eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0025
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2024
352 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Mission NullEmission – Ein Programm zur Dekarbonisierung von Produktionsstandorten und der Weg zur Kreislaufwirtschaft und der Steuerung durch ein PMO

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2024
Wolfgang Glitscher
Die Dekarbonisierung und die Umstellung der Produktion auf zirkulare Prozesse und die Verwendung nachhaltiger Rohstoffe liegt in der Hand der strategischen Entscheider von Organisationen, diese Transformation zu wollen. Die dafür notwendigen Konzeptionen und organisatorischen Maßnahmen sind in den nachfolgenden Schritten einzurichten. Die notwendigen Voraussetzungen, strategisches und operatives Management und damit auch das Projektmanagement betreffend, werden eingangs diskutiert und an Beispielen verdeutlicht. Anschließend wird am Beispiel eines internationalen Konzerns mit weltweit über einhundert Produktionsstandorten dargestellt, wie diese Transformationsprozess über ein Programm und ein Projektmanagement-Office (PMO) über einen Zeitraum größer als zehn Jahre gesteuert wird. Der Prozess dafür ist vollständig digitalisiert, um das notwendige Monitoring und Controlling zu gewährleisten.
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12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung von Produktionsstandorten und der Weg zur Kreislaufwirtschaft und der Steuerung durch ein PMO Wolfgang Glitscher Für eilige Leser | Die Dekarbonisierung und die Umstellung der Produktion auf zirkulare Prozesse und die Verwendung nachhaltiger Rohstoffe liegt in der Hand der strategischen Entscheider von Organisationen, diese Transformation zu wollen. Die dafür notwendigen Konzeptionen und organisatorischen Maßnahmen sind in den nachfolgenden Schritten einzurichten. Die notwendigen Voraussetzungen, strategisches und operatives Management und damit auch das Projektmanagement betreffend, werden eingangs diskutiert und an Beispielen verdeutlicht. Anschließend wird am Beispiel eines internationalen Konzerns mit weltweit über einhundert Produktionsstandorten dargestellt, wie diese Transformationsprozess über ein Programm und ein Projektmanagement-Office (PMO) über einen Zeitraum größer als zehn Jahre gesteuert wird. Der Prozess dafür ist vollständig digitalisiert, um das notwendige Monitoring und Controlling zu gewährleisten. Schlagwörter | Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft, Beiträge des Projektmanagements, Organisationsstrategie als Zündfunke, Einsatz eines PMO zur Steuerung am Beispiel eines globalen Players, Einsatz spezifischer digitaler Werkzeuge, Eine Welt-- unsere Verantwortung Dekarbonisierung? Kreislaufwirtschaft? „Das haben wir noch nie so gemacht! “ Produktionsprozesse zu dekarbonisieren und für eine Kreislaufwirtschaft zu gestalten, ist eine Herausforderung für das strategische und operative Management. Projekte werden weiterhin mit den bekannten Abgrenzungen zwischen den strategischen Entscheidern und den Akteuren der operativen Realisierung umgesetzt. Projektmanager liefern auf Kommando Projektergebnisse in geschlossene Strukturen. Sie verstehen sich nicht als die Gestalter der Zukunft. Silodenken und deren Kommunikationsprobleme zwischen dem strategischen und operativen Management besteht weiterhin. Befragungen von Projektmanagern und eigene Erfahrungen hierzu bestätigten dies (1,2). Ein Verlassen des take-make-waste (3) des gegenwärtig in den Produktionsprozessen vorherrschenden linearen Denkens, um Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, konfrontiert das strategische und das operative Management mit den Fragen zur Ressourcenschonung, eines angepassten Prozess- und Produktdesigns, den dafür notwendigen Produktionstechnologien und der Rückführung genutzter Produkte und ihrer Komponenten als auch die ökonomischen und psychosoziale