eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0090
1216
2024
355 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

GenAI – Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung Qualität von Entwicklungsprojekten

1216
2024
Batuhan Turan
Stefanie Straßer
Siegfried Zürnhttps://orcid.org/0009-0008-9703-5811
Der Einsatz generativer KI in der Projektleitung eröffnet vielfältige Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und die Projektperformance zu verbessern. Projektleiter können Aufgaben schneller priorisieren, Verantwortlichkeiten zuweisen und den Fortschritt überwachen. Chatbots integrieren sich in bestehende Prozesse, erkennen Abweichungen automatisch und fördern die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsabläufe. Dies erhöht die Qualität und Effizienz der Projektdurchführung, wodurch Projekte präziser gesteuert werden können. Berichte und Dokumentationen lassen sich automatisiert erstellen, und LLMs (Large Language Model) identifizieren potenzielle Risiken frühzeitig. Mit detaillierten Maßnahmenplänen bieten sie eine solide Basis für die Projektleitung. Die Integration von RAG (Retrieval Augmented Generation) in LLMs eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten, präzisere Antworten zu erhalten, Entscheidungen schneller zu treffen und Wissen effizient zu nutzen.
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50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 GenAI-- Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung Qualität von Entwicklungsprojekten Batuhan Turan, Stefanie Straßer, Siegfried Zürn Für eilige Leser | Der Einsatz generativer KI in der Projektleitung eröffnet vielfältige Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und die Projektperformance zu verbessern. Projektleiter können Aufgaben schneller priorisieren, Verantwortlichkeiten zuweisen und den Fortschritt überwachen. Chatbots integrieren sich in bestehende Prozesse, erkennen Abweichungen automatisch und fördern die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsabläufe. Dies erhöht die Qualität und Effizienz der Projektdurchführung, wodurch Projekte präziser gesteuert werden können. Berichte und Dokumentationen lassen sich automatisiert erstellen, und LLMs (Large Language Model) identifizieren potenzielle Risiken frühzeitig. Mit detaillierten Maßnahmenplänen bieten sie eine solide Basis für die Projektleitung. Die Integration von RAG (Retrieval Augmented Generation) in LLMs eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten, präzisere Antworten zu erhalten, Entscheidungen schneller zu treffen und Wissen effizient zu nutzen. Schlagwörter | Generative KI, Chatbot, Projektleitung, Qualitätsmanagement, Prompting, Large Language Model (LLM), Retrieval Augmented Generation (RAG) Einleitung In der gegenwärtig sich rasch verändernden Geschäftsumgebung verfolgen Unternehmen kontinuierlich Strategien zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen und zur Steigerung ihrer Effizienz. Dabei setzen sie auf innovative Prozesse und Technologien, um ihre Marktposition zu stärken und betriebliche Abläufe zu optimieren. Untersuchungen belegen, dass mehr als zwei Drittel der Firmen, die auf Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) setzen, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verzeichnen können. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Fachkräften in der Automobilbranche zeigt, dass die Integration von KI in Projektmanagementprozesse als Möglichkeit zur Effizienzsteigerung gesehen wird. Unternehmen, die bereits KI nutzen, heben insbesondere die Vermeidung menschlicher Fehler, die Prozessbeschleunigung und die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen als Hauptvorteile hervor, KI ermöglicht aber auch eine schnellere Problemidentifikation [1]. Laut einer weiteren Studie ist der Einsatz von KI von 2018 bis 2023 von 3 % auf 15 % gestiegen, während 28 % der Unternehmen die Implementierung von KI planen oder diskutieren [2]. Während die Integration von KI in Unternehmensprozesse vielversprechende Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Wettbewerbsvorteilen bietet, ist der konkrete Nutzen des Einsatzes von generativer KI innerhalb des Projekt- und Qualitätsmanagements bisher nicht hinreichend untersucht worden. Ein effektives Qualitätsmanagement von Projekten identifiziert potenzielle Risiken frühzeitig und implementiert geeignete Maßnahmen, um diese Risiken zu minimieren bzw. zu vermeiden und damit Fehlerkosten zu reduzieren [3]. Die vorliegende Studie beschäftigt sich daher damit, den Nutzen des Einsatzes von LLMs in Form von Chatbots für die Projektleitung im Qualitätsmanagement von Entwicklungsprojekten zu analysieren und dabei den Fokus auf ihre Praxistauglichkeit, Implementierungsmöglichkeiten und Herausforderungen zu legen. Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 Rolle des Qualitätsmanagements in Entwicklungsprojekten Die Charakteristika eines Projekts-- Komplexität, zeitliche Befristung, Ressourcenbeschränkungen, spezifische Zielvorgaben, Neuheit sowie Unsicherheit und Risiko- - erfordern ein angemessenes Überwachungssystem. Die Qualität eines Entwicklungsprojekts wird maßgeblich von den Anforderungen des Auftraggebers und den Erwartungen der Stakeholder geprägt. Dabei ist das Ziel, dass die Projektergebnisse (z. B. Prototypen) die Qualität der Serienfertigung aufzeigen können. Diese Erwartungen umfassen neben den Kundenanforderungen zahlreiche weitere Aspekte wie Umweltstandards, rechtliche Vorgaben und technische Normen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist die Integration eines effektiven Qualitätsmanagementsystems in Entwicklungsprojekten von entscheidender Bedeutung. Die Implementierung eines solchen Systems umfasst verschiedene Funktionen und Aufgabenbereiche, einschließlich der Festlegung der Qualitätspolitik, der Qualitätsplanung, der Qualitätssicherung sowie der Qualitätsüberwachung und -lenkung. Diese bilden das Fundament für eine effektive Projektdurchführung im Einklang mit den definierten Qualitätszielen. Das Erfassen und Erfüllen der Kundenanforderungen bilden die Basis für den Erfolg von Entwicklungsprojekten und entscheiden damit über die Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen Erfolg des Unternehmens auf dem Markt. Somit ist es wichtig, die Kundenperspektive frühzeitig in die Produktentwicklung einzubinden. Oft ist es jedoch schwierig über Einzelbefragungen hinaus dafür nötige Daten zu erhalten. Die Rolle der Projektleitung im Qualitätsmanagement erstreckt sich über das gesamte Spektrum der Projektrealisierung und umfasst sowohl technische als auch administrative Aufgabenfelder. Sie startet bei der Erstellung eines Lastenhefts und begleitet und überwacht den gesamten Produktentstehungsprozess durch technische Leistungskontrollen zur Einhaltung von Qualitätsstandards und ein effektives Risikomanagement. Generative KI und Chatbots In den letzten Jahren konzentrierte sich die Diskussion zu KI stark auf wissensbasierte Systeme und maschinelles Lernen. In wissensbasierten Systemen wird menschliches Expertenwissen in einer Form modelliert, die sowohl von Menschen verstanden als auch von Computern interpretiert werden kann. Dabei kommen Verfahren wie logische Programmiersprachen zum Einsatz. Diese Systeme speichern Wissen getrennt von ihrer Verarbeitung und sind in der Lage, Schlussfolgerungen zu ziehen, die nicht explizit vorgegeben sind. Das maschinelle Lernen hingegen beschreibt Algorithmen, die entwickelt wurden, um Muster und Regelmäßigkeiten in großen Datensätzen zu identifizieren, ein Prozess, der auch als Training bekannt ist. Es entdeckt autonom Korrelationen, lernt aus Daten und kann Ereignisse basierend auf diesen Daten vorhersagen. Folglich ist die häufigste Anwendung von maschinellem Lernen in Prognosesystemen zu finden. Deep Learning, ein Teilbereich des maschinellen Lernens, verwendet künstliche neuronale Netzwerke, die darauf abzielen, menschliche Gehirnfunktionen zu imitieren. Damit sind künstliche neuronale Netzwerke in der Lage, komplexe nicht lineare Beziehungen zwischen Datenpunkten zu identifizieren und daraus zu lernen. [4] Deep Learning lässt sich besonders Abbildung 1: Basis Struktur eines Prompts für Aufgaben der Sprach- und Objekterkennung und der maschinellen Übersetzung einsetzen. Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 hat die generative KI erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Begriff generativ bezieht sich auf die Fähigkeit dieser Technologie, neue Inhalte, z. B. Texte, Bilder, Videos, Programmiercode, zu generieren. Die generative KI basiert auf Large Language Models (LLMs), die auf umfangreichen Datensätzen trainiert werden und durch deren Verarbeitung Fragen beantworten und Aufgaben lösen kann, für die es nicht explizit trainiert wurde. Die Eingabe in die Modelle erfolgt durch Chatbots wie ChatGPT, die in der Lage sind, Fragen in natürlicher Sprache, sogenannten Prompts, zu verstehen und zu beantworten. Ein Basisprompt besteht aus einer klar definierten Rolle, die eine spezifische Aufgabe in einem festgelegten Format ausführt (Abbildung 1). Bei der Textgenerierung mittels Chatbots besteht jedoch ein bedeutendes Problem: Im Gegensatz zu Data-to-Text-Anwendungen hat der Nutzer bei der Verwendung von GPT keine direkte Kontrolle über den generierten Text. Dies kann zu unerwarteten Ergebnissen führen, die oft nicht reale Daten wiedergeben, insbesondere wenn es an spezifischen Trainingsdaten zu den behandelten Themen mangelt. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass das Modell Texte generiert, die das Fehlen von Wissen durch frei erfundene, jedoch vernünftig klingende Aussagen ausgleicht, um Antworten liefern zu können. Solche Halluzinationen genannten Fehler können durch branchen- oder unternehmensspezifische Daten minimiert werden. Um dies zu erreichen, muss der Chatbot zusätzlich zu seinen eigenen Daten, auf die internen Daten des jeweiligen Unternehmens trainiert werden. Dies gelingt durch sogenannte Application Programming Interfaces (APIs), die als Schnittstelle fungieren, um dem Sprachmodell eine weitere Datenquelle zur Verfügung zu stellen. Effektives Prompting Zur Entwicklung effektiver Prompts sind folgende Aspekte zu berücksichtigen, um präzise Ergebnisse zu erzielen: Klarheit und Präzision: Die Formulierung des Prompts sollte klar und präzise sein, um sicherzustellen, dass das KI- Modell genau versteht, welche Aufgabe es zu erfüllen hat. Unklare oder mehrdeutige Formulierungen sollen vermieden werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Spezifität: Es ist entscheidend, den Prompt so spezifisch und detailliert wie möglich zu gestalten. Durch die Bereitstellung umfassender Informationen zum gewünschten Ziel, Kontext und Stil können die Ergebnisse gezielter und relevanter werden. Role Prompting: Durch das Zuweisen einer spezifischen Rolle, um eine bestimmte Tonalität zu erhalten, kann die Ausgabe präzisiert werden. Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 Angemessene Länge: Der Prompt soll nur die erforderlichen Details enthalten. Eine angemessene Länge gewährleistet, dass das KI-Modell effizient arbeiten kann, ohne durch zu viele Informationen überlastet zu werden. Kontextinformationen: Relevante Hintergrundinformationen und Kontextdetails sollen dem Modell bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass es die Intention hinter dem Prompt besser versteht. Dies ermöglicht präzisere Ergebnisse, da das Modell den Zusammenhang besser erfassen kann. Anpassung: Es ist wichtig, den Prompt bei Bedarf anzupassen und zu iterieren, insbesondere wenn