PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0025
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Der Dom ist ein Universum“
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2023
Steffen Scheurer
Oliver Steeger
Ungewöhnlich ist der Ort für unser Interview, atemberaubend und in rund 80 Metern Höhe, unter uns der Rhein, der Hauptbahnhof von Köln, die Hohenzollernbrücke und die modernen Büro-Hochhäuser der Stadt. Vor uns die beiden mächtigen schwarzen Türme des Kölner Doms. Wir stehen auf der Plattform des Vierungsturms, der auf dem Dach des Doms „sitzt“. „Hier oben spürt man einmal mehr, was für ein gewaltiges Werk der Dom ist“, sagt Dombaumeister Peter Füssenich, „er ist nicht nur ein Gebäude. Es ist ein Universum.“ Wer immer in den vergangenen siebenhundert Jahren am Dom arbeitete, wusste, dass dieses Gebäude zu seinen Lebzeiten nie fertig wird. Dies gilt auch für Peter Füssenich, der neunzehnte in einer langen Reihe von Dombaumeistern, die bis ins Mittelalter reicht.
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13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0025 Dombaumeister Peter Füssenich über ein immerwährendes Projekt „Der Dom ist ein Universum“ Steffen Scheurer, Oliver Steeger Ungewöhnlich ist der Ort für unser Interview, atemberaubend und in rund 80 Metern Höhe, unter uns der Rhein, der Hauptbahnhof von Köln, die Hohenzollernbrücke und die modernen Büro-Hochhäuser der Stadt. Vor uns die beiden mächtigen schwarzen Türme des Kölner Doms. Wir stehen auf der Plattform des Vierungsturms, der auf dem Dach des Doms „sitzt“. „Hier oben spürt man einmal mehr, was für ein gewaltiges Werk der Dom ist“, sagt Dombaumeister Peter Füssenich, „er ist nicht nur ein Gebäude. Es ist ein Universum.“ Wer immer in den vergangenen siebenhundert Jahren am Dom arbeitete, wusste, dass dieses Gebäude zu seinen Lebzeiten nie fertig wird. Dies gilt auch für Peter Füssenich, der neunzehnte in einer langen Reihe von Dombaumeistern, die bis ins Mittelalter reicht. In Köln gibt es ein Sprichwort. Wenn der Kölner Dom fertig ist, geht die Welt unter. Was bedeutet es, an einem Projekt zu arbeiten, das nie vollendet wird? Peter Füssenich: Vollendet ist der Dom. 1880 wurde der letzte Stein gesetzt. Doch die Arbeiten waren nicht beendet. Heute sind wir in der dritten Bauphase-- nach der ersten des Mittelalters und der zweiten im neunzehnten Jahrhundert. Schon wenige Jahre nach der Vollendung waren erste Restaurierungsarbeiten erforderlich. Man hat damals nicht ahnen können, welche schwere Schäden der Zweite Weltkrieg dem Dom zufügen würde. Auch wusste man wenig von den Umwelteinflüssen. Umwelteinflüsse-- welcher Art? Es handelt sich vielfach um Witterungsschäden. Der Dom steht in der Mitte einer Stadt mit knapp einer Million Einwohner. Die Emissionen etwa von Autos und Heizungen machen dem Gestein zu schaffen. Zudem gab es im Kölner Stadtteil Kalk eine Chemiefabrik, nicht weit von hier. Auch die Nähe zum Hauptbahnhof spielt eine Rolle. Früher gab es hier jede Menge Dampfloks. Das ist lange her-… Wir sprechen über Schäden, die über Jahrzehnte entstehen. Die Schwefelverbindungen aus den Abgasen in Verbindung mit Wasser führen zu saurer Luft und saurem Regen, die dem Sandstein zusetzen. Die Säure baut chemisch das karbonatische Bindemittel des Sandsteins zu Gips um. Der Gips wird ausgewaschen mit der Zeit. Außen am Stein bilden sich Gipskrusten, unter der Oberfläche Risse, die zu Schollenbildung führen. Es kann schlimmstenfalls zu statischen Problemen kommen, wenn der Sandstein immer poröser wird. Quasi morsch wird? Erstaunlicherweise gilt dies nur für bestimmte Steine- - das heißt, Steine bestimmter Provenienz, die einen hohen Kalkanteil enthalten. Im 19. Jahrhundert wurde hier am Dom viel Schlaitdorfer Sandstein