Fragen der Arbeits- und Unternehmensorganisation. Die Situation ist nicht nur kompliziert, sondern hochgradig komplex. (4,5) Im Jahre 2023 waren weltweit lediglich für 7,2 % aller Wirtschaftssubjekte zirkulare Prozesse nachweisbar. (6) Dabei ist die produzierende Industrie weltweit abhängig von Logistikketten, fossilen Energieträgern und seltenen Rohstoffen. (7) Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 Für die produzierende Industrie bedeutet dies außer der Dekarbonisierung der Produktionsabläufe eine Kreislaufführung von Werk- und Wertstoffen, des Recyclings bzw. der Vermeidung von Abfällen. Greenwashing ist der einfache Weg. Unternehmen suchen nach Kompensationsmöglichkeiten , wie z. B. durch Förderung von Wiederaufforstungsprojekten. Die bestehenden Prozesse für die Produktion und Serviceleistungen werden, wenn dann nur zögerlich geändert in Richtung Kreislaufführung. Verordnungen und Regularien sind nicht unbedingt hier unterstützend. Gesetzgeber versuchen, durch neue oder erweiterte Verordnungen und Vorschriften Unternehmen zu zwingen, u. a. in Richtung Biodiversität tätig zu werden. Mit Verordnungen wie z. B. dem EU Nature Restoration Law wird versucht, den Verlust von Biodiversität und Erhalt von Ökosystemen zu beherrschen. (8) Schöne Grafiken mit erhoffter Wirkung zirkulieren aber keine zirkulären Produkte. Wirtschaftsprüfer erhalten neue Umsatzmöglichkeiten, der bürokratischen Aufwand erhöht sich für die Betroffenen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen für die erhofften Wirkungen auf die Ökosysteme und die Rohstoffverfügbarkeit und Dekarbonisierung ist fraglich. Man folgt weiterhin der bewährten aber nicht mehr zielführenden Methode der Beherrschbarkeitsideologie. Ein Denken, dass die Ewigkeitslasten der menschlichen Handlungen einbezieht und ein Denken in Kreisläufen beinhaltet, ist nicht wirklich sichtbar. (9) Diese Denk- und Handlungsweisen finden sich in den methodischen Diskussionen um nachhaltiges Projektmanagement wieder, wie im methodischen Ansatz des Green Project Managements . Das Greenwashing von Verhaltensweisen und Methoden dieser Berufsgruppe soll eine Handlungsanleitung zur Nachhaltigkeit liefern. Deren tatsächliche Wirksamkeit für Dekarbonisierung und Zirkularität, abgeleitet mit den Schlagworten People-Planet-Profit, darf infrage gestellt werden. Der Ausschluss der strategischen Entscheider und deren Entscheidungen dieser methodischen Ansätze für ein sogenanntes nachhaltiges Projektmanagement ist kontraproduktiv. Die Kommunikation, WARUM dieses Projekt jetzt und wie durchgeführt werden soll und was es liefert, und wie Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen sind, wird nicht oder nur rudimentär berücksichtigt. (10, 11) Ebenso wie die die Fähigkeit von Projektverantwortlichen mit tiefgehender langjähriger Erfahrung, die in der Lage sind, über ein Projektende und der damit verbundenen Auslieferung des Ergebnisses hinauszudenken, nicht betrachtet wird. Eine Welt-- Unsere Verantwortung Die Schlagworte People-- Planet-Profit weisen auf das Dilemma hin: Wie kann eine Integrierung dieser drei Faktoren für den Erhalt der menschlichen Spezies erreicht werden? Acht Milliarden Menschen sind die Herausforderung für alle. Strategisches und operatives Management müssen ihre Verantwortungsbereiche erweitern. Dies lässt sich in vier Worte fassen: Eine Welt -unsere Verantwortung. Eine kurzbis mittelfristige Zielsetzung und das reine Liefern von Ergebnissen in geschlossene Strukturen verbleibt im linearen Prozess des take-make-waste . Dekarbonisierung und Fertigungsprozesse in Kreisläufe zu überführen, benötigt einen Paradigmenwechsel mit einem langfristigen strategischen Denken in enger und fortwährender Kooperation mit der operativen Realisierung: Warum ist was wie bis wann erreichbar? Welche Randbedingungen müssen hierfür geschaffen werden? Welche Fähigkeiten sind notwendig und wie sind diese erreichbar? - - um