die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind. Durch kontinuierliches Feedback und Anpassungen können präzisere Ergebnisse erzielt werden. Menschliche Expertise: Die Einbeziehung menschlicher Fachkenntnisse über das Thema kann dazu beitragen, den Prompt zu verfeinern und die Ergebnisse besser einzuordnen und zu bewerten. Fachwissen ermöglicht es, die Qualität der Ergebnisse zu beurteilen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Implementierung von Large Language Models in die Projektleitung im Qualitätsmanagement Chatbots als Assistenzwerkzeuge für Projektleiteraufgaben Die Hauptaufgaben des Qualitätsmanagements bestehen in der Fehlerdetektion, Fehleranalyse und Fehlerbehebung bzw. langfristigen Fehlervermeidung. Projektleiter in der Entwicklung sind verantwortlich für die effiziente Planung, Koordination und Überwachung, um sicherzustellen, dass die gesteckten Ziele erreicht, aber auch die definierten Qualitätsstandards eingehalten werden. Die Integration von LLMs bietet dabei verschiedene Möglichkeiten, die Aufgaben eines Projektleiters, besonders im Bereich des Qualitätsmanagements, zu unterstützen. Eine grundlegende Frage, die sich bei einer Implementierung stellt, ist die Auswahl des richtigen LLMs. Insbesondere für große Unternehmen stellt sich dabei die Frage, ob LLMs intern entwickelt oder von externen Quellen erworben werden sollen. Auf der einen Seite bietet die interne Entwicklung maßgeschneiderter Software eine hohe Anpassungsfähigkeit und fördert die Nutzung und Bewahrung von vertraulichen Daten und Wissen. Auf der anderen Seite profitieren Unternehmen von der Auslagerung, da sie das Risiko schnell veralteter Lösungen vermeiden können. Diese Strategie ermöglicht es auch, schneller und kostengünstiger zu implementieren [5]. Projektadministration Die Integration von Chatbots in die Projektadministration im Qualitätsmanagement bietet vielfältige Möglichkeiten zur Automatisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen. Sie helfen, Aufgaben nach Wichtigkeit zu ordnen, Zuständigkeiten festzulegen und den Abgleich mit Qualitätsstandards zu gewährleisten. Daneben wird nicht nur die Projektadministration erleichtert, sondern auch die datenbasierte Entscheidungsfindung unterstützt, indem relevante Informationen und Analysen bereitgestellt werden, die auch auf die großen Datensätze der LLM zurückgreifen. Die Verbesserung von Effizienz und Effektivität ergibt sich insbesondere in der Planung sowie dem Erstellen und Individualisieren von Texten. Durch maßgeschneiderte Anpassung von Chatbots durch Integration von Unternehmensdatenbanken können Unternehmen diese gezielt auf ihre individuellen Anforderungen und die Bedürfnisse ihrer Branche einsetzen. Dies ermöglicht es, die Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft zu sichern. Projektplanung und Abweichungsanalyse Die Planung und Überwachung des Projektablaufs stellen weitere wesentliche Aufgaben eines Projektleiters dar. Die Fähigkeit eines LLM, sich durch gezieltes Role Prompting in die Rolle eines potenziellen Zielkunden zu versetzen und dessen Kundenerwartungen abzubilden, kann bei der inhaltlichen Planung der Produktfeatures genutzt werden (Tabelle 1). Chatbots können weiterhin effizient auf bisherige Planungen zurückgreifen und somit die anstehende konzeptionelle Projektplanung unterstützen. Dabei können sie die Lessons Learned aus früheren Projekten nutzen und Vorschläge zur Planung machen, die Best Practices verbindet mit der Vermeidung von Fehlern, die in ähnlichen Projekten bereits aufgetreten sind. Um eine automatische Unterstützung in der Projektplanung und -überwachung zu ermöglichen, müssen jedoch Schnittstellen implementiert werden, über die das System Zugriff auf abgeschlossene Projekte und aktuelle Projektstände erhält. Die Identifizierung von Abweichungen spielt im Projektverlauf eine Schlüsselrolle in der Projektleitung, da sie auf- Abbildung 2: KI-generierte Visualisierung eines Prompts, der in einem Satz fünf Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, vereinfachtes Chinesisch) enthält. Erstellt mit ChatGPT4.O, Prompt: "Bitte visualisiere auf einer Karte, how chatbots could simplify la communication globale en los proyectos de desarrollo 企 “ (deutsch: „Bitte visualisiere auf einer Karte, wie Chatbots die globale Kommunikation in Entwicklungsprojekten von Unternehmen vereinfachen können."). Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 zeigen, an welcher Stelle ein Projekt seine Zielvorgaben nicht erreicht hat. Traditionelle Ansätze zur Abweichungsanalyse stoßen jedoch an ihre Grenzen, da sie vordefinierte Zielvorgaben erfordern und lediglich eine punktuelle Gegenüberstellung von Soll- und Istwerten ermöglichen. Die Integration von Chatbots in bestehende Prozesse des Qualitätsmanagements ermöglicht eine automatisierte Erkennung von Abweichungen und trägt damit zur kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse bei, was dann auch wieder zu einer besseren Ablaufplanung genutzt werden kann. Risikomanagement Das Risikomanagement ist ein zentraler Bestandteil der Projektleitung im Qualitätsmanagement und zielt darauf ab, Risiken systematisch zu identifizieren, zu bewerten und zu behandeln, um Schäden zu minimieren und die Entscheidungsfindung zu verbessern. Die vier Hauptschritte des Risikomanagements umfassen Identifikation, Analyse und Bewertung, Maßnahmenplanung sowie Maßnahmenumsetzung. Tabelle 1: Wichtige Funktionen eines Infotainmentsystems aus Kundensicht generiert mittels ChatGPT4.O Tabelle 2: Generierung von potenziellen Risiken eines Elektrofahrzeugprojekts durch ChatGPT4.O. Aus Gründen der Vertraulichkeit wurde das Modell ohne Unternehmensdaten benutzt. Bereits zu Beginn eines Projekts kann durch das umfangreiche Datenspektrum eines LLM identifiziert werden, welche Risiken mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten können. Dabei ist die Kunst des richtigen Promptings entscheidend, um eine präzise Erfassung der Risiken zu gewährleisten. Eine einfache Aufforderung, Risiken aufzulisten, würde die Möglichkeit einer detaillierten Analyse einschränken. Durch die Verwendung einer strukturierten Tabelle können die identifizierten Risiken später weiterverwendet werden. Zusätzlich bietet der flexible Aufbau des Prompts die Möglichkeit, das Ergebnis individuell anzupassen und zu erweitern, wie es im dargestellten Beispiel durch die Erfassung von Ursachen und potenziellen Auswirkungen geschieht (Tabelle 2). Trotz der generischen Natur bieten Chatbots eine gute Grundlage, auf der ein Projektleiter aufbauen kann. Die strukturierte Ausgabe erlaubt eine einfache Weiterverarbeitung, beispielsweise durch Kopieren in Tabellenverarbeitungsprogrammen und bietet somit eine effiziente Unterstützung für das Risikomanagement im Qualitätsmanagement. Im nächs- Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 ten Schritt soll simuliert werden, wie das Risiko durch einen Chatbot bewertet wird (Abbildung 3): Abbildung 3: Risikobewertung durch ChatGPT4.O Abbildung 4: Hinterfragen der Risikobewertung durch ChatGPT4.O Tabelle 3: Generierung eines Maßnahmenplans durch ChatGPT4.O Das Ergebnis scheint auf den ersten Blick vielversprechend. Jedoch ist es wichtig, zu hinterfragen, wie der Chatbot diese Einschätzung vornimmt, um mögliche Halluzinationen zu vermeiden. Aus diesem Grund wird diese Frage direkt an ChatGPT4.O adressiert (Abbildung 4): Die Risikoanalyse und -bewertung durch GPT4.O erfolgte zwar methodisch korrekt, jedoch fehlen unternehmensspezifische Daten, um präzisere Ergebnisse zu erzielen. Daher ist es Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 unerlässlich, den Projektleiter und andere Stakeholder zu den Projektdaten einzubeziehen. Eine realistische Einschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß für das Projekt ist somit nicht sichergestellt. Nachdem die Risikobewertung durchgeführt wurde, folgt eine Maßnahmenplanung (Tabelle 3). Die Unterstützung durch ein generatives KI-Modell hat die Erstellung eines umfassenden Maßnahmenplans deutlich erleichtert. Die von ChatGPT4.O erstellte Maßnahmenplanung präsentiert eine umfassende Beschreibung der einzelnen Maßnahmen und weist klare Verantwortlichkeiten auf. Diese präzisen Informationen stellen eine solide Grundlage für die weitere individuelle Arbeit innerhalb der Projektleitung dar. Die Umsetzung der identifizierten Maßnahmen muss direkt durch den Projektleiter erfolgen, der auch die Verantwortlichkeiten abstimmt und die Umsetzung der Maßnahmen verfolgt. Diese Notwendigkeit erkennt das KI-Modell ebenfalls (Abbildung 5): Abbildung 6: SWOT-Matrix für eine effektive Implementierung von LLMs in die Projektleitung Abbildung 5: Aussage zur Maßnahmenumsetzung durch ChatGPT4.O und -integrität sicherzustellen. Dafür sind strenge Kontrollen und Überprüfungsprozesse notwendig, einschließlich der Zusammenarbeit mit menschlichen Experten zur Validierung von Ergebnissen. Chancen und Herausforderungen Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Einsatz von LLMs die Effizienz steigern, die Projektperformance verbessern und besonders das Risikomanagement unterstützen kann. Insbesondere die Fähigkeit von LLMs, relevante Informationen bereitzustellen und Analysen durchzuführen, erweist sich als hilfreich für die Entscheidungsfindung und die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse. Zusätzlich kann der Einsatz von LLMs zur Automatisierung von Routineaufgaben Zeitersparnisse ermöglichen und die Qualität durch Konsistenz und Genauigkeit bei der Informationsverarbeitung verbessern. Bei der Integration von Large Language Models in die Projektleitung im Qualitätsmanagement ergeben sich einige herausfordernde Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. Eine Herausforderung liegt in der Sicherstellung der Datenqualität und -integrität bei der Nutzung von LLMs. Aufgrund der Abhängigkeit von externen Datenquellen besteht die Gefahr, dass branchenbzw. unternehmensspezifische Informationen fehlen. Um diesem Problem zu begegnen, sind Schnittstellen erforderlich, die einen Zugriff auf Unternehmensdaten und aktuelle Projektdaten ermöglichen. Die effektive Nutzung von LLMs setzt voraus, dass die Anfragen an das System klar, präzise und kontextspezifisch formuliert werden, um eine exakte Aufgabeninterpretation und damit relevante Antworten zu gewährleisten. Daher ist es wichtig, die Mitarbeiterkompetenzen im Umgang mit KI zu fördern und zu entwickeln. Um Halluzinationen von LLMs zu erkennen, ist es unabdingbar, dass die Ergebnisse durch menschliche Überprüfung und Urteilsfähigkeit validiert werden. Des Weiteren können grundlegende Aufgaben wie Teamführung, Mitarbeitermotivation und Kommunikation nicht von KI übernommen werden. Hier spielen menschliche Fähigkeiten und Einfühlungsvermögen nach wie vor eine entscheidende Rolle. Um eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob der Einsatz von LLMs in der Projektleitung im Qualitätsmanagement sinnvoll ist, ist eine umfassende Bewertung ihrer Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken erforderlich. Die fol- Berichterstattung LLMs bieten eine effiziente Möglichkeit zur Analyse und Aufbereitung von Daten. Durch die automatisierte Generierung von Berichten, Protokollen und Dokumentationen wird sichergestellt, dass alle relevanten Informationen erfasst werden. Die Kommunikation von aktuellen Ständen kann durch den Einsatz von LLMs bei der Erstellung von Executive Summaries verbessert werden. Dadurch unterstützen LLMs Entscheidungsträger, indem sie umfangreiche und komplexe Daten aggregieren, wodurch fundierte Entscheidungen auf der Grundlage aktueller, präziser