Weise Analogien zu relevanten Fragen herstellen. Trigger-Tool heißt dieses Werkzeug und es ermöglicht, den Fokus weg von äußeren Bedeutungen hin zu den innewohnenden Qualitäten zu verschieben. Die Teilnehmenden bearbeiteten die Frage: «Welche Qualitäten bringst du in das Projekt-Team ein? » Dazu konnten Sie eine Karte aus vielen verschiedenen Motiven auswählen, die ihrer Meinung nach diese innere Qualität am besten zum Ausdruck bringt. Im Partner-Interview wurden dann die Betrachtungen und Interpretationen ausgetauscht. Dadurch entstand ein unglaublich intensiver und persönlicher Austausch, der alle Teilnehmenden im höchsten Maße beeindruckt hat. Zuhören und verstehen wollen-- ein Grundsatz für das Projektdesign, kam hier in seiner vollen Stärke zum Ausdruck. Im weiteren Workshop-Verlauf identifizierten die Teilnehmenden dann die Treiber des Erfolgs in Projekten aus drei verschiedenen Perspektiven. Diese bestanden aus der Sicht des Projektmanagements und seinen Anforderungen selbst, aus der fachlichen Sicht und aus Sicht der Entscheidungen und Entscheidungsprozesse innerhalb und für das Projekt. Hieraus entstanden dann wertvolle Ergebnisse, die insgesamt auf die Verbesserung von Kommunikation und Zusammenarbeit einzahlen und die unterschiedlichen Bedürfnisse von Auftraggeber, Management und Projektgruppe in besonderer Weise Vorstellung Workshop durch Katrin Reschwamm mit Michael Boxheimer, Tina Lochmann, Reinhard Kühn (von links nach rechts), Foto 3: Christoph Lehnert, YC GPM Kunstkarten sowie Teilnehmende in der Workshop-Diskussion, Fotos 4+5: Reinhard Kühn, GPM GPM intern | «Projektdesign» 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 berücksichtigen. Die systemische Brille war hierfür außerordentlich bereichernd und für viele der Teilnehmende überraschend und neu. Toller Workshop, kreativ, inspirierend und voll mit tiefergehenden Einsichten. Arbeitsmethoden für Wissens- und Technologietransfer Astrid Björnsen, Leiterin Forschungsprogramm «Extremereignisse» an der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft stellte ihre Toolbox für Wissens- und Technologietransfer vor [5]. Diese wurde für Forschungskonsortien der Schweizer Energieforschung im Rahmen des Förderprogramm SWEET des Schweizer Bundes entwickelt [6]. Im anschließenden Workshop konnten die Teilnehmenden mehr über Wissens- und Technologietransfer in Projekten erfahren, die Toolbox kennen lernen und ausprobieren. Die Toolbox enthält 30 Karten mit Kurzbeschreibungen von Arbeitsmethoden, die in der Projektarbeit zum Einsatz kommen können. Anhand von Kriterien (z. B. Gruppengröße, Zielsetzung, Arbeitszeit) können sich Projektmanagende Anregungen zu Arbeitsmethoden holen, um Kommunikation, Wissens- und Technologietransfer in Projektteams und mit Stakeholdern besser zu unterstützen. Die Auseinandersetzung mit der Toolbox hat nicht nur die Aufmerksamkeit für das Thema Wissens- und Technologietransfer erhöht, sondern auch aufgezeigt, dass Wissenstransfer nicht der letzte Schritt in einem Projekt sein soll, sondern schon früh im Projekt berücksichtigt werden sollte und mit einer Vielzahl von Arbeitsmethoden in der gesamten Projektlaufzeit kreativ unterstützt werden kann. Das Designen des Arbeitsmethodeneinsatzes stellt einen wichtigen Bestandteil in jedem Projekt dar und sichert insbesondere durch den frühzeitigen Einbezug verschiedener Stakeholder einen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer. Auswahl und Gestaltung des passenden Projektvorgehensmodells Zum späteren Nachmittag ging es noch mehr ins «doing». Zuerst