verwendet. Er kam aus der Gegend von Stuttgart. Schlaitdorfer Sandstein ist besonders anfällig. Haben die Schwaben schlechtes Material ins Rheinland geliefert? (lacht) Für das Ulmer Münster hat man ebenfalls Schlaitdorfer Sandstein verwendet. Doch dort gibt es heute weniger Probleme. Nur hier macht der Stein Schwierigkeiten. Über die Ursachen kann man bloß spekulieren. Wahrscheinlich spielt das lokale Klima eine Rolle. Köln liegt in einem Talkessel. Hier steht die Luft. Ulm hat völlig andere Windverhältnisse. Was immer die Ursache ist-- wir müssen diesen Sandstein vielfach ersetzen. Wo findet man geeignetes Material? Früher wurden Steine für den Dom vielfach in der Kölner Region gewonnen- - etwa Trachytblöcke im Siebengebirge bei Reportage | „Der Dom ist ein Universum“ 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0025 Bonn. Heute suchen wir europaweit. So waren der Hüttenmeister, der Steintechniker und ich vor einigen Wochen in einem Steinbruch in Božanov in Tschechien, um geeignete Sandsteine für die Baustellen des Kölner Domes auszusuchen. Sie inspizieren jeden einzelnen Steinblock vor Ort? Jeden Einzelnen. Wir prüfen die Qualität und stellen fest welche für den Dom geeignet sind. Einige Blöcke verwerfen wir dabei auch; das Material für uns muss möglichst homogen sein, damit der Block nicht bricht, wenn der Steinmetz ein Stück herausarbeitet. Die Oberfläche muss stimmen. Bei Trachyt ist die Suche nach geeigneten Blöcken besonders schwierig. Ersatzmaterial bekommen wir noch in Oberitalien, aus der Nähe von Padua. Dort gibt es einen der letzten Trachyt-Steinbrüche, der geeignetes Material für unseren Chor und den Südturm liefern kann. Das alles bedeutet, dass Sie intensiv Materialkunde betreiben? Wir untersuchen die Materialien wissenschaftlich. Wir haben eine Projektgruppe mit der Universität Erlangen, der Dombauhütte Xanten und Partnern aus dem niederländischen Utrecht gebildet. Wir prüfen die Materialeigenschaften von Steinmaterial und Mörteln. Die Beschaffung von Material und Werkzeug ist eine ständige Aufgabe. In unserer Dombauhütte arbeitet beispielsweise ein Schmied, der heute nicht mehr erhältliche Werkzeuge fertigt. Vorhin sprachen Sie von Kriegsschäden. Man sagt, dass während des Zweiten Weltkriegs versucht wurde, bei Bombenangriffen die Kölner Kathedrale zu schonen-… Das stimmt so nicht. 14 schwere Fliegerbomben und 55 Brandbomben haben den Dom getroffen. Große Teile der Mittelschiffgewölbe von Lang- und Querhaus waren eingestürzt. Vor allem an der Nordseite, zum im Krieg strategisch wichtigen Hauptbahnhof hin, gab es starke Treffer. Noch heute beseitigen wir diese Schäden, und wer weiß, wie lange es noch dauert, bis wirklich der letzte Schaden behoben ist. Durch einen Bombentreffer wurde der Nordturm 1943 schwer beschädigt. Ein ganzes Stück wurde herausgerissen. Damals klaffte ein etwa zehn Meter großes Loch in der Turmfassade. Es ging mehrere Meter tief in das Gemäuer hinein. Man befürchtete, dass weitere Teile der Fassade abrutschten könnten. 1943 hat man das Loch sehr schnell mit einer Ziegelplombe aufgemauert und gesichert. Erst im Jahr 2005 wurde dieser Bereich gründlich restauriert. Was deutlich macht, auf wie lange Sicht Restaurierungsprojekte am Dom geplant werden müssen. Das stimmt. Und es zeigt auch, wie komplex diese Projekte sind. Als die Ziegelplombe entfernt und dieser Bereich des Turms restauriert wurde, arbeitete ich an meiner Abschlussarbeit in Denkmalpflege. Im Anschluss an mein Architekturstudium absolvierte ich ein berufsbegleitendes Aufbaustudium am Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege. Die Ziegelplombe war das Thema meiner Abschlussarbeit. Die Plombe hat mich stark interessiert. Zum einen war da das Technische. Wie kann man die Plombe technisch ersetzen und