PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0038
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Der Blitz des starken Arguments
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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76 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 02/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0038 Kolumne Der Blitz des starken Arguments Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch- - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Priesberg betritt das Büro von Ehrlich. Er wirkt mitteilungsbedürftig und Ehrlich wundert sich darüber. „Ich hatte vor einiger Zeit eine absolute Grenze kennen gelernt, die jedes Argument sticht. Es ist etwas sehr Erhabenes“, legt Priesberg los. „Und was ist das? “, fragt Ehrlich und fährt fort, „die Lichtmauer, die sich nicht durchbrechen lässt? “ „So ähnlich. Naturgesetze spielten dort eine zentrale Rolle. Es wird mir zukünftig helfen, Diskussionen erheblich abzukürzen, um die Effizienz zu steigern“, antwortet Priesberg. „Aber sicher nicht die Effektivität“, murmelt Ehrlich vor sich hin. Priesberg hat es dennoch gehört und erläutert: „Vor einiger Zeit standen wir vor einem Dilemma: Trotz hoher Inzidenzen hatten einige in unserem Projekt unbedingt Präsenzmeetings zulassen wollen. Es hatte sehr heftige Diskussionen gegeben. Ich warf damals ein: ‚Mit Naturgesetzen lässt sich nicht verhandeln. Das Corona-Virus lässt sich nicht davon überzeugen, sich während Präsenzmeetings zurückzuhalten, nur weil diese sinnvoll sind.“ Priesberg schaut seinen Kollegen stolz an. Ehrlich fragt ungläubig: „Und das hatten die dir einfach so abgenommen? “ „Ja, am Bildschirm in der virtuellen Sitzung hat es nur andächtiges Kopfnicken gegeben. Das Thema war dann erledigt“, fügt Priesberg siegessicher hinzu: „Es lebe die Kraft der Naturgesetze! “ Ehrlich lästert: „Dieses Projektteam hätte sofort aufgelöst werden müssen. Es ist hasenfüßig und fällt auf die kleinste rhetorische Falle herein.“ Priesberg fühlt sich veräppelt: „Gut. Dann nimmst du halt die Naturgesetze nicht ernst. Kannst du über Wasser gehen? Kannst du in der Höhe schweben? “ „So viele Worte auf einmal. Aber um deine Fragen zu beantworten: Beides mal, ja“, antwortet Ehrlich ruhig. Priesberg will zu einer heftigen Gegenrede ansetzen, aber es gelingt ihm nicht. Ehrlich beruhigt ihn: „Die ausführliche Antwort zu eins heißt zum Beispiel Wasserski, die Antwort zur zweiten Frage lautet Ballon fahren oder sich auf der Dachterrasse eines Hochhauses aufzuhalten.“ „Das zieht bei mir nicht. Wasserski, Ballons und Hochhäuser sind Hilfsmittel“, entgegnet Priesberg schroff. „Deine ursprüngliche Aussage war ‚mit Naturgesetzen lässt sich nicht verhandeln.‘ Sie lautete nicht, ‚Hilfsmittel sind verboten‘“, entgegnet Ehrlich ruhig. „Worauf willst du hinaus? “, fragt Priesberg ernüchtert. „Na, das ist doch gar nicht so schwer. Mit Naturgesetzen lässt sich in der Tat nicht verhandeln. Dieser Aussage würde sogar ich zustimmen, selbst wenn ich über das Wasser gleiten kann“, entgegnet Ehrlich mit einem Augenzwinkern und fährt fort: „aber man kann sie kombinieren. Wenn ich schon nicht selbst schweben kann, dann nutze ich eben eines der vielen Hilfsmittel, um die Schwerkraft zu überwinden. Durch den Auftrieb, den ein Ballon erfährt, wird eine Kraft erzeugt, die entgegen der Schwerkraft wirkt.“ „Wird das jetzt ein Physikkurs für Anfänger? Worauf willst du hinaus? “, fragt Priesberg wenig überzeugt. „Auf die Art der Argumentation und nicht auf den Inhalt natürlich. Wenn jemand sagt, mit Naturgesetzen lasse sich nicht verhandeln, ist das schon ein sehr starkes Argument. Es lähmt dein Gegenüber, und es gelingt nicht sofort, die richtigen Gegenargumente zu finden“, ergänzt Ehrlich geduldig. „Aber das wollte ich damals doch erreichen“, insistiert Priesberg. Ehrlich ignoriert die Bemerkung seines Kollegen und wirft ein: „Nehmen wir mal an, der Lenkungskreis deines Projekts hätte festgestellt ‚mit der vom Projekt vorgeschlagenen Technologie lässt sich das Problem nicht lösen. Wir setzen sofort alle Budgets auf null.‘ Was hättet ihr dann gemacht? “ Priesberg überlegt: „Wir hätten dagegen gehalten und sicher gute Gründe für die Technologie nachgelegt oder Alternativen diskutiert.“ Ehrlich wirft ein: „Das glaubst du, weil wir jetzt die Hintergründe durchleuchten. Aber dein Projektteam hätte sicherlich Mühe gehabt, Gegenargumente zu finden. Es ist bis jetzt nicht trainiert. Darauf kommt es mir an.“ „Also lässt sich jede rhetorische Mauer umfahren? “, fragt Priesberg. „Kurze Antwort: Ja. Du musst Gegenargumente finden, mit denen du einen Weg bauen kannst, die Mauer zu umfahren, zu übersteigen oder zu untertunneln, oder was auch immer“, fasst Ehrlich zusammen. „Also muss sich das Projektteam als erstes gegen den Blitz des starken Arguments immunisieren? Damit dieser Blitz nicht das Denken überstrahlt? “, fragt Priesberg. „Ganz genau. Und jetzt überlege mal, welche Naturgesetze du hättest anwenden können, so dass Präsenzmeetings dennoch möglich gewesen wären. Das wäre schon mal eine erste mentale Übung für euer Team“, ermutigt Ehrlich seinen Kollegen. Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Anschrift: BASF SE, RGQ/ IM, 67056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com