PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget
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Oliver Steeger
Steffen Scheurer
Infrastrukturprojekte haben in Deutschland keinen guten Ruf. Zu lange dauern sie, heißt es, und die Kosten laufen aus dem Ruder. Die DEGES – eine Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern – tritt derzeit den Gegenbeweis an. Sie ersetzt in einem Großprojekt die wichtige Autobahn-Rheinbrücke Duisburg Neukamp. Die Aufgabe von Bereichsleiter Dr. Udo Pasderski und Projektleiter Knut Ewald: Im ersten Schritt eine neue Brücke bauen. Im zweiten Schritt die bisherige, fünfzig Jahre alte Brücke demontieren. Und im dritten Schritt eine zweite Brücke an die Stelle der alten bauen. Das komplexe Vorhaben läuft wie am Schnürchen. Nach sieben Jahre Projektlaufzeit liegen sie und ihr Team perfekt im Zeitplan und Budget. Bei Risikomanagement, Stakeholdermanagement und Kooperation lief in Duisburg einiges anders – und besser!
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10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0083 Großprojekt Autobahn-Rheinbrücke Duisburg Neukamp Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget Oliver Steeger, Steffen Scheurer Infrastrukturprojekte haben in Deutschland keinen guten Ruf. Zu lange dauern sie, heißt es, und die Kosten laufen aus dem Ruder. Die DEGES-- eine Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern-- tritt derzeit den Gegenbeweis an. Sie ersetzt in einem Großprojekt die wichtige Autobahn-Rheinbrücke Duisburg Neukamp. Die Aufgabe von Bereichsleiter Dr. Udo Pasderski und Projektleiter Knut Ewald: Im ersten Schritt eine neue Brücke bauen. Im zweiten Schritt die bisherige, fünfzig Jahre alte Brücke demontieren. Und im dritten Schritt eine zweite Brücke an die Stelle der alten bauen. Das komplexe Vorhaben läuft wie am Schnürchen. Nach sieben Jahre Projektlaufzeit liegen sie und ihr Team perfekt im Zeitplan und Budget. Bei Risikomanagement, Stakeholdermanagement und Kooperation lief in Duisburg einiges anders-- und besser! Viele Autobahnbrücken im Westen Deutschlands sind verschlissen. Nach fünfzig oder sechzig Jahren können sie den wachsenden Verkehr nicht mehr aufnehmen. Dies galt auch für die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp, die Sie in einem gut zehn Jahre dauernden Projekt ersetzen. Es muss schnell gehen. Das Ruhrgebiet braucht diese Verkehrsverbindung. Weshalb ist diese Brücke bei Duisburg so wichtig? Dr. Udo Pasderski: Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Einer ist: Duisburg hat den größten Binnenhafen Europas. Was die umgesetzte Tonnage betrifft, kann er sich fast mit Hamburg messen. Wobei in Duisburg vor allem Schüttgute umgesetzt werden… Dr. Udo Pasderski: Richtig. Also schwere Güter. Die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp ist quasi die verlängerte Hafeneinfahrt. Wenn Sie sich dies auf der Karte anschauen, werden Sie feststellen: Alles, was von Westen kommend den Hafen erreichen will, muss über die Brücke. Sie ist Teil der Verbindung etwa nach Rotterdam und Antwerpen. Man kann leicht Duisburgs Bedeutung als Drehkreuz zwischen Schifffahrt und Landverkehr unterschätzen. Dabei hat die Stadt sogar im globalen Handel eine Ausnahmeposition… Dr. Udo Pasderski: Ja. Duisburg wird manchmal das Ende der Seidenstraße genannt. Es gibt von hier eine Schienenverbindung nach China. Deshalb sind viele chinesische Firmen in diesem Raum angesiedelt. Und das alles erklärt, weshalb wir so viel