PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2023-0098
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Nachhaltige Geschäftsmodellentwicklung: Systemdenken in der Gründungsberatung
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David Paul Müller
Michael Holzner
Siegfried Zürn
Das Business Model Canvas (BMC) ist ein bewährtes Tool in der Strategie- und Gründungsberatung. Doch nach den Kick-off-Meetings mit Brainstormings und einer Auswahl von Handlungsfeldern ist die Operationalisierung der Maßnahmen eine große Herausforderung. Hier setzt ein entwickeltes Systemmodell als Tool an. Nutzen Sie das Systemdenken für Beratungsprojekte wie die Gründungsberatung und erfahren Sie, wie es Ihnen gelingt, die Zusammenhänge einzelner Aspekte in einem gemeinsamen mentalen Modell im Auge zu behalten. Dieser Beitrag stellt den an der Hochschule Esslingen entwickelten Systems Thinking-Ansatz zur nachhaltigen Geschäftsmodellentwicklung in der Gründungsberatung vor. Nachdem verschiedene präventive und reaktive Maßnahmen verglichen und bewertet werden, erfahren Sie, wie Sie mit unerwarteten Ereignissen umgehen können.
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62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 05/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0098 PM Forum Nachhaltige Geschäftsmodellentwicklung: Systemdenken in der Gründungsberatung David Paul Müller, Michael Holzner, Siegfried Zürn Das Business Model Canvas (BMC) ist ein bewährtes Tool in der Strategie- und Gründungsberatung. Doch nach den Kickoff-Meetings mit Brainstormings und einer Auswahl von Handlungsfeldern ist die Operationalisierung der Maßnahmen eine große Herausforderung. Hier setzt ein entwickeltes Systemmodell als Tool an. Nutzen Sie das Systemdenken für Beratungsprojekte wie die Gründungsberatung und erfahren Sie, wie es Ihnen gelingt, die Zusammenhänge einzelner Aspekte in einem gemeinsamen mentalen Modell im Auge zu behalten. Dieser Beitrag stellt den an der Hochschule Esslingen entwickelten Systems Thinking-Ansatz zur nachhaltigen Geschäftsmodellentwicklung in der Gründungsberatung vor. Nachdem verschiedene präventive und reaktive Maßnahmen verglichen und bewertet werden, erfahren Sie, wie Sie mit unerwarteten Ereignissen umgehen können. Das modifizierte, auf Systemdenken basierende Business Model Canvas Bislang fehlt es an dynamischen, systembasierten Modellen für die Unternehmensentwicklung, sodass das klassische BMC weiterhin das Mittel der Wahl für die Gestaltung und Visualisierung von Geschäftsmodellen ist. Dem ursprünglichen Modell fehlt jedoch eine Anpassung an die zunehmende Komplexität und Dynamik der Märkte, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten und der Einfluss der Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle. Auch in seiner Konzeption stellt das BMC als statisches Modell mit verschiedenen Abstraktionsebenen keine optimale Ausgangsbasis für die Geschäftsmodellbildung dar. Die zum Teil isolierte Einzelbetrachtung und der Fokus auf lokale Maxima führt zu Fehlern bei der Entscheidungsfindung. Aus dieser Sicht wird das bestehende BMC ergänzt und stärker operationalisiert. Die einzelnen Bereiche des Canvas werden weiter untergliedert in Elemente die Verknüpfungen zu anderen Elementen unterhalten. Diese Wechselwirkungen werden aufgezeigt und analysiert. Dies spielt vor allem beim Aufbau eines neuen und innovativen Geschäftsmodells (Start-up) eine wichtige Rolle. Ein modifizierter Canvas als Visualisierungshilfe ermöglicht eine Anpassung an die sich verändernden Gegebenheiten. Aufbau des modifizierten Business Model Canvas Anwendung des Modells Ziel des vorgestellten Systems Thinking-Models ist es, Anwender, die bereits Erfahrungen mit dem BMC gesammelt haben, mit dem systemischen Denken vertraut zu machen. Erreicht wird dies mit einem Systemmodell, das in seiner Struktur dem BMC entspricht und ein kohärentes Gesamtbild aufweist. Die Nutzer können sich schnell in dem Modell zurechtfinden und bereits bekannte Aspekte wiedererkennen, sodass ein nahtloser Übergang vom BMC zum systemischen Denkmodell erreicht wird. Insofern bildet das BMC einen ersten Ansatz, eine gute Struktur, um über die einzelnen Elemente nachzudenken. Der nächste Schritt besteht darin, zu erkennen, dass die Elemente nicht für sich alleine stehen, dass die Kunden nicht von den anderen Partnern getrennt sind, dass die Aktivitäten mit den Einnahmequellen oder den verbrauchten Ressourcen zusammenhängen. Zu diesem Zweck wurden in dem vorgestellten Modell die