eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0075
0923
2024
354 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Nicht das Beste, oder?

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2024
Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 04/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0075 Kolumne Nicht das Beste, oder? Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich nimmt an einer Projektteamsitzung seines Kollegen Priesberg teil. Doch bevor sie mit der Arbeit beginnen, ruft dieser ins Team: „Wir haben das beste Projektmanagement der Welt! “ Mechanisches Kopfnicken ist die Antwort. Anschließend beginnt die Arbeit, allerdings verheddert sich das Team häufig im Klein-Klein und diskutiert lautstark Prioritäten. „So sieht also das beste Projektmanagement der Welt aus“, spottet Ehrlich, als dieser mit Priesberg schließlich alleine im Besprechungsraum sitzt. Priesberg antwortet empört: „Wir haben doch die allerneuesten Methoden berücksichtigt und wenden sie auch an, wie du es wahrgenommen haben solltest. Streitigkeiten kommen in den besten Familien vor und zeugen keineswegs von Schwächen in den Methoden.“ Er fährt fort: „Ich weiß, was du jetzt sagen willst. ‚Schaue dir erst mal die Ergebnisse an, dann wissen wir, ob die Methoden auch was getaugt haben.’“ Ehrlich huscht ein Lächeln übers Gesicht, denn er hatte vor, genau das zu sagen. „Reden wir doch mal wieder über Glaubenssätze“ [1], entgegnet er stattdessen. Priesberg erwidert spöttisch: „Aha, du weißt nicht mehr weiter und ziehst daher den Glauben zu Rate.“ Ehrlich antwortet ruhig: „Ich meinte Glaubenssätze und nicht den Glauben.“ Priesberg redet sich in Rage: „Du glaubst einfach nicht an die Kraft der Methoden und gönnst uns noch nicht mal ganz vorne an der Spitze zu stehen-…“ Der Gebäudealarm ertönt und beide müssen es verlassen. Sie gehen schweigend nach draußen und treffen sich auf dem Sammelplatz, der bei einer Evakuierung aufzusuchen ist. Es regnet stark. „Wäre es nicht besser, im Gebäude zu warten, bis die Ursache für den Alarm gefunden ist? “, fragt Priesberg, der sich wieder beruhigt hat. Ehrlich stellt eine Gegenfrage: „Woher nehmen die Sicherheitsexperten ihr Wissen, uns auf diesen Platz zu schicken? “ „Aus der Vergangenheit. Dort hat es sich bewährt. Und daher glaubt man, dass es auch in der Zukunft helfen wird“, antwortet Priesberg, der sich in den Besprechungsraum zurückwünscht. „Aha, jetzt hast du das ausgesprochen, was ich meinte. Glaubenssätze sind geronnene Erfahrung“, muntert Ehrlich seinen Kollegen auf. Die Entwarnung ertönt und alle strömen wieder ins Gebäude.„Und wie hilft uns das weiter? “, fragt Priesberg, als sie wieder im Besprechungszimmer angekommen sind. „Ein Glaubenssatz ist wie ein Filter. Er sorgt dafür, dass wir nur die Worte aus unserer Umgebung positiv wahrnehmen und wirken lassen, die dem Glaubenssatz entsprechen. Du kannst dir also Glaubenssätze wie Magnete für bestimmte Worte vorstellen. Aus diesen Worten wird dann die Wirklichkeit gebaut“, erläutert Ehrlich. „Und wenn wir aufgrund von erlerntem Methodenwissen glauben, das beste Projektmanagement der Welt zu haben-…“ setzt Priesberg an, Ehrlich aber fällt ihm ins Wort- … „dann nehmt ihr diejenigen Signale als lästig oder gar nicht wahr, die darauf hindeuten, dass die Methoden nichterwünschte Projektergebnisse liefern.“ „Was wäre denn jetzt zu tun? “ fragt Priesberg. „Überprüft eure Glaubenssätze anhand von Ergebnissen, kümmert euch um die Zusammenarbeit, wie die Existenz eines Collective Mind: Die Glaubenssätze bestimmen, was wir denken und tun“, holt Ehrlich aus und fährt fort: „aber manchmal führen sie in die Irre. Dann muss man sie aufgrund der gemachten negativen Erfahrung ändern.“ Priesberg gibt zu: „Auf der Projektteamsitzung vorhin habe ich eine Menge negativer Erfahrung in den Gesichtern wahrnehmen können. Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Wir sind doch die Besten-…“ Ehrlich antwortet: „Jetzt siehst du, was passiert, wenn sich eine Organisation ‚von oben‘ einen Glaubenssatz verordnet, zum Beispiel ‚wir sind die Besten‘ und die Mitglieder der Organisation nicht mitziehen. Denn ihre Glaubenssätze sind wahrscheinlich verschieden und sie passen nicht zu dem verordneten Glaubenssatz. Äußerliche Zustimmung, wie das Kopfnicken vorhin, können irreführend sein.“ Priesberg scheint das Thema mittlerweile zu mögen: „Also sollten die Mitglieder der Organisation die gemeinsame Erfahrung eines erfolgreichen Projekts schaffen. Dann kann die Anwendung der Methoden mit Projektergebnissen verknüpft werden. Schließlich haben wir als gemeinsamen, zielführenden Glaubenssatz: ‚Wir sind auf dem richtigen Lösungspfad‘.“ „Ja, so ist es. ‚Wir sind die Besten‘ führt bei einem Mangel an geerdeter Kongruenz in den Glaubenssätzen absehbar ins Gegenteil. Und das ist doch nicht das Beste, oder? “, schließt Ehrlich. [1] Vgl. auch Ehrlich und Priesberg 05 / 2022: Sind Gerüchte unwiderlegbar? Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com