PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0091
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2024
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Innovationsmanagement nach ISO 56002
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2024
Agnetha Florehttps://orcid.org/0000-0003-1186-2741
Catharina Würdemann
Die ISO 56002 bietet Organisationen einen strukturierten Rahmen für ein effektives Innovationsmanagement. In der Fallstudie des Zentrums für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) wurde die Norm genutzt, um ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Wichtige Methoden waren Design Thinking und OKR, um agil und kundenorientiert zu arbeiten. Herausforderungen wie Zeitdruck und komplexe Stakeholder-Strukturen konnten durch externe Unterstützung und eine agile Projektleitung gemeistert werden. Der Erfolg des Projekts zeigt, dass die ISO 56002 nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im wissenschaftlichen Kontext wertvolle Impulse für nachhaltige Innovationen liefern kann.
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57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 Eine Case Study zu einem Innovationsprojekt Innovationsmanagement nach ISO 56002 Agnetha Flore, Catharina Würdemann Für eilige Leser | Die ISO 56002 bietet Organisationen einen strukturierten Rahmen für ein effektives Innovationsmanagement. In der Fallstudie des Zentrums für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) wurde die Norm genutzt, um ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Wichtige Methoden waren Design Thinking und OKR, um agil und kundenorientiert zu arbeiten. Herausforderungen wie Zeitdruck und komplexe Stakeholder-Strukturen konnten durch externe Unterstützung und eine agile Projektleitung gemeistert werden. Der Erfolg des Projekts zeigt, dass die ISO 56002 nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im wissenschaftlichen Kontext wertvolle Impulse für nachhaltige Innovationen liefern kann. Schlagwörter | Innovation, ISO 56002, Dimensionen, Design Thinking, Projektmanagement, Agile In der heutigen dynamischen und sich ständig wandelnden Geschäftswelt ist Innovationsmanagement zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für Organisationen geworden. Dabei stehen insbesondere kleinere Unternehmen mit kleinen Teams vor großen Herausforderungen: Innovationen finden meist sporadisch statt und sind gekoppelt an einzelne Personen, die diese vorantreiben [4]. Die Internationale Organisation für Normung (ISO) hat mit der Norm ISO 56002 einen Rahmen geschaffen, der Organisationen dabei unterstützt, ein effektives Innovationsmanagementsystem (IMS) zu implementieren und zu verbessern. Dieser 2019 veröffentlichte Leitfaden führt in sieben Dimensionen die Handlungsempfehlungen für Organisationen auf. Die Besonderheit ist eine ganzheitliche Betrachtung von Organisationen und ihren Innovationsabsichten und die langfristige Ausrichtung von aufeinander abgestimmten Handlungen und einer damit verbundenen Haltung zum Chancenmanagement (siehe Abbildung-1). Aufgrund der Neuheit der ISO Norm ist die Anzahl der wissenschaftlichen Betrachtungen überschaubar, ebenso die Anzahl an veröffentlichten Use Cases [3]. Im wissenschaftlichen Kontext ist uns im deutschsprachigen Raum Stand heute kein Fall bekannt, in dem die ISO 56002 als Rahmen angewendet wurde. Mit diesem Artikel wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Implementierung eines IMS im wissenschaftlichen Kontext zu beleuchten und insbesondere auf die Herausforderungen dabei einzugehen. Das Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN), als wissenschaftliche Einrichtung, steht vor der Herausforderung, innovative Ansätze im digitalen Bereich zu identifizieren und erfolgreich umzusetzen. Die Anwendung der ISO 56002-Norm bietet dem ZDIN eine strukturierte Methode, um Innovationsprozesse zu gestalten, Risiken zu managen und die Zusammenarbeit im Innovationsprozess zu fördern. Die Fallstudie analysiert den Implementierungsprozess der ISO 56002 im ZDIN, beleuchtet