eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0010
31
2024
351 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

KI und Projektmanagement-Governance

31
2024
Michael Boxheimer
Künstliche Intelligenz (KI) bezieht sich auf die Entwicklung von Computeralgorithmen und -systemen, die in der Lage sind, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernen, Sprache, Entscheidungsfindung und Problemlösung zu imitieren. KI-Technologien wie Neuronale Netze, Deep Learning, Maschine Learning, Large Language Models sind verfügbar, werden weiterentwickelt und in Anwendungssystemen eingesetzt. Software wird für alle Unternehmensbereiche angeboten, der aktuelle Hype gibt hier weiteren Schwung für neue Systeme sowie für Investitionen in Ideen von Start-up Firmen. Für die Projektmanagement-Governance bieten KI basierte Systeme ebenfalls umfangreiche Nutzenpotentiale. Die Implementierung bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die neue Kompetenzen erforderlich machen. Es empfiehlt sich daher nicht lange zu zögern und abzuwägen, sondern die Kompetenzen aufzubauen und Projekte durchzuführen.
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48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 KI und Projektmanagement-Governance Michael Boxheimer Für eilige Leser | Künstliche Intelligenz (KI) bezieht sich auf die Entwicklung von Computeralgorithmen und -systemen, die in der Lage sind, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernen, Sprache, Entscheidungsfindung und Problemlösung zu imitieren. KI-Technologien wie Neuronale Netze, Deep Learning, Maschine Learning, Large Language Models sind verfügbar, werden weiterentwickelt und in Anwendungssystemen eingesetzt. Software wird für alle Unternehmensbereiche angeboten, der aktuelle Hype gibt hier weiteren Schwung für neue Systeme sowie für Investitionen in Ideen von Start-up Firmen. Für die Projektmanagement-Governance bieten KI basierte Systeme ebenfalls umfangreiche Nutzenpotentiale. Die Implementierung bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die neue Kompetenzen erforderlich machen. Es empfiehlt sich daher nicht lange zu zögern und abzuwägen, sondern die Kompetenzen aufzubauen und Projekte durchzuführen. Schlagwörter | Neuronale Netze, Deep Learning, Machine Learning, Large Language Model, Projektmanagement- Governance Projektmanagement-Governance Bei der Governance für die Projektwelt handelt sich um den Teil der Corporate Governance, der sich auf Projekte, Programme und Portfolios (PP&P) bezieht. Sie beinhaltet unter anderem die Bereitstellung und wirksame Kommunikation strategischer Sichten, der Politik, der Richtlinien, der Führung, der Entscheidungen, der Überwachung und Steuerung der Leistungsfähigkeit sowie der Lenkung einer nachhaltigen Entwicklung der organisationalen Kompetenz für das Management von Projekten. Project Governance wird auch als die Aufsicht über Projekte, Programme und Portfolios verstanden. Mit diesen Ausführungen wird deutlich, dass Project Governance eine zentrale Aufgabe der übergeordneten Leitungsfunktionen ist. Das Topmanagement muss sich dieser Aufgabe annehmen und so die Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Management von Projekten, Programmen und Portfolios schaffen Projektmanagement-Governance bezieht sich auf die Steuerung und Kontrolle von Projekten in einer Organisation. Ziel ist es sicherzustellen, dass sie effektiv und effizient durchgeführt werden. Dazu werden Regeln, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Richtlinien festgelegt, die für die Planung, Durchführung und Überwachung von Projekten gelten. Die Projekte sollen die strategischen und operativen Ziele der Organisation unterstützen und gleichzeitig Risiken minimieren. Hier folgen einige wichtige Aspekte der Projektmanagement-Governance: • Rollen und Verantwortlichkeiten: In einer Projektmanagement-Governance-Struktur