PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0026
51
2023
342
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Das Versprechen der SAP
51
2023
Oliver Steeger
Viele Unternehmen rufen nach der Pandemie ihre Mitarbeiter in die Büros zurück – was nicht bei allen auf Gegenliebe stößt. So schwierig die Zeit des Lockdowns war, die Arbeit im Homeoffice hat vielen geholfen, Berufliches und Privates besser zu vereinbaren. Oder schlichtweg produktiver zu arbeiten. Einige Unternehmen halten dagegen: Wirklich innovativ könnten Teams nur im persönlichen, direkten Austausch sein. Nämlich im Büro.
Die SAP SE bringt beides zusammen. In seinem „Pledge to Flex” bietet der Konzern seinen weltweit 110.000 Mitarbeitern flexible Möglichkeiten durch ein hybrides Arbeitsmodell an. Dieses Versprechen bedeutet mehr als nur die Erlaubnis, auch nach der Pandemie weiter aus dem Homeoffice tätig zu sein. Das Unternehmen unterstützt seine Mitarbeiter aktiv dabei, flexibel zu arbeiten. Mit einem ganzheitlichen Ansatz – bestehend aus mehreren Initiativen – hat der Konzern während der Pandemie ein neues Arbeitsmodell entwickelt. Er unterstützt seine Belegschaft beim flexiblen Arbeiten mit Trainings und Schulungen, Werkzeugen und Apps, Beratung und Betreuung.
Im Interview erklärt Dr. Christian Schmeichel in seiner Rolle als globaler Chief Future of Work Officer, weshalb die SAP auf flexible Arbeitsformen setzt, wie sie ihren „Pledge to Flex” ausgestaltet – und was auch der Konzern gewinnt, wenn er konstruktiv auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter antwortet.
pm3420017
17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0026 Mit dem „Pledge to Flex“ in die Zukunft der Arbeit Das Versprechen der SAP Oliver Steeger Viele Unternehmen rufen nach der Pandemie ihre Mitarbeiter in die Büros zurück-- was nicht bei allen auf Gegenliebe stößt. So schwierig die Zeit des Lockdowns war, die Arbeit im Homeoffice hat vielen geholfen, Berufliches und Privates besser zu vereinbaren. Oder schlichtweg produktiver zu arbeiten. Einige Unternehmen halten dagegen: Wirklich innovativ könnten Teams nur im persönlichen, direkten Austausch sein. Nämlich im Büro. Die SAP SE bringt beides zusammen. In seinem „Pledge to Flex” bietet der Konzern seinen weltweit 110.000 Mitarbeitern flexible Möglichkeiten durch ein hybrides Arbeitsmodell an. Dieses Versprechen bedeutet mehr als nur die Erlaubnis, auch nach der Pandemie weiter aus dem Homeoffice tätig zu sein. Das Unternehmen unterstützt seine Mitarbeiter aktiv dabei, flexibel zu arbeiten. Mit einem ganzheitlichen Ansatz- - bestehend aus mehreren Initiativen- - hat der Konzern während der Pandemie ein neues Arbeitsmodell entwickelt. Er unterstützt seine Belegschaft beim flexiblen Arbeiten mit Trainings und Schulungen, Werkzeugen und Apps, Beratung und Betreuung. Im Interview erklärt Dr. Christian Schmeichel in seiner Rolle als globaler Chief Future of Work Officer, weshalb die SAP auf flexible Arbeitsformen setzt, wie sie ihren „Pledge to Flex” ausgestaltet-- und was auch der Konzern gewinnt, wenn er konstruktiv auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter antwortet. Man fährt morgens zur Arbeit ins Büro-- dieser imperative Reflex ist spätestens seit der Pandemie gebrochen. Es gehört zur neuen Normalität, dass Wissensarbeiter fast überall arbeiten können. Jetzt, nach der Pandemie, versuchen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro zu holen. Andere erlauben