eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0009
31
2024
351 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses von Projekten: Spezifische Tools, Anwendungsszenarien und Barrieren

31
2024
Vincent Lächelt
Jose Arroyo Portillo
Timo Braun
Projekte sind per se risikobehaftet und diese Risiken begleiten mitunter den gesamten Projektverlauf, wobei im Laufe des Projekts auch neue Risiken hinzukommen oder bisherige Risiken wegfallen können. Risiken können den Verlauf maßgeblich beeinflussen, deshalb müssen sie fortlaufend identifiziert, analysiert, bewertet und aus den Ergebnissen Handlungsoptionen abgeleitet werden. Dieser etablierte und von klassischer PM-Software unterstütze Prozess kann durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) qualitativ angereichert werden. Im Mittelpunkt des Beitrags steht daher der Abgleich von typischen Prozessschritten im Risikomanagement und der Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Werkzeuge je Prozessschritt. Dabei werden pro Schritt spezifische KI-Tools und deren Anwendungspotenzial erörtert. Damit soll aufgezeigt werden, welche Potenziale und auch Herausforderungen im Risikomanagementprozess unter Einsatz von KI existieren, und wie KI ProjektmanagerInnen in den einzelnen Schritten unterstützen kann. Hierdurch ist einerseits mit Effizienzgewinnen zu rechnen, andererseits aber auch mit einer höheren Präzision und Qualität von Risikoanalysen.
pm3510041
41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses von Projekten: Spezifische Tools, Anwendungsszenarien und Barrieren Vincent Lächelt, Jose Arroyo Portillo, Timo Braun Für eilige Leser | Projekte sind per se risikobehaftet und diese Risiken begleiten mitunter den gesamten Projektverlauf, wobei im Laufe des Projekts auch neue Risiken hinzukommen oder bisherige Risiken wegfallen können. Risiken können den Verlauf maßgeblich beeinflussen, deshalb müssen sie fortlaufend identifiziert, analysiert, bewertet und aus den Ergebnissen Handlungsoptionen abgeleitet werden. Dieser etablierte und von klassischer PM-Software unterstütze Prozess kann durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) qualitativ angereichert werden. Im Mittelpunkt des Beitrags steht daher der Abgleich von typischen Prozessschritten im Risikomanagement und der Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Werkzeuge je Prozessschritt. Dabei werden pro Schritt spezifische KI-Tools und deren Anwendungspotenzial erörtert. Damit soll aufgezeigt werden, welche Potenziale und auch Herausforderungen im Risikomanagementprozess unter Einsatz von KI existieren, und wie KI ProjektmanagerInnen in den einzelnen Schritten unterstützen kann. Hierdurch ist einerseits mit Effizienzgewinnen zu rechnen, andererseits aber auch mit einer höheren Präzision und Qualität von Risikoanalysen. Schlagwörter | Künstliche Intelligenz (KI), Risikomanagement, Tools, Barrieren 1 Einleitung Projekte sind per se risikobehaftet und diese Risiken begleiten mitunter den gesamten Projektverlauf, wobei im Laufe des Projekts auch neue Risiken hinzukommen oder bisherige Risiken wegfallen können. Die erfolgreiche Planung und Umsetzung von Projekten sind somit abhängig von einer Verkettung positiv verlaufender Aktivitäten [1]. Da dies im realen Projektgeschehen eine utopische Annahme ist, ergeben sich vielfältige Konsequenzen aus den Risikofällen, wie beispielsweise Termin- und Kostenüberschreitungen oder Qualitätsanpassungen und viele weitere. In manchen Fällen kann der Eintritt von Risiken den Abbruch bzw. das Scheitern von Projekten zur Folge haben. Resultierend aus dieser Situation müssen sich Praktiker der Problematik stellen. Risiken müssen im Kontext kurzer Zeitabschnitte identifiziert, analysiert, bewertet und aus den Ergebnissen Handlungsoptionen abgeleitet werden. Um mit den auftretenden Risiken in Projekten adäquat umgehen zu können, ist