Schwerlastverkehr auf dieser Brücke haben. Knut Ewald: Hinzu kommt der Pendelverkehr vom Niederrhein ins Ruhrgebiet. Viele Menschen, die heute im Ruhrgebiet arbeiten, wohnen am ländlichen Niederrhein. Außerdem: Duisburg erstreckt sich auf beide Rheinseiten. Es ist gewissermaßen durch den Strom zerrissen. Deshalb ist die Brücke auch lokal sehr wichtig, für die Stadt selbst. Die alte Brücke-- 1970 für den Verkehr freigegeben-- war nach relativ kurzer Zeit verschlissen. Sie war auf ein Drittel des heutigen Verkehrs ausgelegt-- und auf deutlich leichtere LKWs. Knut Ewald: Der Schwerlastverkehr wird in Zukunft sogar noch wachsen, auf e inen Anteil von achtzehn Prozent im Jahr Reportage | Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0083 2030. Wir rechnen damit, dass dann insgesamt 125.000 Fahrzeuge am Tag die Brücke passieren. Heute sind es 100.000. Dr. Udo Pasderski: Die alte Brücke wurde 1970 eröffnet, also in den späten 1960er Jahren errichtet. Damals hat man materialschonend gebaut. Es gab einen regelrechten Wettbewerb, wer die schlankste Brücke über den Rhein baut. Das heißt-- schlank, aber nicht dem wachsenden Verkehr gewachsen? Weiter rheinaufwärts, in Leverkusen, gibt es mit einer alten Brücke ähnlicher Bauart Probleme. Dr. Udo Pasderski: Sie musste für den Schwerlastverkehr komplett gesperrt werden. Die alte Rheinbrücke Duisburg- Neuenkamp wurde zumindest für Fahrzeuge über 40 Tonnen offengehalten, im Hafenverkehr bis 44 Tonnen. Entscheidend für die Brücke ist nicht unbedingt das Gesamtgewicht der Fahrzeuge, sondern die Last einzelner Achsen. Manchmal sind LKWs falsch beladen. Einzelne Achsen haben damit mehr Last als erlaubt. Wir hatten am Ende eine Wiegeanlage an der Brücke. In Duisburg-Neuenkamp musste man überladene oder fehlbeladene Fahrzeuge konsequent aus dem Verkehr herauswinken. So etwas führt natürlich zu Behinderungen im Verkehr. Sprechen wir über Ihr Projekt. Es besteht aus drei Teilen-… Dr. Udo Pasderski: In der ersten Phase haben wir neben die alte Brücke eine neue Schrägseilbrücke gebaut, das erste Teilbauwerk. Sie wurde im November vergangenen Jahres freigegeben. Wir haben den Verkehr von der alten Brücke auf die neue gebracht. In der zweiten Phase bauen wir die alte Brücke zurück. Dann bauen wir an ihrer Stelle die zweite Brücke, also das zweite Teilbauwerk. Danach schieben wir diese gut 14 Meter an die andere heran. Knut Ewald: Wir bauen übrigens nicht nur die Brücken, sondern erweitern auch die Autobahn zwischen dem Kreuz Moers und dem Kreuz Duisburg-Kaiserberg auf perspektivisch vier Fahrstreifen plus Standstreifen in beide Richtungen. Das gehört mit zu unserem Projekt. Das komplette Baulos ist 4,5 Kilometer lang. Wir verbinden damit die Autobahnen A 3 und A 57 - zwei bedeutsame Nord-Süd-Achsen. Wer sich am Rhein umsieht, entdeckt dort viele verschiedene Brückenarten: Schrägseilbrücken-- aber auch Bogenbrücken, echte Hängebrücken, Fachwerkbrücken. Weshalb haben Sie sich für eine Schrägseilbrücke entschieden? Sie sagten, dass der Rhein eine der meistbefahrenen Wasserstraßen ist und freie Bahn braucht. Knut Ewald: Ein wichtiger Grund ist das Bauverfahren. Natürlich kann man Brücken komplett in einem Dock bauen und dann einschwimmen. Dafür müsste man aber den Rhein für längere Zeit sperren. Diese Möglichkeit haben wir nicht bei Europas bedeutendster Wasserstraße. Schrägseilbrücken sind eine gängige Lösung, um den Schiffsverkehr nicht zu beeinträchtigen. Weshalb nicht ein Tunnel-- wie etwa den Elbtunnel in