tageweise die Arbeit zuhause. Die SAP dagegen geht einen konsequenten Weg. Sie sagt: Das Bedürfnis nach flexibler Arbeitsweise ist da. Also gestalten wir dies, entwickeln hybride Arbeitsformen und unterstützen die Beteiligten mit allem, was sie brauchen. Was bewegt die SAP, dieses Thema so aktiv anzugehen? Dr. Christian Schmeichel: Flexible Arbeitsmodelle sind bei der SAP nicht komplett neu, sondern Teil ihrer DNA. Bereits vor der Pandemie gab es diverse Möglichkeiten, um den Bedürfnissen unserer Mitarbeitenden besser gerecht zu werden. Wir hatten immer schon Mitarbeitende, die einen Teil ihrer Arbeitszeit remote gearbeitet haben, etwa im Homeoffice. Als es zu Beginn der Covid Pandemie zum Lockdown kam, konnten wir daher unsere Kolleginnen und Kollegen binnen 48 Stunden in den Remote-Modus versetzen. Da hatten Sie als IT-Konzern natürlich Vorteile, etwa bei der Infrastruktur-… Das ist richtig. Doch flexible Arbeitsmodelle, wie sie damals über Nacht erforderlich wurden, sind nicht nur eine Frage der Technologie. Auch die Unternehmenskultur spielt eine Rolle. Hybrides Arbeiten bringt einige Herausforderungen mit sich: angefangen bei Führung und Organisation, über Gesundheitsmanagement und Well-Being bis hin etwa zu lokaler Arbeitskultur und Arbeitsrecht in den 75 Ländern, in denen Mitarbeitende der SAP beschäftigt sind. Letztlich geht es auch um eine gute Balance zwischen Remote-Arbeit und Arbeit im Büro. Das Büro wird nach wie vor gebraucht-… …-als eine Art „sozialer Ort“? Ja, genau. Was man remote oder im Büro erledigt-- das muss gut austariert werden. Und dazu braucht es auch eine Verständigung im Team und mit den Führungskräften. Während der Pandemie haben wir uns entschlossen, dieses ganze Thema flexibler Arbeitsmodelle strategisch weiterzuverfolgen. Weshalb weiterverfolgen? Wir haben gesehen, dass viele Mitarbeitende solche Modelle wünschen und brauchen. Wir wollen uns perspektivisch als attraktiver Arbeitgeber auch in dieser Hinsicht aufstellen- - also verschiedenen Bedürfnissen aus unserer Belegschaft Rechnung tragen. Flexible Arbeitsmodelle betreffen übrigens nicht nur den Ort der Arbeit, sondern auch etwa die Arbeitszeiten. Ein Versprechen-- ein „Pledge“, wie dies im Englischen heißt-- ist ein starkes Signal an die Mitarbeiter. Was verstehen Sie unter Ihrem „Pledge to Flex” genau? Wir bieten unseren Mitarbeitenden Flexibilität an, etwa bei Arbeitsort oder Arbeitszeit. Mitarbeitende können gemeinsam mit ihren Führungskräften und Teams entscheiden, wann sie wo am besten arbeiten können- - natürlich immer mit Blick auf die jeweiligen Anforderungen der Kunden und des Geschäfts. Praktisch heißt dies, dass wir viel Freiheit ermöglichen, und dem Bedarf unserer Belegschaft nach Flexibilität folgen können. Reportage | Das Versprechen der SAP 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0026 Besonders junge Mitarbeiter um die dreißig gehen durch eine sehr intensive Lebensphase: Die Karriere aufbauen, sich weiterbilden, eine Familie gründen, für ihre kleinen Kinder sorgen, vielleicht auch die Eltern pflegen-- und sich häufig noch sozial oder politisch engagieren. Unter jüngeren Mitarbeitenden hören wir das Bedürfnis nach Flexibilität besonders deutlich. Es ist heute oft schlichtweg eine Erwartung an Arbeitgeber. Die jüngere Generation bringt darüber hinaus weitere neue Bedürfnisse mit. Zum Beispiel? Immer mehr Menschen organisieren ihr Leben etwa vom Tablet oder Smartphone aus. Sie sind es