Erfolge und Herausforderungen und gibt Einblicke in die erzielten Verbesserungen im Innovationsmanagement. Dabei werden auch spezifische Maßnahmen und Best Practices hervorgehoben, die das ZDIN auf dem Weg zu einer innovativen und zukunftsorientierten Institution unterstützen. Die Erkenntnisse dieser Fallstudie tragen nicht nur zum Verständnis der Anwendung der ISO 56002 im Kontext wissenschaftlicher Einrichtungen bei, sondern bieten auch einen praxisnahen Einblick in die Herausforderungen und Potenziale des Innovationsmanagements im digitalen Zeitalter und stellen damit eine Ergänzung zu den bereits veröffentlichten Use Cases aus der Wirtschaft dar. Organisationen, die eine effiziente Innovationsstrategie anstreben, können von den gewonnenen Erkenntnissen und Empfehlungen profitieren, um ihre eigenen Innovationsprozesse zu optimieren- - insbesondere, weil sich einige Parallelen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in Hinblick auf die Herausforderungen zeigen. Wissen | Innovationsmanagement nach ISO 56 002 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 1 Hintergrund und Kontext des Innovationsmanagements in der Wissenschaft vor dem Hintergrund der ISO 56002 1.1 Kontextualisierung der ISO 56002 im wissenschaftlichen Umfeld Forschung steht vor einzigartigen Herausforderungen, darunter komplexe, interdisziplinäre Zusammenhänge, hohe Unsicherheiten und den Druck, sowohl grundlegende Erkenntnisse als auch anwendungsorientierte Ergebnisse zu generieren. Die ISO 56002 bietet eine Struktur, um Innovationsprozesse in diesem spezifischen Kontext zu lenken und zu optimieren, da sie die herausfordernden Aspekte Interdisziplinarität, Ressourcenmanagement und Flexibilität bzw. Anpassungsfähigkeit integriert und so einen ganzheitlichen Rahmen für effektives und konstruktives Handeln schafft. 1.2. Ziel der Integration von ISO 56002 im wissenschaftlichen Innovationsmanagement Das Ziel dieser Fallstudie besteht darin, die Implementierung der ISO 56002 im Innovationsmanagement einer wissenschaftlichen Einrichtung zu untersuchen. Ausgangspunkt war der Wunsch nach einem ausgearbeiteten Konzept für die Weiterentwicklung von Dienstleistungen und Prozessen der Geschäftsstelle des ZDIN. Bei der Reflexion des Anwendungsfalls sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden: • Umsetzung der ISO 56002: Inwiefern wurde der Standard in den Innovationsprozessen der Einrichtung integriert und angepasst? • Herausforderungen und Chancen: Identifikation von spezifischen Herausforderungen und Chancen bei der Anwendung der ISO 56002 im wissenschaftlichen Kontext. • Verbesserungen durch ISO 56002: Bewertung, ob die Implementierung des Standards zu effektiveren Innovationspraktiken geführt hat und welche Verbesserungen erzielt wurden. Durch die Analyse dieses Kontexts soll die Fallstudie dazu beitragen, Einsichten in die Integration von ISO 56002 in das Innovationsmanagement in wissenschaftlichen Einrichtungen zu gewinnen und potenzielle Best Practices für die Branche zu identifizieren. 2. Das Innovationsmanagementsystem (IMS) als Accelerator für Innovationen? 2. 1 Die ISO 56002 als Innovations-Rahmen Die ISO 56002 ist ein internationaler Standard, der Leitlinien für das Innovationsmanagement in Organisationen bereitstellt. Er geht zum einen auf den Bedarf einer einheitlichen Struktur aufeinander abgestimmter Handlungen ein, die notwendig sind, um Innovationen kontinuierlich zu ermöglichen, bietet zum anderen zusammen mit der übergeordneten ISO 56000 eine einheitliche Definition für die Begriffe „Innovation“ und „Innovationsmanagementsystem“: Eine Innovation beschreibt hier eine „neue oder veränderte Einheit, die Wert schafft oder neu verteilt.“ (ISO 56000: 3.1.1) „Ein Innovationsmanagementsystem ist ein Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Elemente, die auf die Schaffung von Wert abzielen. Es bietet einen gemeinsamen Rahmen zum Entwickeln und Bereitstellen von Innovationsfähigkeiten, Beurteilen von Leistung und Erreichen von beabsichtigten Ergebnissen.