PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Früher oder später begegnen alle unsere Schüler*innen Projekten!“
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Sarah Khayati
Birgit Köpnick, Schulleiterin am Regionalen Beruflichen Bildungszentrum Müritz und Keynote Speakerin der Fachtagung „Lernort Schule im digitalen Wandel – Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“ über das Leitbild und die Arbeit an, sowie Projekte in ihrer Schule, die 2022 mit dem Deutschen Schulpreis als beste Schule Deutschlands ausgezeichnet wurde.
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73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0037 „Früher oder später begegnen alle unsere Schüler*innen Projekten! “ Sarah Khayati Birgit Köpnick, Schulleiterin am Regionalen Beruflichen Bildungszentrum Müritz und Keynote Speakerin der Fachtagung „Lernort Schule im digitalen Wandel-- Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“ über das Leitbild und die Arbeit an, sowie Projekte in ihrer Schule, die 2022 mit dem Deutschen Schulpreis als beste Schule Deutschlands ausgezeichnet wurde. Wir bilden für den Arbeitsmarkt der Zukunft aus-- das ist einer der Leitsätze, die das Qualitätsverständnis am RBB Müritz beschreiben. Wie blicken Sie auf die Herausforderungen, denen berufliche Bildung in diesem Zusammenhang gegenübersteht? Birgit Köpnick: Dieser Satz ist einer der Leitsätze unserer Schule, mit dem sich die Kolleg*innen am RBB Müritz besonders identifizieren. Wir haben ja keine Glaskugel und können nicht voraussagen, was der Arbeitsmarkt der Zukunft alles bringen wird. Aber ich glaube, die Herausforderung für die berufliche Bildung ist, in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Bildungspartnern Entwicklungen in der Gesellschaft, aber auch die wirtschaftlichen Entwicklungen, die damit verbunden sind, gemeinsam zu ergründen und Wege zu finden, diese in Bildung zu transformatieren. Wie kann eine solche Bildung gelingen? Wie findet sich diese Haltung an Ihrer Schule wieder? Dazu ist es wichtig, in unterschiedlichsten Netzwerken zusammenzuarbeiten, um mit dem Blick über den Tellerrand zusätzliches Know-how in die Schule zu bringen. Zum Beispiel im Netzwerk Smart School, der digitalen Schule und auch im Netzwerk des Deutschen Schulpreises. Ganz wichtig ist an der Stelle auch die Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern, unseren Ausbildungsbetrieben, unserem Landkreis oder auch mit dem Bildungsministerium. Durch gemeinsame Gespräche, durch Betrachtung von Entwicklungen versuchen wir herauszufinden: Was ist auf dem Arbeitsmarkt gefordert? Wo ändern sich Berufsbilder, auf die wir uns neu einstellen müssen? Wo gibt es vielleicht Entwicklungen, die integriert werden sollten? Dabei denke ich z. B. an die digitale Transformation oder die Inklusion im Bereich der beruflichen Bildung. Diese Prozesse müssen vorgedacht werden und man muss die Menschen in diesen Prozessen mitnehmen. Deswegen ist die große Herausforderung auch im Bereich der beruflichen Bildung, alle diese gesellschaftlichen Herausforderungen in der Schule zu meistern. Und das kann ich eben nur, wenn ich alle, die in Schule arbeiten, in diesen Prozess integriere und damit Wissen, aber auch die entsprechende Haltung fördere. Das RBB Müritz hat im vergangenen Jahr den Deutschen Schulpreis erhalten. Die hohe Unterrichtsqualität und Lernwirksamkeit der Schule wird dabei ganz besonders auf ihre didaktische Jahresplanung zurückgeführt. Wie kann man sich diese genau vorstellen? Mit der Einführung des Lernfeldkonzepts im Bereich der beruflichen Bildung haben sich die Ansprüche an den Unterricht und auch dessen Entwicklung verändert. Lernfeldunterricht schreibt von Haus aus einen handlungsorientierten Unterricht vor. Dieser Anspruch an den Unterricht muss gemeinsam in der Schule getragen werden. Wir haben vor ca. 10 Jahren begonnen, im Bereich der dualen Ausbildung den Unterricht mittels didaktischer Jahresplanungen (DJP) zu konzipieren, und uns gefragt: Wie wollen wir den Lernfeldunterricht ent- Wissen | „Früher oder später begegnen alle unsere Schüler*innen Projekten! 