gewohnt, dass sie beispielsweise vieles jederzeit und von überall aus online erledigen können: etwa Essen bestellen, Informationen einholen oder Anfragen stellen. Diese Online-Services erwarten sie auch bei der täglichen Arbeit von ihren Unternehmen. Bestimmte HR-Dienstleistungen sollten online per App zu erledigen sein, etwa Urlaub einreichen oder auf Dokumente wie die Lohnabrechnung zugreifen. Ein weiteres Beispiel für neue Bedürfnisse: Vor allem die jüngeren Generationen erwarten heute eine interessante, inspirierende Arbeitsumgebung im Büro. Das Büro soll modern sein und die Arbeit unterstützen. Vor allem die Möglichkeit zum Austausch wird benötigt- - fokussierte „Stillarbeit“ lässt sich häufig gut oder im Zweifel sogar besser im Homeoffice erledigen. Da haben sich neue Bedürfnisse aber auch Ansprüche entwickelt. Wer Menschen ins Büro zurückholen will, ist gut beraten, vorher an der Attraktivität der Büros arbeiten? Wir bieten in unseren Büros verschiedene Arbeitsflächen für verschiedene Ziele, etwa für die Zusammenarbeit in einem Projekt oder konzentrierte Einzelarbeit. Hybride Arbeitsmodelle beinhalten, dass bestimmte Arbeiten sinnvollerweise im Büro stattfinden. Dafür braucht man attraktive Möglichkeiten. Ein weiterer wichtiger Aspekt bezieht sich auf den vielgenannten Begriff „Purpose“. Mitarbeitende erwarten, dass das Unternehmen sinnstiftende Werte und Ziele anbietet, mit denen sie sich verbunden fühlen und die sie teilen können. Das ist ein interessanter Punkt. Während des Lockdowns haben viele Menschen die Vorteile des Homeoffice schätzen gelernt. Sie haben aber auch beklagt, dass ihnen Emotionales verlorengegangen ist-- etwa das Leben und Erleben von Teamspirit, Unternehmenswerten oder die Reflexion der übergeordneten Ziele, die Sie erwähnt haben. Der Rückzug ins Homeoffice scheint die Verbindung zum Übergeordneten gelockert zu haben, und dies haben die Menschen vermisst. Dies zeigt, dass die Arbeit im Homeoffice und im Büro fein austariert sein muss. Anderenfalls entstehen durch die gewonnene Flexibilität andere Probleme. Das sehe ich ähnlich. Man muss aktiv die richtige Balance zwischen Remote-Arbeit und Arbeiten im Büro suchen und finden. Einerseits bringt Remote-Arbeit den Vorteil der Flexibilität. Andererseits ist es sehr wichtig, dass Mitarbeitende emotional untereinander und mit dem Unternehmen in Verbindung bleiben. Und das passiert einfach oftmals am besten, wenn man sich gemeinsam physisch an einem Ort befindet, wie beispielsweise im Büro. Das ist besonders wichtig für neue Mitarbeitende. Sie müssen ein Gefühl für die Organisation entwickeln; dafür brauchen sie persönliche Begegnungen. Wir betrachten unsere Büros manchmal als eine Art moderne Lagerfeuer. Die Menschen kommen dort zusammen, tauschen sich aus, entwickeln Zusammenhalt in ihrer Gruppe und haben ein besseres Verständnis für die verbindenden Werte und Unternehmenskultur. Dies alles muss ein Unternehmen ganzheitlich gestalten und unterstützen. Die Balance pendelt sich nicht von allein ein? Es kommt auf den organisationalen Kontext an. Aber eine wohldosierte Orientierung kann in jedem Fall helfen. Dafür braucht es attraktive Angebote, Unterstützung und Hilfestellung. Einerseits hören wir den Mitarbeitenden zum Beispiel in regelmäßigen Umfragen genau zu und sprechen mit ihnen über ihre Bedürfnisse. Andererseits stellen wir als Arbeitgeber das zur Verfügung, was es braucht, um in flexiblen Arbeitsformen erfolgreich