stellten Yvonne Schoper, Claus Hüsselmann, Dagmar Silvius-Zuchi und Gilbert Silvius fünf Vorgehensmodelle für Projekte vor. Diese beschreiben wie Projektarbeit und die Leistungserbringung strukturiert wird und basieren auf teils recht unterschiedlichen Prinzipien: • Sequenziell (oder im Englischen predictive): Arbeitsabläufe erfolgen aufeinander aufbauend, hintereinander, die Projektergebnisse liegen am Projektende vor. • Agil (oder im Englischen adaptive), Arbeitsabläufe sind iterativ und inkrementell, d. h. nach jedem Zyklus (1-4 Wochen) entsteht ein für den Kunden bereits nutzbringendes Produkt. • Parallel: Arbeitsabläufe erfolgen weitestgehend gleichzeitig und synchronisiert, was eine intensive Planung erfordert. • Lean: Arbeitsabläufe werden effizient gestaltet, nicht notwendige Projektmanagement-Elemente werden weggelassen und der Fokus liegt auf wertorientierten Elementen. • Hybrid: Eine Kombination aus zwei oder mehreren Projektvorgehensmodellen. Im Anschluss wurden die Teilnehmenden in zehn Gruppen eingeteilt, wobei jeweils zwei Gruppen am gleichen Vorgehensmodell arbeiteten und Argumente für dessen Einsatz finden sollten. Die Fragestellungen für den Nachmittag waren: • Welche Organisationsform eignet sich für das Vorhaben? Ein Großprojekt? Ein Programm? • Argumente für das Design des komplexen Projektes nach sequenziellen/ agilen/ hybriden/ leanen oder parallelen Vorgehensmodell? • Welches Vorgehensmodell eignet sich am besten für dieses Fallprojekt? • Warum eignet sich das jeweilige Vorgehensmodell? Warum eignen sich eines oder mehrere Vorgehensmodelle nicht? Großprojekt oder Programm? Spannend war für alle Teilnehmenden, dass bereits die erste Frage nach der bestgeeigneten Organisationsform für dieses Projektvorhaben intensive Diskussionen in den einzelnen Gruppen hervorrief, da hier unter anderem kulturelle Unterschiede zwischen den Schwesterverbänden Deutschland, Schweiz und Österreich sichtbar wurden, die uns bislang nicht bewusst waren. Es ging um die Diskussion, ob es sich WTT-Toolbox, Foto 6 von [4] GPM intern | «Projektdesign» 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 bei dem Vorhaben um ein Großprojekt oder ein Programm handelt. Die Meinung mancher österreichischer TeilnehmerInnen war, dass es sich eher um ein Programm handelt, während die VertreterInnen aus Deutschland und der Schweiz für die Organisationsform des Großprojektes mit mehreren Teilprojekten plädierten. In der Diskussion zeigte sich, dass bei pma in Österreich die Projektrolle „TeilprojektleiterIn“ eher nicht verwendet wird, in der Praxis in Österreich der Begriff Teilprojekt, bzw. die Rolle TeilprojektleiterIn aber durchaus vorkommt. Es bleibt die Frage, wie schwer oder leicht es daher in Organisationen ist, die richtige Organisationsform für ein Vorhaben auszuwählen- - wissend das mit dieser Frage eine wesentliche Basis für das organisatorische Projektdesign geschaffen wird. Auswahl und explizite Gestaltung des Projektvorgehens Nach jeder Runde, die zuerst in der Kleingruppe diskutiert wurde, gab es einen intensiven Austausch im Plenum. Nach der zweiten Runde kristallisierte sich jedoch dann das hybride Vorgehensmodell als das am meisten favorisierte Modell für das Fallprojekt heraus, obwohl in der ersten Runde noch alle fünf Vorgehensmodelle von den Gruppen argumentiert wurden. Für die Auswahl eines passenden Projektvorgehensmodell gibt es bereits unterschiedliche Methoden. Während der Forschungswerkstatt wurden zwei vorgestellt. Claus Hüsselmann, Professor an der TH Mittelhessen zeigte in seinem Vortrag «Anwendung und Evaluation von Agilometer & Co.» wie Elemente des Lean Manufacturing bzw. Lean Management auf die Praxis des Projektmanagement angewendet werden können. Mit seinem Team hat er das «Agilometer» entwickelt, das die Einschätzung ermöglicht, ob ein Projekt eher traditionell plangetrieben oder agil durchgeführt werden sollte. Anhand verschiedener Kriterien, die in den drei Merkmalsgruppen Projekt (fachlich), Team (organisatorisch) sowie Unternehmen (kulturell) gruppiert sind, wird dabei bewertet, welche Voraussetzungen gegeben sind [7]. Dr. Dagmar Silvius-Zuchi, Beraterin und Gründerin von enable2change und Gilbert Silvius, Projektmanagement Experte und Dozent an verschiedenen Hochschuleinrichtungen, stellten den Kriterienkatalog vor, wie in Abbildung 1 gezeigt [8]. Die Matrix stellt eine Entscheidungshilfe für die Gestaltung der Projektvorgehensweise dar und beruht auf produktbezogenen, organisations- und teambezogenen Kriterien. Abbildung 1: Kriterien-Matrix zur Auswahl und Gestaltung eines Projektvorgehensmodell [8] Diskussion der ersten Ergebnisse moderiert von Gilbert Silvius und Yvonne Schoper (stehend), Foto 7: Katrin Reschwamm, spm GPM intern | «Projektdesign» 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 Abendveranstaltung: Technologietransfer erleben Nach einem intensiven ersten Tag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, vor dem gemeinsamen Abendessen, an einer Quartiers-Führung teilzunehmen. Trotz Regen fanden sich drei Gruppen, die sich auf den Weg machten. Der Kulturpark befindet sich in Zürich-West, welches einst ein Industrie- und Arbeiterquartier war. Hier wurden einst Schiffe in der Maschinenfabrik Escher-Wyss gebaut. Heute betreibt das Schauspielhaus Zürich im «Schiffbau» drei Bühnen. Neben dem Schiffbau gab es Abstecher in den Technopark und ins Puls 5. Der Technopark wurde 1993 eröffnet und bringt Akteure aus Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft zusammen und sieht sich als «führende Adresse» für Technologietransfer. Womit wir den Bogen zum Workshop gespannt haben. Über 250 Unternehmen, vor allem innovative Jungunternehmen, sind dort angesiedelt und können ein flexibles Raumangebot nutzen und sich austauschen. Das Puls 5 ist die alte umgestaltete Escher Wyss Giessereihalle, welche von einer Gebäudestruktur ummantelt wurde, so dass Wohnungen und Ladengeschäfte geschaffen werden konnten. Die alten Fabriken sind weg und haben Platz gemacht für Kultur, Kunst, Gastronomie und Shopping. Speziell, in den letzten zehn Jahren hat sich das Viertel sehr stark verändert. Aufgrund der begrenzten Zeit und des widrigen Wetters konnten wir nur einen kleinen Einblick in dieses spannende und lebendige Viertel bekommen. Bei Wein, Tavolata im Molino und interessanten Gesprächen klang der Abend des ersten Forschungswerkstatt-Tages aus. Projektorganisation, Planung und Führung Der Vormittag des zweiten Tages führte die Gruppenarbeiten vom Vortag fort. Wiederum in kleineren Gruppen wurden die folgenden Fragestellungen bearbeitet: • Welche Auswirkungen hat das jeweils spezifische Vorgehensmodell auf das Design der Projektorganisation (Rollen, Kompetenzen, Kommunikation)? • Welche Auswirkungen hat das Design auf die Projektkultur und den Führungsstil? • Welche Auswirkungen hat das Vorgehensmodell auf die Projektplanung (z. B. die PM Methoden wie Projektstrukturplan, Terminplanung, Budget, Risikomanagement, Stakeholderanalyse etc.)