einzelnen Bereiche des BMC in einzelne Elemente unterteilt und diese mit ihren logischen Verknüpfungen zu anderen Elementen in den anderen Bereichen des BMC versehen. So kann der Nutzer sofort erkennen, wie die entsprechenden Elemente miteinander interagieren. Damit wird ein Einstieg geschaffen, der es erlaubt, in Wirkungsketten zu denken und damit das - manchmal mehrstufige - Zusammenspiel der Elemente zu verstehen. Damit sind die Weichen gestellt für eine Diskussion mit den Unternehmern, ob die geplanten Aktivitäten oder Maßnahmen zu den selbst gesteckten Zielen passen und damit ihr Geschäftsmodell funktionieren kann. Szenarien mit unterschiedlichen Randbedingungen und potenziellen Umwelteinflüssen ermöglichen es, die Belastbarkeit des Geschäftsmodells einzuschätzen und helfen so, ein geeignetes Risikomanagement einzurichten. Schlussfolgerung Die Modifikation des traditionellen BMC in ein auf Systemdenken basierendes Modell mildert den starren, theoretischen und statischen Rahmen. Die softwarebasierte Anwendung ermöglicht es, Änderungen schnell einzuführen, zu visualisieren und damit eine Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung oder Verfeinerung des Geschäftsmodells zu schaffen. Der Ansatz, die Aspekte nicht nur pro Baustein aufzulisten, PM Forum | Nachhaltige Geschäftsmodellentwicklung: Systemdenken in der Gründungsberatung 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 05/ 2023 DOI 10.24053/ PM-2023-0098 sondern den Grad der Zielerreichung der einzelnen Ziele zu betrachten, eröffnet neue Perspektiven. Unter dem Strich geht das auf Systemdenken basierende Modell über den Fokus auf Kostenstruktur und Einnahmequellen des traditionellen Modells hinaus. Die Umwelt- und Sozialorientierung wird heute mehr denn je von den Stakeholdern gefordert. Daher muss sich der multidimensionale Fokus des Triple-Bottom-Line-Ansatzes auch im Geschäftsmodell widerspiegeln. Das auf System Thinking basierende BMC kann hier einen Mehrwert schaffen, indem es Interaktionen und Szenarien simuliert und auch die Arbeit am Geschäftsmodell erleichtert. Ein weiterer positiver Aspekt für Start-ups ist die sehr agile Arbeitsweise am Systemmodell, da iterative Anpassungen sofort digital vorgenommen und veränderte Handlungsmuster durch anschließende Simulationen getestet werden können. Das Systemmodell ist damit zielgerichteter und besser an Start-ups angepasst als das traditionelle Canvas, das in der ersten groben Modellentwicklung noch seine Berechtigung und Nützlichkeit hat. Nachdem das BMC mit konkreten Inhalten gefüllt ist, muss jedoch ein Systemmodell aufgebaut werden, das agil und flexibel eingesetzt werden kann, um zu überprüfen, ob diese Annahmen und Merkmale mit den Zielen des Geschäftsmodells übereinstimmen und den Anforderungen an die Belastbarkeit in Simulationen unter verschiedenen Szenarien standhalten. Da Start-up-Organisationen agil und praxisorientiert agieren müssen, sollte die Arbeit mit dem modifizierten und dynamischen Systemmodell der Arbeitsweise von Start-ups keine größeren Schwierigkeiten bereiten. David Paul Müller ist Master of Engineering im Studiengang Smart Factory - Industrie 4.0 sowie Bachelor of Science im Studiengang Internationale Technische Betriebswirtschaft an der Hochschule Esslingen. Er begleitet Gründungsprojekte in Verbindung mit Systems Thinking und entwickelt Systemdenken-Tools in der Organisationsentwicklung und im Qualitätsmanagement mit der Beratungsfirma iCONDU GmbH in Ingolstadt. Aktuell arbeitet er als wissenschaftlicher Angestellter am Fraunhofer Anwendungszentrum KEIM im Projekt Anonymisierung von Mobilitäts- und Bewegungsdaten. Dr. Michael Holzner ist Gründer und Geschäftsführer der iCONDU GmbH. Er hat Maschinenbau studiert und auf dem Gebiet der numerischen Simulation promoviert. Nach mehr als 20 Jahren in leitenden Funktionen der Automobilindustrie mit Schwerpunkt Produktentwicklung gründete er 2010 das Beratungsunternehmen iCONDU mit den Themenfeldern Strategie- und Projektentwicklung sowie Gestaltung von Transformationsprozessen. Dr. Siegfried Zürn ist Professor für Operations Management und Director International Centre and Graduate School der Hochschule Esslingen. Er hat Naturwissenschaften und Business Consulting studiert und war vor seiner akademischen Laufbahn lange Jahre in Managementpositionen sowohl in der Baustoffals auch Chemischen Industrie beschäftigt. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Qualitäts- und Leanmanagement, Internationales Projektmanagement sowie Managementaspekte von Industrie 4.0.