arbeiten zu können. All dies gehen wir strategisch an. Sie haben Ihren „Pledge to Flex“ mit einem breiten Changeprogramm gestaltet, das eine stattliche Zahl von Einzelprojekten umfasst. Eines davon sind die Entwicklung von Trainings. Meine fast schon rhetorische Frage: Müssen flexible Arbeitsformen gelernt werden? Die Pandemie kann man sicher als eine Art Live-Experiment verstehen. Sie hat viele Mitarbeitende und Führungskräfte, nicht nur bei uns, vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Diese besondere Situation hat vom Unternehmen gutes Krisenmanagement und von Mitarbeitenden ein starkes „Learning by doing“ Mindset erfordert. Also Improvisation und sehen, wie man zurechtkommt? Ja, in einigen Bereichen wurde während der Pandemie durchaus improvisiert, was ja nichts Schlechtes ist. Für die Zeit nach der Pandemie gehören hybride Arbeitsmodelle für uns nunmehr zum Standard. Wir haben unser Angebot für Mitarbeitende und Führungskräfte systematisch weiterentwickelt. So bieten wir etwa den „Flex Team Workshop” an, der eine Art Werkzeugkasten für Teams für die Zeit nach der Pandemie umfasst. So können wir die Mitarbeitenden bei der Zusammenarbeit in flexiblen Arbeitsumgebungen bestmöglich unterstützen. Wie unterstützt der Workshop genau? Unser Ziel ist, dass sich alle Führungskräfte mit ihren Teams in einer hybriden Arbeitswelt nach der Pandemie abstimmen, wie sie am effektivsten miteinander arbeiten. Durch den Workshop sollen sie die konkreten Aufgaben und Bedürfnisse der Beteiligten ausloten und gemeinsam entscheiden, wie diese im Arbeitsalltag berücksichtigt werden können. Also: Wie kann sich das Team mit Blick auf die verschiedenen Aufgaben optimal organisieren, was sind zum Beispiel feste Teamtage, welche Spielregeln benötigt es für die Abstimmung etc. Dafür liefert der Workshop konkrete Werkzeuge. Führungskräfte und Mitarbeitende erarbeiten gemeinsam Wege, die Zusammenarbeit und Produktivität zu fördern und Reportage | Das Versprechen der SAP 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0026 die Work-Life-Balance der Teammitglieder zu unterstützen- - immer mit Blick auf die geschäftlichen Erfordernisse und Anforderungen der Kunden. Unter der Belegschaft kommen Formate wie der Workshop sehr gut an, und wurde auch schon mehrfach für Awards nominiert. Ich vermute, dass Sie damit nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe geben, sondern die flexible Arbeit kanalisieren und ihre Leitplanken geben-… Ja. Formate und Tools wie der Workshop helfen dabei, hinsichtlich flexibler Arbeitsformen gewissermaßen eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Damit ist sichergestellt, dass die Ansätze und Vorgehensweisen, die in verschiedenen Teams verwendet werden, dann am Ende gut zusammenpassen. Viele Menschen berichten, dass nach Wochen oder Monaten im Homeoffice die Arbeit im Büro nicht leichtfällt. Das beobachten wir in der Tat auch. Wer lange remote gearbeitet hat, muss sich an das Zusammensein im Büro erst wieder gewöhnen. Man muss sozusagen die Zusammenarbeit vor Ort wieder ein wenig trainieren. Das ist so, als hätte man über längere Zeit keinen Sport gemacht und man erst wieder in Form kommen muss. Der Flex Team Workshop als Trainingsplan kann dabei helfen. Welche Werkzeuge bieten Sie darüber hinaus an? Ein weiteres Format, das wir entwickelt haben, sind die sogenannten „Moments Together Onsite“. Hierbei geht es um Ideen für konkrete Anlässe im beruflichen Kontext, die