“ (ISO 56002: 2019) Hierzu führt die ISO 56002 sieben ineinandergreifende Dimensionen auf. Zu den Sieben Dimensionen des Innovationsmanagements nach ISO 56002 gehören: 1. Führung: Ein starkes Engagement der Führungsebene für Innovation und die Integration von Innovationszielen in die Unternehmensstrategie. 2. Kontext der Organisation: Die Berücksichtigung von internen und externen Einflussfaktoren, die das Innovationspotenzial beeinflussen. Abbildung 1: Kihlander, Ingrid; Magnusson, Mats; Karlsson, Magnus (2024): Critical Factors to Consider When Designing an Innovation Management System. In: Research- Technology Management 67 (3), S. 34 - 43. DOI: 10.1080 / 08 956 3 08.2024.2 323 893. Wissen | Innovationsmanagement nach ISO 56 002 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 3. Planung: Die Entwicklung einer Innovationsstrategie, die klare Ziele, Ressourcenallokation und Risikomanagement umfasst. 4. Unterstützende Strukturen: Die Schaffung einer Organisationsstruktur, die Innovation fördert und den Innovationsprozess unterstützt. 5. Betriebsführung: Die Integration von Innovationsmanagement in normale betriebliche Abläufe. 6. Bewertung und Verbesserung: Die kontinuierliche Bewertung der Innovationsleistung und die Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen [1]. 2.2. Innovationsmanagement im wissenschaftlichen Kontext Innovationsmanagement im wissenschaftlichen Kontext bezieht sich auf die gezielte Steuerung von Innovationsprozessen in Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Es umfasst die Planung, Umsetzung und Kontrolle von Aktivitäten, die darauf abzielen, neue Ideen, Technologien oder Methoden zu entwickeln und erfolgreich in die wissenschaftliche Praxis zu integrieren. Im Fokus steht dabei die Förderung von Kreativität, die Optimierung von Ressourcennutzung und die Schaffung eines Umfelds, das Innovationen begünstigt. Das ZDIN als langfristig angelegtes Forschungsprojekt und wissenschaftliche Einrichtung steht auf Grund der hohen Anzahl der Konsortialpartner und der sich daraus ergebenden Interdisziplinarität vor der Herausforderung, die unterschiedlichen Bedürfnisse der heterogenen Stakeholder zu bündeln und miteinander zu verweben. Die ISO 56002 ist auf Grund seiner Branchenoffenheit daher ein geeignetes Framework für interdisziplinäre Strukturen. 2.3 Ausgewählte Dimensionen des IMS & Methoden Das Innovationsmanagementsystem (IMS) nach ISO 56002 bildete die Klammer für den Weiterentwicklungsprozess. Innerhalb des Weiterentwicklungsprozesses waren vorrangig drei der sieben Dimensionen von Bedeutung: Die Dimension „Kontext der Organisation“ als zu betrachtender und einzubindender Aspekt, die Dimension „Prozess“ als operativer Aspekt i. S. d. tatsächlichen Entwicklung des vorliegenden Konzepts sowie die Dimension „Führung“, in der der Einbezug und die Kommunikation mit Führungspersonen der unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen fokussiert wurde. Diese Vorgehensweise ermöglichte dem Team eine ganzheitliche Sicht auf die im Pitch-Paper vorgestellten Dienstleistungen mit dem Ziel der Entwicklung eines „Minimum Viable Product“ (MVP), das auf die Wertsteigerung des ZDIN abzielt. Darüber hinaus können innerhalb des IMS verschiedene Methoden bzw. Tools miteinander kombiniert werden, was sich insofern positiv auf das Resultat auswirkt, als es alle Bezugspunkte einfließen lässt. 3. Fallstudie: Innovationsmanagement am Beispiel des ZDIN Grundsätzlich ist Innovationsmanagement- - wenn es einmal in einer Organisation etabliert ist- - ein begleitender, Dauer währender Prozess. Allerdings gibt es auch immer Situationen, in denen Innovationen projekthaft durchgeführt werden können. Das sind z. B. zum einen die Einführung, eines Innovationsmanagementsystems in die Organisation und zum anderen gezielt angestoßene und durchgeführte Innovationen auf einen speziellen Zweck hin. Im vorliegenden Fall handelt es sich um zweiteres. Es wurde also ein Projekt initiiert zur Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells. Projektleitung hat dabei die Geschäftsführung des ZDIN übernommen und das Team der Geschäftsstelle war das Projektteam, zusätzlich begleitet und unterstützt durch einen externen Dienstleister. Das Projekt lief über ca. vier Monate „on the job“ für die Geschäftsstelle des ZDIN und hatte als harte Deadline einen Abgabetermin für ein fertiges Weiterentwicklungskonzept. 