ein systematisches Risikomanagement-Konzept notwendig. In der ISO-Norm 31 000: 2018, ist die Rede davon, dass Risikomanagement einen „Wertbeitrag für die Organisation schafft und diesen Beitrag schützt“. Dennoch wird das Risikomanagement in Projekten häufig vernachlässigt bzw. als Aufgabe verstanden, die nur zur Erfüllung organisatorischer oder rechtlicher Vorgaben durchgeführt wird [2]. Die Digitale Transformation führt zu tiefgreifenden Veränderungen auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene- - selbstverständlich die Projektarbeit miteingeschlossen [3]. In jüngster Vergangenheit hat die Entwicklung von KI, die eng mit der Digitalisierung verwoben ist, einen Diskurs darüber eröffnet, dass verschiedene Bereiche des Lebens ganz neu durchdacht und die Mensch-Maschine-Interaktion in ein neues Verhältnis gebracht werden müssen. Das wohl bekannteste Beispiel für ein KI-Werkzeug ist ChatGPT, das in den letz- Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 ten Monaten besonders viel Aufmerksamkeit erfahren und die Tür geöffnet hat für eine große Bandbreite weiterer Tools, teilweise auf der Basis von ChatGPT, teilweise aber auch unabhängig davon. Mit Blick auf das Risikomanagement in Projekten ergeben sich eine Reihe an Ansatzpunkten, bei denen KI-Tools über den gesamten Risikomanagementprozess zur Steigerung von Effizienz und Effektivität beitragen können. Zunächst sollten KI, Maschinelles Lernen (Machine Learning / ML) und Tiefes Lernen (Deep Learning / DL) und deren Beziehung eingeordnet und die Begriffe geklärt werden. Abbildung 1 ist eine erste Darstellung der Einordnung der Begriffe, die im weiteren Verlauf genauer beschrieben sind. [4] Generell soll KI menschliches Verhalten und menschliche Intelligenz verarbeitet durch Maschinen oder Systeme reproduzieren. Das Maschinelle Lernen (ML) sind Methoden (Algorithmen) die aus Daten oder Erfahrungen lernen und die analytische Modellbildung automatisiert. In diesem Bereich gibt es verschiedene Arten von Algorithmen für maschinelles Lernen wie überwachtes, unbeaufsichtigtes, halbüberwachtes und verstärkendes Lernen. Außerdem kann das Deep Learning, das zu einer breiteren Familie von maschinellen Lernmethoden gehört, Daten in großem Umfang intelligent analysieren. Deep Learning DL steht auch für Lernmethoden aus Daten, bei denen die Berechnung durch mehrschichtige neuronale Netze und Verarbeitung erfolgt. Der Begriff „ Deep “ bezieht sich auf die mehreren Ebenen die Daten durchlaufen, um das Modell zu erstellen. [4] Im Folgenden werden zunächst die wesentlichen Schritte des Risikomanagementprozesses skizziert, innerhalb derer anschließend spezifische Anwendungsoptionen von KI-Tools vorgestellt werden. 2 Ansatzpunkte für KI im Risikomanagementprozess Die DIN-Norm 69 901-5: 2009-01 beschreibt das Risikomanagement in Projekten als „systematische Anwendung von Managementgrundsätzen, -verfahren und -praktiken zwecks Ermittlung des Kontextes sowie Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung / Bewältigung, Überwachung und Kommunikation von Risiken“. Daraus kann, wie in nachfolgender Darstellung aufgezeigt folgender Risikomanagement-Prozess abgeleitet werden: Die Risiko-Strategie und Risiko-Politik ist der Ausgangspunkt des Risikomanagements. Diese spiegeln einerseits die Risikopräferenzen wider und berücksichtigen andererseits die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen [5]. Darüber hinaus werden Ziele für das Risikomanagement und dessen Umfang hierbei festgelegt. Auch sollte in diesem Stadium übergeordnet eine organisationale Haltung zur Risikopräferenz entwickelt werden (risikoavers, risikoneutral, risikofreudig). Bis zu diesem Punkt erscheint der Faktor Mensch in seiner dispositiven Funktion als Entscheider unerlässlich-- eine KI kann in dieser Phase allenfalls Vorschläge unterbreiten. In der Fortführung und Umsetzung