Hamburg? Dr. Udo Pasderski: Das wurde immer wieder diskutiert. Früher hat man aus geostrategischen Gründen darauf verzichtet. Sie werden am Rhein keinen Tunnel finden. Solche Bauwerke würden zu groß zu werden. Inwiefern zu groß? Dr. Udo Pasderski: Wenn man den Tunnel bohrt, muss man tief hinab-- und das braucht sehr lange Zufahrten zum Tunnel. Und ein Absenktunnel, bei dem man Beton-Fertigteile auf den Grund des Rheins absenkt… …-ähnlich wie beim Fehmarnbelt Tunnel-… Dr. Udo Pasderski: Dies würde wiederum die Schifffahrt beeinträchtigen. Dafür würden wir niemals eine Genehmigung bekommen. Knut Ewald: Hinzu kommt, dass wir durch das regelmäßige Hochwasser oder Niedrigwasser Probleme bekommen würden. Es könnte sein, dass wir über Wochen die Elemente nicht einschwimmen können. Ein Tunnel schied also komplett aus für Sie? Knut Ewald: In Duisburg Neuenkamp-- ja! Wir haben die Option geprüft. Sie funktioniert nicht. Die neue Brücke, an der Sie arbeiten, ist anders konzipiert als die alte. Es handelt sich eigentlich um zwei Brücken, also zwei Teilbauwerke, die in ihrer Konstruktion unabhängig voneinander sind. Dr. Udo Pasderski: Dieses Konzept ist heute verbreitet. Die beiden Brücken sollen in ihrer Konstruktion voneinander getrennt sein. Dann kann man im Schadensfall eine der beiden weiterbenutzen. Ihr Projekt unterliegt einer besonderen Herausforderung. Die Rheinquerung der Autobahn A 40 bleibt während der gesamten Projektlaufzeit offen; nur an 25 Tagen wird sie gesperrt, wenn es unvermeidlich ist-… Knut Ewald: -… beispielsweise für die Anlieferung großer und schwerer Bauteile oder für die Änderung der Verkehrsführung. Dies zeigt, wie dringend die Brücke benötigt wird. Die Erwartungen an Ihr Projekt sind hoch. Bisher liegen Sie gut in der Zeit und im Budget. Um Ihre Termintreue und Budgettreue dürften Sie andere Infrastrukturprojekte beneiden. Was sind die Erfolgsfaktoren dafür? Dr. Udo Pasderski: Ein Erfolgsfaktor ist sicherlich das Risikomanagement, das wir mit unserem Team und den Partnern für unser Projekt aufgebaut haben. Wir haben damit schon während der Planungsphase begonnen. Sie sagen, dass Sie mit dem Risikomanagement zwei Ziele verfolgen. Zum einen wollen Sie früh an Analysen, Daten und Fakten kommen. Zum anderen zielen Sie auf einen Wechsel im Denken. Sie wollen, wie Sie es genannt haben, in die Diskussion reinkommen und das Team dazu bringen, in verschiedenen Szenarien zu denken. Dr. Udo Pasderski: Ich will, dass wir uns früh und proaktiv mit unterschiedlichen Alternativen beschäftigen. Wer früh nachdenkt, findet auch Lösungen, auf die er später zurückgreifen kann. Reportage | Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0083 Wegen des regelmäßigen Rhein-Hochwassers haben Sie sich früh entschieden, für die Arbeiten an den Pfeilern die Spundwände zu erhöhen. Das kostet mehr Geld-… Dr. Udo Pasderski: -… aber damit ist das Risiko erledigt. Die Spundwände entsprechend einrichten kann man nur, wenn man früh an das Risiko denkt. Man muss noch vor der Planungsphase das Projekt durchdenken, diskutieren und Alternativen erwägen. Dann hat man vieles noch in der Hand. Dies klingt nach solidem Projektmanagement- Wissen, wie es in guten Lehrbüchern zu finden ist-- aber in der Praxis nicht immer ungesetzt wird. Wo sehen Sie Grenzen für dieses frühe, proaktive Risikomanagement? Hochwasser-Risiken kann man in den Griff bekommen. Was ist mit der Dauer von Genehmigungsverfahren? Kann Risikomanagement helfen? Dr. Udo Pasderski: Wie wir die