nur auf einige zu beantwortenden Fragen in dieser Richtung hinzuweisen. Die Lage ist komplex. Vom deutschen Fotografen Hans Hansen gibt es ein Foto, auf dem eines der ersten Modelle des VW-Golf in seine damals 7.000 Komponenten zerlegt, abgebildet ist. Die Zahl der Komponenten für diese und Fahrzeugmodelle anderer Hersteller ist inzwischen auf ca. 30.000 angewachsen. (12) Unter Gesichtspunkten des Remanufacturing und der Hinwendung zur Kreislaufwirtschaft bedeutet dies, alle Komponenten dieses Modells unter neuen und anderen Gesichtspunkten des Designs, der Fertigung, des Vertriebs und einer Re-Organisation im Unternehmen selbst zu betrachten. Alle menschlichen Produktions-, Sozialisations-, Kommunikations- und Verteilungssysteme unterliegen Regelwerken und einer hierarchisch kontrollierten Vorgehensweise innerhalb der Organisationen. Nach den ESG-Kriterien ist die ökologische, die soziale und die ökonomische Nachhaltigkeit in diese Prozesse einzubeziehen. Die ökonomische Nachhaltigkeit sichert die notwendigen Investitionsmittel, um die notwendige Transformation in Richtung Circular Economy zu gewährleisten. Nur diese Anpassungsleistungen ermöglichen der wachsenden Weltbevölkerung das Überleben. Die Kom- Abbildung 1: eines der ersten Modelle des VW-Golf in seine Komponenten zerlegt (Hans Hansen, Fotograf) Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 plexität dieser Aufgaben erfordert eine schrittweise Vorgehensweise. Die nachstehende Abbildung 2 zeigt einen möglichen Ansatz für die dafür notwendigen Vorgehensweisen für eine Circular Economy wie er bereits in Forschung und Entwicklung diskutiert wird. Davon betroffen sind Produktions-, Sozialisations-, Kommunikations- und Verteilungsprozesse. Die bisherigen Managementmethoden bilden dies nicht ausreichend ab- - ein Paradigmenwechsel- - oder besser deren Erweiterung-- ist notwendig. Die R-Strategien-- von Refuse bis Recover-- benötigen diese erweiterten Managementsysteme sowohl aus der strategischen als auch der operativen Position heraus. Über mehrere Produktlebenszyklen kann ein Produkt, bzw. seine Komponenten verschiedene Zustände aufweisen. Eine Life-Cycle-Sustainability für ein Produkt, wie in der Abbildung dargestellt, wird dann möglich, wenn über diese Zustände hinweg Nachhaltigkeitskriterien erreicht werden. Von den strategischen Entscheidern sind unternehmensphilosophische Grundsätze zu formulieren und überzeugend zu kommunizieren. Diese Verantwortung beinhaltet Grundsätze, die über das Weiterbestehen der Organisation im Wettbewerb und den damit verbundenen Stakeholdern hinausreichen: Eine Welt-- unsere Verantwortung. In die strategischen Entscheidungsprozesse ist das operative Management einzubeziehen. Dabei ist von folgenden Voraussetzungen auszugehen, die in den strategischen Entscheidungsfindungs- und Kommunikationsprozess zu integrieren sind: • Das Projektmanagement verfügt über umfangreiches operatives Wissen, wie und mit welchen Ressourcen und mit welchem Aufwand Umsetzungen bis wann möglich sind. • Innerhalb bereits realisierter Projekte existiert Wissen darüber, wie und wo Weiterentwicklungen der bisherigen Produktentwicklungen in Richtung zirkulärer Prozesse möglich sind. • Weiterhin ist davon auszugehen, dass das Projektmanagement über Wissen und Erfahrungen verfügt, mit komplexen Herausforderungen umzugehen und wie diese gelöst werden können. Dies impliziert für das Projektmanagement ein Verständnis dafür, sich als Designer der Zukunft zu verstehen und zu definieren. Organisationen, die bereits über Strukturen für das Programm-Management und darüber hinaus für das Projekt-Portfoliomanagement und die damit verbundenen organisatorischen Ressourcen und Erfahrungen verfügen, können einen solchen strategisch-operativen Prozess der Kooperation zwischen der Organisationsstrategie und der operativen Realisierung umsetzen. Um alle Nachhaltigkeitsziele in der vorgegebenen Zeitspanne