sinnvollerweise am ehesten gemeinsam im Büro stattfinden. Also Vorschläge für Anlässe, als Team im Büro zusammenzukommen? Ja- - auch mit dem Ziel, das Gemeinschaftserlebnis und den sozialen Zusammenhalt zu stärken; beides ist im Zeitalter hybrider Arbeitsmodelle wichtig. Ein Beispiel sind Design Thinking Workshops. Dafür sollte sich das Team idealerweise persönlich im Büro treffen. Es gibt viele Gründe, einen Design Thinking Workshop möglichst nicht virtuell durchzuführen. Ich verstehe. Sie setzen gewissermaßen Anker. Ein positiver Automatismus: Denke ich an Design Thinking, denke ich ans Meeting im Büro. Dieses Werkzeug bringt hybride Arbeitsformen in bestimmte Bahnen-… Auf diese Weise wird die Balance zwischen Remote Arbeit und Büroarbeit eingeübt und zur neuen Normalität. Die Mitarbeitenden wissen, was man wo am besten macht. Es besteht ein Konsens darüber.-- Ein anderes Beispiel für ein Unterstützungs-Tool ist eine spezielle App, die wir für unsere Belegschaft entwickelt haben. Die SAP FlexConnect App. Mitarbeitende können sich in diese App einloggen und sehen, welche Kolleginnen und Kollegen gerade wo im Büro sind. Mit Hilfe dieser App können sie sich schnell und effizient verabreden-- zum kurzen fachlichen Austausch, aber beispielsweise auch zum Mittagessen. Verstehe. Beim hybriden Arbeiten geht man neue Wege, füreinander sichtbar zu bleiben. Also ein Organisationstool? Die App trägt viel zur Selbstorganisation von Teams bei und unterstützt dabei auch die sozialen Prozesse für Teamarbeit. Man kann über die App beispielsweise schnell und unkompliziert Räume für spontane Treffen buchen. Aber: Die App ist kein klassisches Kollaborationstool, über das man beispielsweise Videokonferenzen durchführt oder gemeinsam an einem virtuellen Whiteboard arbeitet. Dafür haben wir ein breites Angebot an anderen Lösungen. Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Projektmanagement-Software Projektron BCS im Darkmode PROCESSES Anzeige Reportage | Das Versprechen der SAP 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0026 Flexible Arbeitsformen Training und Unterstützung nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch der Führungskräfte. Welche neuen Kompetenzen brauchen Führungskräfte? Führungskräfte brauchen aus meiner Sicht neue Methodenkompetenz etwa zum agilen Arbeiten, agilen Management oder zum Umgang mit den digitalen Werkzeugen. Doch es geht auch um Fragen des Führungsstils selbst. Führen ist am Ende des Tages immer noch eine „Kontaktsportart“. Das heißt, Verbindung mit Mitarbeitern zu halten? Das Team sitzt mit seinem Projektmanager nicht mehr zusammen in einem Raum-… Richtig. Die Frage ist: Wie können es Führungskräfte heute schaffen, mit den Mitarbeitenden im Austausch und Kontakt zu bleiben? Ein Beispiel dafür ist die hybride Konferenz: Einige Teilnehmende sind im Raum, andere per Video hinzugeschaltet. Wie kann man auch zu denen Kontakt halten, die nicht regelmäßig direkt neben einem sitzen, sondern nur am Bildschirm zu sehen sind? Wie kann man die Zwischentöne in der Kommunikation aufnehmen? Wie sicherstellen, dass jeder zur Diskussion beitragen kann-- auch wenn er oder sie nicht am Tisch sitzt? Wie Entscheidungen herbeiführen, bei dem sich wirklich alle als Teil der Entscheidung fühlen? Wichtig ist, die notwendige Sensibilität zu entwickeln und gleichzeitig gemeinsam mit dem Team pragmatische Lösungen zu finden. Wir setzen für das Training zum Beispiel häufig