Planfeststellungsbehörden mit ins Boot bekommen- - das war früh für uns ein Thema. Manchmal dauern diese Verfahren zwei, drei oder vier Jahre. Knut Ewald: Wir haben noch vor der Planfeststellung die Behörden einbezogen. Wir haben dabei planungsrechtliche Themen besprochen, also nicht schon Fragen zur Konstruktion. Es ging Ihnen also mehr um das „wie“ als das „was“? Dr. Udo Pasderski: Wir haben neue Wege der Zusammenarbeit gesucht, um frühzeitig Rechtssicherheit herzustellen. Das hat dazu geführt, dass wir nach einem Jahr das Genehmigungsverfahren abgeschlossen haben. So etwas gelingt aber nur, wenn man gemeinsam weit im Vorfeld mögliche Probleme analysiert- - und nicht erst dann Lösungen sucht, wenn das Kind fast in den Brunnen gefallen ist. Wie Sie eben sagten: Dieses Vorgehen ist kein Geheimnis. Wir haben das gemacht, was gute Lehrbücher empfehlen. Ein Risiko bringt nicht nur das Genehmigungsverfahren selbst, sondern auch der Widerstand etwa von Anwohnern. Das Ruhrgebiet ist ein äußerst dicht besiedelter Raum. Autobahn und Brücke befinden sich in unmittelbarer Nähe zu Wohnhäusern. Nicht unwahrscheinlich, dass Anwohner klagen-- und das Projekt durch Gerichtsverfahren für Jahre stillgelegt wird. Dr. Udo Pasderski: Wir haben das Risikomanagement mit dem Stakeholdermanagement verbunden. Wir haben beim Risikomanagement erkundet, wo Konflikte mit Stakeholdern entstehen können. Diese Kombination hat noch während der Machbarkeitsstudie zu wichtigen Weichenstellungen geführt. Wir sind mit betroffenen Privateigentümern schon 2016 ins Gespräch gekommen. Wirklich sehr, sehr früh. Wir haben zum Beispiel die Brücke leicht versetzt gebaut. So sind wir an den Anwohnern auf beiden Rheinseiten vorbeigekommen. Knut Ewald: Durch diesen Planungskniff haben wir einige Dutzend potenzielle Projektgegner für uns gewonnen. Aber-- es sind ja nicht nur direkte Anwohner, die Einsprüche erheben-… Knut Ewald: Das stimmt. Bei den ersten Veranstaltungen hatten wir 800 interessierte Bürger. Dr. Udo Pasderski: Interessierte Bürger- - keine Projektgegner. Danach kam es zu Beteiligungsprozessen, vieles davon online. In einem anschließenden Werkstattverfahren hatten wir noch 180 Beteiligte. Im Planfeststellungsverfahren selbst gab es noch 18 Einwendungen, die wir gut abarbeiten konnten. Das ist nicht viel-- verglichen mit anderen Projekten. Dr. Udo Pasderski: Wir haben versucht, so früh es ging Kritik zu sammeln und zu bedienen. Im Laufe der Zeit ist die Zahl der Skeptiker und Kritiker immer weiter geschrumpft. Auch, weil sie gesehen haben, dass wir sie ernst nehmen. Knut Ewald: Im Grunde bestand bei Allen Einigkeit, dass wir die Brücke brauchen. Und die Brücke hat für niemanden Die Autobahn-Rheinbrücke Duisburg Neukamp gilt als wichtige Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet, dem Niederrhein und den Niederlanden. Im Vordergrund die neue Brücke mit den weißen Pylonen, dahinter die alte mit gelben Pylonen. Foto: Hajo Dietz Reportage | Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0083 einen Nachteil. Das Leid mit der alten Brücke war sehr groß, auch bei den direkten Anwohnern. Das konnte man täglich sehen. Da hat sich niemand komplett gegen das Projekt gesperrt. Es profitiert fast jeder von dem Neubau. Auch die Anwohner: nämlich vom besseren Lärmschutz. Ein technisches Detail an Ihrem Projekt ist spannend. Wenn Sie die zweite Brücke neben die erste gesetzt haben, werden sie diese buchstäblich zusammenschieben. Ein so großes Teilbauwerk um 14 Meter zu verschieben-- wie