diese Weichenstellungen kann KI jedoch bereits eine größere Rolle spielen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Etablierung eines Frühwarnbzw. Frühaufklärungssystems oder bei der Erarbeitung von Maßnahmen zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Die Risiko-Identifikation soll zunächst alle relevanten Projektrisiken erfassen und dokumentieren. Dies kann auch verschiedene Weisen erfolgen, u. a. zählen zu den gängigen Methoden Kreativitätstechniken oder der Rückgriff auf Erfahrungen. Darüber hinaus können auch Expertenbefragungen oder -tagungen zur Identifikation genutzt werden. Da diese als Grundlage für die weiteren Aktivitäten im Risikomanagementprozess dient, ist dieser Schritt von besonderer Bedeutung. Um ein besseres Verständnis für die Risiken zu erlangen, ist an dieser Stelle eine Einordnung in Risikoarten empfehlenswert. Die hierfür lassen sich beispielsweise externe Risiken (wie gesetzliche Vorschriften, Naturgewalten), unternehmensspezifische Risiken (wie Organisation, Kommunikation), leistungswirtschaftliche Risiken (Produktion oder Forschung & Entwicklung) sowie finanzwirtschaftliche Risiken (wie Marktpreise, Liquidität) unterscheiden [6]. Eine Verwendung von KI-Tools in diesem Bereich erscheint insofern naheliegend, als dass bei der Risiko-Identifikation regelmäßig auf Erfahrungsdaten und -analogien zurückgegriffen wird. Abhängig vom Lernmodell der KI könnte dieser hier eine große Bedeutung zukommen. Im zweiten Schritt der Risiko-Analyse und -bewertung werden die identifizierten Risiken beurteilt. Hierfür werden üblicherweise verschiedene Faktoren zur Bewertung herangezogen. Zunächst fließen die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen bei Risikoeintritt mit ein. Darüber hinaus können weitere Parameter, wie der Eintrittszeitpunkt im Projektverlauf oder die Eintrittshäufigkeit herangezogen werden. Die Beurteilung kann sowohl qualitativ als auch quantitativ oder in einer Mischform erfolgen [6]. Ähnlich wie bereits im vorangegangenen Prozess kann KI auch hier potenziell einen Beitrag leisten, weil ein möglichst ganzheitliches Screening erfolgen soll-- die KI könnte ProjektmanagerInnen insofern dabei helfen, an möglichst alle Eventualitäten zu denken. Die anschließende Risiko-Steuerung teilt sich in zwei wesentliche Elemente, die Risikominderung sowie die Eventualfallplanung. In beiden Fällen werden Lösungen zum Umgang mit Risiken entwickelt. Die entwickelten Maßnahmen sind so zu konzipieren, dass sie einerseits dem Minimierungsgrundsatz entsprechen (Maßnahmenkosten kleiner als Risikokos- Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Künstlicher Intelligenz, Maschinellem und Tiefem Lernen [4] Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 ten) und andererseits keine neuen Risiken entstehen. Anhand des Minimierungsgrundsatzes lassen sich nach Bea et al. [5] vier Strategien voneinander abgrenzen: • Risikovermeidung: Die Risikovermeidungsstrategie schließt das Risiko aus. Diese Strategie ist nicht auf alle Risiken anwendbar und kann Opportunitätskosten zur Folge haben. • Risikoverminderung: Mit der Risikoverminderung oder -verringerung wird versucht entweder das potenzielle Schadensausmaß oder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos zu senken. • Risikoüberwälzung: Das Risiko wird (meist vertraglich) an Dritte (Lieferanten, Versicherungen- …) übertragen. Der Preis für die Risikoübernahme hängt dabei von den Machtverhältnissen der Vertragsparteien sowie deren Verhandlungsgeschick ab. • (Rest-)Risikoübernahme: Die Risikoübernahme beschreibt die Akzeptanz der Risiken, die sich nach der Anwendung des Minimierungsgrundsatzes nicht (weiter) reduzieren lassen. Im Bereich der Risiko-Steuerung sind Spezialanwendungen denkbar, die von einer KI übernommen werden könnten, beispielsweise, um im Bereich der Risikoüberwälzung juristische