werden klare Rollen und Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten definiert. Dazu gehören Projektmanager, Projektteams, Auftraggeber, Lenkungsausschüsse und Stakeholder. • Richtlinien und Standards: Für die Organisation werden Richtlinien und Standards festgelegt, die die Methoden und Prozesse für das Projektmanagement beschreiben. Diese können sich auf die Auswahl von Projektmanagementmethoden, Dokumentationsanforderungen, Risikomanagementpraktiken und andere relevante Aspekte beziehen. • Entscheidungsgremien: Projektmanagement-Governance kann die Einrichtung von Entscheidungsgremien wie Lenkungsausschüssen oder Gremien für das Management der Projektportfolios beinhalten. Diese Gremien sind dafür verantwortlich, strategische Entscheidungen bezüglich der Projektauswahl und -priorisierung zu treffen. Wissen | KI und Projektmanagement-Governance 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 • Projektbewertung und -auswahl: Es werden Kriterien festgelegt, nach denen Projekte bewertet und ausgewählt werden. Dies kann auf finanziellen Kennzahlen, strategischen Zielen oder anderen Faktoren basieren, die für die Organisation wichtig sind. • Risikomanagement: Die Governance-Struktur legt auch fest, wie Risiken im Zusammenhang mit Projekten identifiziert, bewertet und gemanagt werden. Dies umfasst die Festlegung von Eskalationsverfahren für kritische Risiken. • Überwachung und Berichterstattung: Die Governance-Struktur definiert, wie die Fortschritte und Leistung der Projekte überwacht und berichtet werden. Dies kann die Erstellung von regelmäßigen Berichten und Statusupdates einschließen. • Verträge und Beschaffung: Wenn externe Ressourcen oder Dienstleistungen für Projekte benötigt werden, werden in der Projektmanagement-Governance Regeln für die Vertragsvergabe und Beschaffung festgelegt. • Veränderungsmanagement: Da sich Projektumfelder und -bedingungen ändern können, umfasst die Governance auch Mechanismen für das Veränderungsmanagement, um sicherzustellen, dass Projekte flexibel auf Änderungen reagieren können. • Wissensmanagement: Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus abgeschlossenen Projekten werden in das Wissensmanagement einbezogen, um zukünftige Projekte zu verbessern. Dies kann die Erstellung von Best Practices und die Schulung von Mitarbeitern umfassen. Projektmanagement-Governance ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Projekte erfolgreich abgeschlossen werden und die Ziele einer Organisation unterstützen. Eine effektive Governance-Struktur bietet Transparenz, klare Kommunikation und klare Verantwortlichkeiten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Projekte in der gewünschten Qualität, termingerecht und innerhalb des Budgets abgeschlossen werden. KI und Projektmanagement-Governance Künstliche Intelligenz (KI) kann in verschiedenen Bereichen der Projektmanagement-Governance unterstützen, indem sie effizientere und datengesteuerte Entscheidungsprozesse ermöglicht. Hier sind einige Möglichkeiten dargestellt, wie KI eingesetzt werden kann: • Automatisierung von Routineaufgaben: KI kann repetitive Aufgaben wie die Aktualisierung von Projektplänen, die Verfolgung von Budgets und die Erstellung von Statusberichten unterstützen und automatisieren. Dies spart Zeit und Ressourcen für das Projektteam. • Früherkennung von Risiken: KI kann Muster in Projektdaten erkennen und frühzeitig auf potenzielle Risiken hinweisen. Dies ermöglicht es Projektmanagern und Stakeholdern, proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um Probleme zu vermeiden oder abzumildern. • Ressourcenmanagement: KI kann bei der Optimierung der Ressourcenzuweisung helfen, indem es Daten über die Verfügbarkeit von Teammitgliedern, Lieferanten und anderen Ressourcen analysiert und Empfehlungen für deren Einsatz und effiziente Nutzung gibt. • Predictive Analytics: KI kann Prognosen für