erfolgreich zu realisieren, ist ein organisatorischer Wandel und nicht nur eine Reorganisation der Geschäftsprozesse erforderlich. Alle Geschäftsbereiche müssen die Nachhaltigkeit als eine der wichtigsten Säulen in ihre Ziele einbeziehen, und diese Ziele müssen mit den organisatorischen Zielen übereinstimmen. Betrachtet man die Nachhaltigkeit aus einem breiteren Blickwinkel, so handelt es sich im Wesentlichen um die Erweiterung der sozialen Verantwortung der Unternehmung selbst. Haben Unternehmen bisher einen Teil ihrer Gewinne für die soziale Verantwortung einbehalten, müssen sie jetzt auch die erforderlichen Mittel hier einbeziehen, um einen sinnvollen Beitrag für den Erhalt des Planeten für das menschliche Leben zu leisten: Reorganisation der gesamten Produktweiterentwicklung im Sinne von Dekarbonisierung und der Transformation in zirkuläre Prozesse. (13) Im nächsten Abschnitt wird am Beispiel eines internationalen Konzerns mit über einhundert Produktionsstandorten weltweit dargestellt, wie und auf welcher Basis die strategischen Entscheidungen für Mission NullEmission getroffen wurden und wie die operative Umsetzung mit Unterstützung durch ein PMO mit einem Portfolio-Prozess realisiert wird. Da es sich um ein sehr umfangreiches Programm handelt, kann hier nur ein Abriss dargestellt werden. Am Anfang steht die Strategie: Mission NullEmission Am Anfang stand die strategische Entscheidung des Managements: Dekarbonisierung aller weltweiten Produktionsstandorte bis zum Jahr 2040 und über dieses Primärziel hinaus sich damit auseinanderzusetzen, wie eine nachhaltige Produktstrategie möglich wird. Es ist unstrittig, dass damit der oben beschriebene Schritt zu einer Veränderung der gesamten Organisation notwendig ist. Weiterhin ist klar, dass die Umsetzung dieser ambitionierten und sicherlich mit zahlreichen Abbildung 2: Schmitt, R. H.; Bodenbrenner, M., Brings, H., Montavon, B.: Datenstrukturen für eine resiliente Life Cycle Sustainability; in: Empower Green Production, Fraunhofer IPT, 2023 Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 Risiken behafteten Ziele, eine Organisationseinheit zur Steuerung und Kontrolle über einen Zeitrahmen größer als zehn Jahre, notwendig macht. Es fand zunächst eine Orientierung zur Gestaltung der nächsten Schritte an den drei Gruppen Technologien, ökonomische und soziale Anpassungen sowie Governance, Institutionen und Verpflichtungen statt. (14) Diese wurden als Herausforderungen gesehen und es war deutlich, dass die Umsetzung der Strategie Mission NullEmission einen langen Atem benötigt (siehe Tabelle 1). Auf dieser Basis wurden die fünf Ebenen entworfen, die für eine Umsetzung mit den notwendigen Maßnahmen und der organisatorisch-personellen Ausgestaltung notwendig sind (Tabelle 2). Mission NullEmission wurde von Anfang an als ein umfangreiches Programm geplant. Alle weltweiten Produktionsstandorte wurden aufgefordert, Projektverantwortliche zu benennen, die für die lokale Umsetzung verantwortlich sind. Das Projektmanagement selbst wurde vom Kommunikationsprozess als Top-down-Flow und Bottom-up-Aggregation eingerichtet: Die jeweils Projektverantwortlichen der Produktionsstandorte hatten weitgehende Entscheidungsfreiheit, wie die notwendige Realisierung zunächst für die Dekarbonisierung des jeweiligen Standortes unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen und kulturellen Randbedingungen vorgenommen werden muss. Die standortspezifischen Projektverantwortlichen sind damit befähigt, selbst die notwendigen Entscheidungen zur Zielerreichung zu treffen. Das Reporting erfolgt Bottom-up in Richtung PMO, entsprechende Gremien und dem Top-Management. Das Netto-Null-Ziel wird von der Unternehmensleitung festgelegt, und es wird erwartet, dass die Standorte dieses Ziel kumulativ erreichen. Die Anforderungen und Geschäftsziele fließen also von den Interessengruppen des Unternehmens zu den Programmverantwortlichen, von dort