3.1. Vorbereitung auf das Projekt Es wurden zu Beginn die vorliegenden Ressourcen und Kompetenzen im Team eruiert, ob damit das Projekt in der vorgeschriebenen Zeit umgesetzt werden kann. Es sollte zur Unterstützung der Arbeit mit der ISO 56002 ein externer Dienstleister beauftragt werden. Dieser wurde von der Geschäftsführung mit dem Vorstand gemeinsam ausgesucht und beauftragt. Ebenso gab es viele Vorgespräche mit dem Team, um die Priorisierung von Aufgaben aufgrund der Kürze der Zeit zu thematisieren und zu lösen. Gut und wichtig war der Projektleitung dabei, dass es die Fürsprache vom Vorstand gab, damit alle anderen Aufgaben, die nicht zwingend notwendig waren, runter priorisiert werden konnten. Zu Beginn des Projektes gab es einen Kickoff mit dem externen Dienstleister zum gegenseitigen Kennenlernen und Vertrauen aufbauen. Da das Projekt agil durchgeführt werden sollte- - was für einige Mitarbeitende neu war- - gab es auch zu Beginn des Projekts eine umfangreiche Einführung in die Methode Object & Key Results (OKR), mit der im Laufe des Projekts gearbeitet werden sollte. Für jeden Sprint wurde in kleineren Teams jeweils an einem im Team entwickelten OKR gearbeitet. Wichtig war es dem Projektteam von Anfang an, ein Konzept zu entwickeln, welches den Kundennutzen im Fokus hat. Auch dafür war das agile Vorgehen bestmöglich geeignet. 3.2. Bedürfnisorientierte Lösungsentwicklung mit ausgewählten Methoden Zu Beginn des Projekts hat sich die Geschäftsstelle des ZDIN eingehend der Dimension „Kontext der Organisation“ gewidmet und dazu eine SWOT-Analyse durchgeführt und eine umfassende Stakeholder-Matrix erarbeitet. Während die Stakeholder-Analyse den gesamten Forschungsverbund des ZDIN-Netzwerks umfasste, fokussierte die SWOT-Analyse vorrangig die Stärken und Schwächen der Geschäftsstelle. Die Kernergebnisse der SWOT-Analyse halten fest, dass die Stärke der ZDIN-Geschäftsstelle das umfangreiche Knowhow und die Professionalität des Teams darstellt, während die größte Schwäche die Abhängigkeit von externen Faktoren bildet. Daraus ergeben sich Chancen in Hinblick auf das Weiterentwicklungskonzept und einer damit verbundenen Neu-Definition des Produktportfolios beim möglichen Besetzen einer Marktnische. Innerhalb der Dimension „Prozess“ als operativer Aspekt hat die Geschäftsstelle zusammen mit dem externen Dienstleister auf zwei Methoden gebaut: Für die Entwicklung des MVP wurde Design Thinking und zur Gewährleistung eines effizienten und zielgerichteten Arbeitens wurde- - wie zuvor bereits genannt-- das OKR- Modell (Objectives & Key Results) eingesetzt. Beide Modelle lassen sich äußerst effizient verbin- Wissen | Innovationsmanagement nach ISO 56 002 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 den und sind Methoden-offen. Das Team der Geschäftsstelle hat folgende Schritte zur Entwicklung des MVP eingesetzt: 1. Definition der Zielgruppen und Dienstleistungen: Um die Zielgruppen und deren Bedarfe für Dienstleistungen der Koordinierungsstelle zu ermitteln, führte die Koordinierungsstelle zwölf narrative Interviews mit Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen aus den unterschiedlichen Forschungsdisziplinen des ZDIN von je ca. 30 Minuten durch. Die Auswahl der Interviewpartner*innen erfolgte randomisiert. Auf Basis der Interviews entwickelte die Geschäftsstelle einen Fragebogen für eine quantitative Online-Befragung, um dem gesamten Forschungsverbund die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung zu Zielgruppen und Dienstleistungen zu äußern. An dieser quantitativen Befragung beteiligten sich insgesamt 80 Personen, darunter Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen aller sieben Zukunftslabore. 