Gamification-Ansätze ein. Wir haben ein Spiel entwickelt, das unsere Meetingkultur in einem hybriden Setting verbessert. Es hilft unseren Teams zu entscheiden, wie Meetings beispielsweise produktiver gestaltet werden können oder welche Alternativen es zu wiederkehrenden Terminen gibt. Ich möchte auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen. Flexible Arbeitsformen können für Mitarbeiter befreiend sein. Doch wir wissen auch, dass sie für viele eine Herausforderung bilden. Im Homeoffice verschwimmen manchmal die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Man ist nicht mehr ständig sozial in ein Team eingebettet, das einen durch Durststrecken trägt. Manchen fehlt das aufmunternde Wort von Kollegen, der Schwatz in der Kaffeeküche, das spontane Feedback oder das gemeinsame Erleben von Erfolgen. Die Schattenseite flexibler Arbeitsformen kann Konsequenzen für die psychische und physische Gesundheit haben. Wie gehen Sie damit um? Dieses Thema ist ebenfalls nicht ganz neu für uns. SAP legt seit 25 Jahren einen Schwerpunkt auf gutes Gesundheitsmanagement zum Wohle aller Beteiligten. Wir haben deshalb während der Pandemie, als fast alle remote arbeiten mussten, bestimmte Programme verstärkt. Ein Baustein ist die unternehmensweite „Are you OK? ”-Initiative für psychische Gesundheit. Wir fragen nach, wie es unserer Belegschaft geht. Wie hoch der Stresspegel ist. Dann unterstützen wir bei Bedarf durch entsprechende Angebote. Wir bieten individuelle Unterstützung in unserem „Employee Assistance Program“ an; bei dem sich Mitarbeitende rund um die Uhr anonym an Psychologen oder Psychologinnen wenden können. Ein anderes Programm, unserer „SAP Global Mindfulness Practice“, unterstützt Mitarbeitende dabei ihre Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit zu verbessern. Wir haben dafür eigens eine Abteilung innerhalb unserer SAP-eigenen Future of Work Organisation aufgebaut, die Mindfulness-Kurse für unsere globale Belegschaft anbietet. Der Bedarf und das Interesse sind in den vergangenen Monaten stark gewachsen! Zum Teil haben wir mittlerweile sogar Wartelisten für unsere Trainingsangebote. Wie kommt es zu dieser erhöhten Nachfrage? Ich gehe davon aus, dass die Pandemie sicher eine Ursache ist. Menschen hatten Zeit, über ihre Bedürfnisse und ihre Arbeit zu reflektieren. Daraus sind Fragen entstanden: Ist die derzeitige Rolle noch die richtige? Will man sich vielleicht beruflich weiterentwickeln? Hat mein Arbeits- und Privatleben die richtige Balance? Wir unterstützen unsere Mitarbeitenden, solche Fragen für sich zu klären. Damit erhöhen wir die Mitarbeiterzufriedenheit und können gleichzeitig sicherstellen, dass alle an der richtigen Stelle eingesetzt werden. Wir haben über das Thema flexible Arbeitsformen aus der Perspektive der Belegschaft gesprochen. Ich möchte jetzt einen anderen Blickwinkel einnehmen-- nämlich den Ihres Unternehmens. Die SAP hat ein Programm von Projekten aufgesetzt, um den „Pledge to Flex” zu gestalten. Nun muss man wissen, dass das Thema „Zukunft der Arbeit” seit jeher bei der SAP eine Rolle spielt. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen dafür sogar einen eigenen Bereich geschaffen. In diesem Bereich werden die HR-Themen, die mit der Zukunft der Arbeit zusammenhängen, gebündelt. Das ist richtig. Es geht für uns in diesem Bereich darum, die Zukunft der Arbeit strategisch und ganzheitlich zu gestalten, also die Transformation in die zukünftige Arbeitswelt aktiv zu „managen“. Dazu gehört auch ein Zielbild für die Zukunft der Arbeit bei der SAP zu erarbeiten. Zentrale Fragestellungen sind dabei: Wie wird sich die Arbeit bei der SAP in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln? Welche Workforce brauchen wir für unser zukünftiges Geschäft? Welche Rolle spielen in diesem Zielbild feste Mitarbeitende, Mitarbeitende auf Projektbasis, aber auch Roboter und künstliche Intelligenz? Wir entwickeln also einen Rahmen für die künftige Belegschaftsstruktur-- und überlegen uns dabei auch, wie sich die Personalarbeit selbst weiterentwickeln muss. Dieses Zielbild umfasst unter anderem beispielsweise flexible Arbeitsmodelle, die wir für einen Schlüssel zur Zukunft halten. Welchen Nutzen zieht die SAP aus dem Pledge-to Flex-Programm? Zum einen wollen wir uns weiterhin als attraktiver Arbeitgeber im Markt positionieren. Durch unsere flexiblen Arbeitsmodelle und die begleitenden Angebote haben wir gute Voraussetzungen, Talente zu erreichen und anzuwerben- - auch Top-Leute, die anderenfalls vielleicht nicht zu uns kommen würden. Zum anderen haben wir dadurch eine hochmotivierte Belegschaft. Die Menschen bei uns haben Spaß an der Arbeit; das Engagement ist hoch und die Bindung zum Unternehmen in Zeiten des Wandels wird gestärkt. Reportage | Das Versprechen der SAP 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0026 Haben flexible Arbeitsformen einen positiven Einfluss auf die Produktivität? Ja, das können wir anhand von entsprechenden Daten und Fakten auch messen. Wir befragen unsere Mitarbeitenden kontinuierlich. Wir verfolgen eine, wie es auf English heißt, „continuous listening strategy”. Wir möchten wissen, wie es den Menschen bei uns geht, was ihre Anliegen sind und wo ihre Bedürfnisse liegen. Daraus leiten wir Maßnahmen ab, oder wir feinjustieren die Bausteine unserer Personalarbeit. In diesen Befragungen sagen beispielsweise über achtzig Prozent unserer Belegschaft, dass „Pledge to Flex” uns zu einem attraktiven Arbeitgeber macht- - und zudem die Produktivität steigert oder zumindest auf gleichem Niveau bleibt. Dies konstatieren im Übrigen sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte. Es wird gesagt, dass flexible Arbeitsformen Unternehmen auch resilienter machen-- weil sie agiles Arbeiten ermöglichen, das wiederum hilft, sich schneller veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Teilen Sie diese Einschätzung? Absolut! Flexible Arbeitsmodelle machen Unternehmen agiler, innovativer und widerstandsfähiger, indem sie Unternehmen helfen, schneller auf Veränderungen im Markt oder im Umfeld zu reagieren. Flexibilität ist ein „must-have“, um in der neuen Arbeitswelt erfolgreich zu bleiben, die besten Talente zu gewinnen und diese zu halten. Sie haben Ihre Kampagnen, Angebote, Apps, Trainings, Workshops und Schulungen beschrieben. Es handelt sich um Elemente in einem Baukasten, die gut ineinandergreifen. Doch letztlich erfordern flexible Arbeitsformen eine Veränderung der Kultur. Es geht um mehr als nur Einzelmaßnahmen. Es handelt sich um ein großes Changevorhaben. Was waren für Sie die Herausforderungen dieses Changeprojekts? Ich denke, es ist wichtig, hier den Kontext im Blick zu behalten. Die Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens sind schon seit Jahren Teil der DNA der SAP. Wir konnten während der Pandemie auf Bestehendes aufbauen. Allerdings hat die Pandemie die Veränderungsgeschwindigkeit auf dem Weg hin zur