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0037 wickeln? Dabei sind wir schnell darauf gekommen, dass es enorm wichtig ist, die Rahmenlehrpläne gut zu analysieren. Wir starten also mit einer curricularen Analyse und entwickeln dann dazu Lernsituationen, die die Jugendlichen in Handlungssituationen bringen, die an ihre Lebens- und Arbeitswelt angepasst sind. Unser Ziel ist, dass die Schüler Aufträge bekommen, in denen sie Handlungsprodukte erstellen. Gleichzeitig besetzen wir diesen Unterricht mit projektorientierten Angeboten, die natürlich ihre fachliche Kompetenz, aber auch die soziale Kompetenz der Schüler*innen fördert, was wir in der Schule für besonders wichtig halten. Das zieht sich vom ersten bis zum dritten Ausbildungsjahr durch. Es gibt praktisch für jedes Lernfeld entsprechende Lernsituationen. Manchmal nur eine, manchmal drei oder vier, abhängig vom Stundenumfang. Und die Schüler*innen wissen, dass sie aus jeder Situation etwas entwickeln und dort abgeholt werden. Der Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen, das Lernen an konkreten Aufträgen. Handlungsorientierung und Praxisbezug spielen offensichtlich eine zentrale Rolle am RBB Müritz. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Lehren und Lernen in Projekten zu? Das Arbeiten in Projekten fördert die Kompetenz, in Teams zusammenzuarbeiten, hat aber auch etwas mit aktiver Wertschätzung der Arbeit des Anderen zu tun. Das wird so nicht immer gefördert und manchmal auch in anderen Formen der Zusammenarbeit nicht wahrgenommen. Ebenso die Akzeptanz von Fehlern. Wir wissen darum, dass in der Praxis Fehler nicht passieren sollen bzw. große Auswirkungen haben. Und da kann Schule natürlich ebenfalls helfen, indem die Schüler*innen Arbeits- und Projektaufträge erhalten, die sie selbstorganisiert abschließen und in denen sie lernen, Fehler angstfrei zu benennen und damit konstruktiv umzugehen. Wie werden Projekte am RBB Müritz umgesetzt? Nutzen Sie aktives Projektmanagement? Wir initiieren ganz unterschiedliche Projekte. Es gibt Projekte, die einmal für die gesamte Schule organisiert werden und über ein Jahr laufen, bevor sie dann in ein Produkt übergehen. Andere laufen nur eine Woche. Jedes Projekt hat seine Spezifik, dient aber immer der Entwicklung von Kompetenzen der Schüler*innen. Dabei nutzen wir u. a. die Projektmanagement-Methode. Bei den großen Projekten kommen wir auch gar nicht darum herum, mit Projektmanagement zu arbeiten. Eines der großen Schulprojekte ist beispielsweise unsere regionale Kontaktbörse zur Berufsorientierung. Damit wollen wir für unsere eigenen Schüler*innen die Brücke bauen in den späteren Beruf. Auf der anderen Seite geben wir mit diesem Projekt in Kooperation mit unseren regionalen Schulen, deren Schüler*innen die Möglichkeit, einmal anders in das Thema Berufsorientierung einzusteigen. Im Projekt entwickeln alle Schüler*innen unserer Schule Workshops für die Schüler*innen der regionalen Schulen, in denen sie ihre Berufsbilder vorstellen. Unsere Kaufleute für Freizeit und Tourismus übernehmen die selbstständige Organisation des gesamten Projektes. Sie planen mit Mitteln des Projektmanagements wie alle anderen Schüler an welcher Stelle eingebunden werden. In diesem Rahmen wird in verschiedene Gruppen unterteilt: Die einen kümmern sich um das Marketing, die anderen um die Workshops oder die nächsten um die Organisation einer Messe, die ebenfalls parallel in der Sporthalle läuft. Die Schüler*innen erhalten damit in diesem Projekt unterschiedliche Handlungsaufträge, wie z. B. die Organisation und Durchführung des gesamten Tages, die Gestaltung der Medienprodukte für den Tag oder die methodische Ausgestaltung eines Workshops zur Vermittlung des Berufsbildes. Wir präsent ist Projektunterricht denn insgesamt am RBB Müritz? Birgit Köpnick: Früher oder später begegnen alle unsere Schüler*innen Projekten. Im dritten Ausbildungsjahr- - geprägt durch die regionale Kontaktbörse-- ist Projektunterricht sehr präsent. Letztlich entscheiden wir immer: Welche und wie viele Projektangebote passen in den Unterricht? Unser Ziel ist es, dass die Schüler*innen selbstständig Erfahrungen machen und lernen, unterschiedliche Rollen einzunehmen. Als Lehrkraft oder auch als Schulleitung lassen wir es zu, dass die Schüler*innen andere Vorstellungen haben als wir. Eröffnung der Fachtagung durch GPM Präsident Prof. Peter Thuy Wissen | „Früher oder später begegnen alle unsere Schüler*innen Projekten! 