soll das gehen? Dr. Udo Pasderski: Das geht hydraulisch nach einem uralten Prinzip. Menschen haben früher, wenn sie Möbel verschieben wollten, Speckschwarten zwischen Möbel und Boden geschoben. Speckschwarten? Im Ernst? Dr. Udo Pasderski: Ja. Der Aufbau war damals simpel: Holz-- Speckschwarte-- Holz. Wir machen das ähnlich. Allerdings nicht mit Speck? Knut Ewald: Nein. Wir bringen moderne Gleitelemente zwischen die Brücke und den Pfeiler. Dann ziehen wir die Brücke hydraulisch. Das wird Wochen dauern, vermute ich. Knut Ewald: Das Verschieben selbst wird kaum länger als einen Tag dauern. Aber die Vorbereitungen brauchen natürlich Zeit. Man muss die Brücke trennen und umlagern auf die Gleitbahnen. Es braucht die Vorrichtungen, um die Brücke zu ziehen. Und man prüft natürlich auch vorher, ob alles wie geplant funktioniert-- nicht erst dann, wenn die Presse ihre Kameras gezückt hat. Danach verbinden wir die Brücke wieder mit den Zufahrten und richten beispielsweise die Fahrstreifen wieder ein. Aber das eigentliche Schieben dürfte nach einem Tag erledigt sein. Im Jahr 2016 haben Sie angekündigt, dass Sie das erste Teilbauwerk der neuen Brücke 2023 eröffnen würden. Sie haben Wort gehalten. Wie haben Sie das Projekt so beschleunigt? Knut Ewald: Wir setzen keine Maßnahmen zur Beschleunigung ein. Wir definieren realistische Termine und Fristen. Diese haben wir uns bei der Terminplanung sorgfältig überlegt. Auch der Vertrag mit den Baufirmen ist nicht ungewöhnlich. Es handelt sich um einen normalen Einheitspreis-Vertrag mit Fristen, Prämien und Pönalen. Es gab von außen auch Störungen, etwa die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg. Da brauchte es Anpassungen bei den Terminen. Dr. Udo Pasderski: Dass wir pünktlich sind trotz der unvorhergesehen Ereignisse- - das hängt nicht nur mit der Planung zusammen, sondern auch mit dem Spirit dieses Projekts. Die Frage ist, wie der Vertrag gelebt wird. Letztlich bedeutet Vertrag im Sprachgebrauch, dass man sich verträgt, partnerschaftlich verträgt. Dieses Sich-Vertragen ist uns in diesem Projekt im Großen und Ganzen gelungen. Auf der Baustelle wollen Sie ein Miteinander-- nicht das leider häufige Gegeneinander. Sie haben einmal zu Ihren Auftragnehmern gesagt: Wenn das Projekt Leben und eine Seele hätte, sollte es am Ende allen Beteiligten auf die Schulter klopfen, weil jeder seine Sache gut gemacht hat. Dr. Udo Pasderski: Das ist eine gute Beschreibung des Spirits, den ich mir für unser Projekt wünsche. Jeder arbeitet mit am Erfolg, jeder wird am Erfolg beteiligt. Auch emotional. Die Führungskräfte von Baufirmen und anderen Beteiligten haben es buchstäblich unterschrieben, dass sie das Projekt gemeinsam nach vorne bringen wollen. Jeder bekam diese unterschriebene Urkunde in einem Rahmen. Knut Ewald: Ja, dies mag den Spirit unterstützt haben. Es hat sich eine Atmosphäre hoher Professionalität im Umgang Lückenschluss der neuen Brücke. Von beiden Ufern aus wurde die Autobahnbrücke im sogenannten Freivorbau zur Rheinmitte hin gebaut. Foto: TAKE IT MEDIA GmbH Reportage | Nach sieben Jahren perfekt im Zeitplan und Budget 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0083 entwickelt. Dazu gehört auch, dass wir alle gelernt haben, die Dinge auch aus der Perspektive der jeweils anderen zu betrachten. Man darf eines nicht vergessen: Wir hatten während der Corona-Pandemie kaum Gelegenheit, die üblichen Maßnahmen zur Teambildung durchzuführen-… …-beispielsweise mal ein Grillfest zu veranstalten-… Dr. Udo