Gegebenheiten überprüfen zu lassen. Der Kreislauf endet mit der Risikoüberwachung und -kommunikation. Dieser Schritt ist in zwei wesentliche Tätigkeitsfelder zu untergliedern. Einerseits die Beobachtung der Risiken selbst sowie Überwachung und Kontrolle der Maßnahmen und anderseits die Kommunikation von Risiken. Das Risikopotenzial kann sich über den Projektverlauf hinweg ändern und getroffene Maßnahmen müssen ggf. nachgebessert oder verändert werden, um weiterhin effektiv zur Risikobewältigung beizutragen. Gerade die Verfolgung des Verlaufs von Top-Risiken ist elementar. Die Risikokennzahlen aus der Risikobewertung sollten deshalb (mindestens) zu Berichtszeitpunkten neubzw. nachkalkuliert werden. Die Risikokommunikation als zweiten organisatorischen Aspekt der Risikoüberwachung ist Ausgangspunkt für den Informationsfluss rund um Risiken. Hierfür ist ein Kommunikationskonzept sowie Berichtswesen notwendig, um die wichtigen Informationen bezüglich der Risikosituation zu jedem Zeitpunkt sowohl barrierefrei als auch transparent an (die richtigen) Adressaten zu übermitteln. Auch in dieser Phase könnte der KI durchaus eine effizienzsteigernde Rolle zukommen, beispielsweise um fragmentierte Informationen zügig in Berichtsform aufzubereiten. [1, 5, 6] 3 Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools zu Risikomanagementprozessschritten Die Zahl der KI-Anwendungen steigt stetig und deren Halbwertszeit ist meist gering. Um dennoch einen Überblick über die aktuelle Situation zu erhalten, wurden die laut „Generative AI“ Top 200 KI-Tools analysiert. Nachfolgende Tabelle ordnet vorselektierte Werkzeuge einzelnen Prozessschritten des Risikomanagements zu und liefert damit eine erste Übersicht, welche KI-Werkzeuge in den einzelnen Prozessschritten angewendet werden können. Diese Zuordnung resultiert aus einem analytischen Prozess bei dem das in Themen des Projektmanagements informierte Co-Autorenteam die Beschreibung der KI-Tool Funktionen gesichtet und dann durch argumentative Rationalisierung in einen Zusammenhang zu den Risikomanagement-Phasen gesetzt hat. Im Unternehmenskontext und unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen und Beteiligter ist anzumerken, dass diese Einordnung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt- - zumal die Entwicklung neuer Tools sehr dynamisch erfolgt. Die Tabelle dient insofern als erste Einschätzung zur potenziellen Anwendbarkeit in einzelnen Phasen des Risikomanagements. Abhängig von Faktoren, wie der Unternehmensgröße, des Wachstums und aktuelle Effizienzparameter sowie der strategischen Ausrichtung ist diese Einordnung in den jeweiligen Kontext zu setzen. Dennoch ist festzuhalten, dass bereits eine Vielzahl an Werkzeuge existiert, der konkrete Anwendungsfall muss abschließend individuell geprüft werden. Abbildung 2: Risikomanagementprozess Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Schrittbezeichnung Tools Risiko-Strategie (Anzahl: 26) • AIFYN • Alan AI • Base64.ai Document AI • Bing • ChatGPT • Claude • Copilot • Coveo • CustomGPT • CustomGPT AI • Ellie.ai • Galileo AI • GetMagicalAI • Ghostwriter • HumanAI Tech • InvtAI • Ivy.ai • Leap • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Motion AI • Quickchat AI • Scribe • Supernormal • Vitra.ai • Whimsical Risiko-Identifikation (Anzahl: 35) • Afforai • AIFYN • Alan AI • Apex • AskYourPDF • Base64.ai Document AI • Bearly • Bing • ChatGPT • Claude • Copilot • Copysmith • Coveo • CustomGPT • Ellie.ai • Explainpaper • HumanAI Tech • InvtAI • Leap • Leexi • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Neuronsinc • Notion • PromptGenie • Quickchat AI • Sembly AI • Stelo AI • Sturdy • Supernormal • tl; dv • UncovAI • Wordtune • ZAIA-- Zendy AI Assistant 4 Potenziale und Herausforderungen unter Einsatz von KI im Risikomanagementprozess Im nachfolgenden Abschnitt werden die verschiedenen