die Restaurierung durchführen? Dann gab es die Frage nach dem Denkmal selbst. Die Plombe war ein Mahnmal für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Darf man diese Spur aus dem Krieg überhaupt auslöschen? Das hat mich beschäftigt. Auf solche Fragen werden Sie vermutlich bei vielen Ihrer Restaurierungsprojekte stoßen. Nach den alten, teils mittelalterlichen Plänen wiederherstellen? Das Alte neu interpretieren? Die Spuren neuerer Zeit ebenfalls als Denkmal anerkennen? Es gab im Laufe der Zeit verschiedene Ausrichtungen in der Denkmalpflege. Diese jeweiligen Phasen haben Spuren am Dom selbst hinterlassen. Heute restaurieren wir in unseren Projekten so, dass wir rekonstruieren-- und nicht neu schöpfen. Also originalgetreu. Dies war nach dem Krieg anders. Zum Beispiel? Schauen Sie sich den Vierungsturm an, auf dem wir gerade stehen. In seiner Gestalt ist er relativ modern. Er wirkt fast wie art déco. Mit seinen acht modernen, stilisierten Engelfiguren erinnert er manche vage an die Spitze des Chrysler Buildings in New York. Wie kam es zu dieser Neuschöpfung? Immerhin gab es Kritik. Der Turm wurde als Fremdkörper bezeichnet und mit teils deftigen Worten geschmäht. Bis in die 1970er Jahre hinein hat man unter Dombaumeister Willy Weyres viele solcher modernen Elemente im Stile des Zeitgeschmacks eingebracht-- ganz bewusst. Nach dem Krieg war die Kölner Innenstadt zu neunzig Prozent zerstört. An vielen Stellen war es offenbar psychologisch erforderlich, einen Neuanfang zu wagen. Das hat sich auch in der Architektur ausgedrückt- - und nicht zuletzt in den Restau- Dombaumeister Peter Füssenich (rechts) im Gespräch mit Autor Oliver Steeger. Foto: Steffen Scheurer Reportage | „Der Dom ist ein Universum“ 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0025 rierungsprojekten am Kölner Dom. Heute würde wir gewiss versuchen, diesen Vierungsturm wieder zu rekonstruieren. Wir wissen ja, wie er ausgesehen hat. Nur dann, wenn wir gar nichts über den Originalzustand wissen, können wir behutsam Neues schöpfen. Zum Beispiel? Einige Fenster sind Neuschöpfungen. Das Richterfenster im Dom ist solch ein Beispiel. Es ist ein modernes Kunstwerk, weil brauchbare Vorlagen für eine exakte Rekonstruktion fehlten. In anderen Fällen sind die Vorlagen besser, und dann halten wir uns an das Originale aus dem 19. Jahrhundert, etwa für die anderen Fenster im Nord- und Südquerhaus. Für diese Fenster existieren die originalen Zeichnungen, darunter die sogenannten Kartons der figürlichen Darstellungen im Maßstab 1: 1. In diesen Kartons ist alles festgelegt: Die Farbe, die Figuren, die Darstellung. Wer genau legt fest, wie was rekonstruiert wird? Fällen Sie als Dombaumeister die Entscheidungen? Bei diesen Fragen wird immer in Absprache entschieden, etwa mit dem Stadtkonservator. Es gibt Behörden und Kommissionen, in denen die Restaurierungsprojekte besprochen werden. Eine ist die Dombaukommission, in der einmal jährlich die Projekte erörtert werden. Mitglieder dieses Gremiums sind unter anderem der Erzbischof und die Bauministerin. Sie tragen die Projekte mit, genehmigen sie-- und beteiligen sich auch an der Finanzierung. Ganz wichtig: Der Dom ist ein Denkmal. Er steht in der Kölner Denkmalliste. Es ist gesetzlich geschützt. Wie bei jedem denkmalgeschützten Haus üblich, brauchen auch wir für Veränderungen am Dom die Genehmigung der Unteren Denkmalbehörde. Da sind wir nicht anders gestellt als private Besitzer von geschützten Häusern. Aber? Die Dombauhütte Köln ist eine Institution der Denkmalpflege. Man fragt uns auch um Rat. Sprechen wir über die-- wie man heute sagen würde-- Kompetenz der Dombauhütte. Zum einen hat sich über die Jahrhunderte viel traditionelles Wissen in der Dombauhütte gesammelt. Die alten Techniken wurden durch die Bauhütte