Projekttrends und -ergebnisse erstellen, basierend auf historischen Daten und aktuellen Parametern. Dies unterstützt die Entscheidungsfindung und die Anpassung von Projektzielen und -strategien. • Kommunikation und Kollaboration: KI-gestützte Chatbots und virtuelle Assistenten können bei der Kommunikation und Zusammenarbeit im Projektteam helfen, indem sie häufig gestellte Fragen beantworten, Informationen bereitstellen und Aufgaben delegieren. • Datenauswertung: KI kann große Mengen an Projektdaten analysieren und Muster erkennen, die für das Management und die strategische Ausrichtung von Projekten von Bedeutung sind. Dies kann zur Verbesserung der Projektperformance beitragen. • Ressourcenprognose: KI kann bei der Vorhersage des zukünftigen Ressourcenbedarfs für Projekte unterstützen, indem sie historische Daten und aktuelle Projektinformationen analysiert. Dies erleichtert die Kapazitätsplanung und Budgetierung. • Echtzeitüberwachung: KI kann Echtzeitdaten aus verschiedenen Projektquellen sammeln und analysieren, um Projektmanager über den aktuellen Status zu informieren und bei Bedarf automatisch Alarme auszulösen. • Personalentwicklung: KI kann personalisierte Schulungs- und Entwicklungspläne für Teammitglieder erstellen, basierend auf deren Fähigkeiten und den Anforderungen des Projekts. • Compliance und Governance: KI kann bei der Überwachung der Einhaltung von Richtlinien und Standards in Projekten helfen, indem sie Abweichungen erkennt und Warnungen generiert. Es ist wichtig zu beachten, dass KI nicht nur eine technologische Lösung ist, sondern auch eine Kultur des datengesteuerten Denkens und Handelns erfordert. Die Implementierung von KI in die Projektmanagement-Governance erfordert klare Ziele, Schulung der Beteiligten, Aufbau von Kompetenzen und eine sorgfältige Integration in die bestehenden Prozesse. Wenn jedoch richtig eingesetzt, kann KI dazu beitragen, die Effizienz, Transparenz und Erfolgsrate von Projekten in einer Organisation erheblich zu verbessern. Voraussetzungen, damit KI die Projektmanagement-Governance unterstützt Damit Künstliche Intelligenz (KI) die Projektmanagement-Governance unterstützen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen und Schritte erfüllt sein. Wie bei allen Projekten ist ein Beitrag zu operativen oder strategischen Zielen notwendig. Darüber hinaus sind hier einige wichtige Überlegungen skizziert: • Use Case und klar definierte Projektziele: Damit KI- Anwendungen in die Projektmanagement-Governance Bildnachweis: © iStock.com/ ArtHead- Wissen | KI und Projektmanagement-Governance 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 nutzbringend integriert werden können, sind geeignete Use Cases zu identifizieren und ein/ mehrere geeignete Use Case auszuwählen sowie klare Projektziele und -anforderungen festzulegen. Die KI ist darauf auszurichten, diese Ziele zu unterstützen. Für die ersten Projekte zur Implementierung von KI-Anwendungen können die Ziele und Anforderungen durchaus bescheiden sein, damit die gewünschten Projektergebnisse und Nutzen erreicht werden und Kompetenzen aufgebaut werden können. • Verfügbarkeit von Daten: KI-Systeme benötigen eine ausreichende Menge qualitativ hochwertiger Daten, um Muster und Trends zu erkennen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass Daten des Projektmanagements konsistent erfasst und gespeichert werden. Dabei sind auch Themen wie Datensicherheit, Privatsphäre und ethische Themen zu betrachten. • Datenqualität und -bereinigung: Die Daten, die der KI zur Verfügung gestellt werden, müssen sauber, konsistent und aktuell sein. Es ist oft notwendig, Datenbereinigungsprozesse zu implementieren, damit die Daten eine zuverlässige Basis für KI-Anwendungen darstellen. • Technologische Infrastruktur: Die Organisation muss über die notwendige technologische Infrastruktur verfügen, um KI-Systeme effektiv zu unterstützen. Dies kann