Potenziale in den Prozessschritten herausgearbeitet und anhand von persönlichen Einschätzungen ergänzt, beginnend mit der Risiko-Strategie als Ausgangspunkt des Risikomanagements. Im Wesentlichen kann durch die Gestaltung des gesamten Prozesses sowie durch schrittweise Dokumentation und Aufbau für die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens bzw. Projekts durch KI-Modelle unterstützt werden. Die individuellen Prozessschritte können beispielsweise mit ‚Leap‘ KI-gestützter Workflows erstellen, um Aufgaben zu automatisieren. Leap greift dabei auf verschiedene Modelle wie LLMs oder Dall-E zurück, anhand von No-Code-Services Prozesse zu automatisieren. Der Zugang ist also nicht nur für Experten möglich, sondern kann Teams kollaborativ erstellt und verwaltet werden, um die damit eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit bietet ‚Scribe‘. Die Anwendung erlaubt es Prozesse in Echtzeit in Schritt-für- Schritt-Anleitung zu überführen. Gerade dies erleichtert einerseits die Dokumentation und andererseits das Festhalten der Strategie sowie der dafür geltenden Rahmenbedingungen im Projekt respektive Unternehmen. Risiko-Identifikation Die wesentlichen Vorteile, die Vorwegnahme von Risiken, durch eine frühzeitige Identifikation kann Vorwarnungen für schnelles Eingreifen oder Notfallpläne liefern. Häufig wird Risikomanagement jedoch in Zeiten von Unsicherheit eingesetzt. Die auftretenden Kosten sind zwar beim Eintreten unvorhergesehener Ereignisse höher, dennoch sollte die Risiko- Identifikation kontinuierlich und systematisch durchgeführt werden [7]. ‚Large Language Models‘ können im Zusammenhang der Risikoidentifikation beispielsweise Texte und Informationen aufgreifen, diese verarbeiten (vervollständigen, zusammenfassen oder ähnliches) und basierend auf den Trainingsdaten sogar Fragen beantworten. Die KI-Anwendungen können somit bei der Risiko-Identifikation einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn auf historische Daten zurückgegriffen wird und aus diesen wiederum Unsicherheiten reduziert werden können. Spezielle Individualisierbare LLMs bieten das Potenzial die Risiko-Identifikation für den unternehmensspezifischen Kontext maßzuschneidern. Ein Beispiel dafür ist ‚CustomGPT’. Diese GPT-Anwendung indiziert Unternehmensdaten und liefert damit weitere Inputdaten zur Anreicherung der Risiko- Identifikation. Tabelle: Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Risiko-Analyse Die Risiko-Analyse inklusive der Risikobewertung ist mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. KI-Anwendungen können spezifische Herausforderungen in diesem Kontext reduzieren und ermöglichen eine Zeitersparnis durch individualisierbare Algorithmen. Trainierte Deep Learning oder Machine Learning Algorithmen sind in der Lage Risiken anhand von historischen Daten und weiteren Inputdaten zu bewerten. ‚LogAnylzerGPT‘ kann beispielsweise Log-Dateien aus verschiedenen Systemen analysieren, um daraus ein besseres Verständnis für Endnutzer zu erzeugen und darüber hinaus auf Veränderungen, Trends und Anomalien hinweisen, die zukünftig zu Problemen führen könnten. Das größte Potenzial in der Risiko-Analyse liegt jedoch bei individualisierbaren Machine Learning oder Deep Learning Algorithmen, die auf konkrete Problemstellungen trainiert sind. Risiko-Steuerung Die Risiko-Steuerung befasst sich mit der Maßnahmenplanung sowie der Eventualfallplanung. ‚Large Language Models erlauben den Nutzern beispielsweise ein besseres Verständnis von schwerverständlichen Dokumenten und erlauben dadurch eine Zeitersparnis bei der konkreten Maßnahmenentwicklung für Risiken. Das Abwälzen von Risiken ist eine der Maßnahmen in der Risikosteuerung. Da dies häufig vertraglich geregelt wird, ist eine erste Rechtseinschätzung diesbezüglich ein großartiger Ausgangspunkt. ‚AILawyer‘ ermöglicht rechtliche Fragestellungen