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0037 Ihre Keynote auf der Fachtagung „Lernort Schule im digitalen Wandel-- Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“ hat neben der Zukunfts- und Handlungsorientierung auch das Thema Wertschätzung am RBB Müritz in den Fokus gerückt. Gegenseitiger Respekt, Toleranz und Vertrauen sind grundlegende Zielsetzungen ihres Schulprogramms. Wodurch zeichnet sich für Sie der Beitrag eines empathischen und wertschätzenden Schulumfeldes zur Qualität von Schule aus? Wertschätzung prägt einen weiteren Leitsatz unserer Schule. Auch die Jury des deutschen Schulpreises hat das Klima an unserer Schule sehr herausgehoben. Das hat natürlich etwas mit unseren Ansätzen im Unterricht selbst zu tun. So lernt man in einem Projekt die Schülerschaft anders kennen, weil sie dort ganz anders arbeiten. In einer beruflichen Schule sind die Schüler in der Regel drei Jahre, manchmal auch nur ein Jahr bei uns. Ich habe also gar nicht so viel Zeit, um sie kennenzulernen, zu wissen, was sie ausmacht und wie wir sie auf den Unterricht einstellen können, damit dieser gut und wertschätzend laufen kann. Ein ganz wertvolles Projekt, das wir dazu entwickelt haben, ist das Ankommens-Projekt. Ziel ist es, neue Schüler*innen wertschätzend zu empfangen und sich gegenseitig kennenzulernen. Dabei geht es nicht nur darum, alles zu wissen, was die Schulorganisation ausmacht. Hier steht das soziale Miteinander im Fokus. Das Ankommens- Projekt ist von Lehrkräften entwickelt worden und wird durch unsere Qualitätsmanagementgruppe begleitet und weiterentwickelt. Es gibt beispielsweise einen kleinen Methodenkoffer mit Anregungen, Prozessbeschreibungen oder Checklisten für die Kolleg*innen. Inzwischen gibt es einen FAQ-Code auf unserer Internetseite, der die ursprünglich ausgehändigten Ankommensmappen ersetzt. Gerade wird wieder aktiv weitergedacht und von den Schüler*innen eine Schul-Rallye entwickelt, um sich mittels QR-Codes in der gesamten Schule zu orientieren. So ist unser Ankommens-Projekt, mit dem wir neue Schüler*innen, aber auch Lehrkräfte und Referendare willkommen heißen, immer in der Entwicklung. Welchen Beitrag können das Schulumfeld ergänzende Formate wie unsere Fachtagung leisten, um den pädagogischen Austausch zu den genannten Schwerpunkten, also Zukunfts- und Handlungsorientierung & Wertschätzung, aktiv zu befördern? Veranstaltungen wie die Fachtagung sind immer eine Möglichkeit, sich inhaltlich zu den unterschiedlichsten Themen auszutauschen, Best Practices vorzustellen und Impulse in andere Organisationen zu geben. Oft habe ich gar nicht die Zeit, mich gedanklich mit bestimmten Themen zu beschäftigen. Und gleichzeitig zu überlegen, passt das für meine Einrichtung? Was kann ich vielleicht mitnehmen- - für mich selbst, als Schulleitung, in der Steuerung oder vielleicht für Gruppen in meiner Schule? Ich sage immer zu meinen Kolleg*innen: Wenn ihr eine Sache mitnehmt, die gut für uns ist, dann ist das schon toll! Dieser Punkt ist vielleicht der Wesentliche, um uns an der einen oder anderen Stelle einen Impuls zu geben, eine Inspiration, einen neuen Ansprechpartner oder, oder, oder-… Ich ermögliche meinen Kolleg*innen unheimlich gerne den Besuch von Fachtagungen und fordere aktiv dazu auf, solche Möglichkeiten zu besuchen, um Netzwerkarbeit zu betreiben und die eigenen Kenntnisse zu erweitern. Denn es gibt nichts Besseres, als über den Tellerrand hinauszublicken. Für mich. Für mein Kollegium. Für meine Mitarbeitenden hier im Haus. Ich glaube, das ist etwas ganz Wertvolles und auch sehr Wertschätzendes für alle Kolleg*innen. Mit der Auszeichnung als Hauptpreisträgerin des Deutschen Schulpreises im vergangenen Jahr liegen ereignisreiche Monate hinter Ihnen und der Schule. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus, welche Schwerpunkte setzt das RBB Müritz in diesem Jahr? Wir haben an der Schule natürlich ganz unterschiedliche Themen. Hier sehe ich die Gestaltung neuer Lernräume, die Inklusion oder die weitere digitale Transformation. Natürlich auch unser QM -unser Qualitätsmanagement. Dabei geht es letztlich immer um die Entwicklung des Unterrichts. Wir sind also nicht am Ende und sagen, wir haben jetzt alles fertig. Es gibt noch viele Ideen, die wir umsetzen wollen. Wir kommen mit vielen Menschen ins Gespräch und nutzen das auch zu unserer eigenen Entwicklung. Im Rahmen des Deutschen Schulpreises werden wir oft angefragt, um Best Practises weiterzugeben und finden regelmäßig Schulbesuche statt. Diese Besuche gestalten wir so, dass wir zwar viel zu uns, zu unserem Vorgehen sagen. Aber wir hören auch immer Themen der anderen Schulen. Es gibt also immer auch den Punkt: Was möchten Sie uns von Ihnen mitgeben? Das ist für uns sehr interessant. Das eine mit dem anderen zu verbinden. Den Blick über den Tellerrand zu nehmen und uns nicht als allwissend darzustellen. Denn das sind wir definitiv nicht. Wir wollen im Umgang mit allen Interessierten wertschätzend sein. Denn alle-- das ist meine feste Überzeugung-- machen etwas sehr gut an ihren Schulen. Frau Köpnick, vielen Dank für das Gespräch! Eingangsabbildung: Birgit Köpnick vom RBB Müritz und Sarah Khayati (GPM)