2. Definition des Problemraums: Auf Basis der narrativen Interviews, der quantitativen Befragung und bisherigen Erfahrungswerte der Geschäftsstelle wurden für die relevanten Zielgruppen „Problem Statements“ formuliert. Aus diesen „Problem Statements“ gehen die Bedürfnisse und Probleme der Zielgruppen hervor, die die Geschäftsstelle mit ihren Dienstleistungen abdecken wird. 3. Wettbewerbsanalyse: Um sich einen Überblick über Akteure mit ähnlichen Zielen und Dienstleistungen zu verschaffen, wurde eine Wettbewerbsanalyse durchgeführt. Daraus wurden mögliche Bedarfe und Handlungsfelder für Dienstleistungen der Geschäftsstelle abgeleitet. 4. Ideenfindung: Aus den im Prozess gewonnenen Ergebnissen hat die ZDIN-Geschäftsstelle erste Ideen für konkrete Dienstleistungen mithilfe von ausgewählten Methoden des Design Thinking („Disney Methode“, [a]Brainstormings) entwickelt. Diese Ideen wurden mit „Value Proposition Canvas“ [b] konkretisiert. Dabei wurden für jede Zielgruppe die Bedürfnisse, Probleme und mögliche passende Dienstleistungen der Geschäftsstelle zusammengetragen und somit ein bedürfnisorientiertes Nutzenversprechen für die Zielgruppen geschärft. Der letzte Schritt bildete die Entwicklung eines Business Model Canvas [c]. Da es sich bei dem Weiterentwicklungskonzept nicht um die Entwicklung eines Geschäftsmodells handelt, wurden Aspekte, die auf Monetarisierung abzielen, folgerichtig ausgespart. Alle Handlungen wurden eingebettet in ein OKR Framework (Objectives and Key Results). Hierdurch wurde gewährleistet, dass Arbeitsfortschritte transparent und sichtbar gehalten werden konnten. Im zusätzlichen wöchentlichen Meeting (weekly) wurden Arbeitsfortschritte besprochen und Herausforderungen erläutert, so dass Unterstützung durch Führung und/ oder Teammitglieder möglich wurde. 4. Analyse der Ergebnisse und Diskussion Der gesamte Prozess der reinen Konzeptentwicklung lief über einen Zeitrahmen von vier Monaten, der Beginn der Implementierung von ausgewählten Aspekten des IMS begann fünf Monate im Voraus. Es war gut, dass diese vorbereitende Zeit zur Verfügung stand, da das Projekt sonst nicht in der Kürze der Zeit hätte umgesetzt werden können. Eine große Herausforderung war die Kürze der Zeit und die Tatsache, dass das Projekt „on the job“ durchgeführt werden musste. Damit dies überhaupt gelingen konnte, waren verschiedene Erfolgsfaktoren wesentlich. Zum einen war es gut eine externe Unterstützung zu haben, mit Erfahrung im Umgang und den Methoden der ISO 56002. Neben den vielen Kreativitätstechniken, die genutzt wurden, waren auch die Methoden wie Object & Key Results (OKR), Business Model Canvas (BMC)und Value Proposition Canvas (VPC) zielführend. Zum anderen war es folgerichtig, das Projekt agil durchzuführen, um den Kundennutzen immer im Fokus zu haben und schnell ein Kundenfeedback zu bekommen. Bspw. wurde im Laufe des Projekts eine neue Idee für ein Veranstaltungsformat entwickelt, welche im Rahmen des Value Proposition Canvas bearbeitet, ein Prototyp entwickelt und den Kunden für Feedback vorgelegt wurde. Das gegebene Feedback konnte sofort wieder in den nächsten Sprintzyklus mit einfließen. Ein weiterer Erfolgsfaktor war es auch, eine Projektleitung mit viel Erfahrung besonders auch im agilen Vorgehen mit Projekten zu haben. Dadurch konnte adäquat die Rolle des Scrum Masters eingenommen werden, das Team begleitet, unterstützt und gecoacht werden. Aber auch die Einflüsse von außen möglichst gering gehalten werden. Dies kam dem Team zugute, da der Zeitdruck erheblich war [5]. Das Framing durch die ISO 56002 und dahingehend die Fokussierung ausgewählter Dimensionen stellte die zielgerichtete Vorgehensweise sicher. Des Weiteren konnten die einzelnen Teammitglieder ihre spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen, so dass verschiedene Perspektiven einbezogen werden konnten. Insbesondere die Relevanz des Verständnisses von Bedürfnissen der Stakeholder wurde in der Phase „Empathize“ des Design Thinking deutlich und gab den Teammitgliedern Sicherheit, die Ideenansätze auch nach außen zu vertreten. Innerhalb der Phase „Ideation“ ist es dringend erforderlich, aufeinander abgestimmte