kostengünstig vorzubereiten, bevor kostspielige Rechtsdienstleistungen angefragt werden müssen. Darüber hinaus können Vertragsdokumente einer ersten Rechtsprüfung unterzogen werden. Ergänzend dazu profitieren Juristen / Rechtsabteilungen durch Automatisierung von Routinetätigkeiten in diesem Umfeld ebenfalls. Schrittbezeichnung Tools Risiko-Analyse (Anzahl: 14) • Anyword • Apex • Base64.ai • Bing • Claude • Copilot • Coveo • Document AI • InvtAI • Leap • Log Analyzer Pro GPT • Neuronsinc • Stelo AI • Sturdy Risiko-Steuerung (Anzahl: 7) • Claude • AskYourPDF • Explainpaper • Scribe • Copilot • Bing • AI Lawyer Risiko-Überwachung (Anzahl: 51) • Afforai • AIFYN • Alan AI • Apex • AskYourPDF • Bearly • beepbooply • Bing • Canva: AI Slide Creator • ChatGPT • Claude • Copilot • Copysmith • CustomGPT AI • DALL-E 2 • Decktopus AI • ElevenLabs • Explainpaper • GetMagicalAI • Ghostwriter • Grammarly • HumanAI Tech • IllumiDesk • JAMR.AI • Jurny.com • Leap • Leexi • Leonardo AI • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Minitlify • Neuronsinc • New Relic • NLPearl.ai • Otter.ai • PromptGenie • Propel • Quickchat AI • Scribe • Sembly AI • SidekickAI • SlidesAI.io • Stelo AI • Sturdy • Supernormal • Textcraft AI • tl; dv • UncovAI • Vitra.ai • Windsor • Wordtune Fortsetzung Tabelle: Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Risiko-Überwachung Das größte Potenzial ergibt sich in der Risiko-Überwachung. Risiken und dazugehörige Informationen zu kommunizieren ist ein wesentlicher Bestandteil der Risiko-Überwachung. ‚Large Language Models‘ und ‚Difussion models‘, wie Dall- E bieten hier-für besonders viele Möglichkeiten für die Verarbeitung und Repräsentation von Daten in Bildern oder Grafiken. Diese wiederum eigenen sich, um adressatengerechte Berichte zu erstellen und zu verteilen. Darüber hinaus lassen sich wesentliche Prozessschritte und Inhalte schnell und einfach visualisieren und für die weitere Nutzung verarbeiten. ‚Sembly‘ automatisiert den Dokumentationsprozess von Meetings. Meetingaufzeichnungen können transkribiert werden und Meetingnotizen werden automatisch mitprotokolliert. Daraus resultiert eine Verbesserung auf verschiedenen Ebenen. Auf der Individualebene: Die Details von Besprechungen können festgehalten und bei Bedarf direkt übermittelt werden. Dies erleichtert die Kommunikation und weist auf resultierende Verpflichtungen/ Aufgaben hin. Auf Teamebene kann so langfristig die Besprechungshäufigkeit reduziert werden und wichtige Entscheidungen, Probleme, Aktionen und vieles mehr stehen allen Mitgliedern zur Verfügung. Auf Unternehmensebene kann eine Verbesserung Produktivität durch die Reduzierung von verschwendeter Besprechungszeiten erzielt werden. Insgesamt wird der adressatengerechte Informationsfluss verbessert. Die meisten der dargestellten Anwendungen basieren auf ‚Large Language Models‘. Aufgrund der hohen Anzahl ebendieser sollen noch die größten Barrieren für deren Einsatz aufgezeigt werden. Obwohl die Potenziale von ‚Large Language Models‘ enorm sind, gibt es für deren Anwendung einige Barrieren. Zu diesen zählen Hadi et al. [10] unter anderem: • Bias LLMs können Biases aufweisen. Dies ist auf die Daten zurückzuführen, die zum Training des Modells verwendet wurden. Wenn diese Daten bereits ‚befangen’ sind, führt dies häufig zu Verzerrung der Wahrnehmung oder Meinungsbildung. Dies wiederum kann ungenaue oder sogar diskriminierende Analysen oder Empfehlungen zur Folge haben. • Halluzination In bestimmten Fällen versuchen Modelle fehlende Wissens- oder Kontextlücken durch Annahmen zu füllen, die auf Mustern basieren, die während des Trainingsprozess erlernt wurden. Die Resultate sind falsch, fiktiv oder irreführend und werden als Halluzinationen des Modells definiert. Hannigan et al. [8] bezeichnen diese Ergebnisse als ‘Botshit’ mit dem menschlichen Gegenpart ‚Bullshit‘. • Schwierigkeiten