? Passend zum gewählten Projektdesign und Vorgehensmodell sind Rollen und Führung sowie Projektmanagement Methodeneinsatz zu gestalten. Beispielsweise bei agilen Projektvorgehen wird Selbstorganisation, geteilte Führung im Team und Leadership passend sein. In hybriden Vorgehensmodellen muss das Zusammenspiel der produktbezogenen Projektrollen und der etablierten Projektrollen (z. B. Product Owner und ProjektauftraggeberIn, Srum Master und ProjektmanagerIn) explizit gestaltet werden Architektur als Designelement Nach Abschluss der Fallbearbeitung folgte mit Lunchpaketen im Gepäck ein weiteres Highlight: eine Führung durch die Zürcher Hochschule der Künste. Eine ehemalige Milchfabrik wurde zum Bildungs- und Kulturzentrum- - ein in seinen Dimensionen europaweit einzigartiges Projekt. Alle Disziplinen (Fine Arts, Musik, Tanz, Theater, Film, Design, Kulturanalyse und Vermittlung) sind unter einem Dach vereint. Willkommen wurden wir in zwei zeitversetzten Gruppen von Florence Balthasar, Leiterin der Geschäftsstelle Internationales sowie Student Valérian Bitschnau. Sie gaben uns Einblicke in die durchlässige Architektur des Gebäudes mit der als öffentlicher Raum konzipierten Eingangshalle sowie kaskadenartigen Treppenanlagen, die u. a. für Aufführungen genutzt werden. Ein sehr inspirierender Ort, der das Thema Design sehr greifbar veranschaulichte. Abschluss Reflexion Im letzten Teil der Forschungswerkstatt kam die Fishbowl-Methode zum Einsatz. Martina Huemann, pma, lud jeweils vier Teilnehmende auf die Bühne ein, um ihre neuen Erkenntnisse, Aha-Momente oder kritischen Aspekte zu teilen. Allen Feedbacks gemeinsam war, dass das Format sowie der Wechsel aus Vorträgen und dem «Doing», also sich aktiv in Workshops mit der jeweiligen Thematik auseinanderzusetzen, sehr geschätzt wurde. Ausschnitt Teilergebnis sowie Gruppenarbeiten, Foto 8+9: Yvonne Schoper, GPM GPM intern | «Projektdesign» 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 Fazit Es gelang in dieser abwechslungsreichen interaktiven Veranstaltung gemeinsam, das Designen von Projekten zu erforschen und erlebbar zu machen. Hier fassen wir zentrale Erkenntnisse zusammen und skizzieren einige Fragen, die entstanden sind. Alles ist ein Projekt? Projekte kommen zur Umsetzung von Investitionen von Vorhaben bzw. anders ausgedrückt zur Durchführung von Entwicklungen und Change zum Einsatz. Dabei stellen Projekte eine mögliche Organisationsform zur Umsetzung dar. Die erste und grundlegende Frage, die zu klären ist, wie soll der Change umgesetzt werden, ist eine Arbeitsgruppe ausreichend, oder braucht es ein Großprojekt? Soll das Großprojekt eher hierarchisch in Teilprojekten abgewickelt werden oder braucht es eine Projektekette oder eine Programmorganisation, um erfolgreich zu sein? «Projekt Design» gehört zur Kernkompetenz der Projektmanagenden Was darf es denn sein? Sequenziell, agil, parallel oder doch lieber hybrid? Es gibt eine Vielzahl von Projektvorgehensweisen. Es war interessant zu erleben, dass die einzelnen Gruppen sehr überzeugende Argumente für den Einsatz des jeweiligen Ansatzes fanden, schließlich aber alle Gruppen für das spezifische Fallbeispiel mit einem hybriden Vorgehensmodell endeten, um das «Beste» aus allen unterschiedlichen Welten zu kombinieren. Aus diesem im Workshop gezeigten Verhalten könnte man schlussfolgern, dass Projektmanagende, wenn sie von einem spezifischen Vorgehensmodell überzeugt sind und die jeweiligen Methoden und Techniken dieses Vorgehensmodells gut kennen, diese beim Design für das jeweilige Projekt, entsprechend argumentieren und anwenden werden. Projektmanagende brauchen Wissen und Erfahrung um Projekte zu gestalten, sie müssen