zu den Länderverantwortlichen, von dort zu den Geschäftsverantwortlichen und schließlich zu den Projektmanagern. In Abbildung 3 ist dies als Übersicht dargestellt. PMO als zentrale Steuerungseinheit Für die Steuerung dieses anspruchsvollen Programms und das Monitoring und Controlling wurde ein PMO in Deutschland gegründet. Jeder Produktionsstandort ist als unterste Basisebene definiert und das Management ist die höchste Ebene. Es existieren auch Strukturen als Geschäftseinheiten, die mehrere Produktionsstandorte umfassen. Das PMO hat nun die anspruchsvolle Aufgabe, die Kommunikation der Aggregationsstrategie mit Rückkopplungen und Synergien zwischen den Standorten, den Geschäftseinheiten und allen Verantwortlichen zu steuern. Das Programm Mission NullEmission wurde für den Zeitrahmen bis 2040 in drei Phasen unterteilt. Diese sollen für jeden Standort einen zeitlichen Orientierungsrahmen liefern, in dem die jeweils einzelnen Projekte initiiert, geplant, realisiert und wenn möglich abgeschlossen werden sollen. Die Phase 1 wurde für die ersten zwei Jahre definiert. Der Erfüllungsgrad für diese Phase wurde mit 95 % angesetzt. Inhaltlich geht es in dieser Phase um die Initialisierung und Planung für alle Produktionsstandorte hinsichtlich aller in ei- Tabelle 2: Die fünf Ebenen, die für eine Umsetzung Mission NullEmission notwendig sind Tabelle 1: Herausforderungen auf dem Weg zu NetZero (Mekala 2021) Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 ner Projektcharta und die nachfolgende detaillierte Planung notwendigen Dokumentationen als Grundlage für die nachfolgenden Realisierungen in der Phase 2- - für fünf Jahre geplant- - und Phase 3, die auf sieben Jahre angesetzt ist. Die Phase 2 lässt dabei ausreichend Spielraum für Änderungen hinsichtlich des Inhalts- und Kostenrahmens für das jeweilige Projekt und die Phase 3 ist als eine Art Platzhalter definiert, in der neue, innovative Ideen willkommen sind und deren Umsetzungsmöglichkeit in Erwägung gezogen werden kann. Neben der Unterstützung der Standorte für die jeweilige oben beschriebenen Phasen kommuniziert das PMO fortlaufend mit den jeweiligen Produktionsstandortverantwortlichen alle Spezifikationen und Besonderheiten, die für jeden Standort für die Realisierung notwendigen Maßnahmen bzw. Beschaffungen. Diese sind in einer Übersicht in Tabelle 3 dargestellt. PMO für Mission NullEmission : Steuerung, Monitoring und Controlling voll digitalisiert Für das hier beschriebene Beispiel eines Unternehmens mit mehr als einhundert weltweiten Produktionsstandorten, ist die Programmsteuerung sowie das Monitoring und Controlling ohne den Einsatz strukturierter spezifischer digitaler Tools nicht möglich. Das Unternehmen nutzt hierfür einen umfangreichen Pool digitaler Werkzeuge und Visualisierungs-Dashboards. Das gesamte digitale System basiert auf den Ressourcen von Microsofttechnologien und nutzt SharePoint und mit diesen verfügbaren Applikationen. Alle Top-down-Strategien sind nur Mittel zum Zweck, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, aber die wirklichen Auswirkungen und die Bedeutung müssen auf der Basisebene liegen- - am Produktionsstandort. Bei diesem Ansatz ist es schwierig, den tatsächlichen Fortschritt zu verfolgen, wenn mehrere Informationsströme von den verschiedenen Standorten in unterschiedlichen Standards vorliegen. Die Standardisierung der Datenerfassung und die Aggregation von Daten auf verschiedenen Ebenen ist hier der beste Ansatz, um Fortschritte zu verfolgen. Die Granularität ermöglicht auch die Aggregation der Daten nach Geschäftseinheit, Land, Region oder Unternehmen und, falls erforderlich, eine Mischung aus verschiedenen Standorten. Und die Aggregation aller Standorte liefert die Gesamtkennzahlen des Unternehmens. Für den Top-down-Ansatz wird ein datenbankgestütztes Wissensmanagement eingesetzt und über das PMO gesteuert. Die erhaltenen Daten werden allen relevanten Programmbeteiligten