PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0056
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Über Regeln, Beschränkungen und Medien
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben
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71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0056 Über Regeln, Beschränkungen und Medien Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch- - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich sitzt an einem Schulbuchrätsel über römische Zahlen, als Priesberg sein Büro betritt. Er spricht Priesberg direkt an: „Wusstest du, dass es eine größte römische Zahl laut den im Buch vermittelten Symbolen gibt? “ Priesberg schüttelt den Kopf: „Nein, ich dachte, der Zahlenraum ist unbeschränkt. Wie lautet sie denn? “ Ehrlich schreibt sie an die Tafel: „3999 also MMMCMXCIX. Das liegt an dem komplizierten Regelwerk. Es gibt nämlich nur die Buchstaben I, V, X, L, C, D und M für 1, 5, 10, 50, 100, 500 und 1000.“ „Damit kann ich doch alle Zahlen darstellen, ich muss die Buchstaben nur oft genug aneinanderreihen. Dunkel erinnere ich mich, dass man die Buchstaben addiert, wenn man sie von links nach rechts schreibt und subtrahiert, wenn man sie von rechts nach links schreibt“, erläutert Priesberg. Ehrlich ergänzt: „Es gibt aber neben anderen Regeln eben auch diese: Man darf Buchstaben nur dreimal nebeneinander schreiben und andere sogar nicht mal zweimal. Daher ergibt sich eben diese größte Zahl.“ Priesberg schnipst mit den Fingern: „Lass‘ uns das mal auf die heutige Zeit übertragen. Flugzeuge könnten bis maximal vier Kilometer hoch fliegen, der Äquator könnte nicht vollständig vermessen werden-…“ Ehrlich winkt ab: „In unserer Zahlenwelt sind die Beschränkungen durch die römischen Zahlen offensichtlich. Wir sollten nach Beispielen suchen, bei denen es versteckte Beschränkungen gibt.“ Er trinkt einen Schluck aus einem Glas: „Zum Beispiel in der Digitalisierung bei Anwendung der Regel: ‚Jeder Sprint dauert nur 24 Stunden‘. Bei kleineren Projekten ergibt das Sinn, bei größeren eher weniger.“ Priesberg wundert sich: „Da habe ich dir mehr zugetraut. Woran krankt es in der Digitalisierung wirklich? “ Ehrlich antwortet: „Naja, daran dass bestimmte Tools zur Erfassung von Daten nicht richtig benutzt werden.“ Priesberg hakt nach: „Das ist mir zu wenig. Werden die Tools aus Bequemlichkeit nicht benutzt, oder aus tiefergehenden Gründen? “ Ehrlich antwortet brav: „Vermutlich hat man Daten und Tools mental nicht getrennt. Man redet über Daten, denkt aber an IT-Systeme.“ Priesberg antwortet gönnerhaft: „Ganz genau. Und damit sind wir bei den römischen Zahlen und der Beschränkung auf 3999. In unserem Beispiel ist die Beschränkung durch das IT- System gegeben.“ „Jaja, man kommt aus ihm nicht heraus; die Fähigkeiten des Systems bestimmen, welche Daten aufgenommen und verarbeitet werden können. Der Lösungsraum wird dadurch drastisch eingeschränkt,“ übernimmt Ehrlich. „Gibt es denn Positivbeispiele? “, insistiert Priesberg. Ehrlich überlegt: „Wenn ich mit Menschen zu tun habe, mache ich mir mein eigenes Bild und verzichte darauf, die Einschätzung von Kollegen zu übernehmen. Es ist ein guter Schachzug: Durch Auslassen von Vorurteilen traut man bis dato unbekannten Menschen viel mehr zu. Es erweitert den Lösungsraum.“ Priesberg fragt weiter, er scheint an dem Thema Gefallen gefunden zu haben: „Wie kann man denn erreichen, eine solche Beschränkung zu erkennen? Bei den römischen Zahlen ist das offenbar nicht schwer.“ Ehrlich überlegt: „Es ist wohl ein wenig, wie ein Wollknäuel zu entwirren. Was sind die Dinge, mit denen ich eigentlich zu tun habe, und was ist das Medium, wodurch sie transportiert werden? Das Prinzip ist: ‚Das Medium darf die Dinge nicht einschränken‘.“ Er fährt fort: „Bei den Zahlen ist das Wesentliche das Zählen,“ er zählt die Finger seiner rechten Hand ab, „eins, zwei, drei-… und die Finger, äh, Buchstaben der Römer sind das Medium.“ Priesberg ergänzt: „In der Digitalisierung haben wir es mit Daten zu tun-- wir könnten auch auf Papier digitalisieren-…“ Ehrlich fällt ihm ins Wort: „Das dauert zu lange- … daher sind Computer das bessere Medium. Aber die Digitalisierung auf Papier gefällt mir dennoch, damit lassen sich die Richtigkeit der Beziehungen der Daten und ihrer Eigenschaften durchspielen.“ „Um wieder auf Projekte zu kommen”, ergänzt Priesberg: „Projektinhalte sind das Wichtige, das agile Rahmenwerk ist das Medium, mit dem sie sich materialisieren lassen. Und die Regeln sollten so gewählt werden, dass sie den Projektinhalten dienen, also messbaren Projektfortschritt ermöglichen.“ Ehrlich steht auf und macht eine Verbeugung vor Priesberg: „Welch unbekannte Gewandtheit, lieber Kollege! Was hast du getan? “ „Ich habe heute mal verzichtet, so zu denken, wie ich glaube, wie es die Organisation will. Schließlich ist die Organisation nur das Medium, durch das wir wirken“, schließt Priesberg ab. Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Kolumne