Organisationsdesign, Rollen und Methoden zu den unterschiedlichen Vorgehensmodellen kennen. Nur dann können sie die jeweiligen Vor- und Nachteile adäquat berücksichtigen und ein Projekt so aufsetzen, dass es Wert schafft. Was ist ein Product Owner und wann kann ich diesen einsetzen? Wo überschneiden sich die Aufgaben eines Product Owners mit den Aufgaben einer Projektmanagerin oder eines Projektauftraggebers und wie gehen wir in dem konkreten Projekt damit um? Braucht es in einem hybriden Projekt einen Projektstrukturplan? Wie unterscheidet bzw. ergänzt sich dieser von einem Product Backlog ab, ohne Parallel-Dokumentation zu schaffen? Welches Projekt Mindset braucht es und soll geführt werden? Viele Fragen, die abhängig von der gewählten Vorgehensweise im Projekt zu beantworten und im Projektdesign zu berücksichtigen sind. Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Gestaltungsspielraum In der Praxis haben Projektmanagende oftmals keine Möglichkeit, vorgegebene Unternehmensstandards auf die Anwendung in einem spezifischen Projekt zu hinterfragen. Wie viel Standardisierung ist angemessen und wie viel Gestaltungsspielraum ist notwendig? Forschungsbedarf Es zeigt sich ein neues spannendes Forschungsfeld, nämlich besser zu verstehen, wie wichtig ein maßgeschneidertes Projektdesign für den Projekterfolg ist, wie Unternehmen Projektmanagende und den Projektteams diesen Spielraum geben können und wie Projektmanagende ihre Projekte erfolgreich designen und wie sie im Designen besser unterstützt werden können Nach der D-A-CH Forschungswerkstatt ist vor der D-A-CH Forschungswerkstatt. Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe 2023 in Deutschland und werden das spannende Thema fortsetzen. Literatur [1] GPM: International Comptence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0/ Deutsche Fassung, 1. Auflage, GPM 2017 [2] Huemann, Martina / Schoper, Yvonne / Reschwamm, Katrin: Project Design, in Huemann, Martina und Turner Reflexion am Ende des 2. Tages, Fishbowl mit Martina Huemenn (stehend), Foto: Katrin Reschwamm, spm GPM intern | «Projektdesign» 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0009 Rodney, Handbook of Project Management, 6th edition, Routledge, 2023, in press [3] Mijthab, Mona / Anisie, Raluca / Crespo, Omar: Mosan: Combining Circularity and Participatory Design to Address Sanitation in Low-Income Communities. Circ.Econ. Sust. 1, 2021, S. 1165-1191 [4] Boxheimer, Michael: Systemisches Projektmanagement, GPM, 2020 [5] https: / / www.wsl.ch / de / metanavigation / services-undprodukte / forschungsinstrumente / wtt-toolbox.html [6] Björnsen, Astrid / Roschewitz, Anna: Reframing Knowledge & Technology Transfer for Swiss Energy Research, Swiss Federal Office of Energy SFOE, 2021 [7] Hüsselmann, Claus / Dönges, Sandro / Karpf, Stefan: Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements- - Verschwendung vermeiden und Wertschöpfung erhöhen durch Projekttypisierung, WI-[Reports]- - Arbeitspapiere Wirtschaftsingenieurwesen; 007, Fachbereich 14 der THM, 2019 [8] Silvius-Zuchi, Dagmar / Silvius, Gilbert: Predictive, adaptive and hybrid project approaches, in Huemann, Martina and Turner Rodney, Handbook of Project Management, 6th edition, 2023, in press Statements von Teilnehmenden Das Thema "Projektdesign" hat zu sehr spannenden Diskussionen geführt und war nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich top aktuell. Es hat sich in diversen Gesprächen erneut gezeigt, dass die Grenzen zwischen den Vorgehensmodellen oftmals verschwimmen. «Für mich hat sich gezeigt, dass es