zur Verfügung gestellt. Dazu gehört die Kommunikation der Unternehmensziele, der aktuell verfügbaren Technologien und deren Leistungsparameter sowie deren Vor- und Nachteile, der Rollen und Zuständigkeiten, der geschätzten Kapital- und Betriebskosten, der verfügbaren Anbieter der Technologien bzw. der ggf. notwendigen F&E usw. Alle diese Informationen werden digital bereitgestellt mit einem robusten Zugriffsverwaltungssystem. SharePoint ist mit PowerBI verknüpft, einem Berichts-, Datenanalyse- und Visualisierungstool, um die Nutzung der Daten zu erleichtern. Das Programm-Management-Team pflegt die digitale Wis- Abbildung 3: Top-down-Flow und Bottom-up-Aggregation für die Realisierung Mission NullEmission Tabelle 3: Übersicht über die Unterstützungsleistungen des PMO Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 sensdatenbank. Es ist unerlässlich, alle Daten aktuell, genau, vollständig und zuverlässig zu erfassen und zu halten. Das System ermöglicht Kollaborationen, in denen jeder, der über relevante Daten verfügt, diese mit anderen teilen kann, um diese in einem Peer-Review-Prozess auf Qualität und Korrektheit für das gesamte Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Produktionsstandorte, die für die Realisierung eine Technologie einsetzen wollen, die noch nie auf Unternehmensebene eingesetzt wurde, müssen sich als Leuchtturmprojekte für diese Technologie verstehen und ihr gewonnenes Wissen und Erfahrung zur Verfügung stellen. Da diese Standorte mit den neuen Technologien ein höheres Risiko eingehen, müssen diese sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht umfassend dokumentiert werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden genutzt, um daraus ggf. Lösungen weiterzuentwickeln. Digital gesteuertes Nachhaltigkeitsmanagement Abschließend erfolgt noch ein Überblick, wie das Management für das Programm Mission NullEmission entworfen und eingesetzt wird. Der Top-down-Fluss, die Bottom-up-Aggregation und das Monitoring und Controlling für die Umsetzung und die erreichten Zwischenstadien kann für ein Programm dieser Größenordnung nur mit der Unterstützung digitaler Werkzeuge wie oben beschrieben durchgeführt werden. Dafür wurden programmspezifische Dashboards und Steuerungsinstrumente individuell entwickelt. Diese sind in Tabelle 4 in einer Übersicht dargestellt. Es sollte deutlich geworden sein, dass für alle Aspekte, die die ESG-Kriterien und deren Umsetzung innerhalb von Organisationen, primär die strategische Entscheidung des Managements steht. Nachfolgend ist die Umsetzungsplanung mit allen dafür erforderlichen Spezifikationen zu entwerfen und die dafür organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Das operative Management in Form des Projektmanagements ist hier für den Erfolg der Realisierung entscheidend. Vor allem ist es erforderlich, dass seitens des Projektmanagements und deren Ausführenden alle Teilprojekte dieses umfangreichen und ehrgeizigen Programms auf einen Zeitraum größer als zehn Jahre verstanden werden müssen. Damit wird jeder einzelne Projektverantwortliche zum Gestalter der Zukunft für seinen jeweiligen Standort. Das eingerichtete PMO als zentrale Steuerungseinheit ist hier die Spinne im Netz für die Kooperation, Kommunikation sowie das Monitoring und Controlling der Umsetzung. Parallel zu diesem Dekarbonisierungsprogramm werden Maßnahmen angegangen, wie die gesamte Produktpalette des Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickelt werden kann. Die Zukunft ist gestaltbar. Die Unternehmenslenker müssen den Mut dafür aufbringen. Eine Welt-- unsere Verantwortung. Literatur [1] Glitscher, W.: Den Superkunden verstehen! Next7G Project Management-- Nachhaltiges Projektmanagement für die nächsten sieben Generationen; Projektmanagement Aktuell, 34. Jahrgang, 03 / 2023 [2] Friedrich, K.: Behavioral barriers to act sustainably; 2023, in print, Universität Erlangen [3] Zirkulare