bewahrt. Zum anderen beschäftigt sich die Bauhütte heute mit modernsten Methoden und neuesten Technologien. Die Bauhütte hat schon immer mit den jeweils modernsten Methoden und Technologien gearbeitet, die zu ihrer Zeit greifbar waren. Im Mittelalter waren Dombauhütten Ideenschmieden; sie entwickelten Technologien und Baukonstruktionen, die es vorher nicht gab. Im Mittelalter stand ein Kran auf einem der Domtürme. Das war eine der größten Maschinen des Mittelalters. Die Dombauhütte war über die Jahrhunderte also immer eine Art Technologiezentrum? Das hat sich bis heute nicht geändert. Zum einen bewahren wir das alte Wissen etwa zu Steinmetzarbeiten. Zum anderen nutzen wir das, was uns die Gegenwart bietet-- etwa die Digitalisierung. Zum Beispiel haben wir während der Pandemie in einem Projekt einen digitalen Zwilling des Doms erstellt. Mit mehreren Drohnen, ausgestattet mit hochauflösenden Kameras, sind wir am Dom unterwegs gewesen und haben ein genaues Bild des Doms erstellt. Das Gebäude ist jetzt digital konserviert. Mit welchem Ziel? Eine unserer Aufgaben ist, das Gebäude zu beobachten und ständig zu überwachen- - das Monitoring des Doms. Früher geschah dies, indem man den Bau direkt in Augenschein nahm, etwa mit Ferngläsern. Heute haben wir das digitale, dreidimensionale Modell, das wir mit einer VR-Brille „begehen“ können. Wir können virtuell etwa auf den Südturm fliegen und den Bereich für eine kommende Baustelle ansehen. Wo sind Problemstellen wie Risse, Steinabsprengungen oder abgenickte Kreuzblumen? Eine typisch Kölner Lösung, scheinbar Gegensätzliches wie Tradition und Modernität zusammenzubringen? Das ist keineswegs eine regionale Praxis oder Kölner Besonderheit. Bei allen Bauhütten dürfte dies genauso oder ähnlich gehandhabt werden. Wir hüten nicht nur das alte Wissen, sondern konservieren unser heutiges Wissen für die Zukunft. Wir dokumentieren in unserem Archiv alles, was wir heute machen, damit man in 50, 100 oder 200 Jahren noch unsere Vorgehensweise verstehen kann. So, wie wir heute wissen wollen, wie im Mittelalter der Dom erbaut worden ist- - so will man vermutlich auch in Zukunft wissen, mit welchen Technologien, Methoden und Projekten wir unsere Aufgaben bearbeitet haben. Dieses Wissen ist ein immaterieller Kulturschatz. Das Materielle-- der Dom-- und das Immaterielle gehören untrennbar zusammen. Deswegen hat die UNESCO das Bauhüttenwesen im Jahre 2020 in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Blick vom Vierungsturm auf die mächtigen Türme des Kölner Doms. Foto: Oliver Steeger Reportage | „Der Dom ist ein Universum“ 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0025 In Ihrer Bauhütte arbeiten derzeit rund 100 Mitarbeiter, darunter 75 Handwerker. Die Liste der Gewerke klingt sehr klassisch, angefangen von den Steinmetzen. Wir haben über 20 Steinmetzinnen und Steinmetze, das ist die größte Gruppe unter den Handwerkern. Dazu kommen sechs Gerüstbauer und drei Dachdecker, die sich um 12.000 Quadratmeter Dachfläche kümmern. In der Dombauhütte brennt noch das einzige Schmiedefeuer in der Kölner Innenstadt; es gibt einen Schmied und einen Schlosser sowie zudem zwei Schreiner. Schreiner? Nun, unsere über 450 Türen sind aus Holz. Gleiches gilt natürlich auch für die Kirchenbänke.