und komprimierter Informationen ermöglicht werden. Es ist jedoch unerlässlich, bei der Nutzung von LLMs in der Berichterstattung die Datenqualität Wissen | GenAI - Einsaz von künstlicher Intelligenz in der Projektleitung 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0090 Batuhan Turan Batuhan Turan hat an der Hochschule Esslingen im Studiengang Technische Betriebswirtschaft- - Automobilindustrie einen Bachelor of Science erworben. Er plant, seine berufliche Laufbahn im Automotive Bereich fortzusetzen. Stefanie Straßer Stefanie Straßer ist Teamleiterin im Bereich Qualitätsmanagement für die Compact Cars bei der Mercedes-Benz AG. Ihr Team ist zuständig für die Reifegradsteuerung und die Qualitätsabsicherung für die künftigen Compact Cars. Dr. Siegfried Zürn Dr. Siegfried Zürn ist Professor für Operations Management mit den Schwerpunkten Qualitätsmanagement, Lean Management und Digital Transformation Management in der Fakultät Wirtschaft und Technik der Hochschule Esslingen. siegfried.zuern@hs-esslingen.de https: / / orcid.org / 0009-0008-9703 - 5811 gende SWOT-Analyse bietet eine strukturierte Übersicht über die internen und externen Faktoren, die bei der Implementierung von LLMs berücksichtigt werden müssen. Diese Analyse wurde durch Expertenbefragung entwickelt und durch eine detaillierte Literaturrecherche untermauert (Abbildung 6). Ausblick Durch das Konzept der Retrieval Augmented Generation (RAG) könnten Large Language Models künftig in der Projektleitung einen bedeutenden Fortschritt erfahren. RAG bietet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Daten zu nutzen, um die Leistung von LLM-Anwendungen zu verbessern. Dies könnte zu einer Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten führen. Durch die Einbindung benutzerspezifischer Daten als Kontext können diese Systeme präzisere und relevantere Antworten liefern. Außerdem eröffnet die Verwendung von RAG die Möglichkeit, Chatbots so zu gestalten, dass sie konform mit Unternehmensstrategien, Compliance-Vorgaben und weiteren unternehmenskritischen Richtlinien gestaltet werden können. Zudem könnte RAG dazu beitragen, eine unternehmensspezifische, umfassende Wissensdatenbank aufzubauen, die Mitarbeitern eine schnelle und zuverlässige Informationsquelle bietet. Die Implementierung von RAG sollte daher als wichtiger Schritt in Betracht gezogen werden, insbesondere im Kontext der Eigenentwicklung von Chatbots. Literatur [1] Zürn, Siegfried; Melzer, Karin; Özdemir, Senem (2024): KI-Integration im F&E-Projektmanagement der Automobilindustrie: Leistung und Effizienz, Herausforderungen und ethische Aspekte. In Bernert, C; Scheurer, S.; Wehnes, H. (Hrsg.): KI in der Projektwirtschaft-- Eine neue Ära der Effizienz und Innovation. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag. [2] Streim, Andreas; Beerlink, Kai Pascal (2023): Deutsche Wirtschaft drückt bei Künstlicher Intelligenz aufs Tempo. Hrsg. Bitkom e. V., online verfügbar unter: https: / / www. bitkom.org / Presse/ Presseinformation / Deutsche-Wirtschaft-drueckt-bei-Kuenstlicher-Intelligenz-aufs-Tempo, Abruf 09. 04. 2024 [3] Von Känel, S. (2020). Projekte und Projektmanagement . Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. [4] Eitner, Janis; Berkler, Katrin; Köhler, Henning; Möhlmann, Roman; Tumescheit, Anne-Marie (2017): Trends für die Künstliche Intelligenz. Hrsg. Fraunhofer-Gesellschaft e. V., Online verfügbar unter: https: / / www.fraunhofer.de / content / dam / zv / de / publikationen / broschueren / Trendsfuer-die-kuenstliche-Intelligenz.pdf, Abruf 03. 04. 2024 [5] Bodenhausen, U. (2022, March). Make or Buy Strategy for AI in Automotive: How Much “Make-AI” is Necessary to Succeed? . In 22. Internationales Stuttgarter Symposium: Automobil-und Motorentechnik (pp. 385-396). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Eingangsabbildung: © iStock.com / nuttapong punna