die Bereitstellung von Rechenleistung, Speicher und Cloud- Hosting umfassen. Ein weiteres Thema ist zu entscheiden, ob die Services intern oder bei externen Betreibern laufen. • Die passende KI-Technologie, Software und Dienstleister: Es gibt verschiedene Arten von KI-Technologien, wie neuronale Netze, Deep Learning, Machine Learning, Large Language Models und andere. Im Ergebnis steht die Auswahl der Technologie und der Partner, die am besten zu den Anforderungen und Use Cases passen. Am Markt sind proprietäre als auch Open-source-Technologien verfügbar. • Trainieren, Testen und Validieren des Modells: Die KI-Software ermöglicht es, aus zugrunde liegenden Daten durch „Training“ die Muster für Entscheidungen aufzubauen, zu lernen und Wissen zu generieren, ohne- - wie bisher-- explizit programmiert zu werden. Eine qualitativ gute und zum geplanten Use Case passende Datenbasis ist eine wesentliche Grundlage für das Training der KI-Software. Je nach KI-Anwendung sind unterschiedliche Mengen an Daten bereitzustellen. Nachdem das Modell trainiert wurde, wird es getestet und validiert, um sicherzustellen, dass es die geforderten Ergebnisse liefert. • Implementieren Sie Ihr Modell: Schließlich wird das Modell implementiert und in die vorhandenen Systeme integriert, um es in der Praxis einzusetzen und den Nutzen zu realisieren, den die KI-Anwendung als Mehrwert für das Projektmanagement bietet. • Prüfen und Aktualisieren: Es gilt das Modell regelmäßig zu überwachen und zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass es weiterhin genau und produktiv ist. KI-Systeme und -Algorithmen werden ständig weiterentwickelt und verbessert. Die Organisation sollte einen Mechanismus für die kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der KI-Systeme implementieren. Verfügbare Softwarelösungen variieren in ihren Funktionen und Schwerpunkten, sodass die Auswahl davon abhängt, welche spezifischen Anforderungen vorliegen und welche Ziele angestrebt werden. Die verschiedenen Optionen müssen analysiert werden, um sicherzustellen, dass die gewählte Software gut zu dem Projektmanagement System und der Governance-Struktur passt. Die Ergebnisse, die KI basierte Anwendungen erzeugen, sind überraschend konkret und scheinen unmittelbar nutzbar zu sein. Die kritiklose Nutzung der Ergebnisse bringt jedoch Risiken mit sich, da die Ergebnisse im Einzelfall nicht konkret nachvollziehbar sind. Empfehlenswert ist es daher, die Ergebnisse zumindest in Stichproben durch Fachleute prüfen zu lassen und im Zweifel die Datenbasis und das Training des Modells zu erneuern. KI basierte Systeme bieten für die Projektmanagement-Governance-- wie für andere Unternehmensbereiche-- umfangreiche Nutzenpotentiale. Die Implementierung bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die neue Kompetenzen erforderlich machen. Es empfiehlt sich daher nicht lange zu zögern und abzuwägen, sondern die Kompetenzen aufzubauen und Projekte durchzuführen. Eingangsabbildung: © dataimasu-- stock.adobe.com Michael Boxheimer Michael Boxheimer war im Management und Projekt-Management tätig, initiierte Projekte zur Organisationsentwicklung von Unternehmen mit Schwerpunkt Projektgeschäft, um Kompetenzen und Prozesse zu verbessern und wettbewerbsfähiger zu werden. In Projekten war und ist Künstliche Intelligenz vielfach ein Thema da viele KI basierte Applikationen für die Unternehmensbereiche zur Verfügung stehen und große Nutzenpotenziale realisiert werden können. Heute ist er als selbständiger Berater, Trainer und Coach für Management und Projekt-Management tätig und arbeitet mit seinen Kunden an konzeptionellen und operativen Themen. Michael Boxheimer hat einen akademischen Hintergrund in Business Administration sowie einen M.A. (Systemische Beratung) erworben. Er hält Zertifikate in Projektmanagement von IPMA, APMG (UK) und Scaled Agile Inc. Kontakt: mib@boxheimer-projects.com