Geschäftsmodelle: Barrieren überwinden, Potenziale freisetzen; Circular Economy Initiative Deutschland, acatech, 2021 [4] Sharma, M.; Dixit, Y.; Glitscher, W.: Re-Thinking Project Management-- A sustainable approach put up for discussion; 27th International Congress on Project Management and Engineering, IPMA, San Sebastian, July 2023 https: / / doi.org / 10.31219 / osf.io / hmqea [5] Glitscher, W.: Re-Thinking Project Management for Circular Economy; IPMA Global Project Profession Forum, Sevilla, September 2023 [6] www.circularity-gap.world / 2023 [7] Empower Green Production, Tagungsband Fraunhofer- IPT, 2023 [8] McClellan, A.: Regulatory Requirements; PwC, ESMT Sustainable Business Roudtable, Berlin, Mai 2023 [9] Glitscher, W.: https: / / www.gpm-blog.de / denken-in-ewigkeitslasten-eine-vision-fuer-das-projektmanagement-derzukunft/ November 2021 [10] Schoper, Y.: Nachhaltiges Projektmanagement-- Ressourcenschonung in Projekten; Projektmanagement Aktuell, 3 / 2018 [11] Persönliche Kommunikation mit Prof. Dr. Frank Habermann, Berlin, Hochschule f. Wirtschaft und Recht, 2024. Siehe auch: Vergiss den Auftraggeber- - nur Eigentum verpflichtet, Kundenorientierung neu gedacht, PM-Forum 2019 Abbildung 4: Tabellarische Übersicht über die digitalen Steuerungsinstrumente Wissen | Mission NullEmission-- Ein Programm zur Dekarbonisierung 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0025 Dr. Wolfgang Glitscher Dr.rer.nat. Wolfgang Glitscher, Dipl.- Biochemiker und Chemie-Ingenieur, zehn Jahre Erfahrung in F&E (TU Berlin), anschließend zehn Jahre bei Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft tätig, dabei u. a. Programmdirektor der Telematikplattform für medizinische Forschungsverbünde der Gesundheitsforschung. Langjährige Erfahrung im Consulting für Projektmanagement in einer mittelständischen Beratungsgesellschaft. Seit 2005 Dozent für Projektmanagement an der Technischen Universität Berlin im internationalen Masterstudiengang Global Production Engineering. Delegierter der GPM (Region Berlin), Mitglied der FG PM an Hochschulen und der SIG ESG der IPMA. w.glitscher@campus.tu-berlin.de [12] Manoury, M.; Bassam, H.: Module Based Solution Engineering, Fraunhofer-IPK, Berlin 2023 [13] Mahaligam, A. B.: Developing a Digital Ecosystem to Monitor Greenhouse Gas (GHG) Reduction Strategy for Manufacturing Plants to Reach Net Zero Emissions; Technische Universität Berlin, 2023 [14] Mekala, K. et.al.: Solving the net-zero equation: Nine requirements for a more orderly transition; McKinsey & Co (2021) https: / / www.mckinsey.com / capabilities / sustainability / ourinsights / solving-the-net-zero-equation-ninerequirements-for-a-more-orderly-transition Eingangsabbildung: ©iStock.com / Khanchit Khirisutchalual Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Änderungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Es konzentriert sich auf zentrale Aspekte rund um die KI, die sich in vier Abschnittsüberschriften widerspiegeln: Problemstellungen und Chancen, Methodenunterstützung, Herausforderungen im Projektmanagement sowie Unterstützung von Projektfunktionen. Dieser Band ist damit nicht nur ein Leitfaden für KI im Projektmanagement, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Die Herausgeber und Autor: innen bieten wertvolle Einblicke und Anregungen, die Chancen von KI zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu meistern, die diese neue Ära mit sich bringt. Christian Bernert, Steffen Scheurer, Harald Wehnes (Hrsg.) KI in der Projektwirtschaft Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? Projektmanagement neu denken 1. Auflage 2024, 349 Seiten €[D] 49,90 ISBN 978-3-381-11131-2 eISBN 978-3-381-11132-9 Buchtipp Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spra cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kultur wissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. 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