in Bereichen der Rechtschreibung Bestimmte Modelle weisen Schwierigkeiten in der Bearbeitung von Aufgaben, wie beispielsweise die Rechtschreibprüfung auf. • Fehler in der Argumentation Aufgrund von Ambiguität in einer Eingabeaufforderung oder bei inhärenten Beschränkungen des Modells können Fehler bei logischen Schlussfolgerungen die Folge sein. [9]. • Fehlende Transparenz in der Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen LLMs weißen einen gigantischen Umfang an Parametern auf, die resultierende Komplexität und der Umfang dieser Modelle führt jedoch zu einer Herausforderung hinsichtlich der Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Aufgrund der stetig wachsenden Parameterzahl der Modelle wird auch deren Entscheidungsprozess stetig schwerer greifbar. Darüber hinaus erschwert der Mangel an Transparenz den Erkenntnisprozess, welche Eingabe zu welchem Ergebnis führt. Übliche Trainingsprozesse umfassen häufig Daten aus unterschiedlichen Quellen, die Muster und Korrelationen aufweisen und folglich zu Verzerrungen in der Interpretation und Assoziation des Modells führen. Die Konsequenz ist, dass eine präzise Erklärung der Einflussfaktoren für die Entscheidung nicht oder nur schwer möglich ist. • Irreführende oder böswillige Eingabeaufforderungen Personen könnte beispielsweise irreführende Eingabeaufforderungen einfügen, um damit Einschränkungen zu umgehen oder sogar den Output des Modells böswillig zu manipulieren. 5 Fazit Large Language Models bieten trotz vieler Einschränkungen Potenzial zur Unterstützung in verschiedenen Aufgabengebieten des Projektmanagements. Für das Risikomanagement konnten bereits erste Ansatzpunkte für den Einsatz von LLMs und anderen KI-Modellen aufgezeigt werden, dennoch bleibt offen, wie mit den Herausforderungen weiter umgegangen wird und es besteht systematisch ein Bedarf an Orientierung, beispielsweise in Form von KI-Piloten [11]. Erste Untersuchungen zur Verbesserung beispielsweise der Bias-Herausforderung existieren bereits, dennoch ist die tatsächliche Anwendung im Unternehmenskontext an vielen Stellen noch fragwürdig und wird sich im Laufe der nächsten Jahre verfestigen. Diese Momentaufnahme liefert nur einen geringen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten und hat sicherlich nur eine kurze Halbwertszeit, da die Entwicklungen im Kontext von KI-Modelle rasant fortschreiten. Gerade ethische Herausforderungen im Einsatz und Umgang mit KI wird weiterhin eine offene Baustelle bleiben. Zudem ist zukünftig zu untersuchen, welche spezifischen KI-Anwendungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) nutzbar sind und wie diese Lösungen sich kosteneffizient in Unternehmens- und Projektprozesse integrieren lassen. Dies erfordert nicht nur eine Sensibilisierung und Übersicht über das Angebot, sondern auch weitere Maßnahmen wie Schulungen für Anwender sowie Entwickler. Demgegenüber bestehen für große Unternehmen mit entsprechenden finanziellen Ressourcen ganz andere Möglichkeiten, indem eigene Lernmodelle aufgestellt werden, bei denen die KI beispielsweise auf umfassende Daten aus internen ERP- Systemen zugreifen kann. Dies bringt- - gerade in Deutschland- - jedoch schnell Folgeprobleme mit sich, insbesondere im Datenschutz bzw. in der betrieblichen Mitbestimmung. 1 Literatur [1] Jakoby, Walter (2015): Projektmanagement für Ingenieure. Ein praxisnahes Lehrbuch für den systematischen Projekterfolg. 3., aktualisierte u. erw. Aufl. 2015. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 [2] Willumsen, P./ Oehmen, J./ Stingl, V./ Geraldi, J. (2019): Value creation through project risk management. In: International Journal of Project Management 37 (5), S. 731-749. DOI: 10.1016 / j.ijproman.2019.01.007. [3] Braun, T./ Müller-Seitz, G. (2023): Digitale Transformation: Wandel durch Projekte. 1. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen. [4] Sarker, I. H. (2021): Machine Learning: Algorithms, Real- World Applications and Research Directions. In: SN computer science 2 (3), S. 160. DOI: 10.1007 / s42 979-021- 00 592-x. [5] Bea, F. X./ Scheurer, S./ Hesselmann, S. (2020): Projektmanagement. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. München: UVK Verlag (Betriebswirtschaftslehre, 2388). [6] Seidel, U. M. (2011): Kapitel 2: Grundlagen & Konzepte Grundlagen und Aufbau eines Risikomanagementsystems. In: Andreas Klein (Hg.): Risikomanagement und Risiko-Controlling. Moderne Instrumente, Grundlagen und Lösungen. 1. Auflage 2011. Freiburg: Haufe Lexware (Haufe Fachpraxis). [7] Niederman, F. (2021): Project management: openings for disruption from AI and advanced analytics. In: ITP 34 (6), S. 1570-1599. DOI: 10.1108 / ITP-09-2020-0639. [8] Hannigan, T./ Mccarthy, I./ Spicer, A. (2023): BEWARE OF BOTSHIT: HOW TO MANAGE THE EPISTEMIC RISKS OF GE- NERATIVE CHATBOTS. In: Business Horizons. [9] White, J./ Fu, Q./ Hays, S./ Sandborn, M./ Olea, C./ Gilbert, H./ Elnashar, A./ Spencer-Smith, J./ Schmidt, D. C. (2023). A Prompt Pattern Catalog to Enhance Prompt Engineering with ChatGPT (arXiv: 2302.11382). arXiv. https: / / doi. org / 10.48550 / arXiv.2302.11382 [10] Hadi, M. U./ Tashi, q. a./ Qureshi, R./ Shah, A./ Muneer, a./ Irfan, M./ Zafar, A./ Shaikh, M. B./ Akhtar, N./ Wu, J./ Mirjalili, S. (2023): A Survey on Large Language Models: Applications, Challenges, Limitations, and Practical Usage. DOI: 10.36227 / techrxiv.23 589 741.v1. [11] Lächelt, V./ Arroyo Portillo, J./ Braun, T. (2024): KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten, in: Bernert, C./ Scheurer, S./ Wehnes, H. (Hrsg.): KI in der Projektwirtschaft. Tübingen: UVK Verlag, S. 169-178. Eingangsabbildung: © iStock.com / NicoElNino Autorenfotos: © Sascha Mannel Universität Kassel, Fachgebiet Projektmanagement in der Digitalen Transformation, Heinrich-Plett-Straße 40, D-34109 Kassel (Affiliation aller Autoren) Vincent Lächelt, M. Sc. Vincent Lächelt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen dabei im Risikomanagement und Controlling von Projekten, unter anderem zur Verbesserung der Akzeptanz sowie Wirtschaftlichkeit von Verkehrsinfrastrukturprojekten in Deutschland sowie zur Verbesserung der Lehre im Kontext der Digitalen Transformation. Neben der Forschung begleitet Vincent Lächelt das Thema Wissensvermittlung in verschiedenen Kontexten, wie Organisationen, Projekten und der Hochschulbildung. Jose Arroyo Portillo, M. Sc. Jose Arroyo Portillo ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel. Seine Forschungsexpertise liegt in der Nutzung fortschrittlicher Techniken des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, um die makroökonomischen Ergebnisse von Projekten in unserer Gesellschaft zu analysieren. Außerdem entwickelt er innovative Forschungsmethoden, um das Feld voranzubringen, und verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der es ihm ermöglicht, die zentrale Rolle von Projekten bei der Erreichung gesellschaftlicher Ziele zu verstehen. Univ.-Prof. Dr. Timo Braun Timo Braun ist Professor für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeitswissenschaft und Prozessmanagement. Er ist Teil der internationalen Review Boards des International Journal of Project Management sowie des Project Management Journals und hat selbst auch mehrfach dort publiziert. Er ist Preisträger des Global Research Awards der IPMA (International Project Management Associations) im Zusammenhang mit seiner Habilitation sowie des Deutschen Studienpreises Projektmanagement für seine Dissertation. Timo Braun ist der GPM seit vielen Jahren verbunden über Forschungsprojekte, seine vorherige von der GPM mitfinanzierte Juniorprofessur an der FU Berlin, sowie sein Engagement in mehreren Gremien. Weitere Informationen: siehe http: / / timobraun.com