eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 35/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2024-0098
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2024
355 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Agentenaustausch mal ganz anders

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2024
Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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76 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 05/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0098 Kolumne Agentenaustausch mal ganz anders Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg trifft Ehrlich vor dem Aufzug. „Eigentlich sollten wir die Treppe hochsteigen“, spricht Priesberg seinen Kollegen an. Ehrlich entgegnet: „Aufs Knöpfchen gedrückt ist allemal einfacher, als die vielen Stufen zu nehmen.“ Während sie auf den Aufzug warten, fängt Priesberg an zu reden: „In meinem Projekt fällt es einigen Leuten schwer, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die zu tun sind. Sie schieben wichtige Aufgaben vor sich her. Der gesamte Projekterfolg ist gefährdet.“ Der Aufzug kommt und beide steigen ein. Ehrlich antwortet: „Die beste Medizin zur Selbstüberlistung ist ein gutes Wissensmanagement im Projektteam.“ Priesberg entgegnet entsetzt: „Bitte? Wissensmanagement ist doch eine Zusatzaktivität und langweilig obendrein.“ „Wetten, dass nicht? “, widerspricht Ehrlich: „Wie wir uns selbst überlisten können, lässt sich mit dem sogenannten Direktoren-Agentenmodell [1] beschreiben. Einem Direktor, der das große Ziel im Blick hat, arbeiten verschiedene Agenten zu. Diese haben allerdings nur ihren eigenen beschränkten Horizont im Blick und der besteht aus der Maximierung des eigenen Gewinns, also der Lust.“ „So wie bei uns beiden“, fordert ihn Priesberg heraus. Beide haben den Aufzug verlassen, gehen am Ziel, einem Konferenzraum vorbei zu einer großen Dachterrasse. „Wenn es unser großes Ziel ist, Bewegungsmangel vorzubeugen, haben uns jetzt die Fortbewegungsagenten einen Strich durch die Rechnung gemacht und uns Aufzug fahren lassen. Das macht halt mehr Spaß, als mühselig Stufe um Stufe zu nehmen. Unsere Direktoren haben die Agenten wohl nicht im Griff.“ Ehrlich entgegnet: „Es geht nicht darum, die Agenten mit ‚Command and Control‘ zu steuern oder womöglich Ziele zu vereinbaren. Es geht vielmehr darum, die Agenten dorthin zu bewegen, wo sie ihren Lustgewinn maximieren und dem Direktor trotzdem nützlich sein können.“ Sie spüren die warme Herbstsonne und einen lauen Wind. Beide sind motiviert, auf der Dachterrasse ein paar Runden zu drehen. „Merkst Du was“, legt Ehrlich los: „Unser Sonnentank- Agent hat übernommen. Und dabei ganz automatisch das Ziel ‚Bewegung‘ unterstützt. Unsere Direktoren brauchten nur dafür sorgen, dass der Sonnentank-Agent schnell übernimmt.“ Sie drehen noch viele Runden und steuern etwas erschöpft den Konferenzraum an. „Und bevor der jeweilige Ausruh-Agent dafür sorgt, dass wir unsere Kalorien weiter im Schlaf verbrennen, möchte ich dich doch an dein Eingangsstatement erinnern: Was hat Wissensmanagement mit Selbstüberlistung zu tun? “ Ehrlich geht an das Whiteboard und zeichnet darauf drei Ebenen. „Das erste ist die Ziel-Ebene. Damit sollte jedes Projekt beginnen. Hier wird das Gesamtziel festgehalten, in einer einfachen Skizze oder einem Slogan. Das ist gleichbedeutend mit der Direktorenebene.“ Priesberg übernimmt: „Jetzt sehe ich den Zusammenhang“, er steht auf und nimmt Ehrlich den Stift aus der Hand: „Auf der Was-Ebene, der Ebene der Meilensteine und Komponenten, treffen sich die Agenten der Umsetzer wie auf dem Marktplatz und rangeln sich um die Einzelaufgaben, die auf der Wie-Ebene festgehalten werden.“ Ehrlich stimmt zu: „Genauso ist es. Und da die meisten Menschen Lieblingsthemen haben, an denen sie gerne werkeln, ohne vom ‚großen Ganzen‘ gestört zu werden, sollten wir sie doch gleich an dem arbeiten lassen, an dem sie am meisten Spaß haben und ihre Stärken einbringen können. Im Übrigen ist das genau der Kern des agilen Ansatzes.“ Priesberg überlegt: „Das Dreischichtmodell des Collective Mind [2] stellt also sicher, dass die Agenten im Sinne des Projektziels arbeiten….was ist mit den Menschen, die sich per se um die großen Zusammenhänge kümmern und die Details gerne außer Acht lassen? “ „Das ist doch einfach“, erläutert Ehrlich, „diese Sternengucker fühlen sich auf der Ziel-Ebene pudelwohl. Wir müssen nur sicherstellen, dass ihre Agenten nicht ständig neue Ziele anpeilen.“ „Das hört sich einfacher an, als es tatsächlich sein wird“, widerspricht Priesberg. Ehrlich schüttelt den Kopf: „Die Agenten der Sternengucker werden peinlich genau darauf achten, dass die Agenten der Umsetzer das Projektziel im Blick haben, sonst müsste ja ein neues Ziel mit dem Projektteam abgestimmt werden. Und das bedeutet Arbeit! “ „Agentenaustausch mal ganz anders-- durch die drei Ebenen sind die Agenten mit Spaß und Wissensaustausch an der Sache“, grinst Priesberg. [1] Rieck, C.: Anleitung zur Selbstüberlistung , Yes Publishing [2] Köhler, J.; Oswald A., Die Collective Mind Methode , Springer Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images