Arbeitswelt der Zukunft noch weiter erhöht. Ein zusätzlicher Schub für notwendigen Kulturwandel und eine neue Offenheit für Veränderungen an vielen Stellen ein richtiggehender Bewusstseinswandel. Welche Art von Bewusstseinswandel? Beispielsweise muss man vielen Führungskräften verdeutlichen, was gute Führung in einem hybriden Umfeld ist. Für uns sind dabei Vertrauen und Empowerment die zentralen, erfolgversprechenden Stellhebel. Das muss im Bewusstsein der Führungskräfte ankommen. Sie haben das Arbeiten in Ihrer Organisation ein Stück weit neu definiert. So etwas betrifft fast jeden, fast täglich. Auf was kommt es aus Ihrer Sicht bei solch einem grundlegenden Changeprojekt an? Wichtig aus meiner Sicht ist ein ganzheitlicher Ansatz: Die Arbeit unserer Future of Work Organisation betrifft das ganze Unternehmen. Die Key-Stakeholder müssen von Anfang an eingebunden sein: Mitarbeitende, Führungskräfte, Entscheiderinnen und Entscheider. Unser Programm hat dabei eine durchaus cross-funktionale Ausrichtung. Das Thema ist breit aufgestellt; wichtig ist dabei- - es handelt sich nicht allein mehr um ein Programm aus der Personalabteilung. Wir haben aktive Mitspielende etwa aus dem IT-Bereich, oder dem Facility Management. Das klingt nach einem klassischen Change- Ansatz-… Ganz genau. Entscheidend war, dass wir mit unserem Programm einen globalen Rahmen setzen, ein globales Framework. Unsere Standorte in den jeweiligen Ländern gestalten dieses Framework nunmehr landesspezifisch aus. Es gibt keine „One-Size-Fits-All“-Lösung, denn die lokalen Gegebenheiten und Anforderungen können sehr unterschiedlich sein. Wichtig ist auch, dass wir Fortschritte ständig messen, die Veränderungen beobachten und auch an die Beteiligten zurückmelden. Die Mitarbeiterbefragungen sind essenziell für unser Programm. Wir möchten wissen, ob unsere Maßnahmen den Menschen in unserer Organisation befähigen, ihre Tätigkeit bestmöglich auszuüben. Man muss wissen, wo man steht, wo man nachsteuern muss und wo man gegebenenfalls noch mehr Unterstützung anbieten muss. Solche Programme setzen natürlich eine Offenheit bei den Beteiligten voraus. Natürlich! Dazu gehört auch die Offenheit, diesen Prozess als eine Transformationsreise zu sehen. Vielen ist klar, dass die Pandemie eine vielleicht einmalige Chance geboten hat, die nächste Generation flexibler Arbeitsmodelle zu entwickeln und zu implementieren. Für uns hat sich eine Tür geöffnet, um gemeinsam die Art und Weise zu gestalten, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen. Durch die Pandemie haben wir das Momentum und die Energie, die Zukunft der Arbeit nachhaltig neu zu gestalten. Ich wünsche mir, dass dieses Momentum uns erhalten bleibt. Ich sehe da noch viel Potenzial-- und dies gilt es nun natürlich zum Wohle aller Beteiligten bestmöglich zu nutzen! Dr. Christian Schmeichel Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Christian Schmeichel ist Chief Future of Work Officer beim Softwarekonzern SAP. Mit seinem Team kümmert sich der Top-Manager darum, wie die 110.000 Mitarbeitenden weltweit in Zukunft arbeiten. Als Vordenker für moderne Personalarbeit und zukunftsweisende Arbeitswelten setzt er sich für die verantwortungsbewusste Nutzung von künstlicher Intelligenz sowie Gleichberechtigung und Chancengleichheit am Arbeitsplatz ein. Nach beruflichen Stationen in Frankfurt, New York und Tokio lebt der passionierte Sportler mit seiner Familie in Heidelberg. Foto: SAP / Ingo Cordes.