PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Der mentale Energietrunk
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben
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67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0017 Jens Köhler Priesberg betritt frustriert das Büro von Ehrlich. „Ich habe gleich zweimal verloren: Gegen den neuen KI-Chatbot chatGPT und gegen die Argumentation eines eingebildeten Kollegen.“ „Schwierige Zeiten“, entgegnet Ehrlich, „wenn sowohl die KI als auch die Menschen gegen einen sind.“ „Dabei wollte ich die Menschen gegen die KI verteidigen“, antwortet Priesberg resigniert. „Wie ist das Gespräch abgelaufen? “, fragt Ehrlich. „Der Kollege meinte begeistert, dass chatGPT fast alle Berufe, auch den des Projektleiters, überflüssig mache“, erläutert Priesberg und fährt fort: „Ich eröffnete das Gespräch, in dem ich darauf hinwies, dass die praktische Erfahrung von Projektführungskräften doch niemals durch eine KI ersetzbar ist.“Ehrlich unterbricht ihn: „Lass‘ mich raten, er entgegnete, chatGPT habe doch sicher eine Projektmanagement-Zertifizierung bestanden.“ Priesberg winkt müde ab: „Nicht nur das, man müsse nur die aktuelle Situation im Projekt zusammenfassen und Fragen an chatGPT stellen. Dann kämen Lösungsvorschläge heraus, die besser als menschliche sind.“ Ehrlich fasst zusammen: „Also gabst du energetisch entladen und mit dem Bewusstsein auf, zukünftig keine Arbeit mehr zu haben.“ Ehrlich legt eine Pause ein und holt tief Luft: „Es ist alles eine Frage der Energie. Wirkungsvolle Kommunikation ist Energiemanagement im Gehirn. Und zwar in deinem Kopf und dem deines Gegenübers.“ Priesberg stutzt: „Ich dachte, Kommunikation sei eine Sache der Worte. Und nun kommt noch die Energie dazu.“ Ehrlich legt los: „Zuerst die Prinzipien-- erstens: Sei selbst Meister deiner Energie. Lasse sie nicht durch dein Gegenüber, sei es Mensch oder chatGPT, einnehmen. Zweitens: Lenke den Energiefluss deines Gegenübers in die für dich gewünschte Richtung. Und drittens: Fragen ist wichtiger als reden.“ Ehrlich macht eine Pause und spricht dann im vollen Brustton der Überzeugung: „chatGPT wird uns alle überflüssig machen.“ Priesberg, jetzt hellwach, antwortet: „Woher weißt du das? Beweise es mir! “ Ehrlich antwortet selbstsicher: „chatGPT besteht die Projektmanagement-Zertifizierung. Dadurch kann es jede Frage beantworten und ist den Praktikern, die dicke Handbücher lernen und später anwenden müssen, haushoch überlegen.“ Priesberg antwortet: „Glaubst du, dass eine Zertifizierung allein ausreicht, um Projekte meistern zu können? “ Ehrlich zahlt es mit gleicher Münze heim: „Du hast sicher ein Gegenbeispiel.“ Priesberg überlegt. Er wirkt unsicher, da ihm nichts einzufallen scheint, hat aber plötzlich eine Idee: „Kann chatGPT Körpersprache und menschliches Verhalten spiegeln? “ Ehrlich antwortet: „Eins zu Null für dich. Es spricht bei Menschen die Spiegelneuronen nicht an, die für die Übertragung von Emotionen wichtig sind.“ Priesberg resümiert wie im Schlussplädoyer: „Und damit fehlt die Komponente, welche für Vertrauen im Projektteam essenziell ist. Und ohne Vertrauen hat ein Projekt noch nie funktioniert. chatGPT kann uns also nicht weiterhelfen.“ Zur Enttäuschung von Priesberg antwortet Ehrlich: „Doch! “ „Ich hatte gehofft, dass ich nun die schlagenden Argumente habe“, spricht Priesberg. Ehrlich greift ihm unter die Arme: „Naja, ich habe auch etwas anderes vor, als abends mich in Regelwerken zu vertiefen.“ Priesberg schnippt mit den Fingern: „Klar. Das Ding kann uns spezifische Antworten zu bestimmten Prozeduren liefern.“ Ehrlich fragt unschuldig: „Einfach so? “ Priesberg antwortet schnell: „Natürlich kommt es darauf an, wie die Eingabe an chatGPT erfolgt, also der Prompt formuliert wird. Da steckt menschliche Intelligenz drin.“ Ehrlich verbeugt sich und fasst zusammen: „Zwei zu Null für dich. Der Mensch spielt zwei wichtige Rollen: Erstmal kann durch ihn Vertrauen im Team erst entstehen und zweitens füttert menschliche Intelligenz die Maschine. Ich weiß also gar nicht, wo dein Problem war.“ Priesberg entgegnet trocken: „Ha, hätte ich auf deine erste Behauptung nicht mit einer Frage geantwortet, dann wäre ich wieder in meiner Endlosschleife gefangen gewesen.“ Er lächelt: „Die Frage schließlich gab mir Zeit, weitere Munition zu sammeln und von deiner Strategie abzulenken, sich nur auf die Dokumentation zu beschränken.“ „Und ab dort hattest du die Führung übernommen mit dem Thema ‚Vertrauen‘ einen Anker gesetzt, an dem du dich weiterhangeln konntest“, stellt Ehrlich fest. „Und darüber hinaus hast du eine Mensch-Maschine Perspektive für Projektmanagement skizziert.“ Priesberg lacht: „Na dann wenden wir die Erkenntnisse gleich an und beziehen chatGPT in die nächsten Aktivitäten ein.“ Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Kolumne Der mentale Energietrunk Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com