bei klassischen, agilen oder hybriden Methodiken weniger um das Projekt selbst geht, sondern mehr um die Anpassungsfähigkeit des Projektteams an die Rahmenbedingungen. Der Projektkontext gibt die Rahmenbedingungen für das Projektmanagement vor-- Nicht der oder die Projektleiter*in. Daraus resultiert für mich auch, dass wir nicht länger von klassischem Projektmanagement oder agilem Projektmanagement sprechen sollten. Projektleiter*innen sollten sich der Methoden bedienen, die im jeweiligen Projektkontext am besten anwendbar oder der Zielerreichung förderlich sind und ihre Kompetenz nicht in eine agile oder klassische Schublade stecken.» Peter Massatsch, WienIT GmbH «Verschiedene Aspekte von «Design» in Bezug zu Projektdesign zu setzen fand ich sehr inspirierend! » Nicole Gerber, ZHAW «Für mich war die D-A-CH-Forschungswerkstatt ein inspirierender Austausch von Fachleuten, der mir nicht zuletzt auch wieder verdeutlicht hat, wie vielschichtig und perspektivisch die Sicht auf das Thema Projektdesign sein kann. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass in diesem wichtigen Thema selbst unter den Experten noch „Luft nach oben“ ist.» Claus Hüsselmann, TH Mittelhessen «Ich finde es toll, dass es keine einzige „richtige“ Lösung zum Methodeneinsatz gibt. Sei es Wasserfall oder (Teil-)Parallelisierung oder V-Modell oder agile Formen. Die Methoden müssen den Menschen, der Situation und dem Zweck passen. Deswegen freue ich mich sehr auf weitere Experimente und Erkenntnisse.» Inna Schafheutle, FWTM GmbH & Co. KG «Wie immer war die Forschungswerkstatt sehr spannend und der Austausch mit den Kollegen der D-A-CH Region sehr bereichernd. Sehr augenöffnend war, dass sogar wir Projektmanager nicht alle das gleiche unter ein und demselben Begriff verstehen und wir auch in der PM Community Begrifflichkeiten abgleichen sollten bevor wir sie verwenden! Nicht nur in unseren Projekten oder mit Projektstakeholdern.» Iris Hauck- Rameis, IHR Projekt-- Mein Service Dr. Yvonne Schoper ist Professorin für Internationales Projektmanagement an der HTW Berlin Hochschule für Technik und Wirtschaft. In den vergangenen 10 Jahren hatte sie mehrere Funktionen im Vorstand und Präsidialrat der GPM inne, seit 2021 ist sie Vizepräsidentin bei der IPMA. Ihre Forschungsinteressen sind die Projektifizierung der Wirtschaft und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und interkulturelles Projektmanagement. ao. Univ-Prof. Dr. Martina Huemann ist Vorstandsmitglied von projekt management austria und Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie die Project Management Group und den Professional MBA «Strategic Project Management» leitet. Für ihre umfangreichen Publikationen erhielt sie 2015 den IPMA Research Award. Sie ist Editor-in Chief des «International Journal of Project Management» und Founding-Editor-in-Chief der neuen Fachzeitschrift «Project Leadership and Society». In Forschung, Lehre und Beratung lebt und unterstützt sie Co-Creation zwischen Wissenschaft und Praxis. Katrin Reschwamm ist seit April 2021 Forschungsmanagerin bei EU GrantsAccess an der ETH Zürich und unterstützt Forschende sowie Firmen bei der Akquise von europäischen Forschungsgeldern. Darüber hinaus ist sie in diversen Netzwerken und Verbänden u.a. Vorstandsmitglied spm- - Swiss Project Management Association sowie seit 20 Jahren in der GPM - Dt. Gesellschaft für Projektmanagement. Vor ihrer Tätigkeit an der ETH stand Katrin 10 Jahre als Managing Director der EUrelations AG vor, wo sie viele EU geförderte Projekte koordiniert und unterstützt hat.