-- Hinzu kommen die Bildhauerinnen und Bildhauer. Also wieder Steinmetze? Die Bildhauer sind für alle figürlichen Elemente zuständig, Steinmetze für die architektonischen Werkstücke am Dom- - wobei die Grenzen fließend sind. Und bei 8.000 Quadratmeter Fensterfläche aus Mittelalter und Neuzeit haben wir auch Fachleute für Kunstglaserei, Glasmalerei und Glasrestauration. Einige unserer mittelalterlichen Fenster werden gerade in unserer eigenen Werkstatt bearbeitet. Außerdem helfen wir bei den Fenstern der Pariser Kathedrale Notre Dame. Lassen Sie mich raten-- für die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Gewerke brauchen Sie auch Projektmanagement? Selbstverständlich. Die verschiedenen Werkstätten haben eine Leiterin oder einen Leiter. Sie haben die Fachaufsicht. Durchgeführt werden die Projekte in Absprache mit mir oder meinem Stellvertreter. Wie definieren Sie die konkreten Projekte? Die Projekte gibt uns der Dom vor. Erstens die Baustellen, an denen die Dombauhütte schon seit mehreren Jahren arbeitet. Ich habe diese Projekte teilweise von meiner Vorgängerin übernommen und führe sie weiter. Dann gibt es, zweitens, dringend notwendige Baustellen, etwa Reparaturarbeiten. Man muss vermutlich sorgfältig prüfen, wie man die Projekte priorisiert, die der Dom vorgibt-… Natürlich. Wir sind ja nicht nur personell limitiert, sondern auch finanziell. Wir müssen mit dem haushalten, was wir haben-- und kluge Lösungen finden. Sie sprachen eben von einem immateriellen Wissensschatz, der in der Dombauhütte aufbewahrt wird. Wird das Wissen archiviert-- oder, wie im Mittelalter, von Meister zu Lehrlingen weitergegeben? Beides! Natürlich bewahren wir unser Wissen in Dokumenten auf. Wichtig ist aber auch die persönliche Weitergabe von Generation zu Generation der Handwerkerinnen und Handwerker. Beispielsweise kann man die speziellen Techniken der Steinmetze nicht einfach „aufschreiben“. Man muss sie von Mensch zu Mensch weiterreichen. In der Bauhütte verfügen wir teils über sehr spezielle Techniken, die man am freien Markt nicht ohne Weiteres findet. Zum Beispiel? Ein Beispiel ist der Gerüstbau. Normalerweise baut man Gerüste von unten nach oben, also aufwärts. Wir machen dies anders. Bei uns können die Gerüste auch am Gebäude hängen, beispielsweise an den Türmen. Die Gerüste klammern sich gewissermaßen an das Gebäude. Deshalb bauen wir sie von oben nach unten, also abwärts, genau in die entgegengesetzte Richtung, die üblich ist. Dafür haben wir mit Gerüststatikern zusammengearbeitet und spezielle Hängegerüste entwickelt. Das Projekt „Kölner Dom“ währt seit über 700 Jahren. Fertig wird er offenbar nie. Ein Ende dieses Ewigkeitsprojekt ist nicht abzusehen. Wie leben Sie damit, dass Sie zwar Teilprojekte beenden können, aber nicht das Ganze? Wir sind ein Glied in einer langen Zeitkette, die von der Vergangenheit in die Zukunft reicht. Wir übernehmen von den vorhergegangenen Generationen, und wir geben an die Künftigen weiter. Wir setzen das Projekt nur fort. Sie haben vorhin das Kölner Sprichwort genannt. Wird der Dom fertig, so geht die Welt unter. Und? ( lacht ) Wir in der Bauhütte wollen nicht daran Schuld sein-… Eingangsabbildung: © Hohe Domkirche zu Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach Zur Person: Peter Füssenich wurde im Januar 2016 zum Dombaumeister von Köln ernannt. Er steht damit steht in einer langen Reihe von Dombaumeistern der Kölner Kathedrale und ist der neunzehnte namentlich bekannte Dombaumeister. Der Architekt (mit Aufbaustudium am Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege) arbeitete zuvor als Baureferent in der Hauptabteilung Seelsorgebereiche des Kölner Generalvikariates, zuständig für die bauliche Beratung von Kirchengemeinden und kirchliche Bauaufsicht. Ferner war er Referent der Kunstkommission in Fragen der liturgischen Umgestaltung von Kirchenräumen. 2012 wurde Peter Füssenich zum Nachfolger des verstorbenen stellvertretenden Dombaumeisters Bernd Billecke bestellt. Als Fachbauleiter betreute er einen Großteil der Restaurierungsarbeiten am Kölner Dom und war für die Baulichkeiten der Dombauhütte und des Domkapitels zuständig. 2014 übernahm er zudem kommissarisch die Aufgaben des Dombaumeisters und war seither für die Betriebsleitung, Planung und Haushaltsplanung verantwortlich.