Methoden zu wählen-- so führte die Disney Methode in Verbindung mit der Value Proposition Canvas zu Unstimmigkeiten im Prozess, was sich darin zeigte, dass Ideen aus der Disney Methode im „luftleeren Raum“ standen und nicht in den Kontext eingearbeitet wurden. Als aktivierende Methode und zur Förderung der Kreativität eignet sich die Disney Methode dagegen sehr gut. Es wurde deutlich, dass die Workshopbzw. Prozessleitende Person sich zum einen sehr gut auf die Dynamiken des Teams einstellen muss, d. h. empathisch, reflektiert und agil handeln muss und gleichzeitig durch fortwährende Transparenz und Methodenkompetenz einen Raum der Sicherheit schaffen muss, in der es jedem Teammitglied möglich wird, seine Kompetenzen bestmöglich einzubringen. Dies deckt sich mit der Beobachtung von Weber et al. [6], die innerhalb des Projekts InnoDiZ [4] die Relevanz von Sozialkompetenz in Kombination mit Methodenkompetenz beim Innovationsmanagement herausgearbeitet haben [6]. Dies geht auch einher mit der Beobachtung von Gina Colarelli O'Connor und Peter Robbins, dass Innovationsmanagement als eigenständige Profession in Organisationen verankert werden sollten. Hierfür bedarf es eines einheitlichen Verständnisses von Fähigkeiten und Kompetenzen des*der Innovationsmanager*in und demzufolge der Ausbildung [4]. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich, um dahingehend weitere Forschung bezüglich passender, aufeinander Wissen | Innovationsmanagement nach ISO 56 002 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 abgestimmter Innovationsmethoden und den Fähigkeiten von Innovationsmanager*innen zu erhalten. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit des Prozesses: Dadurch, dass die ISO 56002 hier anlassbezogen angewandt wurde und im Nachgang keine Ressourcen für eine verantwortliche Person zur kontinuierlichen Durchführung des Innovationsmanagementsystems vorhanden waren, blieb es hier bei dem projektbezogenen Einsatz der ISO 56002, was konträr zu seiner eigentlichen Ausrichtung steht, da sie ebenso wie z. B. die ISO 21 500 Projektmanagement oder ISO 9001 Qualitätsmanagement als kontinuierliche Handlungen in der Organisation eingesetzt werden soll. Fazit Die Fallstudie zeigt, dass die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, wie sie in wissenschaftlichen Einrichtungen häufig vorkommt, besondere Anforderungen an das Innovationsmanagement stellt. Die ISO 56002 hilft, diese Komplexität zu bewältigen, indem sie Strukturen zur Koordination schafft. Die erfolgreiche Anwendung von agilen Methoden wie OKR und Design Thinking unterstreicht die Relevanz von Flexibilität und schnellem Feedback in Innovationsprozessen. Agile Ansätze ermöglichen es, auch unter Zeitdruck schnelle Fortschritte zu erzielen. Die Durchführung einer detaillierten Stakeholder-Analyse verdeutlicht, wie wichtig es ist, alle relevanten Akteure frühzeitig einzubinden, um deren Bedürfnisse zu einzubinden und mögliche Konflikte zu vermeiden. Ein zentraler Punkt, der in Zukunft stärker berücksichtigt werden sollte, ist die Nachhaltigkeit der Innovationsprozesse. Ohne langfristige Ressourcen und eine feste Innovationsmanagementrolle besteht die Gefahr, dass positive Entwicklungen verpuffen. Der kontinuierliche Einsatz der ISO 56002 erfordert eine verantwortliche Person für das Innovationsmanagementsystem. Hierzu kann ein Projekt, das als initialer Treiber und Startpunkt fungiert, sinnvoll sein, da es den notwendigen „Einsatzdruck“ mit sich bringt. Bei der Initialzündung ist die Unterstützung durch eine extern beratene Person sinnvoll. Die Einbindung externer Expertise hat sich bei der Fallstudie als wertvoll erwiesen, um methodische Kompetenz und Objektivität in den Innovationsprozess zu bringen. Diese sollte neben einem breiten Methodenwissen vor allem kommunikative Fähigkeiten i. S. v. empathischer, kooperativer Leitungskompetenz mitbringen. Das gilt ebenso für den*die hausinterne*n Innovationsmanager*in. Für Unternehmen stellt sich also die Frage nach Ressourcen für das Schaffen einer Stelle „Innovationsmanager*in“, was in Hinblick auf den immer stärker werdenden Innovationsdruck sehr zu befürworten ist. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der „Readyness“ von Unternehmen für die Implementierung eines Innovationsmanagementsystems. Die ISO 56002 bietet einen strukturierten Leitfaden und kann Innovationsmanager*innen dabei unterstützen, aufeinander abgestimmte Handlungen im Unternehmen zu forcieren, die das Ziel haben, fortwährende Innovationen hervorzubringen. Das kann aber nur der Fall sein, wenn bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, der*die Innovationsmanager*in Handlungs- und Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden, die wiederum stark mit den bürokratischen Prozessen und der Vertrauenskultur in Zusammenhang stehen. Letztere steht und fällt mit dem gelebten Führungsstil, der Innovationsvorhaben in allen Dimensionen unterstützt [e]. Endnoten [a] https: / / xn--kreativittstechniken-jzb.info/ ideen-generieren/ walt-disney-methode/ [b] https: / / www.designabetterbusiness.tools/ tools/ value-proposition-canvas [c] siehe https: / / www.strategyzer.com/ library/ the-businessmodel-canvas [d] https: / / www.innodiz.com/ [e] vgl. ISO 56002 Literatur [1] Hyland, J., Karlsson, M., (2021). Towards a Management System Standard for Innovation- Letter from Standardization,Journal of Innovation Management, www.open-jim. org, 9(1), XI-XIX. [2] ISO. 2019. ISO 56002: 2019 Innovation management—Innovation management system—Guidance. International Organization [3] Kihlander, Ingrid; Magnusson, Mats; Karlsson, Magnus (2024): Critical Factors to Consider When Designing an Innovation Management System. In: Research-Technology Management 67 (3), S. 34-43. DOI: 10.1080 / 08 956 3 08.2024.2 323 893. [4] Robbins, Peter; O'Connor, Gina Colarelli (2023): The professionalization of innovation management: Evolution and implications. In: J of Product Innov Manag 40 (5), S. 593-609. DOI: 10.1111 / jpim.12 670. [5] Tuczek, H., Flore, A., Nuhn, H. F. R., and Schaffitzel, N.: A systematic approach to agile management and self-organization for a sustainable transformation of organizations. In: Ronggui, D; Wagner, R; Bodea, C. N. (Eds.) (2021): Research on Project, Programme and Portfolio Management. Projects as Arena for Self-organizing. London: Springer, 2021. [6] Weber, Sabrina & Reischl, Annika & Fischer, Stephan & Lang-Koetz, Claus. (2023). Kompetenzen für das Innovationsmanagement. Ergebnisse und Erfahrungen aus KMU. 10.1007 / 978-3-662-66992-1_7. Eingangsabbildung: © iStock.com / Korrawin Wissen | Innovationsmanagement nach ISO 56 002 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0091 Catharina Würdemann Dr. phil. Catharina Würdemann ist seit März 2019 am OFFIS tätig: Zunächst als Koordinatorin des Zukunftslabors Energie und seit Oktober 2021 als Gesamtkoordinatorin im Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen. Sie hat 10 Jahre Erfahrung in Projekten im Marketing, sowohl in der freien Wirtschaft, als auch im wissenschaftlichen Kontext. Zertifizierte Innovationsmanagerin nach ISO 56001 und 56002. Changemanagerin sowie diverse Weiterbildungen im Bereich Coaching und Kommunikation. OFFIS-- Institut für Informatik Escherweg 2 26 121 Oldenburg eMail: catharina.wuerdemann@offis.de Agnetha Flore Dr.-Ing. Agnetha Flore ist seit April 2020 im Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen tätig und hat dort im Oktober 2021 die Geschäftsführung übernommen; studierte Diplom-Kauffrau und promovierte Wirtschaftsinformatikerin; über 20 Jahre Tätigkeit in der Finanzdienstleistungsbranche; 2017 Zertifizierte Projektmanagerin (GPM); 2019 Zusatzzertifikat Hybrid+; 2019 bis 2022 Dozentin IBS Oldenburg für agiles Projektmanagement, seit 2023 Tutorin für Projektmanagement an der Wilhelm Büchner Hochschule, 2019 GPM Fachgruppe Agiles Management und seit 2021 mit in der Fachgruppenleitung tätig. Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen c / o OFFIS-- Institut für Informatik Escherweg 2 26 121 Oldenburg eMail: agnetha.flore@zdin.de ORCID: https: / / orcid.org / 0000-0003-1186 - 2741