Pasderski: Während des Lockdowns waren persönliche Treffen sehr schwierig. Es kam vor, dass die Beteiligten für Wochen nicht gemeinsam am Tisch gesessen haben, etwa zu Meetings. Wir hatten schon 2020 auf Videokonferenzen gesetzt, also noch vor dem Lockdown. Wir waren also vorbereitet, als der Lockdown kam. Aus den vielen Videokonferenzen ergaben sich dann Chancen. Knut Ewald: Wir konnten ein viel problemspezifischeres Besprechungsregime aufbauen. Inwieweit ein problemspezifischeres Besprechungsregime? Knut Ewald: Früher hat man sich alle zwei Wochen auf der Baustelle getroffen. Es kam immer wieder vor, dass einige nicht anreisen konnten und fehlten. So etwas zögert dann die Diskussion und Lösung von Problemen hinaus. Videokonferenzen haben wir in einer viel höheren Frequenz durchgeführt, und meistens waren die Beteiligten alle am Tisch. In Videokonferenzen diskutiert man auch viel fokussierter. Kommt schneller auf den Punkt. Dr. Udo Pasderski: Wir können dank der Videokonferenzen extrem schnell zusammenkommen und Probleme ansprechen. Das dauert keine zwei oder drei Wochen mehr. Eine Abschlussfrage: Viele Fachleute sagen, dass man als Projektleiter und Ingenieur nur einmal im Leben eine Rheinbrücke baut. Den Bau von Rheinbrücken haben Sie selbst als Königsdisziplin bezeichnet. Sie sagten auch: Man solle vor dem Projekt Respekt haben, auch Demut vor der Aufgabe-- aber keine Angst. Dr. Udo Pasderski: Solch ein kühnes Projekt braucht auch Mut von allen Beteiligten, keine Frage. Die Öffentlichkeit vertraut uns, dass wir eine gute Lösung erarbeiten für die Infrastruktur. Dass wir die Verkehrsprobleme lindern, unter denen hier tausende Menschen täglich leiden. Dass wir verantwortungsvoll mit dem uns anvertrauten Steuergeld umgehen. Was bedeutet „Mut haben“ genau? Dr. Udo Pasderski: Mut zu haben, auch mal am äußersten Punkt zu stehen, ohne Puffer, ohne alles. Als wir im vergange- Dr. Udo Pasderski Dr. Udo Pasderski ist Bereichsleiter bei der DEGES und verantwortet sämtliche Projekte der DEGES in Nordrhein-Westfalen, unter anderem den Neubau der Rheinbrücke Neuenkamp und den Umbau des Autobahndreiecks Heumar. Mit seiner langjährigen Expertise im Projektmanagement ist er maßgeblich daran beteiligt, innovative Bauverfahren und moderne Technologien zu integrieren. Sein Ziel ist es, den Verkehr flüssig zu halten und die Bauarbeiten termingerecht abzuschließen. Foto: DEGES Knut Ewald Knut Ewald ist Projektleiter bei der DEGES und unter anderem verantwortlich für den Ersatzneubau der Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp. Mit umfangreicher Erfahrung beim Bau von Großprojekten leitet er eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte Westdeutschlands. Er managt die komplexen Herausforderungen des Projektes. Seine Expertise in der Koordination großer Bauprojekte trägt maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei, das eine nachhaltige und effiziente Verkehrsverbindung sicherstellt. Foto: DEGES nen Jahr den Freigabetermin für die neuen Brücke festgelegt hatten, blieben uns noch acht Wochen, alles vorzubereiten. Eine Woche davon war Puffer. Die Erwartungen waren hoch. Mancher hätte sich da noch vier weitere Wochen Puffer gewünscht, um ganz sicher zu gehen. Knut Ewald: Irgendwann muss mal Schluss sein mit solchen Sicherheiten. Wir hatten den Terminplan sorgfältig kalkuliert. Wir haben dann einen Parforceritt geleistet. Aber es hat funktioniert! Eingangsabbildung: Der Rückbau der alten Brücken. Foto: TAKE IT MEDIA GmbH
